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19. Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1975 i.S. Schumacher gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG. |
2. Der "nötige Raum" (Erw. 1b u. c). |
3. Frage der Fahrlässigkeit (Erw. 1d). |
4. Pflicht zu besonderer Rücksichtnahme auf die übrigen Strassenbenützer (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Der Gerichtspräsident von Aarberg sprach am 13. März 1974 Schumacher von der Anklage des Fahrens mit übersetzter Geschwindigkeit und der ungenügenden Rücksichtnahme beim Überholen frei.
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Das Obergericht des Kantons Bern fand ihn dagegen am 11. Juni 1974 des unvorsichtigen Überholens (Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG) schuldig und verurteilte ihn zu einer vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 80.--.
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C.- Schumacher führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Im Sinne der Rechtsprechung überholt, wer in der Absicht, ![]() | 6 |
b) Der vom Gesetz als übersichtlich und frei geforderte "nötige Raum" ist unter einem doppelten Gesichtspunkt zu verstehen, nämlich im Sinne einer genügenden Breite wie auch einer genügenden Länge der Überholspur. Die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt nicht bloss von der tatsächlichen Anlage der Strasse, der Grösse der Fahrzeuge und ihrer Geschwindigkeit ab, sondern kann ebensosehr durch die Signalisation und die Markierung der Fahrbahn bedingt sein (BUSSY/RUSCONI, CS/CR annoté, N. 2.4, 2.8 und 2.9 zu Art. 35). Wo nämlich eine an sich zum Überholen genügend breite Strasse mit einer Sicherheitslinie versehen ist, darf der Führer in ihrem Bereich nur vorfahren, wenn es noch rechts von dieser Linie mit der gebotenen Rücksicht auf den andern möglich ist. Ebenso kann die Länge der Überholstrecke durch eine solche Markierung begrenzt sein, indem ein Überholmanöver vor Beginn dieser Linie abgeschlossen sein muss, wenn der Raum danach zum Überholen in der genannten Weise nicht mehr ausreicht. Nicht anders verhält es sich bei der Signalisation einer Höchstgeschwindigkeit, die wesentlich tiefer liegt als die Geschwindigkeit, mit welcher der Führer zuvor fahren durfte und zur Durchführung eines Überholmanövers auch fahren musste. Da nämlich beim Wiedereinbiegen nicht so stark verlangsamt werden darf, dass dadurch der zu Überholende behindert oder gefährdet wird (BGE 94 IV 64, BGE 99 IV 280 und 100 IV 80), muss das Überholmanöver unter solchen Umständen im wesentlichen vor dem Signal abgeschlossen sein, es sei denn, der Überholte fahre erheblich langsamer, als mit der signalisierten Höchstgeschwindigkeit. Hier wird der "nötige Raum" durch das Verbotssignal mitbestimmt.
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Geht man von diesem verbindlich festgestellten Sachverhalt aus, so steht ausser Frage, dass Schumacher nicht der erforderliche Raum zur Verfügung stand und dass sein Manöver demnach objektiv unzulässig war.
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d) Damit ist indessen die Schuldfrage noch nicht entschieden, denn Fahrlässigkeit fällt dem Beschwerdeführer nur zu Last, sofern er bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Strecke bis zur Signaltafel Nr. 216 zum gefahrlosen Überholen nicht ausreichen würde. Das ist anzunehmen, wenn er diese Tafel beim Ausbiegen nach links oder zumindest beim Einholen des von Walther gelenkten Fahrzeugs wahrnehmen konnte. Dass diese Voraussetzung zutraf, ergibt sich aus den bei den Akten liegenden Photographien. Aus ihnen wird ersichtlich, dass das Signal schon vor der Stelle, an welcher der Beschwerdeführer mit Nyffenegger kollidierte, gesehen werden konnte. Wenn auch die darauf verzeichneten Zahlen möglicherweise nicht schon aus einer solchen Entfernung klar erkennbar waren, so stellten doch die rote Umrandung der runden Tafel, die auf ein Verbotssignal hinwies (Art. 14 Abs. 1 SSV), und die unmittelbar dahinter im Blickfeld erscheinende Häusergruppe unmissverständliche Anzeichen dafür dar, dass es sich um eine Höchstgeschwindigkeitstafel am Eingang einer Ortschaft handelte (Art. 20 Abs. 2 VRV), vor der er sein bisheriges Tempo von 105 km/h stark hätte drosseln müssen. Ausserdem bleibt zu beachten, dass sich das Überholmanöver bis in den Bereich einer unübersichtlichen Linkskurve (vor dem Restaurant "Brücke") ausgedehnt hätte und deshalb pflichtwidrig war. Diese Umstände hätten Schumacher umso eher bewusst werden sollen, als er nach seinen eigenen Angaben ![]() | 10 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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