BGE 142 IV 70 | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen X. (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_845/2015 vom 1. Februar 2016 | |
Regeste |
Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO; Zuständigkeit für den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen. |
Die Kantone können den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO an Untersuchungsbeauftragte der Staatsanwaltschaft delegieren. Eine kantonale Regelung, wonach bei Übertretungen innerhalb der Staatsanwaltschaft nicht die Staatsanwälte, sondern andere Mitarbeiter für den Erlass von Strafbefehlen zuständig sind, verstösst nicht gegen übergeordnetes Recht. Erforderlich ist jedoch ein gültiger kantonaler Erlass, der dies explizit vorsieht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
A. Am 20. Dezember 2012 kam es in Allschwil zu einer Kollision zwischen dem von X. gelenkten Motorrad und dem Lieferwagen von A. Der Untersuchungsbeauftragte B. verurteilte X. im Namen der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft mit Strafbefehl vom 12. März 2013 wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 400.-. X. erhob gegen den Strafbefehl Einsprache.
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B. Der Strafgerichtspräsident Basel-Landschaft erklärte X. am 22. Oktober 2014 in Bestätigung des Strafbefehls der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 400.-.
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Auf Berufung von X. hob das Kantonsgericht Basel-Landschaft das Urteil vom 22. Oktober 2014 mit Beschluss vom 16. Juni 2015 auf. Es wies die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an das Strafgericht zurück und wies dieses an, gemäss Art. 356 Abs. 5 StPO zu verfahren.
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C. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss vom 16. Juni 2015 sei aufzuheben und das Verfahren sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 § 19i Abs. 2 der Dienstordnung der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft vom 23. Oktober 1984 (SGS 145.11; nachfolgend: Dienstordnung) sieht vor, dass der Erste Staatsanwalt Untersuchungsbeauftragten oder Sachbearbeitern die Bewilligung erteilen kann, unter der Verantwortung eines Staatsanwalts Strafbefehle in Übertretungsstrafsachen zu erlassen.
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Gestützt darauf erteilte die Erste Staatsanwältin des Kantons Basel-Landschaft dem Untersuchungsbeauftragten B. auf Antrag der Leitenden Staatsanwältin der Hauptabteilung Arlesheim mit Verfügung vom 25. September 2012 die Berechtigung, per sofort und bis auf Widerruf sämtliche Übertretungsstrafbefehle der Hauptabteilung Arlesheim "selbständig zu kontrollieren und zu unterschreiben".
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Mit Verfügung vom 11. Februar 2015 erteilte die Erste Staatsanwältin B. auf Antrag des Leitenden Staatsanwalts der Hauptabteilung Strafbefehle zudem die Bewilligung, per sofort und bis auf Widerruf Übertretungsstrafbefehle der Hauptabteilung Strafbefehle, Abteilung 1, "zu verfassen, zu kontrollieren sowie in Vertretung und unter der Verantwortung des zuständigen Staatsanwalts zu unterschreiben".
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Die Beschwerdeführerin machte im vorinstanzlichen Verfahren geltend, der Untersuchungsbeauftragte B. habe die Untersuchung im Verfahren gegen den Beschwerdegegner unter der Verantwortung des zuständigen Staatsanwalts geführt und den Strafbefehl vom 12. März 2013 tatsächlich in dessen Vertretung unterzeichnet, auch wenn dies aufgrund seiner alleinigen Unterschrift auf dem Strafbefehl nicht erkennbar sei. Aus dem Aktenzirkulationsblatt, welches sich bei den Akten befinde, werde ersichtlich, dass der zuständige Staatsanwalt den Strafbefehl vor dem Versand geprüft habe.
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2.2 Die Vorinstanz prüfte im angefochtenen Entscheid zunächst, ob der Untersuchungsbeauftragte B. zum selbstständigen Erlass von Strafbefehlen befugt war, d.h. ob die Tatsache, dass der Strafbefehl vom 12. März 2013 von B. unterzeichnet wurde, einen formellen Mangel darstellt. Sie führt zusammengefasst aus, der Kanton Basel-Landschaft habe von der in Art. 17 Abs. 1 StPO vorgesehenen Möglichkeit, die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen an Verwaltungsbehörden zu übertragen, nicht Gebrauch gemacht, womit die Kompetenz der Staatsanwaltschaft belassen bleibe. Dem Einführungsgesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 12. März 2009 zur Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO/BL; SGS 250) sei zudem keine Bestimmung zu entnehmen, wonach Verwaltungspersonal der Staatsanwaltschaft vollständig für die Untersuchung von Übertretungen zuständig sei. Die Verfahrensleitung sei gemäss § 12 EG StPO/BL vielmehr grundsätzlich den Staatsanwälten vorbehalten. Hätte der Gesetzgeber Übertretungsstrafverfahren von dieser Regelung ausnehmen und deren Verfolgung und Beurteilung vollständig den Untersuchungsbeauftragten übertragen wollen, hätte er dies entsprechend der in § 12 Abs. 2 EG StPO/BL (Kompetenzen der Untersuchungsbeauftragten im Pikettdienst) festgehaltenen Ausnahme gesetzlich vorgesehen. Eine ausfüllungsbedürftige Lücke des kantonalen Gesetzes sei somit nicht erkennbar. Folglich liege diesbezüglich ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor. § 12 EG StPO/BL könne daher nicht als gesetzliche Grundlage für die Übertragung der Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen an die Untersuchungsbeauftragten herangezogen werden. Dementsprechend könne die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen auch nicht via Dienstordnung und erst recht nicht mittels einer Generalverfügung der Ersten Staatsanwältin an Untersuchungsbeauftragte delegiert werden.
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§ 19i Abs. 2 der Dienstordnung sei dementsprechend zwingend im Lichte von § 12 EG StPO/BL auszulegen. Somit habe in Übertretungsstrafsachen der Erlass von Strafbefehlen unter der Verantwortung eines Staatsanwalts zu erfolgen. Aus den Akten müsse die effektive (und nicht nur die pro forma) Verfahrensleitung durch einen Staatsanwalt eindeutig hervorgehen. Mit anderen Worten müsse den Akten entnommen werden können, wie der zuständige Staatsanwalt seine Gesamtverantwortung wahrgenommen habe. Damit einher gehe, dass die Vornahme wesentlicher Verfahrensschritte in die alleinige Zuständigkeit der die Verfahrensleitung innehabenden Staatsanwälte falle. Dazu gehöre auch der Erlass von Strafbefehlen als verfahrensabschliessende Verfügungen im Sinne von Art. 318 StPO. Soweit § 19i Abs. 2 der Dienstordnung den selbstständigen Erlass von Strafbefehlen durch Untersuchungsbeauftragte zulasse, und sei dies "unter der Verantwortung eines Staatsanwalts", verletze die Bestimmung übergeordnetes Recht und sei damit nicht anwendbar.
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Vorliegend lege die alleinige Unterschrift von B. auf dem Strafbefehl den Schluss nahe, dass dieser nicht unter der Leitung oder im Auftrag des zuständigen verfahrensleitenden Staatsanwalts einzelne Untersuchungshandlungen vorgenommen habe, sondern das Verfahren durchgehend selbstständig geführt habe und zwar derart, dass er durch den eigenständigen Erlass des Strafbefehls auch betreffend Schuld und Strafe autonom geurteilt habe. Dieser Eindruck werde verstärkt durch die Verfügung der Ersten Staatsanwältin vom 25. September 2012, welche wie dargelegt Art. 311 StPO, § 12 EG StPO/BL und teilweise auch § 19i Abs. 2 der Dienstordnung verletze. Dasselbe gelte für die angepasste Verfügung der Ersten Staatsanwältin vom 11. Februar 2015. Die Unterschrift eines Untersuchungsbeauftragten in Vertretung eines Staatsanwalts reiche nicht aus, um die Gesamtverantwortung bzw. die Leitung des zuständigen Staatsanwalts über das betreffende Verfahren zu bezeugen. Bezwecke die Staatsanwaltschaft, die Untersuchung von Übertretungsstrafverfahren vollständig den Untersuchungsbeauftragten zu übertragen, müsse hierfür eine geeignete gesetzliche Grundlage geschaffen und § 12 EG StPO/BL entsprechend angepasst werden.
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Die Vorinstanz erwähnt sodann die allgemeine Dokumentationspflicht gemäss Art. 76 ff. StPO. Fehlende Unterschriften (wie in casu), aber auch blosse pro-forma-Unterschriften in den Strafakten seien als gesetzeswidrig anzusehen, soweit sich nicht transparent aus den Akten ergebe, wer tatsächlich den Fall geleitet habe und ob und wieweit der Fall durch den zuständigen Staatsanwalt geführt worden sei oder nicht.
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§ 19i der Dienstordnung führe zu einer effizienten Erledigung einer hohen Anzahl von Übertretungsverfahren im Kanton Basel-Landschaft. Bestimmte Untersuchungsbeauftragte seien berechtigt, Übertretungsstrafbefehle selbstständig zu kontrollieren und zu unterschreiben. Dies geschehe immer unter der Verantwortung eines Staatsanwalts, da die Abteilungen der Hauptabteilung Strafbefehle jeweils von Staatsanwälten geleitet würden. Die Verantwortung im konkreten Verfahren habe der Leitende Staatsanwalt der Hauptabteilung Strafbefehle getragen, was sich insbesondere aus dem Aktenzirkulationsblatt ergebe.
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Die Vorinstanz gehe unter Hinweis auf BGE 131 V 483 davon aus, nur die Unterzeichnung des zuständigen Staatsanwalts könne in authentischer Weise dessen tatsächliche Verantwortung bzw. Leitung über das fragliche Verfahren bezeugen. Dabei übersehe sie, dass dem zitierten Bundesgerichtsentscheid ein Gerichtsverfahren zugrunde lag, bei welchem die Rechtsunterworfenen Anspruch auf Kenntnis der personellen Besetzung des Gerichts hätten. Dies gelte gemäss Art. 81 StPO zwar grundsätzlich auch für die Endentscheide im Strafverfahren, doch bestimme Art. 80 Abs. 1 StPO ausdrücklich, dass die Bestimmungen des Strafbefehlsverfahrens vorbehalten bleiben. Art. 353 Abs. 1 lit. k StPO bringe explizit zum Ausdruck, dass es sich bei der ausstellenden Person nicht zwingend um einen Staatsanwalt handeln müsse. Diesem Formerfordernis, wie auch den übrigen in Art. 353 StPO genannten Voraussetzungen, genüge der für ungültig erklärte Strafbefehl vollumfänglich. BGE 131 V 483 E. 2.3.2 verlange, dass der Erlass dem tatsächlichen Willen des Unterzeichnenden entspreche. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. Der Untersuchungsbeauftragte habe das Übertretungsstrafverfahren unter der Verantwortung des vorgesetzten Leitenden Staatsanwalts geführt, den Strafbefehl verfasst, erlassen und somit folgerichtig und transparent auch unterzeichnet.
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Erwägung 3 | |
3.1 Ziel der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen StPO war es, auf schweizerischer Ebene eine Vereinheitlichung des Strafprozessrechts herbeizuführen. Von der Vereinheitlichung betroffen waren die früher geltenden 26 kantonalen Strafprozessordnungen, einschliesslich der besonderen Bestimmungen über das Jugendstrafverfahren, sowie die Bundesstrafrechtspflege (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts [Botschaft StPO], BBl 2006 1095 Ziff. 1.2). Ein vereinheitlichtes Verfahrensrecht bedeutet nicht notwendigerweise auch eine Vereinheitlichung der in Bund und Kantonen tätigen Strafbehörden. Da eine Vereinheitlichung des Strafprozessrechts ohne ein Mindestmass an Übereinstimmung auch in der Behördenorganisation nicht erreicht werden kann, schreibt die StPO Bund und Kantonen in eher rudimentärer Form auch vor, welche Behörden sie zu schaffen haben. Wie diese Behörden aber im Einzelnen zusammengesetzt sind, wie sie bezeichnet oder welche sachlichen Zuständigkeiten ihnen zugewiesen werden, bleibt jedoch weitgehend Bund und Kantonen überlassen (BBl 2006 1102 Ziff. 1.5.1.3). Die StPO enthält lediglich ein Grobraster. Die nähere Regelung der Behördenorganisation obliegt Bund und Kantonen (BBl 2006 1134 Ziff. 2.2.1.1; siehe auch MICHAEL LEUPOLD, Die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, Entstehung - Grundzüge - Besonderheiten, BJM 2008 S. 243 ff.).
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Erwägung 3.2 | |
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3.2.2 Die Aufgabenteilung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft im Vorverfahren ergibt sich u.a. aus Art. 15 f. und Art. 299 ff. StPO. Darüber hinaus regelt Art. 311 Abs. 1 StPO auch, wer innerhalb der Staatsanwaltschaften für die Beweiserhebung zuständig ist. Es sind dies die Staatsanwälte. Diese müssen die notwendigen Beweiserhebungen grundsätzlich selber durchführen (Art. 311 Abs. 1 Satz 1 StPO; BBl 2006 1265 Ziff. 2.6.3.2). Bund und Kantone können jedoch bestimmen, dass die Staatsanwälte einzelne Untersuchungshandlungen ihren Mitarbeitern übertragen können (Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO). Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO ergänzt Art. 142 Abs. 1 Satz 2 StPO (Delegationsmöglichkeit für Einvernahmen), der als lex specialis vorgeht (vgl. NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar [nachfolgend:Praxiskommentar], 2. Aufl.2013, N. 3 zu Art. 311 StPO; LANDSHUT/BOSSHARD, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 311 StPO). Mit Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO soll die in einigen Kantonen bewährte Praxis, wonach zur Entlastung der Staatsanwälte gewisse Untersuchungshandlungen von Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft vorgenommen werden können, also von Untersuchungsbeamten, Sekretären, Praktikanten oder anderen Funktionären der Staatsanwaltschaften, weitergeführt werden können (BBl 2006 1265 Ziff. 2.6.3.2 zu Art. 311 StPO). Wesentliche Untersuchungshandlungen wie z.B. Haftanträge an das Zwangsmassnahmengericht oder Anklagen (vgl. BBl 2006 1265 Ziff. 2.6.3.2 zu Art. 311 StPO) sowie der Erlass von Strafbefehlen oder Einstellungsverfügungen können jedoch nicht gestützt auf Art. 311 Abs. 1 StPO delegiert werden (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 311 StPO; ders., Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend:Handbuch], 2. Aufl. 2013, N. 1232;LANDSHUT/BOSSHARD, a.a.O., N. 10 zu Art. 311 StPO; FRANZ RIKLIN, StPO Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 311 StPO; GOLDSCHMID/MAURER/SOLLBERGER, Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2008, S. 302).
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3.2.3 Der Erlass von Strafbefehlen nach Art. 352 ff. StPO fällt in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft (Art. 318 Abs. 1 StPO). Bund und Kantone können die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen jedoch Verwaltungsbehörden übertragen (Art. 17 Abs. 1 StPO). Bei den Übertretungsstrafbehörden im Sinne von Art. 17 StPO kann es sich um Behörden handeln, die primär Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Möglich ist jedoch ebenfalls, dass sich diese Behörden allein mit der Verfolgung von Übertretungen befassen (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 360). Die zur Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen eingesetzten Verwaltungsbehörden haben die Befugnisse der Staatsanwaltschaft (Art. 357 Abs. 1 StPO). Das Übertretungsstrafverfahren vor der Verwaltungsbehörde richtet sich sinngemäss nach den Vorschriften über das Strafbefehlsverfahren (Art. 357 Abs. 2 StPO). Welche Behörde für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen zuständig sein soll, ist demnach von den Kantonen zu entscheiden. Sie können diese Aufgabe Verwaltungsbehörden wie Präfekten, Regierungsstatthaltern, Polizeirichtern oder anderen dazu berufenen Verwaltungsstellen übertragen oder aber der Staatsanwaltschaft und den ordentlichen Gerichten belassen. Art. 17 StPO lässt auch Mischsysteme zu. Die Kantone können für die Verfolgung der Übertretungen z.B. primär Verwaltungsbehörden einsetzen, diese aber unter die Leitung einer zentralen Übertretungsstaatsanwaltschaft stellen, oder das gesamte Übertretungsstrafwesen in die Hände einer Übertretungsstaatsanwaltschaft legen (BBl 2006 1136 f. Ziff. 2.2.1.2 zu Art. 17 StPO).
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Erwägung 3.3 | |
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Das vom Landrat des Kantons Basel-Landschaft erlassene EG StPO/BL regelt Aufgaben und Wahl bzw. Anstellung des Ersten Staatsanwalts, der Leitenden Staatsanwälte sowie der weiteren Staatsanwälte und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft (vgl. § 7-10 EG StPO/BL). Es legt zudem die fachlichen Voraussetzungen an Staatsanwälte fest (§ 11 EG StPO/BL). Zu den weiteren Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft gehören namentlich die von der Staatsanwaltschaft angestellten Untersuchungsbeauftragten (§ 10 Abs. 4 i.V.m. § 12 EG StPO/BL). Die Untersuchungsbeauftragten sind gemäss § 12 Abs. 1 EG StPO/BL befugt, unter der Leitung oder im Auftrag der Staatsanwälte Untersuchungshandlungen vorzunehmen. § 13 EG StPO/BL ermächtigt den Regierungsrat zum Erlass der Dienstordnung der Staatsanwaltschaft.
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Die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts überprüft das Bundesgericht - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen bundesverfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 BGG; BGE 141 I 105 E. 3.3.1 mit Hinweisen).
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Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin, wenn sie geltend macht, der Einsatz von Verwaltungsbeamten in Übertretungsstrafverfahren könne auch direkt in einer Exekutivverordnung geregelt werden. Es ist wie dargelegt vielmehr am kantonalen Gesetzgeber, abweichende Bestimmungen zu erlassen, wo die StPO Raum dafür lässt. Nicht ausgeschlossen ist zwar, dass dieser die Kompetenz zur Regelung bestimmter Fragen an andere Behörden delegiert. Eine solche Delegationsnorm ist im EG StPO/BL jedoch ebenfalls nicht auszumachen. § 13 EG StPO/BL verpflichtet den Regierungsrat zum Erlass der Dienstordnung der Staatsanwaltschaft. Die Dienstordnung hat gemäss der Vernehmlassungsvorlage zum EG StPO/BL (gemäss Medieninformation der Direktion Sicherheit der JPMD des Kantons Basel-Landschaft vom 31. Januar 2008; www.baselland.ch/mit-jpd_2008-01-31-htm.290605.0.html) namentlich das Weisungsrecht des Ersten Staatsanwalts zu konkretisieren (S. 32) sowie Regelungen betreffend ein allfälliges Genehmigungsrecht der Leitenden Staatsanwälte bei Strafbefehlen oder Einstellungen (S. 33), betreffend die "Feinorganisation" der Staatsanwaltschaft wie Gliederung der Hauptabteilungen in Abteilungen und/oder Teams (S. 32, 33 f.) und betreffend den Inhalt sowie Umfang der Kompetenz der Untersuchungsbeauftragten zur Vornahme von Untersuchungshandlungen unter der Leitung oder im Auftrag von Staatsanwälten nach § 12 Abs. 1 EG StPO/BL zu enthalten (S. 36). Hingegen kann in § 13 EG StPO/BL entgegen der Beschwerdeführerin keine Ermächtigung des Regierungsrats gesehen werden, in Abweichung von der StPO auch andere Behördenmitglieder als die Staatsanwälte für den Erlass von Strafbefehlen in Übertretungsstrafsachen für zuständig zu erklären. Die vorinstanzliche Würdigung ist auch insofern nicht willkürlich.
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Erwägung 4 | |
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Ähnliche Bestimmungen wie § 19i Abs. 2 der Dienstordnung, wonach Untersuchungsbeamte, Sachbearbeiter oder weitere Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft (unter gewissen Voraussetzungen) Übertretungsstrafbefehle erlassen können, kennen auch andere Kantone (vgl. Art. 37 Abs. 4 des Justizgesetzes des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 13. September 2010; Art. 59 Abs. 2 des Einführungsgesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung; Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes des Kantons Glarus vom 2. Mai 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung und zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung; Art. 15 Abs. 2 des Einführungsgesetzes des Kantons Graubünden vom 16. Juni 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung; Art. 16 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes des Kantons Jura vom 16. Juni 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung; Art. 77 Abs. 2 des Justizgesetzes des Kantons Schaffhausen vom 9. November 2009; § 51 Abs. 1 lit. a des Gesetzes des Kantons Zug vom 26. August 2010 über die Organisation der Zivil- und Strafrechtspflege).
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Explizit vorgesehen ist in Art. 17 Abs. 1 StPO allerdings nur die Möglichkeit der Kantone, die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen in Abweichung von der Regelung in der StPO einer Verwaltungsbehörde, d.h. einer anderen Behörde als den Staatsanwaltschaften zu übertragen. Das Gesetz spricht ausdrücklich von der Übertragung auf eine Verwaltungsbehörde und nicht auf Verwaltungsbeamte. Ob ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft als Mitglied einer Verwaltungsbehörde zu betrachten ist oder nicht, kann offengelassen werden (bejahend HANSPETER USTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 17 StPO). Zu prüfen bleibt indessen, ob die Kantone den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO an Untersuchungsbeauftragte delegieren können.
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Der Auffassung von SCHMID ist beizupflichten. Die Wahl, welche Behörde für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen zuständig sein soll, war bereits vor Inkrafttreten der StPO den Kantonen überlassen (BBl 2006 1137 zu Art. 17). Art. 17 Abs. 1 StPO erlaubt die Weiterführung der früheren unterschiedlichen kantonalen Regelungen im Übertretungsstrafverfahren (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 17 StPO; ders., Handbuch, a.a.O., N. 360). Zwar sieht die Bestimmung lediglich die Übertragung von Übertretungsstrafverfahren auf Verwaltungsbehörden vor. Dennoch entspricht es Sinn und Zweck der Regelung, dass innerhalb der Staatsanwaltschaften auch nichtjuristisches Personal mit Massengeschäften in Übertretungsstrafsachen betraut werden können muss (vgl. FELIX BÄNZIGER, Die schweizerische Strafprozessordnung - ein Projekt mit Zukunft, ZSR 121/2002 I S. 541; ders., Die Schweizerische Strafprozessordnung am Beispiel des Kantons Bern, ZBJV 145/2009 S. 282). Ob ein Kanton für die Verfolgung von Übertretungen in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO eine eigenständige Verwaltungsbehörde oder Verwaltungsbeamte der Staatsanwaltschaften einsetzt, ist im Ergebnis eine Frage der Behördenorganisation. Der Gesetzgeber wollte den Kantonen auf diesem Gebiet einen gewissen Spielraum belassen. Gegen den Einsatz von staatsanwaltschaftlichen Verwaltungsbeamten in Übertretungsstrafsachen spricht auch nicht, dass diese den Staatsanwälten hierarchisch untergeordnet sind, da der kantonale Gesetzgeber auch eine Verwaltungsbehörde unter die Aufsicht bzw. Leitung der Staatsanwaltschaft stellen kann (vgl. Art. 14 Abs. 5 StPO; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 357 StPO). Die Botschaft zur StPO sieht ausdrücklich vor, dass auch Mischsysteme wie unter der Leitung einer Übertretungsstaatsanwaltschaft stehende Verwaltungsbehörden zulässig sind (BBl 2006 1137 zu Art. 17).
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4.3 Eine kantonale Regelung in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO, wonach bei blossen Übertretungen innerhalb der Staatsanwaltschaft nicht die Staatsanwälte, sondern andere Mitarbeiter für den Erlass von Strafbefehlen zuständig sind, verstösst daher nicht gegen übergeordnetes Recht. Inhaltlich sind entsprechende von der StPO abweichende Bestimmungen demnach denkbar. Erforderlich ist jedoch ein gültiger kantonaler Erlass, der dies explizit vorsieht (oben E. 3; USTER, a.a.O., N. 2 zu Art. 17 StPO; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1353). Bezüglich des Kantons Basel-Landschaft bleibt es dabei, dass keine solche gesetzliche Grundlage besteht. (...)
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