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14. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Uri (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_697/2013 vom 28. April 2014 | |
Regeste |
Rassendiskriminierung; öffentliche Verbreitung von rassendiskriminierenden Ideologien (Art. 261bis Abs. 2 StGB). | |
Sachverhalt | |
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B. Das Obergericht des Kantons Uri sprach X. mit Urteil vom 28. Mai 2013 in Bestätigung des Entscheids des Landgerichtsvizepräsidiums Uri vom 26. Juni 2012 der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 50.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, und mit einer Busse von 300 Franken respektive, im Falle der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse, mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
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C. X. erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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D. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Uri haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Gemäss Art. 261bis StGB ("Rassendiskriminierung") wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe unter anderen bestraft, wer (Abs. 1) öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von ![]() | 6 |
Erwägung 2.1 | |
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Erwägung 2.2 | |
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2.2.2 Den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB erfüllt nicht schon, wer sich öffentlich zu einer rassendiskriminierenden Ideologie bekennt. Art. 261bis Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter die rassendiskriminierende Ideologie "verbreitet". Mit der Tathandlung des "Verbreitens" ist ein "Werben", ein "Propagieren" gemeint, wie sich deutlicher aus dem französischen und dem italienischen Gesetzeswortlaut ("celui qui ... aura propagé une idéologie ..."; "chiunque ![]() | 10 |
2.2.3 Gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 kann unter Propaganda auch eine "averbale Kommunikation (z.B. Hitlergruss)" fallen (Botschaft, a.a.O., S. 312). Die Lehre nimmt an, dass der sog. "Hitlergruss" selbst bereits ein werbendes Verbreiten darstellen kann. Dies allerdings nur, wenn die so gegrüsste Person diese Ideologie nicht teilt. Werde die Geste dagegen unter Gleichgesinnten verwendet, so dürfte darin jedenfalls kein "Verbreiten" im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB zu erkennen sein, auch dann nicht, wenn es in der Öffentlichkeit geschieht. Der sog. "Hitlergruss" sei also nur dann als "Verbreiten" zu ![]() | 11 |
2.2.4 Der Bundesrat schlug in teilweiser Erfüllung der Motion 04. 3224 der Rechtskommission des Nationalrats vom 29. April 2004 mit Bericht und Vorentwurf vom Juni 2009 über die Ergänzung des Schweizerischen Strafgesetzbuches betreffend rassistische Symbole einen neuen Artikel 261ter StGB betreffend Verwendung rassistischer Symbole vor. Der Bericht weist darauf hin, dass Rechtsextreme, die sich beispielsweise darauf beschränken, untereinander den sog. "Hitlergruss" auszuführen, nach geltendem Recht straflos bleiben, da diesfalls die Tathandlung des "Verbreitens" im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB mit seinem werbenden Element nicht erfüllt ist (Bericht vom Juni 2009, S. 17). Gemäss Art. 261ter VE-StGB sollte mit Busse bestraft werden, wer rassistische Symbole, insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon, wie Fahnen, Abzeichen, Embleme, Parolen oder Grussformen, oder Gegenstände, die solche Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten, wie Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, öffentlich verwendet oder verbreitet. Aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens empfahl der Bundesrat mit Bericht vom 30. Juni 2010 dem Parlament, auf ein Verbot der öffentlichen Verwendung extremistischer, gewaltverherrlichender und rassistischer Symbole sowie auf eine Ergänzung des StGB und des MStG mit einer Strafnorm betreffend rassistische Symbole zu verzichten, und er beantragte, die Motion 04.3224 abzuschreiben (Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2010 zur Abschreibung der Motion 04.3224 der Rechtskommission des Nationalrats vom 29. April 2004, BBl 2010 4851 ff.). Die eidgenössischen Räte nahmen den Vorschlag an (AB 2011 N 832, AB 2011 S 851 f.). Der Bundesrat weist in seinem Bericht darauf hin, dass damit die Verwendung oder Verbreitung rassistischer Symbole nicht straflos sei. Sie sei vielmehr nach Art. 261bis StGB strafbar, wenn diese Symbole eine rassendiskriminierende Ideologie kennzeichnen und dafür in der Öffentlichkeit geworben wird. Durch das Zeigen des sog. "Hitlergrusses" werde nach geltendem Recht nur dann geworben, wenn sich der Beschuldigte mit dem Gruss an die Öffentlichkeit richtet mit dem Willen, diese werbend zu beeinflussen (Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2010, BBl 2010 4851 ff., 4861, 4862). In den Verhandlungen des Ständerats hielt Bundesrätin Sommaruga fest, ![]() | 12 |
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2.4 Die öffentliche Verwendung des sog. "Hitlergrusses" kann unter Umständen, je nach den örtlichen Gegebenheiten und/oder dem Adressatenkreis, den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen, wonach unter anderen bestraft wird, wer öffentlich durch Gebärden eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt. Solche Umstände liegen hier nicht vor.
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