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47. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. ExxonMobil Aviation International Limited und Mitb. gegen Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_418/2007 vom 4. Februar 2008 | |
Regeste |
Art. 285 ff., 292, 331 SchKG; Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung; Anfechtung von Rechtshandlungen; Verwirkung. | |
Sachverhalt | |
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B. Am 23. Mai 2005 leitete die Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation (Klägerin) bei den Friedensrichterämtern Klage gegen ExxonMobil Aviation International Limited und 8 Mitbeteiligte (Beklagte) ein. Die Klägerin focht gestützt auf Art. 287 und Art. 288 SchKG eine von der Schuldnerin am 5. Oktober 2001 (am Tag der provisorischen Nachlassstundung) veranlasste und von der UBS AG ausgeführte Überweisung von USD 2'500'000.- an die ExxonMobil Aviation International Limited an, welche vermutlich an die übrigen Beklagten weitergeleitet worden sei. Am 2. November 2005 reichte sie beim Handelsgericht Zürich Klage ein mit dem Rechtsbegehren, dass die Erstbeklagte zu verpflichten sei, ihr USD 2'500'000.- zuzüglich Zinsen zu bezahlen; eventualiter seien die übrigen Beklagten zu (bestimmten) Teilzahlungen zu verpflichten, wobei sämtliche Beträge eventuell in Schweizer Franken zu bezahlen seien.
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C. Das Handelsgericht Zürich beschränkte das Verfahren auf die Frage, ob mit der Anfechtungsklage die Verwirkungsfrist gemäss Art. 331 SchKG gewahrt worden sei. Mit Vorurteil vom 22. Juni 2007 stellte das Handelsgericht fest, dass die Klägerin die zweijährige Verwirkungsfrist des Art. 331 i.V.m. Art. 292 SchKG bezüglich ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagten gewahrt hat.
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D. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Juli 2007 beantragen die ExxonMobil Aviation International Limited und die 8 Mitbeteiligten (Beschwerdeführer) dem Bundesgericht, es sei das Vorurteil des Handelsgerichts vom 22. Juni 2007 aufzuheben und es sei die Anfechtungsklage abzuweisen.
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Die Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation (Beschwerdegegnerin) beantragt die Abweisung der Beschwerde. Gegen das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung hat sie keine Einwände erhoben. Das Handelsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
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Mit Präsidialverfügung vom 21. August 2007 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, dass das Anfechtungsrecht nach Ablauf von zwei Jahren seit der Bewilligung der Nachlassstundung verwirke und deshalb die vorliegende Klage verwirkt sei. Dabei stützen sie sich in erster Linie auf den Wortlaut von Art. 331 Abs. 2 SchKG, welcher die Berechnung der Fristen betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen regle. Nach dieser Bestimmung werde nicht zwischen Verdachts- und Klagefristen unterschieden. Wo immer in den Art. 285-292 SchKG eine Frist an den Zeitpunkt der Pfändung oder Konkurseröffnung anknüpfe, laufe diese Frist im Falle der Anfechtung im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung seit der Bewilligung der Nachlassstundung oder des Konkursaufschubs, wenn ein solcher der Nachlassstundung vorangegangen sei. Es gebe keinen triftigen Grund, vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen, weshalb die Klage als verwirkt betrachtet werden müsse. Die Beschwerdegegnerin bestätigt die Auffassung des Handelsgerichts. Beide Parteien haben zur Begründung ihrer Standpunkte verschiedene Gutachten eingereicht.
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4. Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten (BGE 128 I 34 E. 3b S. 41). Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Insoweit wird vom historischen, teleologischen und systematischen Auslegungselement gesprochen. Bei der Auslegung einer Norm sind daher neben dem Wortlaut diese herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen (BGE 133 III 257 E. 2.4 S. 265 mit Hinweisen).
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4.1 Nach dem Wortlaut von Art. 331 Abs. 2 SchKG, der sich in den drei Amtssprachen nicht unterscheidet, ist "für die Berechnung der Fristen anstelle der Pfändung oder der Konkurseröffnung die Bewilligung der Nachlassstundung oder des Konkursaufschubes, wenn ein solcher der Nachlassstundung vorausgegangen ist, ![]() | 14 |
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Dieses Ergebnis steht in Widerspruch zu Art. 331 Abs. 1 SchKG, wonach die vom Schuldner vor der Bestätigung des Nachlassvertrages vorgenommenen Handlungen der Anfechtung unterliegen (Art. 331 Abs. 1 SchKG): Die während der Dauer der Nachlassstundung vorgenommenen Handlungen sind anfechtbar, wobei die Anfechtung auch möglich ist, wenn während der Stundung sowohl der Sachwalter als auch der Nachlassrichter einem Geschäft zugestimmt haben (LORANDI, Genehmigungsbedürftige Geschäfte während der Nachlassstundung [Art. 298 Abs. 2 SchKG], ZZZ 2004 S. 105 und106). Folgte man der Auffassung der Beschwerdeführer, könnten Handlungen während der Nachlassstundung zwar anfechtbar sein, aber nicht angefochten werden, weil die Klage bereits verwirkt ist; überdies würden Gläubiger in einem Nachlassverfahren mit vorangegangenem Konkursaufschub benachteiligt. Dieses aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften fliessende Ergebnis stellt einen triftigen Grund für die Annahme dar, dass Art. 331 Abs. 2 SchKG die Verwirkungsfrist nicht regelt.
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4.3.3 Die Beschwerdeführer halten demgegenüber fest, dass die Nachlassstundung nur in Extremfällen die Maximaldauer erreichen würde; in der Praxis würden sich bei einem Beginn der Anfechtungsfrist im Zeitpunkt der Bewilligung der Nachlassstundung keine Probleme stellen; die Berücksichtigung von Extremfällen sei ![]() | 22 |
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4.4.1 Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Art. 286-288 SchKG entzogen worden sind (Art. 285 Abs. 1 SchKG), und mit der Verwirkung des Anfechtungsrechts nach Ablauf von zwei Jahren (Art. 292 SchKG) soll der Zustand der Rechtsunsicherheit begrenzt werden (BAUER, a.a.O., N. 1 zu Art. 292 SchKG). Wenn Art. 331 Abs. 2 SchKG auch für die Verwirkungsfrist gelten würde bzw. die Bewilligung der Nachlassstundung fristauslösend wäre, hätten die Liquidatoren, welche nach Bestätigung des Nachlassvertrages das abgetretene Vermögen zu liquidieren haben (Art. 319 Abs. 3 und 4 SchKG), weniger als zwei Jahre Zeit, um durch Anfechtung Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zuzuführen, sofern das Anfechtungsrecht nicht bereits im Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrages verwirkt ist. Das Gleiche gilt für die Gläubiger, wenn ihnen - nach einem Verzicht auf Geltendmachung des Anspruchs durch die Liquidatoren ![]() | 24 |
Dies ist mit dem Zweck der Anfechtung nicht vereinbar. Diese soll nicht nur Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zuführen, die ihr durch eine anfechtbare Rechtshandlung entzogen worden sind, sondern auch - unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen - die Gleichbehandlung der Gläubiger gewährleisten. Im Konkurs gilt grundsätzlich das Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger, ebenso im gerichtlichen Nachlassvertrag als einem Konkurssurrogat (BGE 50 II 501 E. 2 S. 504; BGE 105 III 92 E. 2a S. 94; vgl. AMONN/WALTHER, a.a.O., § 35 Rz. 3, § 53 Rz. 12). Es gibt keinen sachlichen Grund, die Gläubiger beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung schlechter zu stellen als die Gläubiger im Konkurs oder - umgekehrt formuliert - die Anfechtungsgegner beim Nachlassvertrag günstiger zu stellen als die Anfechtungsgegner beim Konkurs. Vielmehr ergibt sich aus dem Zweck des Gesetzes, dass dem Liquidator beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung - wie der Konkursverwaltung im Konkurs - ebenfalls zwei volle Jahre zur Verfügung stehen sollen (vgl. SCHÜPBACH, a.a.O., N. 70 zu Art. 292 SchKG), um die Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Der Zweck der Norm spricht gegen die Auffassung, dass Art. 331 Abs. 2 SchKG auch auf die Verwirkungsfrist gemäss Art. 292 SchKG verweist.
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Die während der Dauer der Nachlassstundung vorgenommenen Handlungen unterliegen - wie dargelegt (E. 4.3.2) - der Anfechtung (Art. 331 Abs. 1 SchKG); dies gilt auch dann, wenn der Sachwalter oder der Nachlassrichter einem Rechtsgeschäft zugestimmt haben (Art. 298 Abs. 2 SchKG). Eine Anfechtung ist verfahrensrechtlich jedoch nur möglich, sofern es zu einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung kommt (Art. 331 SchKG). Während der
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5. Vorliegend ist unstrittig, dass der Liquidator vor Ablauf von zwei Jahren seit der rechtskräftigen Bestätigung des Nachlassvertrages Anfechtungsklage gegen die Beschwerdeführer eingereicht hat. Wenn das Handelsgericht festgestellt hat, dass die Klägerin die Verwirkungsfrist gemäss Art. 331 i.V.m. Art. 292 SchKG gewahrt hat, stellt dies keine Verletzung von Bundesrecht dar.
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