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12. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. K. gegen CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_354/2012 vom 6. Februar 2013 | |
Regeste |
Art. 26 Abs. 2 ATSG; Anspruch des Leistungserbringers auf Verzugszins. | |
Sachverhalt | |
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C. K. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der Entscheid vom 5. April 2012 sei aufzuheben und im Sinne der Erwägungen an das Schiedsgericht zurückzuweisen.
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Die Concordia und das Schiedsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
Erwägung 3.1 | |
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3.1.2 Die Auslegung eines verwaltungsrechtlichen Vertrags erfolgt grundsätzlich wie jene von privatrechtlichen Verträgen. Mangels eines übereinstimmenden tatsächlichen Willens (vgl. Art. 18 OR) ![]() | 7 |
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Erwägung 3.2 | |
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Gemäss Art. 1 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 2 ATSG sind die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrücklich eine Abweichung davon vorsieht. Sie finden nach Art. 1 Abs. 2 KVG keine Anwendung in folgenden Bereichen: (a) Zulassung und Ausschluss von Leistungserbringern (Art. 35-40 und 59); (b) Tarife, Preise und Globalbudget (Art. 43-55); (c) Ausrichtung der Prämienverbilligung nach den Artikeln 65, 65a und 66a sowie Beiträge des Bundes an die Kantone nach Artikel 66; (d) Streitigkeiten der Versicherer unter sich (Art. 87); (e) Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht (Art. 89).
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3.2.2 Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten. Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann (vgl. BGE 136 V 84 E. 4.3.2.1 S. 92). Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 135 IV 113 E. 2.4.2 S. 116; ![]() | 11 |
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Das ATSG ist primär auf das Verhältnis Versicherte-Versicherer zugeschnitten, und mit Art. 1 Abs. 2 KVG sollten diejenigen Bereiche vom Geltungsbereich des ATSG ausgenommen werden, für welche das ATSG-Verfahren nicht geeignet ist (Bericht der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999 "Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht"; BBl 1999 4673 Ziff. 62; BGE 130 V 215 E. 5.2 S. 221). Dementsprechend entschied das Eidg. Versicherungsgericht, Art. 26 Abs. 2 ATSG habe das Versicherungsverhältnis zum Gegenstand, weshalb die Bestimmung auf den Fall der Forderung eines Leistungserbringers nicht anwendbar sei (Urteil K 4/06 vom 15. November 2006 E. 2.2). Dem pflichtet auch die Lehre bei (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 16, 26 und 29 zu Art. 2 ATSG; derselbe, Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 242 Rz. 16; EUGSTER, ebenda, S. 619 Rz. 666; derselbe, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, N. 94 zu Art. 25a KVG; derselbe, ATSG und Krankenversicherung: Streifzug durch Art. 1-55 ATSG, SZS 2003 S. 225).
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Gründe für eine von der Rechtsprechung abweichende (vgl. BGE 136 III 6 E. 3 S. 8; BGE 135 I 79 E. 3 S. 82; BGE 134 V 72 E. 3.3 S. 76) Auslegung von Art. 1 Abs. 2 KVG sind nicht ersichtlich. Einerseits ist es Sache der am Tarifvertrag beteiligten Parteien, bei den Vertragsverhandlungen die (allenfalls fehlende) Verzugszinspflicht und deren wirtschaftliche Folgen zu berücksichtigen. Anderseits trifft die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die versicherte Person für die von der Leistungserbringerin geforderten Verzugszinsen ![]() | 14 |
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Erwägung 3.3 | |
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Gegen eine solche Auffassung spricht, dass andernfalls die Bedeutung von Art. 26 ATSG im Wesentlichen nur noch darin bestände, gewisse Forderungen ausdrücklich von der allgemeinen Verzugszinspflicht auszunehmen oder diese abzuschwächen, während der Grundsatz selber lediglich implizite neu statuiert worden wäre. Eine Verzugszinspflicht, wie sie im übrigen öffentlichen Recht die Regel ist (vgl. IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband zur 5. und unveränderten 6. Aufl., 1990, S. 92; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., S. 175 Rz. 755 f.), lässt sich daher im Lichte der kontextuell massgeblichen Gesetzeslage nicht begründen.
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3.3.2 Soweit die Beschwerdeführerin eine Bereicherung der Concordia moniert, kann sie nichts für sich ableiten: Zwar gilt auch im ![]() | 18 |
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3.4 Was das Vorliegen besonderer Umstände (vgl. BGE 131 V 358 E. 1.2 S. 359; Urteil K 4/06 vom 15. November 2006 E. 4.1) anbelangt, so hat die Vorinstanz festgestellt, es sei nicht allein der Concordia anzulasten, dass zwischen dem Begehren des Versicherten und der Bezahlung der Pflegekosten knapp sechs Jahre vergangen seien; zudem sei der anerkannte Pflegeaufwand von täglich 0,38 Stunden stets entschädigt worden. Diese Feststellungen, wie auch der daraus gezogene Schluss, die Beschwerdegegnerin habe sich somit weder trölerisch noch rechtsmissbräuchlich verhalten, sind nicht offensichtlich unrichtig und beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung. Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (nicht publizierte E. 1). Insbesondere ist es nicht grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, wenn der Krankenversicherer in Bezug auf den Umfang des täglichen Pflegebedarfs und der daraus folgenden Leistungspflicht eine andere Meinung vertritt als die versicherte Person. Dies trifft erst recht auf den konkreten Fall zu, wo zuvor streitig war, ob täglich über bereits abgegoltene Pflegeleistungen von 3,5 Stunden hinaus weitere 6,66 oder lediglich 0,38 Stunden zusätzlich zu übernehmen seien (vgl. Urteil 9C_702/2010 vom 21. Dezember 2010). Es sind keine weiteren Umstände aktenkundig, die als besonders stossend erscheinen und daher eine Verzugszinspflicht nach sich ziehen könnten. Die Beschwerde ist unbegründet.
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