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53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. September 1979 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 201 Abs. 1 StGB. |
Begriff der Ausbeutung. | |
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2. Gemäss Art. 201 Abs. 1 StGB ist wegen Zuhälterei zu bestrafen, "wer sich von einer Person, die gewerbsmässig Unzucht treibt, unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbs ![]() | 1 |
a) Unter den Begriff des Unterhalts fällt nach der Rechtsprechung nicht nur der eigentliche Notbedarf des Täters, sondern alles, was zu seiner tatsächlichen Lebenshaltung gehört (BGE 97 IV 29 /30). Daher vermag der Umstand, dass der eigene Verdienst des Täters genügt hätte, um dessen notwendigen Unterhalt zu bestreiten, den Vorwurf der Zuhälterei nicht zu widerlegen. Auch wer den unsittlichen Erwerb der Dirne zur Grundlage einer kostspieligeren, sein eigenes Einkommen übersteigenden Lebenshaltung macht, kann nach der Praxis des Kassationshofes wegen Zuhälterei bestraft werden. Obschon der Wortlaut des Gesetzes eine engere Interpretation nicht ausschliessen würde, besteht nach der ratio der Strafnorm kein Anlass, in Abweichung vom erwähnten Präjudiz anzunehmen, nur wer unter Verzicht auf eigene Arbeit seinen Notbedarf ganz oder teilweise aus dem Verdienst einer Dirne decke, lasse sich im Sinne von Art. 201 Abs. 1 StGB aushalten. Zwischen dem Arbeitsscheuen, der den unerlässlichen täglichen Aufwand schmarotzerisch auf diese Weise deckt, und demjenigen, der zwar selber ein regelmässiges Arbeitseinkommen erzielt, aber für die Kosten eines höhern Lebensstandards (Luxuswohnung, Auto usw.) regelmässige Zuschüsse aus dem ![]() | 2 |
Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP), hat der Beschwerdeführer in der Zeit vom Mai 1976 bis Ende Februar 1977 in einem gewissen, nicht genau erfassbaren Ausmass vom Einkommen, das seine Freundin mit Gewerbsunzucht erzielte, regelmässig profitiert. Er benutzte die aus dieser Verdienstquelle finanzierten Möbel der gemeinsamen Wohnung, und es flossen ihm aus dem Zusammenleben mit Irene H. Geldwerte, durch die Verwendung seines Lohnes nicht ausgeglichene Vorteile in der Grössenordnung von ca. Fr. 550.- pro Monat zu. Aus den vom Kassationshof nicht zu überprüfenden Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich der Schluss, dass der Beschwerdeführer im erwähnten Umfang seinen etwas gehobeneren Lebensunterhalt aus dem durch Gewerbsunzucht erzielten Verdienst seiner Freundin bestritt.
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b) Strafbar ist gemäss Art. 201 Abs. 1 StGB nicht jede Annahme von Leistungen, die als Unterhalt zu qualifizieren sind, sondern der Straftatbestand setzt voraus, dass der Täter sich unter Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes unterhalten lässt.
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aa) Sowohl der deutsche Begriff "Ausbeutung" als auch die entsprechenden Termini in den romanischen Gesetzestexten - "en exploitant", "sfruttando" - lassen sich entweder pejorativ oder in einem wertfreien Sinne (z.B. Kiesausbeutung) verwenden. In Art. 201 Abs. 1 StGB wurden diese Ausdrücke seit jeher als Umschreibung eines verwerflichen Verhaltens, also im pejorativen Sinne verstanden nicht etwa als blosse Angabe der Herkunft der Mittel. "Unter Ausbeutung" ist in diesem Zusammenhang nicht gleichbedeutend mit dem neutralen ![]() | 5 |
bb) Ausbeutung im Sinne einer verwerflichen Entgegennahme von geldwerten Leistungen einer Dirne wurde angenommen: bei einem Ehemann, der beinahe vollständig aus dem Dirnenlohn seiner Ehefrau lebte, selber nichts oder sehr wenig an den gemeinsamen Haushalt beisteuerte und sich nicht einmal bemühte, einen nennenswerten Beitrag zu leisten (BGE 88 IV 67, vgl. auch BGE 75 IV 121); bei einem Täter, der unter Ausnützung der Rivalität zwischen drei Dirnen sich während eines Monates von einer der Rivalinen für Bedürfnisse seines Lebensunterhaltes (Hotelübernachtungen, Essen, Taschengeld) ungefähr Fr. 1'000.- zuwenden liess, so dass er in dieser Zeit seinen eigenen Verdienst grösstenteils anderweitig verwenden oder zur Seite legen konnte (BGE 97 IV 30); bei einem Ehemann, der sich ohne Erwerbstätigkeit in Spanien aufhielt und ausschliesslich von den durch seine in Genf als Dirne und Kupplerin tätige Frau an ihn überwiesenen Geldbeträgen lebte (BGE 101 IV 133 f.); bei einem Ehemann, der während zwei Jahren aus dem Unzuchtserlös seiner Ehefrau wöchentlich ca. Fr. 1'200.- entgegennahm und das Geld zur Seite legte, um eine Wohnung oder ein Haus zu erwerben, und überdies die Ehefrau für ihren eigenen Unterhalt und den Unterhalt des gemeinsamen Kindes selber aufkommen liess (zu veröffentlichendes Urteil vom 20. November 1978 i.S. S.).
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cc) In der neuem Rechtsprechung wird zum Teil das einschränkende Erfordernis der Ausbeutung mit dem Tatbestandsmerkmal des Unterhaltsbezugs direkt "gekoppelt". So lässt sich die E. 2a in BGE 97 IV 29 dahin verstehen, dass jeder, der (ohne Rechtsanspruch) von einer Dirne Unterhaltsleistungen entgegennehme, die Unzucht der Dirne als Einkommensquelle benütze und daher verwerflich, d.h. ausbeuterisch handle. Eine klare Trennung der beiden Voraussetzungen ist aber angezeigt, wobei der Unterhaltsbegriff im Sinne der bisherigen Rechtsprechung weit zu fassen und beim Kriterium der ![]() | 7 |
Abweichend von Ausserungen in einzelnen Präjudizien (vgl. BGE 75 IV 121) ist nicht jede Annahme von Unterhaltsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, bereits als ausbeuterisch zu betrachten, sondern Ausbeutung setzt ein moralisch verwerfliches Verhalten des Täters voraus. Dass er auf die Dirne irgendeinen Druck ausübt, sie zur Gewerbsunzucht direkt veranlasst oder zu finanziellen Leistungen zwingt, ist nicht erforderlich (BGE 97 IV 30). Häufig wird allerdings das Verwerfliche der Haltung des Täters gerade darin liegen, dass seine Forderung oder zumindest seine Erwartung regelmässiger finanzieller Zuwendungen ein nicht unwesentliches Motiv der Dirnentätigkeit bildet. Verwerflich in diesem Sinne ist die arbeitsscheue Passivität des Ehemannes oder Freundes, der für den Unterhalt der Familie schuldhaft nicht aufkommt oder an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes keinen (bzw. keinen genügenden) Beitrag leistet und sich auf die Einkünfte aus Gewerbsunzucht "verlässt". Als Ausbeutung wird aber auch die Haltung jenes Partners einer Dirne zu qualifizieren sein, der zwar selber ein regelmässiges Einkommen erzielt, aber für den von ihm gewünschten und praktizierten Lebensstandard laufend Zuwendungen aus dem Dirnenlohn benötigt und auf diese Weise vorsätzlich die Gewerbsunzucht zu seiner Einkommensquelle macht.
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dd) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer, der schon vor Beginn der unsittlichen Erwerbstätigkeit der Irene H. mit dieser befreundet war und mit ihr zusammenlebte, die Partnerin weder zur gewerbsmässigen Unzucht veranlasst, noch irgendeinen Druck auf sie ausgeübt. Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, er habe planmässig aus der Gewerbsunzucht Vorteile gezogen, sei es durch geringere eigene Arbeitsleistung, durch grössere persönliche Ausgaben oder durch Ersparnisse vom eigenen Verdienst infolge des Zusammenlebens mit Irene H. Der Beschwerdeführer ging stets einer geregelten Arbeit nach und stellte sein Erwerbseinkommen, soweit er es nicht für Kreditrückzahlung und Autospesen benötigte, vollständig für den gemeinsamen Haushalt zur Verfügung. Die Kosten des gemeinsamen Haushaltes (inkl. ![]() | 9 |
ee) Die gesetzliche Mindeststrafe von 6 Monaten Gefängnis in Art. 201 StGB zeigt deutlich, dass mit der "Ausbeutung des unsittlichen Erwerbs" ein Verhalten von erheblichem Unrechtsgehalt erfasst werden soll; dies muss bei der Auslegung beachtet werden (vgl. Germann, Interpretation gemäss den angedrohten Strafen, ZStR 54/1940, 345). Der Straftatbestand der passiven Zuhälterei behält eine bedeutende praktische Tragweite, auch wenn seine Anwendung konsequent auf die wirklich strafwürdigen Fälle ausbeuterischen Schmarotzertums beschränkt bleibt. Gegenüber der bisherigen Rechtsprechung liegt hierin keine Änderung der grundsätzlichen Wertung. Klarzustellen ist lediglich, dass aus der Regel, die Annahme von Zuwendungen, auf welche der Unterhaltene einen Rechtsanspruch habe, sei keine Ausbeutung (vgl. BGE 75 IV 121), nicht durch Umkehrung die Entscheidungsnorm abgeleitet werden darf, bei jeder Entgegennahme irgendwelcher Unterhaltsleistungen ohne Rechtsanspruch und Gegenleistung liege das ![]() | 10 |
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