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41. Urteil des Kassationshofes vom 23. April 1974 i.S. Brunner gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 148 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 StGB. |
2. Vermögensschädigung durch Abschluss eines Patentlizenzvertrages. Verbindlichkeit der Vertragsunterzeichnung durch Verwaltungsratsmitglieder von Aktiengesellschaften (Erw. 2). |
3. Ungetreue Geschäftsführung, begangen durch ein Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Anfang 1966 gelang Wyss eine weitere Erfindung, die den rahmenlosen Einbau von Glastüren und Glasfenstern in eine Glaswand betraf. Brunner liess die neue Erfindung auf den Namen der Bank Anker AG als Patent anmelden, wobei er ![]() | 2 |
In Sommer 1969 erstattete die Neurit AG gegen Brunner Strafanzeige wegen Betruges usw.
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B.- Das Obergericht des Kantons Luzern (II. Strafkammer) erklärte Brunner am 20. November 1973 des vollendeten Betrugsversuchs (Art. 148 Abs. 1 und 22 Abs. 1 StGB) und des vollendeten Versuchs der ungetreuen Geschäftsführung (Art. 159 Abs. 1 und 22 Abs. 1) schuldig und verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.
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C.- Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell nur zur Verurteilung wegen unvollendeten Betrugsversuches, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Wyss war von Anfang an der technische Leiter der Neurit AG und wurde sogleich zum Verwaltungsrat auf Lebenszeit ernannt. Er hatte somit entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers eine führende Stellung im Unternehmen. Es ist deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt zu vermuten, es habe zu seinem Pflichtenkreis gehört, seine frühere Erfindertätigkeit fortzusetzen (BGE 72 II 274). Zwischen seinem ersten Patent und der neuen Erfindung, welche die Erstellung von rahmenlosen Neuritbausteinfenstern und -türen ermöglichte, bestand denn auch ein enger Zusammenhang, so dass die neue Erfindung als Weiterentwicklung des früheren Patents im Sinne des Einlagevertrages erscheint.
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a) Patentlizenzverträge sind formlos gültig (Art. 11 Abs. 1 OR, Art. 34 PatG). Im vorliegenden Fall wurde in der Verwaltungsratssitzung der Neurit AG vom 10. Juni 1966 die Ausarbeitung eines schriftlichen Vertrages in Aussicht genommen, und in der Sitzung vom 6. Juli 1966 lag auch ein von der Bank Anker AG verfasster Vertragsentwurf vor. Es ist daher zu vermuten, dass die Parteien vor Unterzeichnung des Vertrages nicht verpflichtet sein wollten (Art. 16 Abs. 1 OR).
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b) Laut Protokoll der Sitzung vom 6. Juli wurde der vorgelegte Lizenzvertrag von allen Verwaltungsräten der Neurit AG mit Ausnahme ihres Präsidenten Dr. Gut genehmigt und unterzeichnet. Der Vertragstext trägt handschriftlich das Datum des 6. Juli 1966, und namens der Neurit AG unterzeichneten die Verwaltungsratsmitglieder de Trey, Auf der Maur, Knüsel und Wyss, wogegen Brunner die Unterzeichnung für die Bank Anker AG vornahm.
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In der Beschwerde wird eingewendet, der Vertrag sei nicht rechtsgültig unterzeichnet worden und deshalb nicht zustandegekommen. Zeichnungsberechtigt für die Neurit AG waren der Präsident oder Vizepräsident mit einem andern Verwaltungsratsmitglied zusammen. Brunner hat als Vizepräsident der Neurit AG offensichtlich deswegen nicht namens dieser Gesellschaft unterzeichnet, weil er zugleich die Bank Anker AG vertrat und sich nicht dem Vorwurf des Handelns in Doppelstellung ![]() | 13 |
Ohne Bedeutung ist, dass in der Verwaltungsratssitzung vom 6. Juli vorbehalten wurde, die in § 13 des Vertragsentwurfes vorgesehenen Jahresumsätze um ein Jahr zurückzustellen. Denn aus der Tatsache, dass die vier Verwaltungsräte den Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung gleichwohl unterzeichneten, ist zu schliessen, dass der Vorbehalt einen Nebenpunkt betraf, der die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern sollte (Art. 2 Abs. 1 OR).
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Brunner hat den Lizenzvertrag für die Bank Anker AG allein unterzeichnet, obschon er nur zur Kollektivunterschrift berechtigt war. Auf das Fehlen einer zweiten Unterschrift hätte sich aber nur allenfalls die Bank Anker AG berufen können, nicht auch die Neurit AG. Die Bank konnte übrigens den von ihr mangelhaft unterzeichneten Vertrag jederzeit ausdrücklich oder stillschweigend genehmigen, falls sie nicht Brunner zum voraus ermächtigt haben sollte, allein zu unterzeichnen.
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c) Der Vertrag ist daher zustandegekommen. Der Bank Anker AG war es möglich, die Neurit AG bei den eingegangenen Verpflichtungen zu behaften. Damit ist der Schaden eingetreten und der Betrug vollendet worden. Da die Staatsanwaltschaft nicht Beschwerde führt, muss es jedoch bei der ![]() | 16 |
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a) Der Beschwerdeführer gehörte dem Verwaltungsrat der Neurit AG, dem die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft oblag, als Mitglied und Vizepräsident an. Er war daher von Gesetzes wegen (Art. 722 OR) der Gesellschaft gegenüber zu besonderer Treue verpflichtet und hatte ihre Interessen zu wahren und für ihr Vermögen zu sorgen (vgl. BGE 97 IV 13 /14).
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Wie das Kriminalgericht ausgeführt hat, befand sich das Geschäftsdomizil der Neurit AG beim Beschwerdeführer, der auch die Geschäftsakten aufbewahrte, die Buchhaltung besorgte, der Gesellschaft weitere Geldgeber zuführte und die Firma reorganisierte. Das Kriminalgericht stellte sodann auf Grund von Zeugenaussagen und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Strafuntersuchung fest, dass Brunner in der Firma eine beherrschende Rolle spielte und der eigentliche Leiter des Betriebes war. Das Obergericht ist entgegen der Beschwerde von keinem andern Sachverhalt ausgegangen; es verweist einleitend ausdrücklich auf die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, womit es zum Ausdruck brachte, dass es diese übernommen hat. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer, jedenfalls im kaufmännischen Bereich, tatsächlicher Leiter der Neurit AG gewesen ist und in dieser Eigenschaft über die Betriebsmittel der Gesellschaft selbständig verfügen konnte. Es kam ihm somit die Stellung eines Geschäftsführers zu, wie Art. 159 StGB voraussetzt (BGE 81 IV 279, BGE 95 IV 66, BGE 97 IV 15).
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Dass der Beschwerdeführer zum Abschluss des Lizenzvertrages mit der Bank Anker AG nicht allein befugt war und dass er bei der Vertragsunterzeichnung einzig im Namen der Bank mitgewirkt hat, bedeutet nicht, dass er bei diesem Geschäft nicht als Geschäftsführer der Neurit AG gehandelt habe. Als Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB gilt nicht nur, wer für einen andern Rechtsgeschäfte nach aussen abzuschliessen hat, sondern auch, wer im Innenverhältnis in leitender Stellung für fremde Vermögensinteressen zu sorgen ![]() | 20 |
b) Wie bereits unter Ziff. 2 ausgeführt wurde, ist der Lizenzvertrag mit dessen Unterzeichnung zustandegekommen und in diesem Zeitpunkt auch die Vermögensschädigung der Neurit AG eingetreten. Es liegt daher vollendete ungetreue Geschäftsführung, nicht bloss vollendeter Versuch vor. Mangels Beschwerde der Staatsanwaltschaft muss jedoch auch in diesem Anklagepunkt eine Änderung des vorinstanzlichen Schuldspruches unterbleiben.
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Die noch unsichere, aber nicht auszuschliessende Möglichkeit späterer Rückzahlungen ist übrigens bei der Strafzumessung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt worden. In welchem Ausmass dies getan werden wollte, stand im Ermessen des Obergerichts. Der Kassationshof könnte die ausgesprochene Strafe von 10 Monaten Gefängnis, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt, nur aufheben, wenn sie willkürlich hart wäre. Davon kann aber keine Rede sein.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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