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19. Urteil vom 11. August 1992 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern betreffend Anspruch auf Ergänzungsleistungen i.S. B. | |
Regeste |
Art. 17a ELV; Art. 3 Abs. 1 lit. f und Abs. 6 ELG. |
- Die in Art. 17a ELV und lit. a Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der ELV vom 12. Juni 1989 getroffene Regelung ist gesetzes- und verfassungsmässig (Erw. 3c/cc). |
- Die bisher geltende Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG, wonach eine Amortisation von anrechenbarem Verzichtsvermögen unzulässig ist, kann im zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich von Art. 17a ELV keine Anwendung finden (Erw. 3c/bb). | |
Sachverhalt | |
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Am 15. Januar 1990 trat der Versicherte ins Alters- und Pflegeheim L. ein. Im November 1990 stellte seine Tochter, Ruth B., ein Gesuch um Neufestsetzung der Ergänzungsleistungen rückwirkend ab 1. Januar 1990. Die Ausgleichskasse ermittelte einen Ausgabenüberschuss von Fr. 2'607.-- und Fr. 5'918.-- für die Jahre 1990 und 1991, wobei sie wiederum die im Dezember 1988 an die Kinder ausbezahlten Fr. 80'000.-- mitberücksichtigte. Mit zwei Verfügungen vom 17. Januar 1991 wurde Ruth B. eröffnet, dass ein monatlicher Anspruch auf Ergänzungsleistung von Fr. 218.-- ab 1. Januar 1990 und von Fr. 494.-- ab 1. Januar 1991 bestehe.
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B.- Ruth B. erhob namens ihres Vaters Beschwerde. Sie beanstandete ausschliesslich die Anrechnung der Summe von Fr. 80'000.--. Diese hätten die Kinder vor zwei Jahren erhalten und sie stehe dem Vater nun nicht mehr zur Verfügung.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die Beschwerde mit Entscheid vom 15. August 1991 ab.
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Während sich Gottfried B. nicht vernehmen lässt, schliesst die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Der kantonale Richter führt des weitern richtig aus, dass Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist, nach Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG (in der ab 1. Januar 1987 geltenden und auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung) bei der Berechnung der Ergänzungsleistung anzurechnen sind.
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b) Einziger Streitpunkt im vorinstanzlichen Verfahren war die Anrechnung des Verzichtsvermögens von Fr. 80'000.-- und eines daherigen angemessenen Ertrages.
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Aus den Akten ergibt sich, wie Verwaltung und Vorinstanz richtig erkannt haben, dass der Vater ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung seinen Kindern im Jahre 1988 den Betrag von Fr. 80'000.-- auszahlte. Darin liegt ein Verzicht auf Vermögenswerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG (BGE 115 V 353 Erw. 5c mit Hinweisen), der bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens zu berücksichtigen ist. Insoweit hat die Vorinstanz die Beschwerde zu Recht abgewiesen.
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Diese im Rahmen der Änderung der ELV vom 12. Juni 1989 (in Kraft seit 1. Januar 1990) erlassenen Bestimmungen lauten wie folgt:
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Der Wert des Vermögens im Zeitpunkt des Verzichts ist unverändert auf den 1. Januar des Jahres, das auf den Verzicht folgt, zu übertragen und dann jeweils nach einem Jahr zu vermindern (Abs. 2).
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Wortlaut und Entstehungsgeschichte (vgl. ZAK 1989 S. 432) geben den klaren Willen des Verordnungsgebers wieder, dass diese Bestimmungen uneingeschränkt, d.h. unabhängig von Beweggrund und Höhe des Verzichtsvermögens sowie des tatsächlich noch vorhandenen Vermögens anwendbar sein sollen. Da übergangsrechtlich auch Vermögenswerte, auf die vor dem 1. Januar 1990 verzichtet worden ist, ab diesem Zeitpunkt der jährlichen Verminderung unterliegen (lit. a der Übergangsbestimmungen zur Änderung der ELV vom 12. Juni 1989), haben Verwaltung und Vorinstanz die Höhe des anrechenbaren Verzichtsvermögens im vorliegenden Fall offensichtlich abweichend von Art. 17a ELV festgesetzt.
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Auch die Ausgleichskasse lehnt aus Gründen der Gleichbehandlung der Versicherten im vorliegenden Fall die Anwendung der fraglichen Bestimmungen ab, hält jedoch dafür, dass diese Bestimmung dann anwendbar sei, sobald das tatsächlich noch vorhandene Vermögen unter den Vermögensfreibetrag gesunken ist.
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Das BSV macht in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde demgegenüber geltend, dass gemäss geltender Rechtsprechung des Eidg. ![]() | 18 |
b) Im Streit liegt somit die Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit von Art. 17a Abs. 1 und 2 ELV sowie lit. a Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der ELV vom 12. Juni 1989.
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(Es folgen Ausführungen über die Überprüfung der Verordnungen des Bundesrates.)
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c/aa) Art. 17a ELV stützt sich auf Art. 3 Abs. 6 ELG. Gemäss dieser Bestimmung regelt der Bundesrat u.a. die Bewertung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens. Aus den Materialien ergibt sich, dass durch Art. 3 Abs. 6 ELG, den das Parlament in der vorgeschlagenen Fassung diskussionslos übernommen hat, dem Bundesrat eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Fragen betreffend die Anspruchsberechtigung eingeräumt werden sollte, soweit nicht die Kantone ausdrücklich durch das Gesetz für zuständig erklärt würden. Damit sollte insbesondere ermöglicht werden, durch eine differenzierte Ordnung den verschiedenen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Diese Kompetenz umschliesst zweifellos (BBl 1970 I 148) auch die Regelung der Amortisation des gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG anrechenbaren Verzichtsvermögens, weshalb sich Art. 17a ELV ohne weiteres im Rahmen der formellgesetzlichen Delegationsnorm hält.
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bb) Was die sachlich-inhaltliche Gesetzmässigkeit anbelangt, hat das Eidg. Versicherungsgericht zum alten, bis 31. Dezember 1986 gültigen Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG, der die Anrechenbarkeit von ![]() | 22 |
Wenn der Verordnungsgeber aus diesen und weiteren Gründen, gestützt auf Art. 3 Abs. 6 ELG, sich entschloss, durch Einfügung des Art. 17a in die ELV überhaupt und erstmals eine Grundlage für die Amortisation von Verzichtsvermögen zu schaffen, so liegt darin kein Widerspruch zur Bestimmung über die Anrechenbarkeit solcher Einkünfte gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG; denn der Amortisationsgedanke wahrt den gesetzlichen Grundsatz der Anrechenbarkeit, ja setzt ihn gleichsam voraus. Folglich kann die erwähnte Rechtsprechung im zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich des Art. 17a ELV von vornherein keine Anwendung mehr finden.
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cc) Mit Bezug auf die Modalitäten (Zeitpunkt und Höhe der Amortisationsraten) kommt dem Bundesrat unter den Gesichtspunkten von Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit (Rechtsgleichheit, Willkür) zunächst ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit zu.
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Die vom Bundesrat getroffene Lösung schreibt ohne Rücksicht auf die übrige Vermögenslage eine jährliche pauschale Amortisation von Fr. 10'000.-- vor. Es ist klar, dass auch andere, allenfalls differenziertere Regelungen denkbar wären. Indessen ist nicht ersichtlich, inwiefern diese einfache und geradlinige Lösung rechtsungleich oder willkürlich sein oder den Grundsatz der Anrechenbarkeit von Verzichtsvermögen nach Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG unterlaufen sollte.
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Was nun das Mass der Amortisation anbelangt, so sind ebenfalls verschiedene Regelungen denkbar. Naheliegend erscheint die vom Bundesrat getroffene Lösung einer pauschalen Amortisation. Ebenso in Frage käme eine Lösung, wonach das Verzichtsvermögen jährlich um den auf dem ganzen Vermögen errechneten prozentualen zumutbaren Vermögensverzehr verringert würde. Es kann nun aber im Rahmen der vorfrageweisen Normenkontrolle nicht darum gehen zu untersuchen, welche von diesen und anderen denkbaren Lösungen die zweckmässigste ist. Ausschlaggebend ist allein, dass die vom Bundesrat getroffene Regelung, wie dargelegt, weder eine willkürliche und rechtsungleiche noch dem gesetzlichen Grundsatz der Anrechenbarkeit zuwiderlaufende Lösung darstellt.
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Die vom Bundesrat getroffene Übergangsregelung, wonach Vermögenswerte, auf die vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung ![]() | 28 |
4. Daraus ergibt sich, wie das BSV in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend ausführt, dass die Ausgleichskasse für die Berechnung der Ergänzungsleistungen ab Januar 1990 lediglich ein Verzichtsvermögen von Fr. 70'000.-- anrechnen darf. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie in diesem Sinne die Ergänzungsleistungen neu berechne.
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