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46. Urteil des Kassationshofes vom 9. Juli 1965 i.S. Bachmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 269 Abs. 1 BStP. |
Bestätigung der Rechtsprechung, nach der die Schuldigerklärung für sich allein mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann. | |
Sachverhalt | |
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B.- Bachmann führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung mit der Begründung, dass die eingeklagten Widerhandlungen objektiv nicht gegeben seien.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff. BStP bezweckt die Herbeiführung einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung, was voraussetzt, dass er durch die angefochtene Entscheidung rechtlich beschwert wird. Das trifft nur zu, wenn er durch die im Urteilsspruch (Dispositiv) ausgesprochenen Rechtsfolgen (Bestrafung, Verhängung von Massnahmen, Strafloserklärung, Freisprechung) in seinen Rechten betroffen ist (BGE 80 IV 276). Nach ständiger Rechtsprechung ist deshalb auf eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten, wenn sie nur auf eine Änderung der Urteilsgründe, nicht auch der Rechtsfolgen abzielt, wie sie anderseits abzuweisen ist, wenn der angefochtene Entscheid nur in der Begründung unrichtig ist, in den ausgesprochenen Rechtsfolgen aber vor dem Gesetze standhält (BGE 69 IV 113, 150,BGE 72 IV 188,BGE 79 IV 90). Das Gleiche gilt, wenn mit der Nichtigkeitsbeschwerde ausschliesslich die Schuldigerklärung beanstandet wird oder wenn der Schuldspruch zwar unrichtig ist, der Fehler sich aber auf die ausgesprochenen Rechtsfolgen nicht ausgewirkt hat. Auch die Schuldigerklärung ist nämlich Bestandteil der Begründung, und ![]() | 3 |
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Die Auffassung, der Schuldspruch sei blosser Urteilsgrund, verkennt keineswegs, dass der Strafrichter bei der Urteilsfindung in erster Linie festzustellen hat, ob die eingeklagte Tat die Merkmale einer im Strafgesetz umschriebenen strafbaren Handlung erfüllt oder nicht, und dass die Bejahung der Schuldfrage eine notwendige Voraussetzung für den Strafausspruch ist. Der Kassationshof hat nie erklärt, der kantonale Richter sei uneingeschränkt frei, bei der Feststellung des Tatbestandes und dessen rechtlicher Würdigung bloss von wahlweisen Annahmen auszugehen oder die rechtliche Qualifikation offen zu lassen, sobald feststehe, dass der Angeschuldigte sowohl bei dieser wie jener tatbeständlichen Annahme oder rechtlichen Qualifikation der Tat die nämliche Strafe verwirkt hätte. Aus den veröffentlichten Entscheidungen des Kassationshofes ergibt sich denn auch, dass solche Wahlfeststellungen oder wahlweise Qualifikationen kantonaler Gerichte Ausnahmen sind, wie auch keine zunehmende Tendenz erkennbar ist, die kantonalen Urteile gegen eine bundesgerichtliche Überprüfung und Aufhebung durch die Feststellung zu sichern, dass die verwirkte Strafe auch bei ![]() | 5 |
Zu Unrecht wird auch eingewendet, dass der Schuldspruch wichtiger sei als der Strafausspruch; das Gegenteil trifft zu. Das Strafverfahren dient der Verwirklichung des materiellen Strafrechts, zielt also unter der Voraussetzung, dass der Angeschuldigte der eingeklagten Tat schuldig ist, auf die Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Sanktion (Strafe, Massnahme) ab. Entscheidend ist daher sowohl prozess- wie materiellrechtlich der Strafausspruch, durch den erst über die Art und das Mass des staatlichen Strafanspruches entschieden und ein den Strafprozess beendigendes Urteil gefällt wird, wogegen die vorausgehende Schuldigerklärung nur Voraussetzung und Grund für die Ausfällung einer Sanktion ist. Der Schuldspruch ist deshalb dem Strafausspruch untergeordnet und hat neben diesem keine selbständige Bedeutung. Das erhellt auch daraus, dass das Bundesrecht die Aufnahme der Schuldigerklärung in das Urteilsdispositiv nicht vorschreibt, sondern die Beantwortung der Schuldfrage in den Urteilserwägungen genügen lässt. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 270 Abs. 2 BStP. Diese Bestimmung erklärt die Hinterbliebenen zur Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt, damit sie anstelle des verstorbenen Angeklagten die gleichen Rechte ausüben können, die diesem zu seinen Lebzeiten zugestanden wären. Der Gesetzgeber wollte den Hinterbliebenen vor allem die Möglichkeit geben, die Verurteilung des Verstorbenen um seines Andenkens willen anfechten zu können. Die diffamierenden Folgen der Verurteilung aber können nur durch Aufhebung des Strafausspruches beseitigt werden, da der Tod des Verurteilten nur die Vollstreckbarkeit der ausgefällten Strafe aufhebt, die Tatsache seiner Verurteilung dagegen nicht ungeschehen macht. Die Nichtigkeitsbeschwerde ![]() | 6 |
Wenn der Kassationshof auf eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein zweitinstanzliches kantonales Urteil, das sich zufolge Beschränkung des kantonalen Rechtsmittels nur noch mit der Strafzumessung zu befassen hatte, im Schuldpunkt nicht eintritt, so liegt darin kein Widerspruch zur Auffassung vom Schuldspruch als blossem Urteilsgrund. Im Schuldpunkt wird auf die Beschwerde nur deswegen nicht eingetreten, weil es den Kantonen auf Grund des ihnen zustehenden kantonalen Prozessrechtes ![]() | 7 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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