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42. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG Littau (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_210/2018 vom 2. April 2019 | |
Regeste |
Art. 340 Abs. 1 und Art. 340a Abs. 1 OR; Anforderungen der Schriftlichkeit an den Inhalt einer arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbotsklausel. |
Praxisänderung hinsichtlich strengerer Formvorschriften an den schriftlichen Inhalt eines Konkurrenzverbots im Interesse der Rechtssicherheit und mangels triftiger Gründe verneint. Das streitgegenständliche Konkurrenzverbot, welches jede konkurrenzierende Tätigkeit untersagt, ist in gegenständlicher Hinsicht genügend bestimmt bzw. anhand der allgemeinen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmbar (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Ausserdem enthielt der Arbeitsvertrag in Art. 13 eine Konkurrenzverbotsklausel:
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"Die MA [Marketingassistentin] verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jede konkurrenzierende Tätigkeit zu unterlassen, d.h. weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit der Firma im Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen.
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Das Konkurrenzverbot gilt für die ganze Schweiz, für die Dauer von 3 Jahren.
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Bei einer Verletzung des Konkurrenzverbots wird eine Konventionalstrafe von CHF 30'000.00 erhoben. Die Zahlung der Konventionalstrafe hebt das Konkurrenzverbot nicht auf.
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Die Firma kann überdies Ersatz für den weiteren Schaden sowie die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen."
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Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses liess sich die Beklagte von der C. GmbH anstellen, welche als Gastronomieunternehmen wie die Klägerin Kaffee und Heissgetränke verkauft und in diesem Zusammenhang weitere Dienstleistungen anbietet.
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B. Die in der Folge erhobene Klage auf Zahlung der Konventionalstrafe wegen Verletzung des Konkurrenzverbots wies das ![]() | 8 |
C. Das Bundesgericht heisst nach öffentlicher Beratung der Sache am 2. April 2019 die Beschwerde der Beklagten teilweise gut, hebt den Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons Luzern vom 1. März 2018 auf und weist die Sache zur neuen Beurteilung an dieses zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
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3. Nach Art. 340 Abs. 1 OR kann sich eine Arbeitnehmerin gegenüber ihrer Arbeitgeberin schriftlich verpflichten, sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten, insbesondere weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit dem der Arbeitgeberin in Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen. Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse die Arbeitgeberin erheblich schädigen könnte (Art. 340 Abs. 2 OR). Das Konkurrenzverbot ist nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu beschränken, so dass eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens der Arbeitnehmerin ausgeschlossen ist; es darf nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten (Art. 340a Abs. 1 OR). Das Gericht kann ein übermässiges Konkurrenzverbot unter Würdigung aller Umstände nach seinem Ermessen einschränken; es hat dabei eine allfällige Gegenleistung der Arbeitgeberin angemessen zu berücksichtigen (Art. 340a Abs. 2 OR). | |
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3.2 Nach der Rechtsprechung ist zunächst die Gültigkeit des Konkurrenzverbots zu prüfen; andernfalls stellt sich die Frage gar nicht erst, ![]() | 13 |
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3.2.2 In Bezug auf die Frage, inwiefern die Schriftform Anforderungen an den Inhalt eines Konkurrenzverbots stelle, verneinte das Bundesgericht unter Geltung von a Art. 357 OR die Nichtigkeit eines zeitlich unbeschränkten Konkurrenzverbots, da die Begrenzung des Verbots kein wesentlicher Vertragspunkt, sondern eine gesetzliche Folge der beschränkten Vertragsfreiheit sei (BGE 96 II 139 E. 2 S. 142) und erachtete es im Umfang von drei Jahren als gültig (BGE 96 II 139 E. 3). In Urteil 4C.385/1991 vom 23. Oktober 1992 beurteilte das Bundesgericht ein Konkurrenzverbot, das einzig aus einem Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften bestand, als (form-)ungültig, da der mittlerweile erlassene Art. 340a ![]() | 15 |
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Eine Änderung der Praxis lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist (BGE 144 III 209 E. 2.3; BGE 143 IV 9 E. 2.4; BGE 137 III 352 E. 4.6 S. 360; BGE 136 V 313 E. 5.3.1; BGE 136 III 6 E. 3).
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3.4 In der Lehre gehen einige Autoren davon aus, ein nicht im Sinne von Art. 340a Abs. 1 OR örtlich, zeitlich und gegenständlich begrenztes Konkurrenzverbot sei nicht ungültig, sondern vom Gericht lediglich in Anwendung von Art. 340a Abs. 2 OR einschränkbar (so namentlich DAVID HEEB, Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot nach Art. 340-340c OR, 2016, S. 108, der jedoch an einer anderen Stelle den Umfang eines Konkurrenzverbotes als vertragswesentlichen Punkt bezeichnet und der Meinung ist, die Schriftform sei bei einer Ausdehnung des ![]() | 18 |
Ein anderer Teil der Lehre betrachtet indessen ein Konkurrenzverbot als nichtig, wenn es sich nicht schriftlich zum konkreten Umfang äussert (vgl. für ältere Lehrmeinungen PETER BOHNY, das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot, 1988, a.a.O., S. 88, 125; THOMAS BUSSE, Wirksamkeitsvoraussetzungen der Konkurrenzklausel, 1990, S. 93 f., insbesondere S. 94 Fn. 1; RENÉ KUHN, Das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertragsrecht, 1981, S. 27 ff., insbesondere S. 30; EDWIN SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag des schweizerischen Obligationenrechts, 2. Aufl. 1976, N. 4 f. zu Art. 340a OR; vgl. für die aktuelle Lehre STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 340a; WYLER/HEINZER, Droit du travail, 3. Aufl. 2014, S. 725; AURÉLIEN WITZIG, droit du travail, 2018, S. 349 Rz. 1018; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Dunand/Mahon [Hrsg.], Commentaire du contrat de travail, 2013, N. 21 f. zu Art. 340a OR; vgl. auch DOMINIQUE DREYER, Obligation de non-concurrence, in: Pichonnaz/Werro [Hrsg.], La pratique contractuelle, 2015, S. 211, S. 217; ADRIAN STAEHELIN, in: Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, 4. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 340a; SUBILIA/DUC, Droit du travail, 2010, N. 4 zu Art. 340a OR; so wohl auch PASCAL MOESCH, La prohibition de concurrence, in: Rémy Wyler [Hrsg.], Panorama en droit du travail, 2009, S. 346 f. sowie VISCHER/MÜLLER, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. 2014, § 21 N. 10).
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Ein Teil dieser Lehre befürwortet die Rechtsfolge der Nichtigkeit auch, falls lediglich einer der Parameter bezüglich des Umfangs (örtlich, zeitlich oder gegenständlich) unbestimmt ist (BOHNY, a.a.O., S. 88, 125; derselbe, in: Münch/Metz [Hrsg.],Stellenwechsel und Entlassung, 2. Aufl. 2012, Rz. 7.12; AUBRY GIRARDIN, a.a.O., N. 22 zu Art. 340a OR; KUHN, a.a.O., S. 30; WYLER/HEINZER, a.a.O., S. 725; so wohl auch WITZIG, a.a.O., S. 349 Rz. 1018).
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Erwägung 3.5 | |
3.5.1 Insofern die gegenüber der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kritische Lehre die Praxis unter BGE 96 II 139 als durch Urteil 4A_62/2011 vom 20. Mai 2011 bestätigt betrachtete (siehe ![]() | 21 |
Erst wenn der Umfang eines Konkurrenzverbots in zeitlicher, örtlicher sowie sachlicher Hinsicht definiert ist, kann es bei allfälliger Übermässigkeit nach Art. 340a Abs. 2 OR entsprechend reduziert werden. Ob sodann die vereinbarte umfangmässige Begrenzung zulässig oder vom Gericht enger zu definieren ist, lässt sich nur unter gesamthafter Betrachtung seines Umfangs nach Gegenstand, ![]() | 22 |
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In der Rechtspraxis hat sich die gegenständliche Umschreibung mit "jeder konkurrenzierenden Tätigkeit" etabliert (vgl. dazu nur schon Rudolph, a.a.O., S. 89], der rät, in Anlehnung an den Gesetzestext von Art. 340 Abs. 1 OR als Grundsatz "jede konkurrenzierende Tätigkeit zu untersagen, um daran anschliessend im Sinne einer nicht abschliessenden Aufzählung, am besten in "Insbesondere"-Form, einige konkrete Geschäftsfelder oder Produkte konkret zu bezeichnen"). Ernsthafte sachliche Gründe für eine Praxisänderung, die gewichtiger zu werten wären, als die Rechtssicherheit, sind weder dargetan noch ersichtlich.
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3.6 Das Verbot "jeder konkurrenzierender Tätigkeit" erfüllt das Gebot der Form. Es ist genügend bestimmt bzw. anhand der allgemeinen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmbar. Nachdem unstrittig ist, dass sowohl das Unternehmen, in welchem die Beschwerdeführerin nunmehr tätig ist (unternehmensbezogenes Verbot) als auch die Beschwerdeführerin persönlich mit ihrer dort ausgeübten Tätigkeit (tätigkeitsbezogenes Verbot), die Beschwerdegegnerin konkurrenziert, kann im Übrigen offen gelassen werden, wie weit ein Verbot "jeder konkurrenzierender Tätigkeit" allenfalls reichen kann (vgl. zu einer kritischen Ansicht bezüglich eines erweiterten Anwendungsbereichs im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags gegenüber demjenigen der Unterzeichnung BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, a.a.O., N. 3 zu Art. 340a OR; vgl. auch MILANI, a.a.O., N. 2 zu Art. 340a OR).
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