![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
45. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen gegen S. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_197/2012 vom 7. September 2012 | |
Regeste |
Art. 25a Abs. 5 KVG; Restfinanzierung der Pflegekosten; Zuständigkeit und Verfahren. |
Ob eine kantonale Kompetenz zur Verfahrensregelung im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen besteht, wird offengelassen. Grundsätzlich sprechen überzeugende Gründe - namentlich die Nähe zu den Ergänzungsleistungen - für die Anwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen von Art. 56 ff. ATSG. Diese Lösung war im Kanton St. Gallen auch vom Gesetzgeber gewollt (E. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B. Hiegegen erhob S. Beschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung der Verfügung sei die Sozialversicherungsanstalt anzuweisen, auf das Gesuch um Pflegefinanzierung einzutreten. Auch das Gesundheitsdepartement des Kantons Wallis führte Beschwerde mit demselben Rechtsbegehren. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vereinigte die Verfahren, trat auf die Beschwerden mit Entscheid vom 19. Januar 2012 nicht ein und entschied, diese seien zuständigkeitshalber dem kantonalen Departement des Innern zu überweisen.
| 2 |
C. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur (materiellen) Entscheidung.
| 3 |
Das Versicherungsgericht und der Kanton Wallis verzichten auf eine Vernehmlassung, S. und das Departement des Innern des Kantons St. Gallen schliessen auf Gutheissung der Beschwerde.
| 4 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Die Restfinanzierung im Bereich der Pflegekosten betrifft eine Leistung, die nicht von der obligatorischen Krankenversicherung ![]() | 6 |
7 | |
8 | |
Erwägung 4 | |
4.1 Die Vorinstanz erwog, Art. 25a Abs. 5 KVG sei mit Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG (Kostenübernahme bei Hospitalisation in einem nicht auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführten Spital) ![]() | 9 |
4.2 Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht das ATSG für nicht anwendbar erklärt. Zum einen sehe das KVG im Bereich der Pflegefinanzierung nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vor. Zum anderen sei die Rechtsprechung zur Differenzzahlungspflicht der Kantone nicht einschlägig. Das Bundesgericht habe zwar Streitigkeiten zwischen Versicherern und Kantonen nicht unter Art. 1 Abs. 2 lit. d KVG subsumiert, hingegen explizit offengelassen, ob im Rahmen von Art. 41 Abs. 3 KVG die verfahrensrechtliche Ordnung des ATSG zur Anwendung gelange (BGE 130 V 215 E. 5.5 S. 224). Die Pflegefinanzierung sei weder vom ATSG ausgenommen noch lege die Vorinstanz dar, weshalb das ATSG-Verfahren für die Beurteilung der damit zusammenhängenden Fragen nicht geeignet sein solle, was zugleich die Begründungspflicht verletze. Die Nichtanwendbarkeit des ATSG wäre mit vielen Nachteilen verbunden und nicht zuletzt sei die Pflegefinanzierung häufig verfahrensmässig mit den Ergänzungsleistungen gekoppelt, so dass ein Verfahrenssplitting für die Durchführungsstellen wie auch für die Betroffenen zu unhaltbaren Situationen führte. Das Gesetzgebungsverfahren lasse darauf schliessen, dass die Anwendbarkeit des ATSG auf die Pflegefinanzierung dem erklärten Willen des ![]() | 10 |
Erwägung 5 | |
11 | |
5.2 Die Restfinanzierung der Pflegekosten betrifft somit weder den Umfang der Grundversorgung noch die Leistungspflicht der Grundversicherung, sondern das Ausmass einer Vergütung, die nicht von ![]() | 12 |
13 | |
Erwägung 5.4 | |
5.4.1 Zunächst ergibt sich entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen die Nichtanwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen von Art. 56 ff. ATSG im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen nicht aus der Rechtsprechung zur - ebenfalls von den Kantonen zu übernehmenden - Differenzzahlungspflicht bei ausserkantonaler Spitalbehandlung gemäss Art. 41 Abs. 3 KVG. Das Bundesgericht hat in jenem Zusammenhang entschieden (BGE 130 V 215), Zuständigkeit und Verfahren zur Geltendmachung und allfälligen gerichtlichen Durchsetzung auf kantonaler Ebene bleibe auch ![]() | 14 |
15 | |
5.5 Für die Anwendbarkeit des ATSG im Rahmen von Art. 25a Abs. 5 KVG sprechen mehrere überzeugende Gründe. Zunächst sind nach Art. 1 Abs. 1 KVG die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Unter den - allerdings nicht abschliessenden - Ausnahmen gemäss Art. 1 Abs. 2 KVG findet sich die Restfinanzierung der Pflegekosten nicht, zudem sieht das KVG diesbezüglich keine Abweichungen vom ATSG vor. Sodann sind keine Argumente ersichtlich (solche werden im angefochtenen Entscheid auch nicht angeführt), weshalb das Verfahrensrecht des ATSG für die Beurteilung von Ansprüchen nach Art. 25a Abs. 5 KVG nicht geeignet sein ![]() | 16 |
5.6 Entscheidend ist aber der Wille des (kantonalen) Gesetzgebers. Nach dem erklärten Willen der Regierung des Kantons St. Gallen sollte der Aufwand für die Restfinanzierung möglichst gering gehalten werden, weshalb mit Blick darauf, dass "sich die Zuständigkeit des Kantons und seiner Gemeinden an den EL orientiert", eine EL-nahe Abwicklung sachgerecht scheine (Botschaft vom 22. Oktober 2007 zum Gesetz über die Pflegefinanzierung; Amtsblatt des Kantons St. Gallen Nr. 29 vom 19. Juli 2010 S. 2236). Aus diesem Grund wurde auf Gesetzesebene auch eine Zuständigkeit der kantonalen Sozialversicherungsanstalt begründet (Art. 10 Gesetz vom 13. Februar 2011 über die Pflegefinanzierung [sGS 331.2]). Im Bericht und Entwurf des Departementes des Innern und des Gesundheitsdepartementes vom 27. April 2010 zum Gesetz über die Pflegefinanzierung führten diese zum Verfahren wörtlich aus: "Nach Art. 2 ATSG kommen für das Verfahren grundsätzlich die Bestimmungen des ATSG zur Anwendung, wenn und soweit es die einzelnen Sozialversicherungsgesetze des Bundes vorsehen. Art. 1 Abs. 1 KVG erklärt die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung als anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. In Bezug auf die Neuregelung der Finanzierung nach Art. 25a nKVG sieht das KVG weder eine Abweichung vor, noch sind Bereiche als Ganzes ausdrücklich vom Geltungsbereich des ATSG ausgenommen. Damit sind auch die entsprechenden kantonalen Ausführungsbestimmungen grundsätzlich dem ATSG unterstellt. Unter diesen ![]() | 17 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |