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115. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG gegen A. und A. gegen Bank X. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_127/2012 / 4A_141/2012 vom 30. Oktober 2012 | |
Regeste |
Art. 400 Abs. 1 OR; Vermögensverwaltung durch eine Bank; Herausgabe von Vertriebsentschädigungen für Anlageprodukte. |
Verzicht des Kunden auf Ablieferung der Vertriebsentschädigung (E. 6). |
Herausgabepflicht für Bestandespflegekommissionen, die der Bank für Produkte von Konzerngesellschaften zufliessen (E. 8). | |
Sachverhalt | |
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Im Laufe des Jahres 2007 gelangte der Kläger zur Auffassung, er und seine Familienangehörigen hätten gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR Anspruch auf Information über sowie auf Herausgabe von Zahlungen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit den in ihren Depots liegenden Werten von Dritten (insbesondere Fondsanbietern) erhalten habe. Die Beklagte bestritt eine Offenlegungs- und Herausgabepflicht; sofern und soweit sie Vergütungen von Fondsanbietern erhalten habe, handle es sich dabei um Vertriebsentschädigungen für Eigenleistungen der Bank, die sie den Fondsleitungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Anlagefonds erbracht habe, weshalb ein innerer Zusammenhang mit den vom Kläger bzw. seinen Verwandten erteilten Vermögensverwaltungsaufträgen nicht gegeben sei.
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Im März 2008 traten die Mutter und die Schwester des Klägers ihm ihre Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit Wertschriften in ihren eigenen Depots sowie ihre anteilsmässigen Ansprüche als Miterbinnen betreffend Wertschriften im vormaligen Depot des Verstorbenen ab.
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B.
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B.a Am 28. Mai 2008 klagte A. beim Bezirksgericht Zürich gegen die Bank X. AG auf Zahlung von Fr. 100'000.-, zuzüglich Zins zu 5 % ab Fälligkeit der Teilforderung, unter Vorbehalt der Nachklage. Dabei wies er darauf hin, die Bezifferung der Forderung beruhe unvermeidlich auf einer Schätzung, zu der er gestützt auf einen durchschnittlichen Wert des Depots seines Vaters von 6 Mio. Fr. und der Annahme gelangte, dass die Beklagte für einen Drittel dieses Werts Retrozessionen in der Höhe von einem Prozent, d.h. Fr. 20'000.- pro Jahr, erhalten habe. Der Kläger berief sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren vor Klageeinleitung und klagte ausgehend davon einstweilen die Hälfte, also Fr. 100'000.-, ein.
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Die Beklagte bestritt sowohl einen Herausgabeanspruch als auch die Pflicht zur Rechenschaftsablegung. Für die von ihr freiwillig eingereichten Vertriebsverträge erliess das Bezirksgericht Zürich Schutzmassnahmen nach kantonalem Verfahrensrecht.
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Mit Urteil vom 26. August 2009 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.
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B.b Eine vom Kläger gegen den bezirksgerichtlichen Entscheid vom 26. August 2009 erhobene Berufung hiess das Obergericht des ![]() | 8 |
Das Obergericht bejahte einen inneren Zusammenhang zwischen den der Beklagten von konzernfremden Produktanbietern zugeflossenen sog. Bestandespflegekommissionen, die sich nach dem platzierten Volumen berechnen, und den Vermögensverwaltungsaufträgen des Klägers und dessen Familienangehörigen; diese Zahlungen seien als zusätzlich erlangte Vergütung für die erfolgreiche Platzierung der Produkte in den Kundendepots herauszugeben. Es liess den Einwand der Beklagten nicht gelten, die Bestandespflegekommissionen stützten sich auf "eigenständige, genuine Leistungen", weshalb ihnen der von der Rechtsprechung für die Anwendbarkeit von Art. 400 Abs. 1 OR geforderte innere Zusammenhang zum Vermögensverwaltungsmandat fehle. Zwar sei glaubhaft, dass die Bestandespflegekommission neben ihrem Charakter als Zusatzvergütung auch konkret anfallende Kosten für den Fondsvertrieb decke; die Beklagte habe aber bewusst keine konkreten Angaben dazu gemacht, was sie für den Vertrieb im Einzelnen aufwende, weshalb prozessual keine andere Wahl bleibe, als die auf die Depots des Klägers und seiner Familienangehörigen entfallenden Kommissionen als reine Retrozessionen zu behandeln. Entsprechendes gelte für die strukturierten Produkte, welche die Beklagte im Rahmen der Vermögensverwaltungsverträge mit dem Kläger bzw. seinen Familienangehörigen eingesetzt hat.
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Das Obergericht bejahte daher einen Herausgabeanspruch für Bestandespflegekommissionen, welche die Beklagte für sechs in den fraglichen Depots gehaltene Anlageprodukte im Zeitraum vom 29. Mai 1998 bis zum 28. Mai 2008 von Anbietern ausserhalb ihres Konzerns erhalten hatte. Es sprach dem Kläger - nachdem die Beklagte die konkret vereinnahmten Bestandespflegekommissionen im weiteren Verfahrensverlauf offengelegt hatte - den entsprechenden Betrag von Fr. 1'538.60 zu. Für Vertriebsentschädigungen, die der Beklagten von ihren Konzerngesellschaften zugeflossen waren, lehnte das Obergericht einen Ablieferungsanspruch hingegen ab.
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C. Beide Parteien haben gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Januar 2012 beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben.
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Der Kläger beantragt dem Bundesgericht im Verfahren 4A_141/2012 die Gutheissung seiner Klage unter Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 13. Januar 2012; eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht vereinigt die beiden Beschwerdeverfahren. Es weist die Beschwerde der Beklagten (4A_127/2012) ab, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerde des Klägers (4A_141/2012) heisst das Bundesgericht teilweise gut, es hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Januar 2012 auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Beschwerde der Beklagten (4A_127/2012)
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Das Entgelt, das die Beklagte als Vertriebsträgerin nach den ins Recht gelegten Verträgen von den Fondsleitungen erhält, besteht einerseits in Kommissionen für die Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen, die dem Anleger beim Kauf und Verkauf von Fondsanteilen direkt in Rechnung gestellt werden. Andererseits erhält sie als Vergütung einen Teil der von den Fondsleitungen dem Fondsvermögen - und damit indirekt sämtlichen Fondsanlegern - belasteten Verwaltungskommission (Management Fee), die periodisch, meist jährlich, für die Leitung und Verwaltung des Fonds sowie den Vertrieb der Fondsanteile erhoben wird; dieser Teil der Verwaltungskommission, der als Vergütung an Vertriebsträger fliesst, wird als Bestandespflegekommission bezeichnet. Das Herausgabebegehren des Klägers bezieht sich ausschliesslich auf die von der Beklagten erhaltenen Bestandespflegekommissionen.
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4.2 Die Beklagte verwaltet das Wertschriftendepot des Klägers, indem sie nach eigenem Ermessen Aktien, Obligationen sowie (überwiegend) Finanzprodukte (wie Anlagefonds und strukturierte Produkte) für den Kläger erwirbt und gegebenenfalls wieder verkauft. Auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag sind die auftragsrechtlichen Regeln anwendbar (vgl. BGE 137 III 393 E. 2.1 S. 395; BGE 132 III 460 E. 4 S. 463 mit Hinweisen). Der Beauftragte ist nach Art. 400 Abs. 1 OR verpflichtet, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grund zugekommen ist, zu erstatten. Die Ablieferungspflicht betrifft nicht nur diejenigen Vermögenswerte, die der Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält, sondern auch indirekte Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen. Der Beauftragte soll durch den Auftrag - abgesehen von einem allfälligen Honorar - weder gewinnen noch verlieren; er hat daher alle Vermögenswerte herauszugeben, die in einem inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen. Behalten darf der Beauftragte nur, was er lediglich bei Gelegenheit der Auftragsausführung, ohne inneren Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten erhält (BGE 138 III 137 E. 5.3.1 S. 141 f.; BGE 137 III 393 E. 2.1 S. 395; BGE 132 III 460 E. 4.1 S. 464 mit Hinweisen). ![]() | 21 |
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehören zu den indirekten Vorteilen des Beauftragten unter anderem sogenannte Retrozessionen bzw. Rückvergütungen; darunter werden etwa Zahlungen verstanden, die dem Vermögensverwalter gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung mit der Depotbank aus vereinnahmten Gebühren zufliessen. Rückvergütungen werden dem Beauftragten ausgerichtet, weil er im Rahmen des Auftrags bestimmte Verwaltungshandlungen vornimmt oder veranlasst: sie fallen im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens an und unterliegen der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (BGE 137 III 393 E. 2.1 S. 395 f.; BGE 132 III 460 E. 4.1 S. 464 f. mit Hinweisen).
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Erwägung 5 | |
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Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, von Banken vereinnahmte Vertriebsentschädigungen für Anlageprodukte wie Anlagefonds und strukturierte Produkte seien von Retrozessionen zu unterscheiden und daher nicht nach Art. 400 Abs. 1 OR herausgabepflichtig (SANDRO ABEGGLEN, "Retrozession" ist nicht gleich "Retrozession", SZW 2007 S. 128 ff.;NOBEL/STIRNIMANN, Zur Behandlung von Entschädigungen im Vertrieb von Anlagefonds- und strukturierten Produkten durch Banken, SZW 2007 S. 348; PHILIPPE MEYER, Retrozessionen, Finder's Fees und Vertriebsentschädigungen im Schweizerischen Bankgeschäft, SZW 2011 S. 188; RAPHAEL PREISIG, Der Vertrieb von Anlagefonds durch Banken, 2011, S. 159 ff.; THOMAS JUTZI, Der öffentliche Vertrieb von kollektiven Kapitalanlagen, recht 2011 S. 75; ![]() | 24 |
Andere Autoren sind demgegenüber der Meinung, dass es sich bei Vertriebsentschädigungen, die der Bank von Produktanbietern zufliessen, um herausgabepflichtige Zuwendungen handle (SUSAN EMMENEGGER, Anlagekosten: Retrozessionen im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Anlagerecht, Emmenegger [Hrsg.],2007, S. 70 ff.; FABIAN SCHMID, Retrozessionen und Anlagefonds[nachfolgend:Anlagefonds], Jusletter 21. Mai 2007 Rz. 45 ff.; ROLF KUHN, Anlagefonds und strukturierte Produkte, TREX 2009 S. 39, soweit ein Vermögensverwaltungsvertrag mit der Bank besteht; FABIEN AEPLI, Retrocessions and other Finder's Fees in the Asset Management and Investment Funds' Fields, in: Aktuelle Entwicklungen des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, Baudenbacher [Hrsg.],Bd. X, 2008, S. 34 ff.; P. CHRISTOPH GUTZWILLER, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung, 2008, S. 204 ff.; WEBER/ISELI, Vertriebsträger im Finanzmarktrecht, 2008, Rz. 390, 398; MONIKA ROTH, Retrozessionen und Interessenkonflikte - wenn der Berater in Tat und Wahrheit ein Verkäufer ist[nachfolgend: Retrozessionen], ZBJV2010 S. 533, 536 f.; vgl. dieselbe, Das Dreiecksverhältnis Kunde - Bank - Vermögensverwalter, 2007, Rz. 154 ff.).
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5.2 Die Beklagte rügt zu Unrecht, die Vorinstanz habe Art. 400 Abs. 1 OR verletzt, indem sie sich über die Auffassung der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts im Entscheid 6B_223/2010 vom 13. Januar 2011 hinweggesetzt habe, wonach keine rechtlich relevante Verknüpfung zwischen dem Auftrag des Kunden zum ![]() | 26 |
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Wann von einem inneren Zusammenhang der Zuwendung eines Dritten zur Auftragsausführung auszugehen ist, kann nicht für alle Auftragsverhältnisse ein für allemal umschrieben werden. Die mit der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR angestrebte Vorbeugung von Interessenkonflikten zur Sicherung der Fremdnützigkeit ist - neben dem damit verbundenen Grundsatz, dass der Beauftragte (abgesehen vom Honorar) durch den Auftrag weder gewinnen noch verlieren soll - der massgebende Gesichtspunkt bei der Beurteilung, ob der Vermögensvorteil dem Beauftragten infolge der Auftragsausübung oder lediglich bei Gelegenheit der Auftragserfüllung, ohne inneren Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten zugekommen ist. Bei Zuwendungen Dritter ist ein innerer Zusammenhang schon dann zu bejahen, wenn die Gefahr besteht, der Beauftragte könnte sich dadurch veranlasst sehen, die Interessen des Auftraggebers nicht ausreichend zu berücksichtigen (WALTER ![]() | 28 |
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Dass die Zuwendung nicht aus einer unmittelbar beim auftragerteilenden Kunden erhobenen Gebühr fliesst, sondern aus einer dem ![]() | 30 |
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Es ist unbestritten, dass zwischen den Parteien ein Vermögensverwaltungsverhältnis besteht, in dessen Rahmen die Beklagte gegen Entgelt eigenständig Anlageentscheide für den Kläger gefällt und unter anderem Fondsanteile sowie strukturierte Produkte erwoben und veräussert hat. Die Vermögensverwaltung unterscheidet sich von anderen Vertragsbeziehungen mit einer Bank, wie der reinen Konto-/Depot-Beziehung oder dem Anlageberatungsvertrag (vgl. BGE 133 III 97 E. 7.1 S. 102) dadurch, dass die Bank die auszuführenden Transaktionen im Rahmen der vereinbarten Anlagestrategie selbst bestimmt. Bei ihr besteht eine umfassende Interessenwahrungspflicht des Verwalters gegenüber dem Kunden (BGE 119 II 333 E. 5a S. 335; vgl. auch BGE 133 III 97 E. 7.1 S. 102). Nicht zu beurteilen ist damit, wie es sich bei anderen Vertragsverhältnissen mit der Herausgabepflicht verhält, so insbesondere, wenn die Bank Anlageprodukte lediglich auf einen entsprechenden Kundenauftrag hin erwirbt (sogenannte "Execution-Only-Beziehung"; dazu etwa ABEGGLEN, a.a.O., S. 126 ff.; EMMENEGGER, a.a.O., S. 71 f.).
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Der mit der Vergütung für die erfolgreiche Platzierung der fraglichen Finanzprodukte verbundene Anreiz, diese im Rahmen des bestehenden Vermögensverwaltungsmandats einzusetzen, steht im Zielkonflikt mit der Verpflichtung der Beklagten zur umfassenden Interessenwahrung gegenüber dem Kläger. Die Bestandespflegekommissionen sind der Beklagten im strittigen Umfang nur zugeflossen, weil ihr durch das Vermögensverwaltungsmandat vom Kläger eine Position eingeräumt wurde, die es ihr erlaubte, entsprechende Anlageentscheide selbständig vorzunehmen. Insoweit stellen sie, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, eine zusätzlich erlangte Vergütung für die erfolgreiche Platzierung der fraglichen Produkte beim Kläger dar. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Bank erlange diesen Vorteil nicht aus der Auftragsausführung für den einzelnen Kunden, sondern ausschliesslich aufgrund der Abnahme grosser Mengen und damit als Folge eines ihr zuzurechnenden Grössenvorteils (so aber NOBEL/STIRNIMANN, a.a.O., S. 348; vgl. auch ROBERTO, Herausgabepflicht, a.a.O., S. 42, der von einer Entschädigung für den "Bündelungseffekt" spricht). Eine derartige Argumentation übersieht, dass gerade durch die vermögensverwaltende Disposition über zahlreiche Vermögen die grösseren Volumen überhaupt erst ermöglicht ![]() | 34 |
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Die Beklagte bringt überdies zu Unrecht vor, solange der Vertriebsträger marktgerecht für die gegenüber der Fondsleitung erbrachte Vertriebsleistung entschädigt werde, falle eine Herausgabepflicht für die erhaltene Vertriebsentschädigung ausser Betracht. Zu beurteilen ist nicht, ob die zwischen dem Vertriebsträger und der Fondsleitung ![]() | 36 |
Allfällige Aufwendungen sind dem Beauftragten nach auftragsrechtlichen Grundsätzen gestützt auf seinen Anspruch auf Auslagenersatz (Art. 402 Abs. 1 OR) durch den Auftraggeber zu entschädigen, sofern sie nicht bereits durch das Auftragshonorar abgegolten werden (FABIAN SCHMID, Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, 2009, S. 159). Die Beklagte hat im vorinstanzlichen Verfahren nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid allerdings bewusst auf die Substantiierung konkreter Aufwendungen verzichtet, womit solche im zu beurteilenden Fall ausser Betracht fallen. Die Beklagte zeigt in diesem Zusammenhang weder eine Verletzung von Bundesrecht noch eine verfassungswidrige Anwendung kantonalen Verfahrensrechts auf; insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern der Vorinstanz eine unzutreffende Beweislastverteilung (Art. 8 ZGB) vorzuwerfen wäre. Entsprechendes gilt für die Aufwendungen für die Entwicklung, die Aufsetzung und den Vertrieb strukturierter Produkte, bezüglich derer die Beklagte im Übrigen keine eigenständigen Rügen erhebt, sondern auf ihre Ausführungen zu den Bestandespflegekommissionen für Anlagefonds verweist.
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5.8.1 Das Sonderprivat- und Aufsichtsrecht des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz, KAG; SR 951.31) bzw. des damaligen Bundesgesetzes vom ![]() | 39 |
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist nicht ausschlaggebend, dass das Kollektivanlagerecht die Verwendung eines Teils der Verwaltungskommission für den Vertrieb von Fondsanteilen als zulässig erachtet, sofern diese Vertriebsentschädigung ausdrücklich im Fondsvertrag vorgesehen ist (vgl. Art. 38 Abs. 6 der Verordnung vom 22. November 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen [Kollektivanlagenverordnung, KKV; SR 951.311]). Zu beurteilen ist nicht die Zulässigkeit der Entrichtung von Vertriebsentschädigungen durch die Fondsleitung an Vertriebsträger, sondern ein allfälliger Herausgabeanspruch des Kunden aufgrund eines bestimmten - nicht fondsspezifischen - Auftragsverhältnisses zum Vertriebsträger (vgl. auch PREISIG, a.a.O., S. 98). Die Beklagte vermag keine Bestimmungen des AFG oder des KAG aufzuzeigen, die das Verhältnis zwischen dem Anleger und dem Vertriebsträger, geschweige denn die Frage der Herausgabepflicht, in Abweichung vom allgemeinen Vertragsrecht regeln würden.
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Im Gegenteil bestehen hinsichtlich der Pflichten des Vertriebsträgers offensichtliche Ähnlichkeiten mit dem Auftragsrecht, indem auch das Kollektivanlagerecht die Vertriebsträger neben einer transparenten Rechenschaftsablegung unter anderem dazu verpflichtet, unabhängig zu handeln und ausschliesslich die Interessen der Anleger zu wahren (Art. 20 Abs. 1 KAG; vgl. EMMENEGGER, a.a.O., S. 79; ROTH, Retrozessionen, a.a.O., S. 544). Die Bank trifft im Übrigen auch als Effektenhändlerin gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG; SR 954.1) eine Treuepflicht gegenüber ihren Kunden; dabei hat sie insbesondere sicherzustellen, dass allfällige Interessenkonflikte ihre Kunden nicht benachteiligen. Die aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen organisatorischen Massnahmen zur Vermeidung einer Benachteiligung der Kunden sind dabei unabhängig von einer privatrechtlichen Herausgabepflicht zu gewährleisten. Während das Verhältnis zwischen Anleger, Fondsleitung und Depotbank ausführlich geregelt wird (vgl. Art. 6 ff. AFG, Art. 26 ff. KAG), lässt sich ![]() | 41 |
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Auch in der Lehre wird teilweise gestützt auf Art. 20 Abs. 1 lit. a KAG und Ziff. 4 Abs. 3 der SFA-Richtlinie für Transparenz bei Verwaltungskommissionen vom 7. Juni 2005 die Meinung vertreten, es sei Vertriebsträgern (wie vorliegend der Beklagten) aufsichtsrechtlich verboten, Bestandespflegekommissionen an sogenannte Endanleger (wie den Kläger) weiterzuleiten (ABEGGLEN, a.a.O., S. 132 f.; NOBEL/STIRNIMANN, a.a.O., S. 353 f.; a.M. AEPLI, a.a.O., S. 39; SCHMID, ![]() | 43 |
Inwiefern von den Regelungen in Ziff. 4 Abs. 3 und 5 der erwähnten SFA-Richtlinie auch eine Weiterleitung von Bestandespflegekommissionen des Vertriebsträgers erfasst sein soll, die sich aus der privatrechtlichen Herausgabepflicht gestützt auf ein fondsunabhängiges Auftragsverhältnis ergibt, erschliesst sich auf Anhieb ebenso wenig wie ein aus der Treuepflicht nach Art. 12 Abs. 1 AFG bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. a KAG abgeleitetes angebliches Weiterleitungsverbot (vgl. zur relativen Gleichbehandlungspflicht etwa MARKUS PFENNINGER, in: Basler Kommentar, Kollektivanlagengesetz, 2009, N. 18 zu Art. 20 KAG). Die Frage eines aufsichtsrechtlichen Verbots braucht jedoch nicht abschliessend geklärt zu werden, da auch ein solches Verbot nichts am Herausgabeanspruch des Klägers ändern würde. Es obliegt der Beklagten, ihre Verträge so zu gestalten, dass sie ihren aufsichtsrechtlichen Pflichten auch dann nachkommen kann, ![]() | 44 |
Sodann ist die Pflicht zur Herausgabe nach Art. 400 Abs. 1 OR nicht zwingend, vielmehr kann der Auftraggeber auf die Ablieferung verzichten (BGE 137 III 393 E. 2.2 S. 396; BGE 132 III 460 E. 4.2 S. 465). Der Beklagten war es demnach möglich, ihre Vertragsverhältnisse derart auszugestalten, dass sie sowohl ihren (angeblichen) aufsichtsrechtlichen Vorgaben als auch ihren vertraglichen Verpflichtungen genügen konnte. Durch eine vertragliche Regelung hinsichtlich des mit den Bestandespflegekommissionen verbundenen potentiellen Interessenkonflikts würden auch die von der Beklagten für den Fall einer Bejahung einer Herausgabepflicht befürchteten und von ihr als unhaltbar erachteten aufsichtsrechtlichen und ordnungspolitischen Ergebnisse ausser Betracht fallen. Weder in einer im Rahmen der Selbstregulierung von einer Branchenorganisation erlassenen Richtlinienbestimmung noch in einer behördlichen Äusserung in einem blossen Diskussionspapier kann ein Rechtsgrund erblickt werden, der eine Einbehaltung zugeflossener Bestandespflegekommissionen in Abweichung der privatrechtlichen Gesetzesbestimmung von Art. 400 Abs. 1 OR rechtfertigen würde.
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Dem Kläger steht demnach - unter Vorbehalt eines gültigen Verzichts - ein Herausgabeanspruch für die Bestandespflegekommissionen zu, die der Beklagten von konzernfremden Produktanbietern zugeflossen sind.
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6.1 Während sich die Beklagte im vorinstanzlichen Verfahren noch auf den Standpunkt stellte, gestützt auf den Vermögensverwaltungsvertrag mit dem Kläger vom 17. September 2006 bzw. die entsprechenden Verträge mit seinen Verwandten vom 15. März 2005, vom 16. September 2006 sowie vom 17. Dezember 2006 liege zumindest ein teilweiser Verzicht vor, beruft sie sich vor Bundesgericht zu Recht nicht mehr auf einen entsprechenden Verzicht. Vielmehr bringt sie ![]() | 48 |
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Letzterem Erfordernis wird beim Vorausverzicht auch beim Einsatz von Anlagefonds und strukturierten Produkten in der Vermögensverwaltung Genüge getan, wenn die Höhe der erwarteten Bestandespflegekommissionen in einer Prozentbandbreite des verwalteten Vermögens angegeben wird. Damit wird dem Auftraggeber ermöglicht, ![]() | 51 |
Die Vorinstanz hat daher gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR einen Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Bestandespflegekommissionen zu Recht geschützt, die der Beklagten von konzernfremden Produktanbietern ausgerichtet wurden.
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Beschwerde des Klägers (4A_141/2012)
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8.2 Die Ablieferungspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR betrifft neben denjenigen Vermögenswerten, die der Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält, auch indirekte Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung zukommen (BGE 137 III 393 E. 2.1 S. 395; BGE 132 III 460 E. 4.1 S. 464; vgl. auch ![]() | 57 |
Die Vorinstanz stützte ihre (knappe) Begründung für den Ausschluss konzerninterner Zahlungen vom Anwendungsbereich von Art. 400 Abs. 1 OR auf zwei Lehrmeinungen (HSU, a.a.O., S. 77 f., sowie NOBEL/STIRNIMANN, a.a.O., S. 347). Darin wird insbesondere argumentiert, aus Sicht des Bankkonzernrechts handle es sich bei einer Vertriebsentschädigung, die eine als Produktanbieterin (Fondsleitung oder Emittentin) fungierende Konzerngesellschaft an die mit dem Vertrieb betraute Konzerngesellschaft leistet, "nicht um eine Zahlung zwischen zwei juristisch fremden Personen". Der Bankkonzern sei eine unternehmerische Einheit; die Fremdheit sei jedoch eine Voraussetzung für die Anwendung von Art. 400 Abs. 1 OR (NOBEL/STIRNIMANN, a.a.O., S. 347; vgl. auch SANDRO ABEGGLEN, Der Bankkonzern in der Schnittmenge von Privat- und Aufsichtsrecht; zugleich zur Rechenschafts- und Ablieferungspflicht bei konzerninternen Vergütungen [nachfolgend: Bankkonzern], in: Festschrift Roland von Büren, 2009, S. 662 ff.; CERUTTI, a.a.O., S. 92). Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, formell betrachtet scheine es sich bei Vergütungen innerhalb des Konzerns oder einer Finanzgruppe teilweise um Retrozessionen zu handeln; materiell erfolge jedoch nur eine (meist) steuerlich motivierte Gewinnverschiebung von einer Einheit der Gruppe zur anderen (HSU, a.a.O., S. 78).
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Bei der Haftung können sich zwar aufgrund der Konzernrealität zum Schutz Dritter Besonderheiten ergeben (vgl. BGE 137 III 550 ff. zur Vermischung der Sphären der Mutter- und Tochtergesellschaft; BGE 124 III 297 E. 6; BGE 120 II 331 ff. betreffend erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten der Muttergesellschaft; BGE 132 III 489 E. 3.2; BGE 121 III 319 E. 5a betreffend Durchgriff infolge Rechtsmissbrauchs, wobei ein Durchgriff zugunsten der juristischen Person oder deren Gesellschafter nicht zugelassen wird). Diese wirken sich jedoch nicht zugunsten der Konzerngesellschaft aus, sondern dienen im Gegenteil dem Schutz aussenstehender Dritter. Das Vertragsrecht wirkt stets zwischen natürlichen oder juristischen Personen; mangels Rechtspersönlichkeit kann der Konzern als solcher nicht Vertragspartei sein. Auch das Steuerrecht knüpft an der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften an, während der Konzern selbst kein Steuersubjekt ist (vgl. BGE 132 I 29 E. 5.2 S. 40). Geschäfte innerhalb des Konzerns werden steuerlich so behandelt, als ob sie zwischen juristisch und wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen erfolgt wären. Nur ausnahmsweise wird der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns Rechnung getragen, etwa indem zur Verhinderung einer Dreifachbesteuerung Beteiligungserträge steuerlich begünstigt werden (VON BÜREN, a.a.O., S. 445 ff.). Im Bereich des Bankenaufsichtsrechts wird eine Finanzgruppe sodann - aus Gründen des Gläubiger- und Funktionsschutzes - ausgeprägt als Einheit behandelt (vgl. Art. 3b ff. des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen [Bankengesetz, BankG; SR 952.0]).
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Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann sich die Beklagte daher gegenüber ihrem Vertragspartner nicht einfach auf die wirtschaftliche Einheit ihres Konzerns berufen und eine Herausgabe von Bestandespflegekommissionen nach Art. 400 Abs. 1 OR für ![]() | 63 |
Unerheblich ist im Übrigen ihr Vorbringen, die konzerninterne Entrichtung von Vertriebsentschädigungen durch Fondsleitungsgesellschaften sei angeblich steuerrechtlich vorgeschrieben. Steuerliche Gründe vermögen die Transparenz- und Herausgabevorschriften im Auftragsverhältnis nicht auszuhebeln (EMMENEGGER, a.a.O., S. 73). Ebenso wenig verfängt ihr Einwand, sie hätte die konzerninternen Vertriebsentschädigungen und damit ihre Pflicht zu deren Ablieferung nicht nur aus steuerlichen, sondern auch aus regulatorischen Gründen nicht vermeiden können, weshalb eine entsprechende Anordnung höchst widersprüchlich und stossend wäre. Die Geschäftstätigkeit kann innerhalb des von der Rechtsordnung vorgegebenen Rahmens frei gestaltet werden. Die steuerrechtlichen, regulatorischen und privatrechtlichen Auswirkungen dieser Tätigkeit sind dabei in Kauf zu nehmen. Ist ein angestrebtes Ergebnis durch die (innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens) frei wählbare Vorgehens- und Organisationsweise nicht zu erzielen, so bleibt letztlich nur der Verzicht auf die Tätigkeit in der beabsichtigten Form. Abgesehen davon, dass sich aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben nicht unbesehen auf privatrechtliche Vertragspflichten schliessen lässt, kann der Beklagten ohnehin nicht gefolgt werden, weil der Herausgabeanspruch nach Art. 400 Abs. 1 OR nicht zwingend ist, sondern vertraglich darauf verzichtet werden kann, womit der Beklagten eine ![]() | 64 |
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8.5 Ein Interessenkonflikt der vermögensverwaltenden Bank besteht bei Bestandespflegekommissionen unabhängig davon, ob sie von einer konzernfremden oder einer verbundenen Gesellschaft ausgerichtet werden. Fällt eine Bank - wie vorliegend die Beklagte - im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats Anlageentscheide für den Kunden und verdient sie bei deren Platzierung mittels Bestandespflegekommissionen an den von ihr selbst getätigten Anlagen mit, sind die Kundeninteressen gefährdet. Es besteht auch beim Einsatz konzerneigener Anlageprodukte die Gefahr, dass die Bank ihre Verwaltungstätigkeit nicht im Interesse des Auftraggebers ausübt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, zusätzliche ![]() | 66 |
Mitunter wird mit Blick auf die Interessenkonflikte ins Feld geführt, Kunden hätten davon auszugehen, dass eine Bank bevorzugt eigene Produkte berücksichtigt (vgl. etwa ABEGGLEN, Bankkonzern, a.a.O., S. 684; HERBERT WOHLMANN, Arbeitsteilung im Konzern und ihre Relevanz gegenüber Dritten, SJZ 104/2008 S. 164; HSU, a.a.O., S. 79, nach dem ein Bankkunde zudem bei Drittprodukten davon ausgehen müsse, dass die Bank primär Produkte berücksichtigen werde, für die sie Vertriebsvereinbarungen abgeschlossen hat; vgl. auch das Urteil des BGH vom 19. Dezember 2006, a.a.O., E. 4a in Bezug auf Anlageempfehlungen). Dies erscheint insbesondere bei der entgeltlich erbrachten Vermögensverwaltung, bei der sich der Beauftragte zur umfassenden Interessenwahrung verpflichtet, als äusserst fraglich (vgl. EMMENEGGER, a.a.O., S. 74, die zutreffend darauf hinweist, dass der bankinterne Vermögensverwalter einer Konzernbank den Kundeninteressen genauso verpflichtet ist wie sein externes Pendant; BENICKE, a.a.O., S. 938, nach dem es mit der Interessenwahrungspflicht nicht vereinbar ist, bei gleicher Qualität der angebotenen Dienstleistungen das teurere Angebot auszuwählen, weil der Verwalter daran ein eigenes Interesse hat; vgl. auch SETHE, Treuepflichten, a.a.O., S. 141; SCHÄFER, a.a.O., § 11 Rz. 20 ff.). Jedenfalls führt dies nicht dazu, dass die mit dem Einsatz eigener Produkte verbundenen Interessenkonflikte bei der Beurteilung der Aufklärungs- und Herausgabepflicht ausser Betracht fallen. Ebenso wenig kann sich die Bank darauf berufen, es bestünden auch ohne ![]() | 67 |
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