![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
76. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_240/2016 vom 13. Juni 2017 | |
Regeste |
Art. 12 lit. e und i BGFA; Erfolgshonorar; pactum de palmario; Zulässigkeit. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B. Im Mai 2012 reichte der Beauftragte beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen den Auftraggeber ein und beantragte, dieser sei zur Zahlung von Fr. 494'053.90 nebst Zins zu verurteilen. Mit Urteil vom 1. Juni 2015 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab. Es qualifizierte die Honorarvereinbarung als sittenwidrig nach Art. 20 OR, ![]() | 2 |
Auf Berufung des Beauftragten hin verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich den Auftraggeber mit Urteil vom 25. Februar 2016 zur Zahlung von Fr. 294'127.40 nebst Zins; im Mehrbetrag wies es die Klage ab. Das Obergericht ging von der Gültigkeit der Honorarvereinbarung aus, kürzte das Honorar aber ebenfalls in diversen Punkten.
| 3 |
C. Dagegen erhob der Auftraggeber beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen. Am 13. Juni 2017 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es hiess die Beschwerde gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Klage des Beschwerdegegners ab.
| 4 |
(Zusammenfassung)
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
6 | |
7 | |
Art. 12 BGFA stellt Berufsregeln für Anwälte auf. Nach dessen lit. c meiden Anwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen. Nach Art. 12 lit. e BGFA dürfen sie vor Beendigung eines Rechtsstreits mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich auch nicht dazu verpflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des Verfahrens auf das Honorar zu verzichten. Zudem klären sie nach Art. 12 lit. i BGFA ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die ![]() | 8 |
9 | |
Eine Verletzung von Art. 12 lit. e BGFA habe die Vorinstanz zu Recht nicht festgestellt. Die Vereinbarung eines (gemischten) Erfolgshonorars im Sinne eines pactum de palmario sei nach herrschender Lehre und kantonaler Gerichtspraxis zulässig. Die Honorarvereinbarung der Parteien sei somit gültig.
| 10 |
2.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 12 lit. e BGFA mit der Begründung, diese Bestimmung bezwecke den Schutz der Klienten vor Übervorteilung. Die Vereinbarung der Parteien lasse den Beschwerdegegner ohne Risiko dastehen, indem er seinen Gewinn im Erfolgsfall maximiere. Die Berücksichtigung des Verfahrenserfolgs in erheblichem Umfang laufe auf ein verpöntes Erfolgshonorar hinaus. Ein Erfolgshonorar liege nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil 2A.98/2006 vom 24. Juli 2006) jedenfalls dann vor, wenn die Bezahlung des Rechtsanwaltes vom Ausgang des ihm übertragenen Mandates abhänge und das endgültige Honorar im Zeitpunkt der Mandatserteilung noch nicht feststehe. Auch der vorinstanzliche Minderheitsantrag gehe davon aus, dass ein Anwalt mit einer solchen Honorarabsprache seine Unabhängigkeit gegenüber dem Klienten und seine Unbefangenheit gegenüber dem Verfahren verliere und der Prozess zu seiner eigenen Sache werde. Bei einem Erfolgshonorar von Fr. 350'312.95 (ohne MWSt) und einem Stundenhonorar von Fr. 441'782.- habe der Beschwerdegegner ein grosses persönliches Interesse am Verfahrensausgang gehabt. ![]() | 11 |
12 | |
13 | |
Nach Inkrafttreten des BGFA hat das Bundesgericht in einem Disziplinarverfahren zu Art. 12 lit. e BGFA erwogen, diese Bestimmung untersage Erfolgshonorare (Urteil 2A.98/2006 vom 24. Juli 2006 E. 2.1). Ein Erfolgshonorar liege jedenfalls dann vor, wenn die Bezahlung des Rechtsanwalts vom Ausgang des ihm übertragenen ![]() | 14 |
In einem obiter dictum in BGE 135 III 259 E. 2.3 S. 262 f. hat das Bundesgericht weiter erwogen, das pactum de palmario werde zunehmend anerkannt. In diesem Entscheid kam das Bundesgericht zum Schluss, es widerspreche Bundesrecht nicht, bei der Festlegung des Honorars dem durch den Anwalt erzielten Ergebnis Rechnung zu tragen. Zu überprüfen war allerdings nicht eine vor Beendigung des Rechtsstreits abgeschlossene Honorarvereinbarung, mithin weder ein pactum de quota litis noch ein pactum de palmario (so ausdrücklich E. 2.3 S. 263). Vielmehr hatten die Parteien gar keine Vereinbarung geschlossen, womit das Anwaltshonorar nach Abschluss des Rechtsstreits unter Beachtung des Genfer Anwaltsgesetzes festzusetzen war und Art. 12 lit. e BGFA keine Anwendung fand (so auch in Urteil 5A_582/2012 vom 11. Februar 2013 E. 5.5 [Überprüfung auf Willkür]). Ebenfalls in einem obiter dictum (die Parteien hatten keine Vereinbarung über das Honorar geschlossen) führte das Bundesgericht sodann aus, das Bundesrecht verbiete mit Art. 12 lit. e BGFA (nur) das pactum de quota litis und den vorgängigen Verzicht auf das Honorar bei ungünstigem Abschluss des Verfahrens (Urteil 4A_2/2013 vom 12. Juni 2013 E. 3.1.1). Im Urteil 5A_409/2014 vom 15. September 2014 E. 7.2.2.1 kam das Bundesgericht ![]() | 15 |
Erwägung 2.6 | |
2.6.1 Die herrschende Lehre spricht sich für die Zulässigkeit des pactum de palmario aus, wenn der Anwalt unabhängig vom Verfahrensausgang ein Honorar erhält, welches nicht nur seine Selbstkosten deckt, sondern ihm auch einen angemessenen Gewinn ermöglicht (vgl. Urteil 2A.98/2006 vom 24. Juli 2006 E. 2.2); untersagt sei durch Art. 12 lit. e BGFA nur die reine Beteiligung am Prozessgewinn (CHRISTOF BERNHART, Die professionellen Standards des Rechtsanwalts, 2. Aufl. 2011, S. 130; BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, N. 1597; WILHELM G. BONER, Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Anwalts nach BGFA, ZZZ 2007 S. 161; BRUNNER/HENN/KRIESI, Anwaltsrecht, 2015, N. 253; BENOÎT CHAPPUIS, La profession d'avocat, Bd. I: Le cadre légal et les principes essentiels, 2. Aufl. 2016, S. 79; LINDA DE MADDALENA, Litis causa malo more pecuniam promittere, Sulla contrarietà ai boni mores del "patto di quota lite", 2015, S. 25, 28 f.; WALTER FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz [nachfolgend: Kommentar],Fellmann/Zindel [Hrsg.], 2011, N. 120, 122 zu Art. 12 BGFA; ders., Anwaltsrecht, 2010, N. 387; JEAN HEIM, Les honoraires d'avocat en Suisse, in: Der Erfolg und das Honorar des Anwalts, 2007, S. 148; HANS NATER, Das Verbot des Erfolgshonorars - Verhinderung des Zugangs zum Recht?, in: Haftpflichtprozess 2008, Fellmann/Weber [Hrsg.], 2008, S. 35 f.;NATER/GÖTZ STAEHELIN, Zur Ausgestaltung der Honorarvereinbarung - Das Problem des "Windfalls" und des Erfolgshonorars, SJZ 103/2007 S. 473; MICHAEL PFEIFER, Übersicht und Überlegungen zum Erfolgshonorar von Rechtsanwälten, in: Das künftige Berufsbild des Anwalts in Europa, 2000, S. 75 f.; KASPAR SCHILLER, Das Erfolgshonorar nach BGFA, [nachfolgend: Erfolgshonorar 2004], SJZ 100/2004 S. 355 f.; ders., Schweizerisches Anwaltsrecht [nachfolgend: Anwaltsrecht], 2009, N. 1620; ders., ![]() | 16 |
Eine Minderheit der Lehre vertritt die Ansicht, das pactum de palmario verstosse gegen Art. 12 lit. e BGFA (DANIEL SCHWANDER, Erfolgshonorar ohne Zustimmung des Klienten?, ZBJV 145/2009 S. 590 ff.; so auch noch BEAT HESS, Umsetzung des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA] durch die Kantone, SJZ 98/2002 S. 488; der Autor lässt die Frage in einer späteren Publikation allerdings offen: BEAT HESS, Das Anwaltsgesetz des Bundes [BGFA] und seine Umsetzung durch die Kantone am Beispiel des Kantons Bern, [nachfolgend: Kanton Bern], ZBJV 140/2004 S. 112. Einen Verstoss bejahten zunächst auch noch OSCAR VOGEL und KARL SPÜHLER in der 8. Auflage [Grundriss des Zivilprozessrechts und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 8. Aufl. 2006, 5. Kapitel N. 135], nicht mehr aber KARL SPÜHLER, ANNETTE DOLGE und MYRIAM GEHRI in der 9. Auflage [Schweizerisches Zivilprozessrecht und Grundzüge des internationalen Zivilprozessrechts, 9. Aufl. 2010, 4. Kapitel N. 135]. Vgl. auch FISCHBACHER/RUSCH, Der Bruno Steiner-Fall, AJP 2013 S. 529 f., und GIOVANNI ANDREA TESTA, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, 2001, S. 216 ff., 229 ff., die das Verbot aber lockern wollen).
| 17 |
18 | |
Auch in kantonalen Anwaltsgesetzen wird als zulässig erachtet, das Honorar unter Berücksichtigung des Prozessgewinns festzulegen (vgl. ![]() | 19 |
20 | |
2.7 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm ![]() | 21 |
22 | |
Dasselbe gilt für die italienische Fassung: "Prima della conclusione di una causa, non può stipulare un accordo nel quale il suo cliente s'impegni a versargli parte dei proventi della causa anziché onorari; non può inoltre impegnarsi a rinunciare all'onorario in caso di soccombenza." Dem Einschub "als Ersatz für das Honorar" in der ![]() | 23 |
Die französische Fassung lautet wie folgt: "[L'avocat] ne peut pas, avant la conclusion d'une affaire, passer une convention avec son client par laquelle ce dernier accepterait de faire dépendre les honoraires du résultat de l'affaire; il ne peut pas non plus s'engager à renoncer à ses honoraires en cas d'issue défavorable du procès." Verboten ist danach eine vorgängig abgeschlossene Vereinbarung, "de faire dépendre les honoraires du résultat de l'affaire". Der Wortlaut der französischen Fassung von Art. 12 lit. e BGFA verbietet mithin jede Vereinbarung, welche das Honorar vom Ergebnis der anwaltlichen Bemühungen abhängig macht, und damit auch ein pactum de palmario (so auch SCHWANDER, a.a.O., S. 592). Insgesamt ergibt eine Auslegung nach dem Wortlaut der Bestimmung kein klares Bild. Allerdings fragt sich, ob der französischen Fassung dasselbe Gewicht zukommt wie der deutschen und der italienischen Fassung (dazu sogleich E. 2.7.2).
| 24 |
2.7.2 Die geltende französische Fassung von Art. 12 lit. e BGFA geht auf eine Formulierung der Redaktionskommission der Bundesversammlung zurück (vgl. dazu auch SCHWANDER, a.a.O., S. 595 f.). Im Entwurf des Bundesrates lautete die Bestimmung noch wie folgt: "[L'avocat] ne peut pas, avant la conclusion d'une affaire, passer une convention avec son client par laquelle ce dernier s'engagerait à verser à l'avocat une part du résultat de l'affaire au lieu d'honoraires; il ne peut pas non plus s'engager à renoncer à ses honoraires en cas d'issue défavorable du procès" (FF 1999 5391, Art. 11 lit. e des Entwurfs). Diese Formulierung ("au lieu d'honoraires") entsprach mithin der heutigen deutschen und italienischen Fassung. Die Änderung zum heutigen Wortlaut ("de faire dépendre les honoraires du résultat de l'affaire") erfolgte zwar vor der Schlussabstimmung (vgl. FF 2000 3377). Art. 32 Abs. 1 und 2 des damals geltenden Bundesgesetzes vom 23. März 1962 über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz; AS 1962 773) sahen aber vor, dass die Redaktionskommission materielle Änderungen unterlässt und erhebliche Textänderungen in beiden Räten vor der Schlussabstimmung erläutern lässt. Eine solche Erläuterung erfolgte nicht (vgl. die Schlussabstimmungen in National- und Ständerat: ![]() | 25 |
26 | |
Vor Inkrafttreten des BGFA war das pactum de palmario in den meisten Kantonen verboten (vgl. FELLMANN, Kommentar, a.a.O., N. 120 zu Art. 12 BGFA; ders., Anwaltsrecht, a.a.O., N. 385; FISCHBACHER/RUSCH, a.a.O., S. 529 ff.; MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 642 Fn. 37; LORENZ HÖCHLI, Das Anwaltshonorar, 1991, S. 81; FRANZ SCHENKER, Gedanken zum Anwaltshonorar, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Fellmann/Huguenin Jacobs/Poledna/Schwarz [Hrsg.], 1998, S. 145;FELIX WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, 1986, S. 165; vgl. auch HARARI/ ![]() | 27 |
28 | |
![]() | 29 |
Das Bundesgericht hat bereits in der Vergangenheit betont, wie zentral der Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und die Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit und der Unabhängigkeit der Anwaltschaft sind (BGE 123 I 12 E. 2c/aa S. 17; Urteil 2A.255/2003 vom 30. März 2004 E. 3.2; vgl. auch BGE 130 II 87 E. 4.1 S. 93). Bei Abschluss eines pactum de palmario könnte ein Anwalt, dem für den Fall eines Obsiegens im Prozess eine Erfolgsprämie versprochen ist, etwa versucht sein, einen bei neutraler Betrachtung vorteilhaften Vorschlag auf Abschluss eines Vergleichs zur Ablehnung zu empfehlen, wenn der Vergleich einen Verzicht beider Parteien auf gegenseitige Forderungen vorsieht (vgl. auch SCHWANDER, a.a.O., S. 597). Oder aber die (im Verhältnis zum Stundenhonorar viel attraktivere) Erfolgsprämie schafft den Anreiz, den Rechtsstreit möglichst bald mit einem neutral betrachtet mittelmässigen Vergleich zu beenden, obwohl mit mehr Aufwand ein für den Klienten insgesamt besseres Resultat erreicht werden könnte. Diesen Bedenken gilt es Rechnung zu tragen. Allerdings stellt sich die Frage, ob zu diesem Zweck ein Verbot des pactum de palmario erforderlich ist. Denn auch bei einer (zweifelsfrei zulässigen) Entlöhnung durch ein Stundenhonorar lässt sich ein Interessengegensatz zwischen Anwalt und Klient beim Honorar nicht verhindern. Der Anwalt wird stets an einem möglichst hohen Honorar interessiert sein, während der Klient ![]() | 30 |
Der Gefahr einer Übervorteilung kann durch eine Beschränkung der Höhe der Erfolgsbeteiligung begegnet werden. Zivilrechtlich greift zudem - bei Einhaltung der Jahresfrist - Art. 21 OR. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf Art. 12 lit. i BGFA, wonach Anwälte ihre Klienten bei Übernahme des Mandats über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung aufklären müssen.
| 31 |
2.7.5 Sind wie hier mehrere Auslegungen möglich und führen weder der Wortlaut von Art. 12 lit. e BGFA noch dessen Sinn zu einem eindeutigen Ergebnis, ist aus den verschiedenen möglichen Auslegungen jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht (vgl. oben E. 2.7). Eine Beschränkung oder ein Verbot von Erfolgshonoraren greift in die in Art. 27 BV gewährleistete Wirtschaftsfreiheit ein und muss daher den Anforderungen von Art. 36 BV genügen, insbesondere verhältnismässig (Art. 36 Abs. 3 BV) sein (vgl. BGE 131 I 223 E. 4.1 S. 230 f.; BGE 130 II 87 E. 3 S. 92 f. und E. 4.3 S. 96; Urteil 2P.318/2006 vom 27. Juli 2007 E. 8.3.2; siehe dazu auch NATER, a.a.O., S. 27 f.).
| 32 |
Wie soeben in E. 2.7.4 ausgeführt, ist ein Verbot des pactum de palmario nicht erforderlich als Massnahme gegen die Gefahr der Übervorteilung und des Verlusts der Unabhängigkeit des Anwalts. Es ![]() | 33 |
Das grundsätzlich zulässige pactum de palmario muss sich aber in gewissen Grenzen bewegen. So hat das Bundesgericht erstens bereits im Urteil 2A.98/2006 vom 24. Juli 2006 E. 2.2 festgehalten, das Verbot des (reinen) Erfolgshonorars dürfe nicht mit einer geringfügigen erfolgsunabhängigen Entschädigung unterlaufen werden; der Rechtsanwalt müsse unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ein Honorar erzielen, welches nicht nur seine Selbstkosten decke, sondern ihm auch einen angemessenen Gewinn ermögliche (vgl. oben E. 2.5). Gleichzeitig darf - zweitens - die vom Erfolg abhängige Honorarkomponente im Verhältnis zum in jedem Fall geschuldeten Honorar nicht so hoch sein, dass die Unabhängigkeit des Anwalts beeinträchtigt ist und die Gefahr einer Übervorteilung besteht. Im Urteil 2A.98/2006 vom 24. Juli 2006 war das Missverhältnis derart evident, dass das Bundesgericht dieses Kriterium nicht weiter verfeinern musste (vgl. dort E. 3). Auf die Festlegung einer fixen Obergrenze wird verzichtet. Klar überschritten ist die Grenze aber jedenfalls, wenn das erfolgsabhängige Honorar höher ist als das erfolgsunabhängige Honorar. Drittens besteht schliesslich eine zeitliche Grenze für den Abschluss eines pactum de palmario: Es darf zu Beginn des Mandatsverhältnisses oder nach Beendigung des Rechtsstreits abgeschlossen werden, nicht aber während des laufenden Mandats (vgl. auch Urteil 5P.111/1999 vom 18. Juni 1999 E. 2). Dies ergibt sich einerseits aus Art. 12 lit. i BGFA, wonach die Anwälte ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandats über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung aufklären (vgl. zum Pauschalhonorar Urteil 2C_247/2010 vom 16. Februar 2011 E. 5). Andererseits ist diese Einschränkung erforderlich, um die Gefahr einer Übervorteilung einzudämmen. Denn ein Anwaltswechsel während laufendem Mandat ist für den Mandanten mit Kosten und Verzögerungen verbunden, womit er sich in einer gewissen Zwangslage befindet, wenn sein Anwalt zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung zu einer Erfolgsprämie verlangt. Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit durch diese drei Einschränkungen ist geeignet, erforderlich und zumutbar, um der Gefahr einer Übervorteilung und des Verlusts der Unabhängigkeit des Anwalts entgegenzuwirken.
| 34 |
![]() | 35 |
Erwägung 2.8 | |
36 | |
2.8.2 Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars durch die Parteien ist somit nichtig. Es kann offenbleiben, ob sich die Nichtigkeit auf diesen Teil der Vereinbarung beschränkt (Teilnichtigkeit) oder ob, wie der Beschwerdeführer vorbringt, die gesamte Vereinbarung - mithin auch das Honorar von Fr. 700.- pro Stunde - nichtig ist. Denn selbst bei (blosser) Teilnichtigkeit hat der Beschwerdegegner angesichts der bereits geleisteten Zahlungen von insgesamt Fr. 560'000.- und des gemäss der Vorinstanz geschuldeten und vom Beschwerdegegner in der Vernehmlassung nicht bestrittenen Stundenhonorars von Fr. 475'789.40 keine Forderung mehr gegen den Beschwerdeführer. Seine Klage ist vollumfänglich abzuweisen.
| 37 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |