![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
65. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Konsumenteninfo AG und Editions Plus S.à.r.l. gegen ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_275/2011 / 5A_276/2011 vom 8. August 2011 | |
Regeste |
Art. 28g ff. ZGB; Berichtigung des Medienunternehmens. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Der "K-Tipp" ist ein deutschsprachiges Konsumentenmagazin und erscheint alle vierzehn Tage mit insgesamt zwanzig Ausgaben im Jahr als Zeitschrift und auf Internet ("www.ktipp.ch"). Er wird von der Konsumenteninfo AG (Beschwerdeführerin 1) herausgegeben. Das vergleichbare Konsumentenmagazin in französischer Sprache heisst "Bon à savoir". Die Editions Plus S.à.r.l. (Beschwerdeführerin 2) ist die Herausgeberin der Zeitschrift "Bon à savoir" mit ![]() | 2 |
A.b Die Ergebnisse der Umfrage wurden im "K-Tipp" vom 8. September 2010 (Ausgabe Nr. 14) unter der Rubrik "Aktuell" (S. 6 f.) und auf der Website jeweilen mit dem Titel "Service: Die Assura auf dem letzten Platz" veröffentlicht. Unter dem Zwischentitel "Grösste Absteigerin ist die Sympany/ÖKK" heisst es, was folgt:
| 3 |
Dagegen rutschte die letztjährige Siegerin Visana auf den siebten Platz ab. Auch die Sympany/ÖKK kam bei ihren Kunden schlechter weg als im Vorjahr und landete auf dem zehnten Rang. Allerdings ist zu beachten, dass gerade die beiden grössten Absteigerinnen bei den ziemlich zufriedenen Kunden markant zugelegt haben (Visana 15 Prozentpunkte, Sympany/ÖKK 26 Prozentpunkte).
| 4 |
In einer Rangliste der Krankenkassen mit der Bewertung "sehr zufrieden" wurden die Firmenlogos "Sympany/ÖKK" mit 49 % auf dem zweitletzten von elf Plätzen verzeichnet.
| 5 |
A.c Unter dem Titel "Certaines caisses vous ont déçus" wurden die Ergebnisse der Umfrage im "Bon à savoir" vom 10. September 2010 (Ausgabe Nr. 9, S. 19) und auf der Website veröffentlicht. Unter dem Zwischentitel "Classement des caisses" steht Folgendes geschrieben:
| 6 |
En revanche, Visana et Sanitas, qui étaient en tête de peloton l'an dernier, n'apparaissent qu'en 7e et 6e positions. De même, ÖKK/Sympany passe de la 5e à la 10e position.
| 7 |
In einer Rangliste der Krankenkassen mit der Bewertung "très satisfait" wurden die Firmenlogos "Sympany/ÖKK" mit 49 % (Vorjahr: 67 %) auf dem zweitletzten von elf Plätzen verzeichnet.
| 8 |
B. Die ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (ÖKK oder Beschwerdegegnerin) verlangte am 10. und 14. September 2010 von den Beschwerdeführerinnen eine Gegendarstellung. Sie reichte einen zu veröffentlichenden Text ein und machte insbesondere geltend, ÖKK und Sympany seien zwei unabhängige Unternehmen und dürften bei der Umfrage und/oder Auswertung über die Kundenzufriedenheit nicht gleichgesetzt werden. Die Beschwerdeführerinnen schlugen vor, dass die jeweilige Redaktion die Sache von sich aus mit einem eigens verfassten Text präzisiere. Die Beschwerdegegnerin lehnte den Vorschlag ab. Die Berichtigung der ![]() | 9 |
C. Mit Gesuchen vom 30. September 2010 beantragte die Beschwerdegegnerin die gerichtliche Anordnung ihrer Gegendarstellungen. Die Beschwerdeführerinnen stellten die Anträge, auf die jeweiligen Gesuche nicht einzutreten, eventuell die Gesuche abzuweisen. Das Bezirksgericht hiess die Gesuche gut. Es verpflichtete die Beschwerdeführerin 1, in der nächstfolgenden Ausgabe des "K-Tipp" unter der Rubrik "Aktuell" sowie auf der Website "www.ktipp.ch" zum Artikel "Service: Die Assura auf dem letzten Platz" vom 8. September 2010 die verlangte Gegendarstellung zu publizieren. Das Bezirksgericht verpflichtete auch die Beschwerdeführerin 2, in der nächstfolgenden Ausgabe des "Bon à savoir" sowie auf der Website "www.bonasavoir.ch" zum Artikel "Certaines caisses vous ont déçus" vom 10. September 2010, den eingereichten Gegendarstellungstext zu publizieren. Die Beschwerdeführerinnen rekurrierten an das Kantonsgericht, das die Rekurse abwies. Mit Beschwerden in Zivilsachen erneuern die Beschwerdeführerinnen ihre im kantonalen Verfahren gestellten Anträge. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 ab, heisst hingegen die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 teilweise gut, was die gerichtlich angeordnete Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf der Website "www.bonasavoir.ch" anbetrifft.
| 10 |
(Zusammenfassung)
| 11 |
Aus den Erwägungen: | |
3. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass sie als Medienunternehmen mit der raschen Veröffentlichung einer Berichtigung ("Präzisierung der Redaktion") den Gegendarstellungsanspruch der Beschwerdegegnerin erfüllt hätten. Damit sei das schutzwürdige Interesse der Beschwerdegegnerin an der Veröffentlichung einer Gegendarstellung entfallen. Beharre sie gleichwohl darauf, verhalte sich die Beschwerdegegnerin rechtsmissbräuchlich. Die Beschwerdegegnerin entgegnet, eine redaktionelle Berichtigung, die nach ![]() | 12 |
13 | |
14 | |
15 | |
4.2.1 Veröffentlicht das Medienunternehmen eine Berichtigung erst nach Eintreffen der Gegendarstellung, wird darin teilweise eine Umgehung des Gegendarstellungsrechts erblickt. Nach dieser Auffassung bezweckt das Recht auf Gegendarstellung, dass die betroffene Person auch ihren Standpunkt zur Geltung bringen kann. Allein schon aus dieser Zwecksetzung wird geschlossen, dass der Gegendarstellungsanspruch nicht durch eine eigene Berichtigung des Medienunternehmens unterlaufen werden kann. Die blosse Berichtigung durch das Medienunternehmen ist auch nicht als Gegendarstellung gekennzeichnet, wie das Art. 28k Abs. 2 ZGB vorschreibt. ![]() | 16 |
17 | |
18 | |
4.3.1 Auszugehen ist vom Zweck des Institutes. Im Unterschied zum allgemeinen Schutz der Persönlichkeit gemäss Art. 28 Abs. 1 ZGB ist das Gegendarstellungsrecht nicht an den Nachweis einer widerrechtlichen Verletzung gebunden. Es soll dem Betroffenen ermöglichen, unabhängig von einem solchen Nachweis und wenn immer möglich ohne Anrufung des Gerichts einer Tatsachendarstellung, die ihn in seiner Persönlichkeit berührt, eine eigene Version ![]() | 19 |
20 | |
4.4 Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Berichtigung des Medienunternehmens ein Beharren des Betroffenen auf seinem Gegendarstellungsrecht als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen kann, ist anhand sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Allerdings ist offenbarer Rechtsmissbrauch nur mit Zurückhaltung anzunehmen und im Zweifel das formelle Recht zu schützen (allgemein: Urteil 5A_655/2010 vom 5. Mai 2011 E. 2.2.1, mit Hinweis insbesondere auf HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, N. 90 zu Art. 2 ZGB; vgl. BGE 123 III 145 E. 3b S. 150). Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Berichtigung des Medienunternehmens im Unterschied zu den vorgenannten "Interview-Fällen" nicht den Standpunkt des Betroffenen wiedergibt ![]() | 21 |
4.5 Gemäss Art. 28k Abs. 1 ZGB ist die Gegendarstellung sobald als möglich zu veröffentlichen, und zwar so, dass sie den gleichen Personenkreis wie die beanstandete Tatsachendarstellung erreicht. Auch wenn sich daraus - im Gegensatz zur entsprechenden Bestimmung des Vorentwurfs - nicht eine starre Pflicht ergibt, die Gegendarstellung in der gleichen Rubrik beziehungsweise auf der gleichen Seite wie die ursprüngliche Mitteilung abzudrucken, so muss es sich doch um eine vom gleichen Publikum ebenso berücksichtigte Veröffentlichungsweise handeln. Je auffälliger die beanstandete Darstellung zur Geltung gekommen ist, desto mehr rechtfertigt es sich, der Gegendarstellung die gleichen Modalitäten der Veröffentlichung zuzugestehen (vgl. BGE 123 III 145 E. 2 S. 147 ff.). Diese Voraussetzung erfüllt eine Veröffentlichung auf der Leserbriefseite nicht, wenn der beanstandete Beitrag in einer Rubrik der Sachberichterstattung erfolgt ist (vgl. BGE 119 II 97 E. 2a S. 99 f.; BGE 122 III 209 E. 2a S. 211). Neben den inhaltlichen hat diesen formellen ![]() | 22 |
23 | |
24 | |
25 | |
6.2 Die Beschwerdeführerinnen halten die Veröffentlichung der "Präzisierung der Redaktion" unter der Rubrik "Leserbriefe" gleichwohl für gerechtfertigt, weil in Printmedien die Leserbriefe zu den meistgelesenen Rubriken zählten (mit Hinweis auf SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 8 zu Art. 28k ZGB; vgl. JEANDIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 28k ZGB). Entscheidend ist indessen nach der gesetzlichen Konzeption, dass die Veröffentlichung nicht irgendeinen oder den grösstmöglichen Leserkreis erreicht, sondern die Personen, die zuvor auch die beanstandete Tatsachendarstellung gelesen haben. Wie die Beschwerdeführerinnen hervorheben, verfügt ein Konsumentenmagazin als spezialisierte Zeitschrift über eine sachthemenbezogen interessierte und damit über eine aufmerksamere und kritischere Leserschaft als eine gewöhnliche Tageszeitung (vgl. Urteil 4C.170/2006 vom 28. August ![]() | 26 |
27 | |
28 | |
29 | |
7.2 Was die Berichtigung auf der Website "www.ktipp.ch" angeht, betont die Beschwerdeführerin 1, sie habe ihre "Präzisierung der Redaktion" unmittelbar unter dem beanstandeten Artikel platziert und erst noch mit dem Zusatz "Wichtig: ÖKK und Sympany sind zwei verschiedene Versicherungsunternehmen" ergänzt. Auf Grund der ![]() | 30 |
31 | |
32 | |
7.3.2 Der Ausdruck aus der Website "www.bonasavoir.ch" vom 5. Oktober 2010 widerlegt die Behauptung der Beschwerdegegnerin, die Berichtigung befinde sich ebenfalls unter der Rubrik "Kommentare" und genüge deshalb nicht. Die Beschwerdeführerin 2 hat ihre Berichtigung vielmehr unmittelbar im Anschluss an den beanstandeten Beitrag veröffentlicht und diesen ergänzt, wie das die Beschwerdegegnerin ihr gegenüber verlangt hatte ("à le compléter"). Mehr oder Anderes hat die Beschwerdegegnerin auch im gerichtlichen Verfahren nicht verlangt und darf ihr auch nicht zugesprochen ![]() | 33 |
7.3.3 Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde gutgeheissen werden, soweit sie sich gegen die gerichtliche Anordnung der Gegendarstellung auf der Website "www.bonasavoir.ch" richtet. Die "Präzisierung der Redaktion" gibt den Standpunkt der Beschwerdegegnerin richtig wieder und entspricht auf Grund der Vorbringen und Begehren der Beschwerdegegnerin den massgebenden Veröffentlichungsvorschriften.
| 34 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |