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15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. AG, A.B. AG und A.C. AG gegen D.D. und E.D. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_125/2020 vom 10. Dezember 2020 | |
Regeste |
Auskunftsrecht nach Art. 8 Abs. 2 lit. a und Abs. 5 DSG; verfügbare Angaben über die Herkunft der Daten. |
Tragweite der Pflicht, Informationen über die Herkunft der Daten bekannt zu geben. Unter "verfügbare Angaben über die Herkunft der Daten" könen zwar auch ausserhalb der eigentlichen Datensammlung aufbewahrte Informationen fallen. Angaben über die Herkunft von Daten, die allenfalls im Gehirn einer Person gespeichert sein könnten, werden aber nicht vom Auskunftsrecht erfasst. Dass sich die Herkunft der Daten im Rahmen entsprechender Abklärungen allenfalls rekonstruieren lässt, bedeutet nicht, dass diese Angaben verfügbar im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG sind (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Im April 2013 wurde der Beschwerdegegner von den US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden wegen Beihilfe zu Steuerdelikten angeklagt, was seinen Ausschluss aus der Anwaltskanzlei F. zur Folge hatte. Daraus resultierte ein Rechtsstreit zwischen der Anwaltskanzlei und dem Beschwerdegegner. Am 15. Dezember 2015 überwies die Anwaltskanzlei aus diesem Rechtsstreit Fr. 566'000.- auf das Konto des Beschwerdegegners bei der Beschwerdeführerin 2.
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Im Januar 2016 beabsichtige die Beschwerdeführerin 2, die Geschäftsbeziehung mit dem Beschwerdegegner zu beenden. Im Verlaufe des Jahres saldierte sie die auf den Beschwerdegegner und auf ![]() ![]() | 3 |
Die Beschwerdeführerin 2 hatte im Mai 2014 im Steuerstreit mit den US-amerikanischen Behörden einer Vergleichsvereinbarung mit der New Yorker Aufsichtsbehörde zugestimmt. Die Beschwerdeführerinnen behaupten, die Beschwerdeführerin 2 habe bei der Umsetzung der Vergleichsvereinbarung im November 2015 entschieden, die Geschäftsbeziehungen zu Personen zu beenden, die in den USA wegen Beihilfe zu Steuerdelikten angeklagt oder verurteilt worden seien. Dies schliesse den Beschwerdegegner ein. Im Dezember 2015 habe die Beschwerdeführerin 2 mit der Umsetzung dieses Entscheids begonnen.
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Die Beschwerdegegner halten diese Begründung für vorgeschoben. Sie sind der Ansicht, ein Partner der Anwaltskanzlei habe den General Counsel der Beschwerdeführerin 3 kontaktiert und diesen informiert, dass der Beschwerdegegner bei der Beschwerdeführerin 1 eine Bankkundenbeziehung habe. Dies sei angereichert worden mit der personenbezogenen Information, wonach der Beschwerdegegner in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt sei und man der Bank rate, die Bankkundenbeziehung zu beenden. Darauf habe der General Counsel am Morgen des 21. Dezember 2015 von einem Mitarbeiter eine Liste der Personen angefordert, die in den USA wegen Beihilfe zu Steuerdelikten angeklagt oder verurteilt worden seien und deren Geschäftsbeziehungen gemäss einem bereits im November 2015 gefassten Beschluss beendet werden sollten. In der Folge habe man die Umsetzung des Entscheids veranlasst, wonach sämtliche Konten von Bankkunden, welche in den USA angeklagt waren, geschlossen würden, darunter jenes des Beschwerdegegners.
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Die Beschwerdegegner klagten beim Bezirksgericht Zürich auf Auskunft gemäss Datenschutzgesetz. Der Beschwerdegegner verlangte im Wesentlichen Auskunft über sämtliche Personendaten der Beschwerdeführerinnen mit inhaltlichem Bezug auf ihn betreffend die konsultierten und verwendeten Personendaten im Zusammenhang mit dem Zahlungseingang von Fr. 566'000.- per 15. Dezember 2015.
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Das Bezirksgericht erliess am 29. Juli 2019 eine Beweisverfügung, worin es Zeugenbefragungen des angesprochenen Partners der ![]() ![]() | 7 |
a) Dass im Zusammenhang mit der Zahlung von Fr. 566'000.- an den Beschwerdegegner zwischen dem General Counsel der Beschwerdeführerin 3 und einem Partner der Anwaltskanzlei ein Gespräch stattgefunden hat.
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b) Dass der Partner der Anwaltskanzlei im Zuge dieses Gesprächs dem General Counsel der Beschwerdeführerin 3 personenbezogene Informationen über den Beschwerdegegner mitgeteilt hat.
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c) Dass der General Counsel der Beschwerdeführerin 3 den Inhalt dieses Gesprächs einer anderen Person schriftlich mitgeteilt hat oder dass der General Counsel der Beschwerdeführerin 3 den Inhalt dieses Gesprächs einem Mitarbeiter oder Organ einer der Beschwerdeführerinnen mündlich mitgeteilt hat, worauf diese Person den Inhalt dieses Gesprächs schriftlich festgehalten hat.
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Gegen diese Beweisverfügung erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zürich am 30. Januar 2020 abwies, soweit es darauf eintrat. Es kam im Wesentlichen zum Schluss, die mit den Beweissätzen a) bis c) zum Beweis verstellten Tatsachen seien durch den Auskunftsanspruch gemäss Art. 8 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, Datenschutzgesetz; SR 235.1) gedeckt.
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Auf Beschwerde der Beschwerdeführerinnen hebt das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid sowie die Beweisverfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Juli 2019 auf.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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1.7.2 Sowohl für den materiellen Anspruch auf Auskunft nach Datenschutzgesetz als auch für den zivilprozessualen Anspruch auf Beweisabnahme gilt sodann, dass diese nicht zu einer verpönten Beweisausforschung missbraucht werden dürfen (vgl. BGE 138 III 425 E. 4.3 S. 430). Mit Blick auf das Datenschutzgesetz fällt Rechtsmissbrauch in Betracht, wenn das Auskunftsrecht zu datenschutzwidrigen Zwecken eingesetzt wird, etwa um sich die Kosten einer Datenbeschaffung zu sparen, die sonst bezahlt werden müssten. Zu denken ist etwa auch an eine schikanöse Rechtsausübung ohne wirkliches Interesse an der Auskunft, lediglich um den Auskunftspflichtigen zu schädigen. Eine zweckwidrige Verwendung des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts (beziehungsweise der Beweisabnahme in einem Prozess um das Auskunftsrecht) wäre wohl auch anzunehmen, wenn das Auskunftsbegehren einzig zum Zweck gestellt wird, eine (spätere) Gegenpartei auszuforschen und Beweise zu beschaffen, an die eine Partei sonst nicht gelangen könnte (BGE 141 III 119 E. 7.1.1 S. 127 f.; BGE 138 III 425 E. 5.5 S. 432; Urteil 4A_277/2020 ![]() ![]() | 17 |
(...)
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Aus dem französischen und italienischen Wortlaut ergibt sich nichts anderes: Mitzuteilen sind "alle (...) vorhandenen Daten einschliesslich der verfügbaren Angaben über die Herkunft der Daten" ("toutes les données [...] qui sont contenues dans le fichier, y compris les informations disponibles sur l'origine des données"; "tutti i dati [...] contenuti nella collezione, comprese le informazioni disponibili sull'origine dei dati").
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Das Auskunftsrecht ist mit einer Strafdrohung bewehrt: Verletzt eine private Person ihre Auskunftspflicht, indem sie vorsätzlich eine falsche oder eine unvollständige Auskunft erteilt, dann wird sie auf Antrag mit Busse bestraft (Art. 34 Abs. 1 lit. a DSG).
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Die Lehre versteht den Begriff der "Personendaten (Daten)" gemäss Art. 3 lit. a DSG "weit" (DAVID ROSENTHAL, in: Handkommentar zum Datenschutzgesetz, Rosenthal/Jöhri [Hrsg.], 2008, N. 2 zu Art. 3 DSG, N. 13 zu Art. 8 DSG), "extensiv" (BLECHTA, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 3 DSG) oder "ausserordentlich weit" (OLIVER GNEHM, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, in: Durchsetzung der Rechte der Betroffenen im Bereich des Datenschutzes, Epiney/Nüesch [Hrsg.], 2015, S. 77 ff., 90). Auch der Begriff der Datensammlung gemäss Art. 3 lit. g DSG wird im Schrifttum weit gefasst (GNEHM, a.a.O., S. 91 f.; BLECHTA, a.a.O., N. 78 ff. zu Art. 3 DSG).
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3.1.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG erstreckt sich das Auskunftsrecht auf alle über eine Person in einer Datensammlung ![]() ![]() | 24 |
3.1.2 Die zu erteilende Auskunft muss wahr und vollständig sein (vgl. Botschaft vom 23. März 1988 zum Bundesgesetz über den Datenschutz [DSG], BBl 1988 II 413 ff., 453 Ziff. 221.2 zu Art. 5 Abs. 2 E-DSG), wofür der Inhaber einer Datensammlung im Streitfall beweispflichtig ist (Urteil 1C_59/2015 vom 17. September 2015 E. 3.2 mit Hinweisen). Das Auskunftsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung und dem Gesetzeswortlaut nur auf noch vorhandene Daten (BGE 136 II 508 E. 3.7 S. 517). Der Umstand, dass wie hier negative Tatsachen, namentlich das Nichtvorhandensein zusätzlicher, nicht bereits ausgehändigter Informationen über den Beschwerdegegner, bewiesen werden müssen, ändert grundsätzlich nichts an der Beweislast (BGE 139 II 451 E. 2.4 S. 451; BGE 133 V 205 E. 5.5 S. 217 mit Hinweisen; zit. Urteil 1C_59/2015 E. 3.2). Da es aber naturgemäss einfacher ist, das Vorhandensein von Tatsachen zu beweisen als deren Nichtvorhandensein, ist die Schwelle der rechtsgenüglichen Beweiserhebung vernünftig anzusetzen. Wo der beweisbelasteten Partei der regelmässig äusserst schwierige Beweis des Nichtvorhandenseins einer Tatsache obliegt, ist die Gegenpartei nach Treu und Glauben gehalten, ihrerseits verstärkt bei der Beweisführung mitzuwirken, namentlich indem sie einen Gegenbeweis erbringt oder ![]() ![]() | 25 |
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Auch auf europäischer Ebene hat die betroffene Person unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten zu erhalten (Art. 15 Abs. 1 lit. g der Verordnung [EU] 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016 S. 1).
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3.2.1 Den Inhaber der Datensammlung trifft keine Pflicht, die Herkunftsangaben zu speichern (RENÉ HUBER, Die Teilrevision des Eidg. Datenschutzgesetzes - ungenügende Pinselrenovation, recht 24/2006 S. 205 ff., 208; BEAT RUDIN, in: Datenschutzgesetz [DSG], Baeriswyl/Pärli [Hrsg.], 2015, N. 36 zu Art. 8 DSG; MICHAEL WIDMER, Rechte der Datenschutzsubjekte, in: Datenschutzrecht, Beraten in Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung, Passadelis/Rosenthal/Thür [Hrsg.], 2015, S. 149 ff., 157 Rz. 5.32; PHILIPPE MEIER, Protection des données, Fondements, principes généraux et droit privé, 2011, S. 382 Rz. 1038; EPINEY/FASNACHT, in: Datenschutzrecht, Grundlagen und öffentliches Recht, Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, S. 617 § 11 Rz. 25). Im Nationalrat wurde ein ![]() ![]() | 28 |
Würden in der Datenbank vorhandene Angaben über die Herkunft der Daten allerdings nach Eingang eines Auskunftsbegehrens gelöscht, läge ein Verstoss gegen Treu und Glauben vor (ROSENTHAL, a.a.O., N. 13 zu Art. 8 DSG; MEIER, a.a.O., S. 382 Rz. 1039; DOMMER, a.a.O., S. 52 Rz. 129), und der Inhaber der Datensammlung liefe Gefahr, sich gemäss Art. 34 Abs. 1 lit. a DSG strafbar zu machen (MEIER, a.a.O., S. 382 Rz. 1039; DOMMER, a.a.O., S. 52 Rz. 129).
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Zu denken ist an das Einholen schriftlicher oder mündlicher Auskünfte (Art. 16 Abs. 1 lit. a GwV-FINMA), Besuche am Ort der Geschäftstätigkeit (Art. 16 Abs. 1 lit. b GwV-FINMA), die Konsultation von allgemein zugänglichen öffentlichen Quellen und Datenbanken (Art. 16 Abs. 1 lit. c GwV-FINMA) sowie Erkundigungen bei vertrauenswürdigen Personen (Art. 16 Abs. 1 lit. d GwV-FINMA).
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Geht es nach DOMMER, so unterliegen solche Informationen dem Auskunftsrecht, sofern sie verfügbar sind. Dabei müsse die Angabe der Quelle möglichst spezifisch sein. Falls die Bank die Daten von vertrauenswürdigen Personen erhalte, habe sie deren Identität bekanntzugeben. Die Bekanntgabe der Identität verstosse nicht gegen die Grundsätze von Art. 4 DSG, da sie in Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG gesetzlich vorgesehen sei (DOMMER, a.a.O., S. 52 f. Rz. 130).
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3.3 Die Vorinstanz hielt unter Hinweis auf eine Kommentarstelle zu Art. 3 lit. a DSG (ROSENTHAL, a.a.O., N. 11 zu Art. 3 DSG) fest, mit "Angaben" betreffend die Herkunft der Daten im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG seien (gleich wie mit dem Begriff "Angaben" in der Legaldefinition nach Art. 3 lit. a DSG) sowohl strukturierte Informationen (wie Datenbanken mit Kundenadressen, eine Buchhaltung mit Buchungssätzen) wie unstrukturierte Daten (Informationen in einem Aufsatz oder Brief oder der Inhalt eines Telefongesprächs) gemeint. Der Informationsträger müsse keine Sache sein, die Speicherung im menschlichen Gedächtnis genüge. Mit ![]() ![]() | 33 |
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Auch die Modalitäten der Auskunftserteilung sprechen dafür, dass das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG primär schriftlich festgehaltene Daten erfasst: Die Auskunft ist in der Regel schriftlich, in Form eines Ausdrucks oder einer Fotokopie zu erteilen (Art. 8 Abs. 5 DSG). ![]() ![]() | 38 |
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3.4.5 Der Gesetzgeber spricht aber von "verfügbaren" Herkunftsangaben (so auch im neuen Datenschutzgesetz: Art. 25 Abs. 2 lit. e E-DSG; Botschaft vom 20. September 2020 zum Bundesgesetz über den Datenschutz [Datenschutzgesetz, DSG], BBl 2020 7639 ff., 7651) ![]() ![]() | 40 |
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3.5.1 Selbst wenn im Zusammenhang mit der Zahlung von Fr. 566'000.- an den Beschwerdegegner zwischen dem General Counsel der Beschwerdeführerin 3 und einem Partner der Anwaltskanzlei ein Gespräch stattgefunden haben sollte, lässt sich daraus nicht ![]() ![]() | 43 |
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3.5.3 Dass der General Counsel der Beschwerdeführerin 3 den Inhalt dieses Gesprächs einer anderen Person schriftlich mitgeteilt haben könnte oder dass der General Counsel der Beschwerdeführerin 3 den Inhalt dieses Gesprächs einem Mitarbeiter oder Organ einer der Beschwerdeführerinnen mündlich mitgeteilt haben könnte, worauf diese Person den Inhalt dieses Gesprächs schriftlich festgehalten hat, bildet zwar eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Auskunftspflicht in Betracht fällt, nämlich sofern das erwähnte Schriftstück nicht lediglich zum vorübergehenden Gebrauch bestimmt war, sondern vielmehr aufbewahrt wurde, so dass ein gezielter Zugriff darauf möglich wäre. Aus der Tatsache allein, dass ein entsprechendes Schriftstück allenfalls einmal verfasst wurde, folgt dies aber nicht. Da der Inhalt des Gesprächs wieder nicht zum Beweissatz gehört, könnten zudem auch hier keine inhaltlichen Rückschlüsse auf die Vollständigkeit der erteilten Auskünfte gezogen werden. ![]() | 45 |
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