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29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen A. und Mitb. (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.530/2006 vom 19. Juni 2007 |
Art. 33 Abs. 3 lit. b SGG; Legitimation der Bundesanwaltschaft. |
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 6 BetmG; Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht; Anstaltentreffen. |
Art. 172 Abs. 1 und Art. 246 BStP; Verfahrenskosten des Bundesstrafverfahrens. | |
Sachverhalt | |
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Am 16. November 2003 erfolgte auf Veranlassung von A. eine zweite Lieferung über 940 Gramm Kokain. Dabei wurde derselbe Drogenkurier und auf die gleiche Weise wie beim ersten Mal eingesetzt. Kurz nach dessen Eintreffen in A.s Wohnung erschien auch C., der über mehrere Stunden den Kurier beim Ausscheidevorgang betreute und für die Verpflegung sorgte. Bevor dieser mit dem Ausscheiden zu Ende kommen konnte, schritt die Polizei ein.
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B. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft erhob mit Anklageschrift vom 7. April 2006 unter anderem Anklage gegen A., B., und C. Den Angeklagten wird zur Hauptsache mengen-, banden- und gewerbsmässig qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121) als Mittäter zur Last gelegt.
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C. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts erklärte mit Urteil vom 22. August 2006 die Angeklagten A. und B. als Mittäter der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 und 2 BetmG) schuldig, begangen unter anderem durch Verkauf bzw. Einfuhr von je 940 Gramm Kokain. Den Angeklagten C. verurteilte sie wegen Gehilfenschaft zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 und 2 BetmG i.V.m. Art. 25 StGB), begangen durch Verkauf bzw. Anstaltentreffen zum Verkauf von je 940 Gramm Kokain. Vom Vorwurf weiterer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden die Angeklagten teilweise freigesprochen.
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Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts bestrafte die Angeklagten A. und B. je mit 3 Jahren und 8 Monaten Zuchthaus, den Angeklagten C. mit 2 Jahren und 4 Monaten Zuchthaus. Vom Widerruf der mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Winterthur vom 10. Juli 2003 gegen C. ausgesprochenen Freiheitsstrafe sah die Strafkammer ab.
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E. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 8. Januar 2007 Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdegegner A. und B. wurden wegen Unzustellbarkeit durch öffentliche Publikation im Bundesblatt aufgefordert, zur Beschwerde Stellung zu nehmen, was sie innert Frist nicht getan haben. Das Bundesgericht hat ihnen mit Beschluss vom 4. April bzw. 7. Mai 2007 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Korinna Fröhlich bzw. Rechtsanwalt Jürg Federspiel als amtliche Verteidiger für das bundesgerichtliche Verfahren bezeichnet. Beide Rechtsvertreter stellen je den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdegegner C. verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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Der Bundesanwalt kann sich nach Art. 16 Abs. 1 BStP durch seine Stellvertreter vertreten lassen. Im Rahmen der sog. ![]() | 10 |
2.2 Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. b SGG findet der Vorbehalt zugunsten der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 269 Abs. 2 BStP) keine Anwendung. Das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde steht schon deshalb nicht offen, weil es nur gegen kantonale Entscheide zulässig ist, nicht aber gegen Entscheide von Bundesbehörden (Art. 84 ff. OG). Wohl leitet die Rechtsprechung aus der Übergangsbestimmung ab, dass mit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile des Bundesstrafgerichts die gleichen Beschwerdegründe angerufen werden können wie gegen kantonale Strafurteile (Entscheide des Bundesgerichts 6S.293/2005 vom 24. Februar 2006, E. 2.1 und 6S.150/ 2006 vom 21. Dezember 2006, E. 3.1). Das Bundesgericht hat jedoch betont, dass damit keine Erweiterung der Beschwerdebefugnis des Bundesanwaltes einhergehe, und er deshalb nicht befugt sei, eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte des Bürgers, einschliesslich des Rechts auf Schutz vor Willkür, zu rügen. Begründet wird dies zum einen damit, dass der öffentliche Ankläger nicht Grundrechtsträger sei, und zum anderen mit der Entstehungsgeschichte von Art. 33 SGG, die nicht erkennen lasse, dass der Gesetzgeber die Beschwerdebefugnis des Bundesanwaltes hätte erweitern wollen (Urteil 6S.150/2006, a.a.O., E. 3.2). Es besteht kein ![]() | 11 |
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Aufgrund dieses Sachverhalts erklärt die Vorinstanz den Beschwerdegegner C. der Gehilfenschaft zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 und 2 BetmG i.V.m. Art. 25 StGB schuldig. Sie führt aus, der Tatbeitrag von C. hebe sich qualitativ von jenem der Hauptbeteiligten A. und B. ab. Er habe in untergeordneter Stellung Hilfe geleistet zum Verkauf von 940 Gramm Kokain (nach der ersten Einfuhr) sowie zum Anstaltentreffen zum Verkauf von 940 Gramm Kokain (nach der zweiten Einfuhr). Hinsichtlich der zweiten Drogenlieferung sei er nicht Gehilfe zur Einfuhr, da diese bei seinem Eintreffen abgeschlossen gewesen sei, sondern beim Ausscheiden, also beim Anstaltentreffen zur Drogenveräusserung.
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3.2 Gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 4 BetmG macht sich strafbar, wer unbefugt Betäubungsmittel lagert, versendet, ein-, ![]() | 15 |
Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches finden auch im Betäubungsmittelstrafrecht Anwendung, soweit das Betäubungsmittelgesetz nicht selbst Bestimmungen aufstellt (Art. 26 BetmG). Die allgemeinen Regeln über Täter und Teilnahme gelten daher grundsätzlich auch im Bereich der Betäubungsmitteldelikte (PETER ALBRECHT, Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes, 2. Aufl., Bern 2007, Art. 19 BetmG N. 160). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass Art. 19 Ziff. 1 BetmG nahezu alle Unterstützungshandlungen als selbständige Handlungen umschreibt. Aufgrund der hier gegebenen hohen Regelungsdichte besteht kein Bedürfnis, unterstützende Tatbeiträge über die Regeln der Mittäterschaft, Anstiftung oder Gehilfenschaft in die eigentliche Tat einzubeziehen. Diese Dichte hat insbesondere eine starke Einschränkung des Anwendungsbereiches von Art. 25 StGB (Gehilfenschaft) zur Folge (BGE 118 IV 397 E. 2c S. 400). Gehilfenschaft liegt nur vor, wenn die objektive Mitwirkung an der Tat eines anderen sich auf einen untergeordneten, vom Gesetz nicht als selbständiges Delikt erfassten Beitrag beschränkt (BGE 119 IV 266 E. 3a S. 268; BGE 113 IV 90 E. 2a S. 91).
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Eine eigenständige Vorschrift, die von den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches abweicht, enthält das Betäubungsmittelgesetz in Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer zu einer Tat nach Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1-5 BetmG Anstalten trifft. Damit werden zum einen der Versuch im Sinne von Art. 21 ff. StGB und zum anderen, darüber hinaus, gewisse qualifizierte Vorbereitungshandlungen erfasst und zu selbständigen Taten mit derselben Strafdrohung wie die übrigen verbotenen Verhaltensweisen aufgewertet (BGE 130 IV 131 E. 2.1 S. 135; BGE 121 IV 198 E. 2a S. 200). Im Sinne dieser Bestimmung Anstalten treffen kann nur, wer nach seinem Plan eine Straftat gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1-5 BetmG selber als Täter oder zusammen mit anderen Personen als Mittäter verüben will. Wer diesen ![]() | 17 |
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3.4 Nach der zweiten Lieferung stellte sich C. im Hinblick auf den geplanten Verkauf erneut zur Verfügung. Kurze Zeit nach der Ankunft des Drogenkuriers traf auch er in der Wohnung von A. ein und betreute den Kurier beim Ausscheiden des Kokains. Die Vorinstanz selbst nimmt an, dass das Betreuen des Kuriers unmittelbar dazu diente, die Drogen verfügbar zu machen und sicherzustellen, um sie dann in den Handel zu bringen. Ist das Verhalten aber klar erkennbar auf den Drogenhandel gerichtet, liegt darin ein Anstaltentreffen zum Verkauf von Betäubungsmitteln im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 BetmG und damit ein selbständig erfasstes Delikt. Die Auffassung der Vorinstanz, C. habe sich lediglich als Gehilfe zum Anstaltentreffen schuldig gemacht, käme ![]() | 19 |
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(...)
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6.1 Gemäss Art. 246 Abs. 1 BStP werden im Bundesstrafverfahren unter anderem für das Ermittlungsverfahren, die Voruntersuchung sowie die Anklageerhebung und -vertretung Verfahrenskosten erhoben (Satz 1). Diese bestehen aus Gebühren und Auslagen, die im Verfahren oder im Zusammenhang mit der Anklageerhebung und -vertretung entstehen (Satz 2). Der Begriff der Verfahrenskosten sowie die Festlegung der Gebühren und Auslagen werden in der Verordnung des Bundesrates vom 22. Oktober 2003 über die Kosten der Bundesstrafrechtspflege (SR 312.025) näher ausgeführt. Danach sind Gebühren für Untersuchungshandlungen geschuldet, die vom Bundesanwalt, von der Bundeskriminalpolizei und vom eidgenössischen Untersuchungsrichter durchgeführt oder angeordnet werden (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung). Die Auslagen demgegenüber umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung, die Untersuchungshaft, den Transport von Untersuchungsgefangenen, Reisen ![]() | 23 |
Das Gericht hat die Verfahrenskosten im Sinne von Art. 246 BStP nach den Regeln von Art. 172 ff. BStP zu verlegen. Dem Verurteilten werden in der Regel die Kosten des Strafverfahrens einschliesslich derjenigen des Ermittlungsverfahrens, der Voruntersuchung sowie der Anklageerhebung und -vertretung auferlegt. Aus besonderen Gründen kann ihn das Gericht ganz oder teilweise von der Kostentragung befreien (Art. 172 Abs. 1 BStP).
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Dem Gericht steht bei der Entscheidung über die Kostenauflage ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Nichtigkeitsbeschwerde hin in das Ermessen nur ein, wenn das Gericht von einem unrichtigen Begriff der Kosten ausgeht oder die Kostenauflage mit rechtlich nicht massgebenden Argumenten begründet oder dabei wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht lässt beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet (vgl. BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20).
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6.3 Nach Art. 172 Abs. 1 Satz 1 BStP gilt der Grundsatz, dass der Verurteilte die Verfahrenskosten in vollem Umfang zu tragen hat, wozu insbesondere die Auslagen für die Untersuchungshaft gehören. Die Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Verurteilte die Kosten zu Lasten der Allgemeinheit als Folge seiner Tat schuldhaft verursacht hat (BGE 124 I 170 E. 3g S. 174; zu den Prinzipien THOMAS HANSJAKOB, Kostenarten, Kostenträger und Kostenhöhe im Strafprozess, Diss. St. Gallen 1988, S. 24 ff., 129 ff.; ausführlich zum deutschen Recht WILHELM DEGENER, Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, vor § 464 N. 8 ff.). Eine Reduktion bzw. Befreiung von der Kostentragungspflicht ist nur aus "besonderen Gründen" möglich (Art. 172 Abs. 1 Satz 2 BStP). In Entsprechung zum ![]() | 27 |
Die Vorinstanz befreit die Verurteilten von den Haftkosten zur Hauptsache mit der Begründung, die Untersuchungshaft sei auf die Freiheitsstrafe anzurechnen und stelle wie diese eine erzwungene Freiheitsentziehung dar. Dass dem Untersuchungshäftling die Freiheit entzogen wird, kann indessen kein besonderer Grund im ![]() | 28 |
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Der vorläufige Strafvollzug stellt seiner Natur nach eine Massnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar ![]() | 30 |
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