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34. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. T. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich und Ausgleichskasse Promea (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_55/2010 vom 6. August 2010 | |
Regeste |
Art. 50 Abs. 2 IVG; Art. 20 Abs. 2 lit. a AHVG; Art. 20 und 22 ATSG. |
Hat die Sozialbehörde der versicherten Person für die Zeit, für welche Renten nachbezahlt werden, Vorschussleistungen erbracht, stellt das betreibungsrechtliche Existenzminimum keine zu berücksichtigende Verrechnungsschranke dar (E. 7 und 8). | |
Sachverhalt | |
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B. Gegen die Verfügung vom 26. November 2008 erhob T. Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und beantragte deren Aufhebung und die Zusprache einer ganzen Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Januar 2006; weiter ersuchte sie um Feststellung, dass die Verrechnung mit Schadenersatzforderungen der Ausgleichskasse Promea unzulässig sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 17. November 2009 hiess das kantonale Gericht die Beschwerde teilweise gut und hob die angefochtene Verfügung insoweit auf, als der Anspruch auf mehr als eine halbe Invalidenrente verneint wurde. In diesem Punkt wies es die Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge. In Bezug auf die Verrechnung hiess es die Beschwerde ebenfalls teilweise gut und hob die Verfügung vom 26. November 2008 mit der Feststellung auf, dass der mit der Ausgleichskasse Promea zu verrechnende Betrag Fr. 31'667.15 betrage. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt T. beantragen, es sei der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts vom 17. November 2009, soweit die Verrechnung betreffend, ganz oder teilweise aufzuheben. Am 11. Februar 2010 reicht sie überdies die Nachzahlungsverfügung der Gemeine D. vom 25. März 2009 ein und korrigiert die Angaben über die von der Sozialbehörde bis Ende Oktober 2008 getätigten Vorschussleistungen.
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Die IV-Stelle und die zum Verfahren beigeladene Ausgleichskasse Promea schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Mit Eingabe vom 29. März 2010 lässt sich T. zu den Ausführungen der Ausgleichskasse vernehmen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
4.1 Gemäss Art. 20 Abs. 2 lit. a AHVG können mit fälligen Leistungen namentlich Forderungen aufgrund dieses Gesetzes und des ![]() | 7 |
4.2 Auf die der obigen Rechtsprechung zugrunde gelegenen Sachverhalte fanden das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG (SR 830.1), die dazugehörige Verordnung (ATSV; SR 830.11) und die damit verbundenen Gesetzes- und Verordnungsänderungen im Alters- und Hinterlassenenversicherungs- sowie im Invalidenversicherungsbereich noch keine Anwendung. Gemäss Art. 2 ATSG sind dessen Bestimmungen auf die bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen. Art. 1 Abs. 1 IVG erklärt die Bestimmungen des ATSG auf die Invalidenversicherung (Art. 1a-26bis und 28-70) anwendbar, soweit das IVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht. Art. 20 ATSG regelt die ![]() | 8 |
Erwägung 5 | |
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5.2 Der Regelungsgegenstand von Art. 22 ATSG betrifft die Abtretung bzw. Drittauszahlung und Verpfändung von Leistungsansprüchen (SVR 2007 UV Nr. 38 S. 128, U 507/05 E. 4.1). Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 22 Abs. 2 ATSG geht hervor, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers einerseits darum ging, die Drittauszahlungsregelung auf die Nachzahlungen von Sozialversicherungsleistungen einzuschränken, und andererseits darum, eine vollständige gesetzliche Grundlage für Drittauszahlungen der Invalidenversicherung nach Massgabe von Art. 85bis IVV (SR 831.201) zu schaffen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 428/05 vom 18. April 2006 E. 4.3). Art. 22 ATSG übernimmt damit die bisherige ![]() | 10 |
5.3 Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Tilgung einer Rückerstattungsforderung gegen die versicherte Person aus Vorleistung oder Bevorschussung im Sinne von Art. 22 Abs. 2 ATSG und Art. 85bis Abs. 1 IVV. Auch die Verrechnungseinschränkung von Art. 20 Abs. 2 ATSG kommt daher nicht zum Tragen. Es geht vielmehr um die Tilgung einer Schuld der mit einer fälligen Leistungspflicht belasteten Sozialversicherung (IV) mit Forderungen einer anderen Sozialversicherung (AHV). Bezüglich dieser in Art. 20 Abs. 2 AHVG normierten Konstellation wurde die Rechtslage mit der Einführung des ATSG nicht verändert. Der Gesetzgeber hat vielmehr - entgegen seiner ursprünglichen Absicht - darauf verzichtet, diese zweigübergreifende Verrechnung im ATSG zu regeln (KIESER, ATSG-Kommentar, a.a.O., N. 35 Vorbemerkungen und N. 19 zu Art. 20 ATSG; SCHLAURI, a.a.O., S. 145 und 157). Da das ATSG somit keine allgemeine Verrechnungsnorm enthält (BGE 131 V 249 E. 1.2 S. 252), richtet sich die Tilgung von Forderungen mittels Verrechnung - wie bereits vor Inkrafttreten des ATSG (BGE 125 V 317 E. 5b/bb S. 323) - nach den zweigbezogenen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (vgl. auch Art. 2 Abs. 3 ATSV; SVR 2007 UV Nr. 38 S. 128, U 507/05 E. 4.1; KIESER, Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 259 Rz. 68 Fn. 156 und S. 263 Rz. 84). Nach dem Gesagten ![]() | 11 |
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Erwägung 6 | |
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7.1 Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts wurde die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Oktober 2008 von der öffentlichen Fürsorge unterstützt. Unter Hinweis auf BGE 121 V 17 E. 4d S. 26 hat es erwogen, die grundsätzlich auch bei Rentennachzahlungen zu beachtende Verrechnungsschranke des betreibungsrechtlichen Existenzminimums komme nicht zum Zuge, wenn die versicherte Person in der Zeit, für welche ihr nachträglich Invalidenrenten zugesprochen worden seien, Sozialhilfe genossen habe und ihr Existenzminimum so sichergestellt worden sei. In Anbetracht der während der Zeit der nachträglichen Rentenzusprache ausgerichteten Vorschussleistungen der Sozialbehörde sei das Existenzminimum der Beschwerdeführerin gedeckt gewesen. Ob die Verrechnung in das betreibungsrechtliche Existenzminimum eingreife, müsse daher nicht näher geprüft werden.
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Erwägung 8 | |
8.1 In SVR 2007 BVG Nr. 15 S. 49, B 63/05 E. 3.2 hat das Eidg. Versicherungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BGE 121 V 17 E. 4d S. 26; SVR 2005 ALV Nr. 5 S. 13, C 12/04 E. 2.3; Urteil I 255/91 vom 18. Mai 1992 E. 2b) erwogen, die Verrechnungsschranke des Existenzminimums komme nicht zum Tragen, wenn dieses in der fraglichen Zeit durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt gewesen sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Sozialhilfe die Leistungen erbringe für die Zeitspanne, während welcher die versicherte Person auf den Entscheid eines Sozialversicherungsträgers über die Anspruchsberechtigung gewartet und anschliessend rückwirkend Versicherungsleistungen zugesprochen erhalten habe. ![]() | 18 |
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8.3 Damit ergibt sich, dass das kantonale Gericht, ohne Bundesrecht zu verletzen, davon ausgehen konnte, dass die Verrechnungsschranke des Existenzminimums nicht gilt, weil die Sozialbehörde für die Zeit des nachträglichen Rentenanspruchs der Beschwerdeführerin Leistungen ausgerichtet hat. Nicht geprüft werden muss daher die im Urteil I 141/05 vom 20. September 2006 offengelassene Frage, ob bei Rentennachzahlungen die Zulässigkeit einer Verrechnung generell nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums zu prüfen ist. Beim vorliegenden Ergebnis spielen die Höhe des betreibungsrechtlichen ![]() | 20 |
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