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44. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_652/2015 vom 13. Mai 2016 | |
Regeste |
Arrestvollzug (Art. 275 SchKG); Patentschutzvertrag mit Liechtenstein; Verarrestierung von Patenten. |
Das Patent kann nach Ablauf der Schutzdauer nicht mehr als Vermögensbestandteil des Schuldners betrachtet werden, welcher durch Zwangsverwertung auf einen Dritten übertragen werden kann (E. 3.3 und 3.4). |
Schadenersatz- und Gewinnherausgabeansprüche aus Patentverletzung bestehen als selbständige Rechte und müssen spezifiziert sein, um verarrestiert werden zu können (E. 3.6). | |
Sachverhalt | |
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A.a Am 31. März 2015 erliess das Regionalgericht Bern-Mittelland als Arrestgericht auf Antrag der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch die Oberzolldirektion (Arrestgläubigerin), gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG (definitiver Rechtsöffnungstitel) einen Arrestbefehl gegenüber A. (Arrestschuldner), mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein, für eine Forderung im Umfang von Fr. 360'000.-. Als Forderungsgrund und -urkunde wurde die Parteientschädigung gemäss Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Mai 2011 genannt. Als Arrestgegenstand wurde "der Schweizer Teil des europäischen Patents EP sowie das Schweizer Patent CH, eingetragen im Patentregister auf den Namen des Schuldners, einschliesslich aller Rechte und Ansprüche daraus" bezeichnet.
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A.b Das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, hielt in der Arresturkunde vom 23. April 2015 betreffend Arrestvollzug bzw. Anzeige der Verarrestierung an das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) fest, dass die beiden Patente im Jahre 2012 bzw. 2013 nach Ablauf der 20-jährigen Schutzfrist gelöscht worden seien, weshalb der Arrest als fruchtlos erachtet werde. Das Betreibungsamt werde ohne gegenteiligen Bericht innert 10 Tagen die Verarrestierungsanzeige beim IGE zurückziehen und das Verfahren einstellen.
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B. Gegen die Arresturkunde erhob die Arrestgläubigerin betreibungsrechtliche Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Sie verlangte, dass in der Arresturkunde als verarrestierte Gegenstände aufzuführen sei, was im Arrestbefehl bezeichnet worden sei ("der Schweizer Teil des europäischen Patents EP sowie das Schweizer Patent CH, ![]() | 4 |
C. Mit Eingabe vom 24. August 2015 hat die Arrestgläubigerin Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 12. August 2015 aufzuheben und die Arresturkunde (gemäss Anträgen im kantonalen Verfahren) dahingehend abzuändern, dass die verarrestierten Gegenstände gemäss Arrestbefehl zu bezeichnen und zu schätzen seien. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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3.1 Nach der Rechtsprechung fallen sämtliche Rügen, welche die materiellen Voraussetzungen des Arrestes zum Gegenstand haben, namentlich solche, die das Eigentum oder die Inhaberschaft an den zu arrestierenden Gegenständen betreffen oder mit denen Rechtsmissbrauch geltend gemacht wird, in die Zuständigkeit des Einspracherichters gemäss Art. 278 SchKG (BGE 129 III 203 E. 2.2 und 2.3 S. 206 f.). Das Betreibungsamt hat einen Arrestbefehl daher grundsätzlich zu vollziehen, ohne die materiellen Voraussetzungen des Arrestes zu überprüfen. Nur wenn sich der Arrestbefehl als unzweifelhaft nichtig erweist, muss der Vollzug verweigert werden, denn ![]() | 9 |
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3.4 Die als Arrestgegenstände bezeichneten Patente (Schweizer Teil des europäischen Patents EP sowie das Schweizer Patent CH) sind im Patentregister des IGE am 6. September 2012 bzw. 6. September 2013 wegen Ablaufs der gesetzlichen Schutzfrist gelöscht worden. Dass die Patente erloschen sind, geht aus dem angefochtenen Entscheid hervor und wurde bzw. wird auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Mit dem Erlöschen des Patents u.a. durch Ablauf der maximalen Schutzdauer (Art. 14 PatG und Art. 63 EPÜ[SR 0.232.142.2])endet das exklusive Recht des Patentinhabers (mit Wirkung ex nunc), d.h. nach Ablauf des Patents wird die Erfindung frei verfügbar bzw. Teil des public domain: Jeder kann sie verwenden, es besteht kein absolutes subjektives Recht mehr an ihr (HEINRICH, a.a.O., N. 4 zu Art. 14 PatG; STIEGER, in: Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Bertschinger/Münch/Geiser[Hrsg.], 2002, Rz. 11.6;LUGINBÜHL, in: Patentrecht und Know-how, SIWR Bd. IV, 2006, S. 329; PERRET/AEGERTER, Brevets d'invention, SJK Nr. 519, 1995, S. 3; DUCOR, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 82 zu Art. 8 PatG). Daraus folgt ohne weiteres, dass das Patent nach Ablauf der Schutzdauer - d.h. die frei verfügbare Erfindung - nicht mehr als Vermögensbestandteil des Schuldners betrachtet werden kann, welcher durch Zwangsverwertung auf einen Dritten übertragen werden kann. Damit ein Patentrecht gepfändet bzw. verarrestiert und verwertet werden kann, muss ![]() | 12 |
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3.5.2 Mit dieser Argumentation kann die Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten. Die u.a. erwähnte Möglichkeit des Patentinhabers, auf das Patent mit Wirkung ex tunc (d.h. rückwirkend für die Schutzdauer) zu verzichten, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass nach Ablauf der Schutzdauer die Erfindung nicht gemeinfrei sei und als zwangsweise verwertbaren Vermögensbestandteil des Schuldners ![]() | 15 |
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3.7 Nach dem Dargelegten ist mit Bundesrecht vereinbar, wenn die Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, dass das Betreibungsamt den Vollzug des Arrestbefehls vom 31. März 2015 verweigern ![]() | 19 |
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