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Informationen zum Dokument  BGE 86 IV 218 - Jagdhehlerei durch Unterlassen  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 101 IV 149 - Fehlerhafte Gasinstallation

Zitiert selbst:

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Der Jagdhehlerei nach Art. 48 Abs. 1 JVG macht sich schuldig,  ...
2. Verbote können regelmässig sowohl durch ein Tun als  ...
3. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz mit zutreffender Begr ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher  
 
57. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1960 i.S. Sutter gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
 
 
Regeste
 
1. Unechtes Unterlassungsdelikt. Unter welchen Voraussetzungen zieht es Strafe nach sich (Erw. 2)?  
a) Begriff des Verheimlichens (Erw. 1).  
b) Ist nach dieser Bestimmung auch strafbar, wer das Verbot des Verheimlichens gefrevelten Wildes durch ein Unterlassen übertritt (Erw. 3)?  
 
Sachverhalt
 
BGE 86 IV, 218 (219)A.- Sutter, der freiwilliger Jagdaufseher war, oblag am 22. Oktober 1958 zusammen mit vier andern Jägern der Jagd, in deren Verlauf einer der Jäger, X., einen Rehbock schoss, obwohl er keine Wildmarke besass. Sutter nahm diesen Abschuss wahr und wusste auch, dass er widerrechtlich erfolgt war. Trotzdem brachte er den Vorfall nicht zur Anzeige und unternahm auch nichts, um das Beiseiteschaffen des erlegten Tieres zu verhindern.
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B.- Der Gerichtspräsident von Aarberg büsste am 18. Juli 1960 X. wegen widerrechtlichen Erlegens eines Rehbockes (Art. 40 Abs. 1 JVG) mit Fr. 250.-- und Sutter wegen widerrechtlicher Verheimlichung des gefrevelten Tieres (Art. 48 Abs. 1 JVG) mit Fr. 500.--. Auf Appellation Sutters, mit der er seine Freisprechung verlangte, bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 16. September 1960 das erstinstanzliche Urteil, soweit es angefochten worden war.
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C.- Gegen dieses Urteil führt Sutter Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff. BStP mit dem Antrage, es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Obergericht zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen:
 
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Ob der Begriff des Tätigwerdens weit oder eher eng auszulegen sei, kann dahingestellt bleiben, da so oder anders dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden kann, sich durch ein positives Tun der Jagdhehlerei BGE 86 IV, 218 (220)im Sinne des Art. 48 Abs. 1 JVG schuldig gemacht zu haben. Die tatsächlichen Feststellungen des vorinstanzlichen Gerichts enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass er aktiv etwas vorgekehrt hätte, das dazu bestimmt und geeignet gewesen wäre, das gefrevelte Tier zu verheimlichen. Indessen stellt sich die Frage, ob er nicht wegen Jagdhehlerei zu bestrafen sei, weil er es unterlassen hat, Massnahmen gegen das Wegschaffen des Tieres zu treffen, den Straftatbestand des Art. 48 Abs. 1 JVG also durch eine Unterlassung erfüllt hat.
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Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung, die der herrschenden Lehrmeinung entspricht (HAFTER, Allg. Teil S. 76; THORMANN/OVERBECK, N. 4 zu Art. 9 StGB; GERMANN, Das Verbrechen, S. 163; Logoz, S. 32 N. 3; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, N. 158; vgl. ferner Leipziger Kommentar, 8. Aufl. S. 35; MEZGER, Strafrecht, S. 137; FRANK, Das Strafgesetzbuch, 18. Aufl. S. 16; SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar, 8. Aufl. S. 27), abzugehen. Wer verpflichtet ist, durch Handeln einen bestimmten Erfolg abzuwenden, und dazu auch in der Lage ist, aber dennoch untätig bleibt, ist grundsätzlich ebenso strafwürdig, wie jener, der den Erfolg durch positives Tun herbeiführt. Gewiss mag das Verschulden BGE 86 IV, 218 (221)des Angeklagten, der ein strafrechtlich geschütztes Verbot durch aktives Verhalten übertritt, häufig schwerer wiegen als der Fehler desjenigen, der sich pflichtwidrig passiv verhält. Das rechtfertigt jedoch keineswegs, diesen überhaupt nicht strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, sondern beeinflusst lediglich das Strafmass, das gemäss Art. 63 und Art. 48 Ziff. 2 Abs. 1 StGB vor allem nach dem Verschulden festzusetzen ist.
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Als freiwilliger Jagdaufseher war Sutter gemäss Art. 49 Abs. 2 und Art. 51 des bernischen Gesetzes vom 2. Dezember 1951 über Jagd, Wild- und Vogelschutz (nachfolgend: bern. JG) Organ der Jagdpolizei im Sinne des Art. 38 JVG. Als solchem oblagen ihm u.a. die in dieser Bestimmung umschriebenen Pflichten. Darnach hatte er insbesondere von allen ihm zur Kenntnis gelangenden Jagdvergehen der zuständigen Behörde Anzeige zu machen und diejenigen Massnahmen zu ergreifen, die zur Feststellung des Täters und des Tatbestandes dienlich sind.
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Indem X., ohne eine entsprechende Wildmarke zu besitzen, einen Rehbock schoss, machte er sich einer Widerhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 JVG schuldig, die - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - ein Jagdvergehen im Sinne von Art. 38 JVG darstellt; denn es liegt auf der Hand, dass in dieser Bestimmung die Wendung "Jagdvergehen" Bezug nimmt auf den für die Art. 39-52 verwendeten Untertitel: "Die einzelnen Jagdvergehen". Da der Beschwerdeführer Zeuge dieses Abschusses war und wusste, dass er widerrechtlich erfolgt war, war er infolgedessen verpflichtet, das Vergehen der zuständigen Behörde anzuzeigen, vor allem aber durch geeignete Vorkehren dafür zu sorgen, dass sie den Tatbestand feststellen konnte (Art. 38 Abs. 1 JVG). Dazu BGE 86 IV, 218 (222)gehörte in erster Linie, ein Beiseiteschaffen des Tieres, also ein Verheimlichen im Sinne des Art. 48 Abs. 1 JVG, zu verhindern. Diese Pflicht ergab sich für den Beschwerdeführer übrigens auch aus § 14 Abs. 5 der VO vom 2. Juli 1954 zum bern. JG, der u.a. vorschreibt, dass erlegte Rehe, die keine Wildmarke tragen, einzuziehen sind. Indem der Beschwerdeführer die Beschlagnahme des gefrevelten Tieres unterliess, hat er demnach seine Pflicht, ein Verheimlichen solchen Wildes und überhaupt jegliche Art der Jagdhehlerei zu verhindern, verletzt. Dadurch hat er den Übertretungstatbestand des Art. 48 Abs. 1 JVG durch ein Unterlassen erfüllt und die in dieser Bestimmung angedrohte Strafe verwirkt; denn dass es ihm möglich gewesen wäre, das Wegschaffen des Tieres zu verhindern, hat die Vorinstanz gemäss Art. 277 Abs. 1 BStP für den Kassationshof verbindlich festgestellt, und dass er den verpönten Erfolg jedenfalls mit Eventualvorsatz gewollt hat, ergibt sich aus der weiteren Annahme des Obergerichtes, er habe die Verheimlichung des Jagdfrevels zumindest gebilligt, wenn nicht sogar herbeigewünscht. Obwohl ihm also bloss ein passives Verhalten zur Last gelegt werden kann, hat er demnach den Straftatbestand des Art. 48 Abs. 1 JVG in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Er ist daher mit Recht nach dieser Bestimmung bestraft worden...
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