BGE 112 IV 71 | |||
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21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Juni 1986 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen G. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 StGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 2. Juli 1985 wurde G. mit seinem Personenwagen auf der Flawilerstrasse in Wil zum Zwecke einer technischen Kontrolle von der Polizei angehalten. Dabei wurde zwischen dem Führersitz und der Mittelkonsole des Fahrzeugs ein Radarwarngerät vom Typ "Q 1200" und der Marke Whistler mit der Seriennummer 105064 festgestellt. Am Gerät war ein Kabel mit einem Stecker montiert, der in die Buchse des Zigarettenanzünders passte, an dem der normalerweise vorhandene Einsatz fehlte. Das Kabel war an die Stromquelle nicht angeschlossen. Bei Einführung des Steckers in die Buchse ertönte indessen aus dem Warngerät ein Ton.
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B.- Mit Verfügung vom 18. Dezember 1985 hob der Untersuchungsrichter des Bezirks Wil das gegen G. angehobene Strafverfahren auf, weil sich eine Verwendung des Radarwarngeräts bei der Fahrt vom 2. Juli 1985 bzw. vorgängig bei anderen Fahrten im Inland nicht rechtsgenüglich nachweisen liess. Er ordnete indessen die Einziehung und Vernichtung des Gerätes gemäss Art. 58 Abs. 1 StGB an, weil dieses in der Schweiz nicht legal betrieben werden könne und zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt gewesen sei.
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Auf Beschwerde von G. hob die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 2. April 1986 die Einziehung des Radarwarngeräts auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Wie der Kassationshof in BGE 103 IV 78 E. 2 entschieden hat, kann erst der Gebrauch bei Ausführung oder seine Bestimmung zur Verübung einer strafbaren Handlung einen Gegenstand überhaupt zur gefährlichen Sache und damit der Konfiskation zugänglich machen; da im einen wie im anderen Fall ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer konkreten Straftat erforderlich sei, genüge die blosse allgemeine Bestimmung oder Eignung von Gegenständen zu eventueller deliktischer Verwendung nicht, um eine Einziehung zu rechtfertigen. Daraus wurde im Schrifttum der Schluss gezogen, eine Einziehung von Gegenständen, die zur Verübung einer Straftat bestimmt seien, sei nur möglich, wenn ein strafbarer Versuch ausgeführt worden sei, es sei denn, schon der Besitz des Gegenstandes sei strafbar (SCHULTZ, ZBJV 114/1978 S. 463). Diese Auffassung geht indessen über den Sinn der bundesgerichtlichen Erwägungen hinaus (ebenso REHBERG, Grundriss/Strafrecht II, 4. Aufl. S. 82 unten). Damals handelte es sich um Schusswaffen, also um Gegenstände, die nicht a priori zur Begehung von strafbaren Handlungen bestimmt, sondern bloss geeignet waren. Ihre Einziehung konnte nur in Betracht fallen, wenn sie entweder zur Verübung eines Delikts tatsächlich gedient hatten oder aber im Hinblick auf eine zu begehende Straftat ernstlich als Tatmittel in Aussicht genommen worden waren. Mehr wollte mit dem Hinweis auf den unmittelbaren Zusammenhang mit einer konkreten Straftat nicht gesagt werden. Das folgt auch daraus, dass im genannten Entscheid mit keinem Wort eine Abweichung von den Aussagen des BGE 89 IV 69 zum Ausdruck gebracht wurde. In diesem Urteil aber hatte das Bundesgericht festgehalten, dass die Straftat, zu deren Begehung der einzuziehende Gegenstand dienen sollte, weder ausgeführt noch auch bloss versucht worden sein müsse. Eine andere Auffassung erschiene auch mit dem Sinn des Art. 58 Abs. 1 StGB kaum vereinbar, der die Einziehung von zur Verübung von Straftaten bestimmten Gegenständen schon vorsieht, wenn sie die öffentliche Ordnung gefährden. Insoweit erweist sich die Einziehung klarerweise als eine Massnahme mit präventivem Charakter. Tatsächlich verfolgt sie denn auch den Zweck, einer Verwirklichung der für die öffentliche Ordnung bestehenden Gefahr vorzubeugen (s. BGE 81 IV 219 E. 2). Dieses Ziel würde jedoch nicht erreicht, wenn - wie die Vorinstanz unter Verweisung auf SCHULTZ (Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, II, 4. Aufl., S. 205 unten) annimmt - zumindest der objektive Tatbestand der Straftat gegeben sein müsste. Etwas anderes kann auch aus einem von der Vorinstanz angeführten Entscheid der Anklagekammer des Bundesgerichts (AK 21/79) nicht geschlossen werden, stand doch die heute aufgeworfene Frage im betreffenden Fall überhaupt nicht zur Entscheidung.
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b) Radarwarngeräte sind nicht nur geeignet, sondern auch dazu bestimmt, den Motorfahrzeugführer vorzeitig auf behördliche Kontrollen des Strassenverkehrs, die vermittels bestimmter technischer Einrichtungen durchgeführt werden, aufmerksam zu machen. Ihr Einsatz hat somit zur Folge, dass die Wirksamkeit solcher im Interesse der Verkehrssicherheit durchgeführter Kontrollen aufgehoben oder beeinträchtigt wird. Deshalb wurden denn auch die Verwendung und Herstellung solcher Geräte sowie der Handel mit ihnen in der Schweiz verboten und unter Strafe gestellt (Art. 57 Abs. 4 SVG in Verbindung mit Art. 1 Verordnung des Bundesrates über die Geräte zur Störung der Strassenverkehrskontrollen). Radarwarngeräte können infolgedessen in der Schweiz nur illegal ihrer Zweckbestimmung entsprechend verwendet werden.
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c) Im vorliegenden Fall steht fest, dass das im Wagen des Beschwerdegegners zwischen Führersitz und Mittelkonsole vorgefundene Radarwarngerät mit Kabel und Stecker versehen war, dass dieser letztere in die Buchse des Zigarettenanzünders passte und durch Einschieben in dieselbe - deren üblicher Einsatz übrigens fehlte - das Gerät leichthin an die Stromquelle angeschlossen und in Betrieb gesetzt werden konnte. Befand sich demnach das Radarwarngerät in einer betriebstauglichen Anordnung (BGE 107 IV 154), bestand der naheliegende Verdacht, dass es (bereits unzulässigerweise verwendet worden war bzw.) bei nächster sich bietender Gelegenheit in Widerhandlung gegen die vorgenannten Bestimmungen benutzt werden würde. Darin aber lag ohne Zweifel eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, deren Verwirklichung nach Art. 58 Abs. 1 StGB mit der Einziehung des Geräts verhindert werden soll. Indem die Vorinstanz eine Einziehung des Geräts ausschloss, verletzte sie somit Bundesrecht.
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