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46. Urteil des Kassationshofes vom 22. September 1993 i.S. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 18 und 305bis Ziff. 1 StGB; Anlegen von Drogengeld, Vorsatz. |
Der Gesetzeswortlaut genügt dem Bestimmtheitsgebot (E. 1c). |
Das Anlegen von Geld, das aus qualifizierten Betäubungsmitteldelikten stammt, ist jedenfalls dann Geldwäscherei, wenn sich die Art und Weise, wie das Geld angelegt wird, von der einfachen Einzahlung von Bargeld auf ein Konto unterscheidet (E. 1d und e). |
Wissen um die verbrecherische Herkunft der Vermögenswerte; Inkaufnahme (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Strafamtsgericht Bern sprach S. am 3. Oktober 1991 von der Anschuldigung der Geldwäscherei, eventuell der mangelnden Sorgfalt beim Geldhandel frei.
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Auf Appellation des stellvertretenden Prokurators verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 11. August 1992 wegen Geldwäscherei zu Fr. 7'000.-- Busse.
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C.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Vorinstanz verzichtete auf Gegenbemerkungen. Der stellvertretende Prokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Den Grundtatbestand der Geldwäscherei erfüllt jede Tathandlung, die geeignet ist, die Einziehung der Verbrechensbeute zu vereiteln. Das Verstecken von Drogengeld ist eine Vereitelungshandlung (BGE 119 IV 59).
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b) Die Vortat muss ein Verbrechen im Sinne des Art. 9 StGB sein. Diese Voraussetzung ist mit der Verurteilung des Vortäters nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG erfüllt.
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Der Beschwerdeführer wendet ein, Art. 305bis StGB erfasse nur Vermögenswerte, die weiteren Verbrechen dienten. Das Gesetz stellt ![]() | 9 |
c) Eine Verletzung von Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK ist nicht ersichtlich. Das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) ist Bestandteil des Legalitätsprinzips. Der Grundsatz der Legalität folgt aus Art. 4 BV und bildet durch die Übernahme in Art. 1 StGB eidgenössisches Recht im Sinne des Art. 269 Abs. 1 BStP. Art. 7 EMRK schützt diesen Grundsatz ebenfalls. Die Rüge der konventionswidrigen Auslegung einer bundesrechtlichen Bestimmung, also der mittelbaren Verletzung der Konvention, kann mit Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht werden (BGE 119 IV 107 E. 1a und BGE 116 IV 388 E. 1, je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Strassburger Organe muss das Gesetz lediglich so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 117 Ia 472 E. 3e, S. 480, vgl. BGE 112 Ia 107 E. 3b; HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 47 f., 76, 198). Diesen Anforderungen genügt Art. 305bis Ziff. 1 StGB.
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d) Vorliegend beriet der Beschwerdeführer den Kunden in seiner Eigenschaft als Treuhänder (vgl. BERNASCONI, a.a.O., S. 32 ff.; BBl 1989 II 1065), wie er den für seine Verhältnisse sehr hohen Geldbetrag unauffällig anlegen konnte. Er zahlte das Geld nicht bloss auf die (mindestens zwei) bestehenden Bankkonten ein, sondern teilte ![]() | 11 |
Damit war der Drogengewinn aus dem persönlichen Bereich des Vortäters entfernt und im Finanzmarkt plaziert. Für G. war das Problem, wie das aus dem Drogenhandel stammende Geld zu investieren sei, gelöst. Bei Auflösung des Bankkontos oder bei Eintritt des Versicherungsfalles bzw. Rückkauf wären der Erlös als Ertrag aus dem Anlagemarkt erschienen und die Spur der verbrecherischen Herkunft getilgt gewesen. Hätte die Polizei bei G. nicht die Quittung gefunden, wären eine Identifizierung der Vermögenswerte und der Zugriff auf ihn kaum mehr möglich gewesen. Denn die Behörden hätten den Weg vom Anlagekapital über die Investitionskanäle, die Bank- und Versicherungsinstitute, die Mittelsleute und den Beschwerdeführer zu G. aufdecken müssen. Der Beschwerdeführer hat dieses Vorgehen organisiert und damit die erste Phase der Geldwäscherei, die Plazierung, beendet. In diesem Zeitpunkt erfolgte der ![]() | 12 |
e) Der Einwand des Beschwerdeführers, nicht jede Umwandlung von Bargeld in Buchgeld bzw. nicht jede wie immer geartete Einlage solcher Gelder erfülle den Tatbestand, erledigt sich damit. Die vom Beschwerdeführer gewählte Form der Einlage geht über eine einfache Umwandlung von Bargeld in Buchgeld oder eine "blosse" Einzahlung hinaus. Ergänzend sei dazu folgendes bemerkt:
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Die Botschaft bezeichnet das Umwandeln von Bargeld in Buchgeld als typische Form der Geldwäscherei. Für den Drogenhandel sei die Umwandlung von Bargeld aus der Kleinverteilung in Buchgeld eine kritische Phase, die Geldwäscherei ersten Grades, und die Einzahlung sei bereits von entscheidender Bedeutung (BBl 1989 II 1066, 1084 oben, 1074). Die Räte nahmen keine Differenzierung vor. Es war die Rede vom Geldkurier als archaischer Form der Geldwäscherei (Amtl.Bull. 1989 N 1849, Amtl.Bull. 1990 S 190 f.), der einfache Transfer von Bargeld und Noten sei nur der Grundtypus (Amtl.Bull. 1990 S 194); unter Geldwäscherei seien alle Handlungen zu verstehen, die dazu dienten, verbrecherisch erlangte Vermögenswerte nachher als scheinbar legal erworben wieder in den Markt einzuführen (vgl. Amtl.Bull. 1989 N 1852, 1859; Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1990 S 194, 195). Der Gesetzgeber hat damit die Anwendung der Norm auf den Einzelfall nicht abschliessend geregelt, sondern der Rechtsprechung aufgetragen, Fallgruppen typischer Vereitelungshandlungen zu entwickeln (BBl 1989 II 1083).
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Erscheinungsform und Ablauf der Geldwäscherei sind in der Literatur unterschiedlich, jedoch im wesentlichen übereinstimmend beschrieben. MARK PIETH (Mark Pieth [Hrsg.], Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 12 ff.) unterscheidet drei Phasen. Ziel der Plazierung sei das Einspeisen von Bargeld in den Finanzbereich. In der zweiten Phase, dem Verwirrspiel, würden die Vermögenswerte so lange verschoben, bis deren Herkunft im komplexen Netzwerk des Finanzmarktes gleichsam wie hinter einer Nebelwand verschwunden sei. Mit der Integration, d.h. sobald den Vermögenswerten ein legitimer Hintergrund beigegeben ist, sei der Waschvorgang vollendet (vgl. JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäscherei - Money Laundering, Zürich 1992, S. 13 ff.; CHRISTOPH K. GRABER, Geldwäscherei, Bern 1990, S. 56 ff.). Der Finanzbereich, besonders der Bankensektor, wird so das Verbindungsstück zwischen legaler und illegaler Ökonomie. Der Gesetzgeber mass dieser Tatsache ![]() | 15 |
Auch dies spricht dafür, dass die vom Beschwerdeführer vorgenommene Anlage des Drogengeldes den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt.
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b) Der Geldwäscher muss die verbrecherische Herkunft der Vermögenswerte und die Verwirklichung des Vereitelungszusammenhangs, der ihm objektiv zur Last gelegt wird, zumindest in Kauf nehmen, d.h. mit einer möglichen Tatbestandsverwirklichung einverstanden sein.
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Er muss also zunächst wissen oder annehmen, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren. Die Formulierung "weiss oder annehmen muss" stammt aus Art. 144 StGB und meint Vorsatz und Eventualvorsatz. Nach der Rechtsprechung zu Art. 144 StGB genügt, wenn Verdachtsgründe die Möglichkeit einer strafbaren Vortat nahelegen. Nicht nötig ist, dass der Hehler deren konkrete Eigenart kennt (BGE 101 IV 402 E. 2; SJ 110/1988 S. 405). Das Gesetz beruht auf dieser Rechtsprechung (BBl 1989 II 1084; Amtl.Bull. 1989 N 1846, 1853 f., 1856 f.; Amtl.Bull. 1990 S 195; ebenso die Literatur: STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teilrevisionen 1987 bis 1990, S. 76 N 16; SCHMID, Anwendungsfragen der Straftatbestände gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB Art. 305bis, Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991, S. 119; GRABER, a.a.O., S. 142; ACKERMANN, a.a.O., S. 267, 272). Daher genügt, ist aber auch erforderlich, dass der Geldwäscher die Umstände kennt, die den Verdacht nahelegen, das Geld stamme aus einer verbrecherischen Vortat. Dabei muss er nicht wissen, dass das Gesetz die entsprechende Qualifikation vornimmt (z.B. Diebstahl, qualifizierte Veruntreuung, ![]() | 19 |
Ist beweismässig davon auszugehen, dass der Geldwäscher nicht eine bestimmte Vorstellung über die Art des Vordeliktes hatte, ist demnach entscheidend, ob er zumindest die Möglichkeit in Kauf genommen hat, das Geld könne aus einer Verbrechensvortat stammen. Es genügt also, dass er mit der Möglichkeit gerechnet hat, das Geld könne aus qualifizierten Betäubungsmitteldelikten oder gegebenenfalls anderen Verbrechen wie Diebstahl oder Betrug stammen und dies in Kauf genommen hat, mit anderen Worten, dass er mit einem Sachverhalt gerechnet hat, der als qualifiziertes Betäubungsmitteldelikt oder ein anderes Verbrechen zu qualifizieren ist.
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c) Was der Täter weiss, will oder in Kauf nimmt, billigt, womit er sich abfindet (vgl. BGE 96 IV 99), ist Tatfrage und als tatsächliche Feststellung für das Bundesgericht verbindlich (Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP; vgl. BGE 119 IV 1 E. 5a, BGE 118 IV 122 E. 1, BGE 116 IV 143 E. 2c). Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen richtet oder die Beweiswürdigung kritisiert, ist somit darauf nicht einzutreten.
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Allerdings ist die Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit schwierig. Vorsatz ist innere Tatsache und nur anhand äusserer Kennzeichen feststellbar. Deshalb ist die Rechtsfrage ohne Bewertung der Tatfrage kaum zu beantworten (BGE 119 IV 1 E. 5a). Der Beschwerdeführer weist auf diesen Zusammenhang hin, indem er sich auf einen Aufsatz stützt, worin SCHUBARTH diese Problematik kurz dargestellt hat (Nichtigkeitsbeschwerde - Staatsrechtliche Beschwerde - Einheitsbeschwerde?, AJP 7/1992 S. 851 f.). Dieser führt aus, der Sinngehalt der zum Eventualdolus entwickelten Formeln liesse sich nur im Lichte der tatsächlichen Umstände des Falles prüfen. Das Bundesgericht könne jedenfalls in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualdolus überprüfen.
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d) Die Vorinstanz hat sich mit den Einwänden, es handle sich um Schwarzgeld und G. habe als vertrauenswürdig gegolten, auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass die Gelder weder erarbeitetes Vermögen noch Ersparnisse waren. Er habe auch nicht von einer Erbschaft ausgehen können; denn er habe die Steuererklärung ausgefüllt (wonach die Ehegatten G. rund Fr. 42'000.-- Bruttolohn sowie rund Fr. 47'000.-- Bruttovermögen versteuerten), sei über die Höhe der väterlichen Erbschaft (Quittung über rund ![]() | 23 |
Zuzugeben ist, dass aus der Höhe des Deliktsbetrags allein nicht auf ein Verbrechen im Sinne von Art. 9 StGB geschlossen werden kann. Beispielsweise stellt die einfache Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB auch dann ein Vergehen dar, wenn Hunderttausende von Franken veruntreut wurden; Entsprechendes gilt für den Insidermissbrauch gemäss Art. 161 StGB. Der Beschwerdeführer wendet jedoch selbst nicht ein, er habe geglaubt, das Geld stamme beispielsweise aus Veruntreuung oder Insidermissbrauch. Es fehlen auch Indizien dafür, dass G. etwa in seiner beruflichen Tätigkeit die Möglichkeit zu solchen Straftaten gehabt hätte. Aufgrund der konkreten Verhältnisse lässt sich deshalb ausschliessen, dass der Beschwerdeführer davon ausgegangen ist, G. hätte die Gelder aus Straftaten erlangt, die vom Gesetz nur als Vergehen eingestuft sind. Aufgrund der geschilderten Umstände hat er jedenfalls die Möglichkeit gesehen, dass die Vermögenswerte aus Straftaten stammen könnten, die, wie etwa qualifizierter Betäubungsmittelhandel, das Gesetz als Verbrechen qualifiziert. Die Vorinstanz hat deshalb im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Eventualvorsatz ![]() | 24 |
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