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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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12. Urteil des Kassationshofes vom 11. März 1960 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Prokop. | |
Regeste |
Art. 45 Abs. 3 MFV; Vortrittsrecht des Fussgängers. |
2. Es hängt von den Umständen des einzelnen Falles (z.B. von der Verkehrsdichte, Tageszeit, Fahrbahnbreite usw.) ab, inwieweit der Fahrzeugführer im Hinblick darauf, dass ein Fussgänger allenfalls den Vortritt beanspruchen könnte, auf einen Fussgängerstreifen zu die Geschwindigkeit herabzusetzen hat. | |
Sachverhalt | |
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Als Prokop zur angeführten Zeit die Weinbergstrasse befuhr, herrschte vor allem stadteinwärts ausgesprochener Stossverkehr. Unter anderem war gerade ein Tramzug von der Haltestelle Ottikerstrasse stadteinwärts weggefahren, gefolgt von einer kleinen Autokolonne, die hinter dem anhaltenden Tram hatte warten müssen. Prokop näherte sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 50 km/Std dieser Kolonne, noch bevor für die dem Tram entstiegenen Personen Gelegenheit bestanden hätte, über die Fahrbahn auf das linksseitige Trottoir zu gelangen. Sein Wagen befand sich noch ca. 40 m vom Fussgängerstreifen entfernt, als dieser vom letzten Auto der mit dem Tram wieder anfahrenden Kolonne passiert wurde. Prokop fuhr, ohne vom Gas zu gehen und Bremsbereitschaft zu erstellen, auf der leicht abfallenden Weinbergstrasse mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Fussgängerstreifen zu, bei dem auf dem rechtsseitigen Trottoir mehrere Personen warteten, welche die Fahrbahn überqueren wollten. Drei dieser Fussgänger begannen, als der hinterste Wagen der Fahrzeugkolonne den Fussgängerstreifen überquert hatte, ihr Vorhaben auszuführen. Von diesen drei Personen, die den Fussgängerstreifen betraten, setzte schliesslich aber nur der 66-jährige halbblinde Kaiser den Weg auf die Strassenmitte zu fort. Dabei wurde er ca. 1,6 m vom rechten ![]() | 2 |
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach mit Urteil vom 27. Oktober 1959 Prokop von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei, erklärte ihn aber der Übertretung des Art. 25 MFG schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 50.-. Das Gericht nahm an, eine Geschwindigkeit von 50 km/Std sei eindeutig übersetzt gewesen, doch hätte sich der Zusammenstoss wahrscheinlich auch dann nicht vermeiden lassen, wenn die Geschwindigkeit, was nicht zu beanstanden gewesen wäre, in jenem Zeitpunkt nur 35 km/Std betragen hätte.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, das Urteil sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, Prokop der fahrlässigen Tötung schuldig zu erklären und entsprechend zu bestrafen.
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D.- Prokop beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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2. a) Als der Beschwerdegegner sich dem Fussgängerstreifen bei der Tramhaltestelle Ottikerstrasse näherte, standen - nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) - bei diesem auf dem rechtsseitigen Trottoir 5-10 Personen. Aus ihrem Standort und sonstigen Verhalten musste geschlossen werden, dass sie auf eine Gelegenheit warteten, um die Weinbergstrasse ![]() | 8 |
b) Die Vorinstanz nimmt an, er hätte dieser Pflicht genügt, wenn er nicht schneller gefahren wäre, als dass er auf 15 m hätte anhalten können, da er erfahrungsgemäss mit der Möglichkeit, dass ein Fussgänger die Strasse überqueren könnte, nicht mehr habe rechnen müssen, als sich sein Fahrzeug dem Fussgängerstreifen bis auf diese Entfernung genähert hatte. Damit trägt die Vorinstanz den gegebenen Umständen jedoch nicht genügend Rechnung.
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Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz herrschte auf der Weinbergstrasse zur Zeit des zu beurteilenden Vorfalles eigentlicher Stossverkehr. Die Möglichkeiten, die Fahrbahn zu überschreiten, waren daher beschränkt. Anderseits war um jene Zeit auch der Fussgängerverkehr rege und hatte es - kurz vor Arbeitsbeginn - ein grosser Teil der Fussgänger unverkennbar eilig. Der Beschwerdegegner musste daher bedenken, dass Fussgänger verhältnismässig kurz vor seinem Wagen die Fahrbahn betreten könnten, um sie auf dem dafür bestimmten Streifen zu überqueren. Damit war umso mehr zu rechnen, als die Fahrbahn der Weinbergstrasse an der in Frage stehenden Stelle verhältnismässig schmal ist.
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Die gleiche Überlegung drängte sich vor allem aber auch im Hinblick auf die beiden Personen auf, die bereits auf den Fussgängerstreifen hinausgetreten waren. Indem sie gleich nach der Durchfahrt des hintersten Wagens der sich stadteinwärts entfernenden Kolonne in die Fahrbahn ![]() | 11 |
c) Wie die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich festgestellt hat, hatte sich der Beschwerdegegner dem Fussgängerstreifen auf 14-17 m genähert, als Kaiser ihn betrat. Unter den oben angeführten Umständen musste Prokop aber, wovon auch das Obergericht ausgeht, mit der Möglichkeit rechnen, dass die bereits auf dem Fussgängerstreifen stehenden oder andere Passanten sich anschicken könnten, auf diese Entfernung vom Fahrzeug die Fahrbahn noch zu überqueren. Er wäre daher verpflichtet gewesen, die Geschwindigkeit soweit herabzusetzen, dass die Fussgänger auf die genannte Entfernung die Fahrbahn noch hätten ungehindert überqueren können. Hätte er das getan, so wäre er in der Lage gewesen, sein Fahrzeug noch rechtzeitig vor dem Fussgängerstreifen zum Stehen zu bringen, als Kaiser sich auf diesen hinausbegab. Die übersetzte Geschwindigkeit war deshalb rechtserhebliche Ursache für den Zusammenstoss und damit für den Tod Kaisers.
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