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34. Urteil des Kassationshofes vom 6. Juni 1980 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 StGB. | |
Sachverhalt | |
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b) Durch Verfügung vom 5. Oktober 1978 stellte die Justizdirektion fest, dass, gestützt auf den Bericht des behandelnden Arztes, die ambulante Behandlung als gescheitert zu betrachten sei, hob daher die vom Bezirksgericht angeordnete Massnahme auf und lud das Gericht ein, im Sinne von Art. 43 Ziff. 5 StGB über den Vollzug der aufgeschobenen Strafe zu entscheiden oder zu prüfen, ob eine andere sichernde Massnahme anzuordnen sei (Art. 43 Ziff. 3 StGB).
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c) Ein gegen den Abbruch der ambulanten Behandlung eingereichter Rekurs wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 16. Mai 1979 abgewiesen. Von der Möglichkeit der Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde machte S. keinen Gebrauch.
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d) Das Bezirksgericht Zürich prüfte in der Folge gemäss Art. 43 Ziff. 3 Abs. 3 StGB, ob eine andere ambulante Behandlung oder die stationäre Behandlung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder schliesslich die Verwahrung (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) anzuordnen sei. Es kam zum Schluss, für keine dieser Massnahmen seien die Voraussetzungen erfüllt; es bestehe auch kein Grund, gemäss Art. 43 Ziff. 5 StGB vom Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe ganz oder teilweise abzusehen. Das Gericht erkannte daher am 20. Dezember 1979, dass die mit Urteil vom 31. August 1977 ausgefällte Zuchthausstrafe jetzt zu vollziehen sei.
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e) Einen hiegegen eingereichten Rekurs hat das Obergericht am 26. März 1980 abgewiesen.
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Im Gegensatz zum Bezirksgericht ging das Obergericht davon aus, dass die neuerliche Anordnung einer ambulanten Behandlung im vorliegenden Fall schon aus rechtlichen Gründen ausser Betracht falle, nachdem die Justizdirektion sie in verbindlicher Weise als unzweckmässig bezeichnet habe. Eine andere sichernde Massnahme hielt das Obergericht nicht für angezeigt und verneinte auch das Vorliegen irgendeines Grundes für den Verzicht auf den Vollzug der Strafe.
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B.- S. führt gegen diesen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei unter Aufschub der Freiheitsstrafe von 2 Jahren ![]() | 8 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Streitig ist somit ausschliesslich, ob das Obergericht erneut eine ambulante Behandlung anordnen könne und daher diesen Antrag materiell prüfen müsse oder ob diese Möglichkeit infolge der vorangehenden Entscheide der Vollzugsinstanzen (Justizdirektion und Regierungsrat) von vornherein rechtlich ausgeschlossen sei.
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2. a) Art. 43 StGB unterscheidet zwischen Anordnungen, die stets vom Richter zu treffen sind, und andern Entscheidungen, welche vom Kanton auch einer Verwaltungsbehörde ("zuständigen Behörde") übertragen werden dürfen. Die Kompetenz zur Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt, aber auch zur Anordnung einer ambulanten Behandlung steht ausschliesslich dem Richter zu. Der Entscheid über den Aufschub des Vollzugs einer Freiheitsstrafe und über den nachträglichen Vollzug aufgeschobener Strafen ist ebenfalls Sache des Richters. Hingegen kann die zuständige Behörde über die Aufhebung der Massnahme beschliessen, wenn ihr Grund weggefallen ist, und gegebenenfalls auch eine probeweise Entlassung aus der Anstalt oder Behandlung anordnen (Art. 43 Ziff. 4 StGB). Geht es um die definitive oder probeweise Aufhebung einer Massnahme wegen Wegfalls des Grundes, so kann also das kantonale Recht den Entlassungsbeschluss der administrativen Vollzugsinstanz übertragen (z.B. dem kant. Justizdepartement), über den nachträglichen Vollzug einer aufgeschobenen ![]() | 11 |
b) Das Obergericht geht davon aus, dass bei Erfolglosigkeit oder Unzweckmässigkeit einer Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 3 StGB - analog wie bei der Aufhebung gemäss Ziff. 4 - der Abbruch der Sanktion von der administrativen Vollzugsbehörde definitiv verfügt werde und dass der Richter nur über den nachträglichen Vollzug der aufgeschobenen Strafe und allenfalls über die Anordnung einer andern Massnahme zu entscheiden habe, wobei die erneute Verhängung der gleichen, von der Vollzugsbehörde als ungeeignet erklärten Massnahme rechtlich ausgeschlossen sei.
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c) Ziff. 3 von Art. 43 StGB enthält - im Gegensatz zu Ziff. 4 - keine ausdrückliche Bestimmung darüber, welche Behörde die gerichtlich angeordnete Massnahme wegen Erfolglosigkeit oder Unzweckmässigkeit einstellt. In der Praxis wird es regelmässig die Vollzugsbehörde sein, welche von den Tatsachen Kenntnis erhält, die den Abbruch oder die Änderung der Sanktion nahe legen. Die Vollzugsbehörde wird in einem solchen Fall das notwendige Entscheidungsverfahren in Gang bringen. Denkbar ist eine förmliche Verfügung, welche die im Gang befindliche Massnahme bereits aufhebt und die Sache zur weitern Verfügung (andere Massnahme oder Strafvollzug) dem Richter "überweist", wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist. Möglich wäre aber auch ein begründeter Antrag an den zuständigen Richter ohne formelle Verfügung über die Beendigung der Sanktion. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich auf jeden Fall nicht ableiten, dass die Vollzugsbehörde über die Aufhebung der Massnahme zu befinden habe, und dass deren förmliche Aufhebung durch die Vollzugsbehörde einer erneuten richterlichen Anordnung der gleichen Massnahme entgegenstehe. Anderseits schliesst der Gesetzestext eine solche strenge Aufspaltung der Kompetenzen auch nicht zwingend aus. Es besteht hier in der gesetzlichen Regelung eine Lücke, die unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse zweckmässig zu füllen ist. Da es ausschliesslich um die Regelung der Zuständigkeit geht und nicht um Fragen des materiellen Strafrechts, sind die für die Abgrenzung der Strafbarkeit und die Zulässigkeit von Sanktionen massgebenden spezifischen Schranken der Rechtsfindung hier ohne Belang.
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d) Bei abstrakter Prüfung scheint es zunächst, die von der ![]() ![]() | 14 |
e) Der angefochtene Entscheid verletzt daher insofern Bundesrecht, als das Obergericht annimmt, die neuerliche Anordnung einer ambulanten Behandlung falle schon aus rechtlichen Gründen ausser Betracht, nachdem die Justizdirektion sie in verbindlicher Weise als unzweckmässig bezeichnet und ihren Vollzug eingestellt habe. Ein solcher Ausschluss jeder gleichartigen Massnahme lässt sich aus Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 StGB nicht ableiten. Das Obergericht muss daher materiell darüber entscheiden, ob eine neue ambulante Behandlung anzuordnen sei. Dabei sind neben den bisherigen (negativen) Erfahrungen mit dieser Behandlungsform auch die in einem neuen Strafverfahren (im Kanton Bern) erhobenen psychiatrischen Befunde gebührend zu berücksichtigen. Zur Frage der Zweckmässigkeit einer erneuten ambulanten Behandlung hat der Kassationshof hier nicht Stellung zu nehmen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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