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26. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Basler Versicherung AG und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel (UPK) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_600/2014 vom 27. März 2015 | |
Regeste |
Art. 75 UVG; Art. 98 UVV; Wahlrecht der öffentlichen Verwaltungen. | |
Sachverhalt | |
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A.a Gestützt auf das Gesetz vom 16. Februar 2011 über die öffentlichen Spitäler des Kantons Basel-Stadt (Öffentliche Spitäler-Gesetz, ÖSpG; SG 331.100) wurden die Universitären Psychiatrischen Kliniken (nachfolgend: UPK), das Felix Platter-Spital sowie das Universitätsspital Basel, welche als Dienststellen des Kantons geführt worden und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert gewesen waren, per 1. Januar 2012 in öffentlich-rechtliche Anstalten des Kantons überführt. Im Rahmen ![]() | 2 |
A.b Mit Verfügung vom 24. November 2011 verneinte die SUVA ein Wahlrecht der UPK betreffend Unfallversicherer, bestätigte die unveränderte Zuständigkeit der SUVA für die obligatorische Unfallversicherung des Personals der UPK und legte die Prämiensätze für die Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung für das Jahr 2012 fest. Im Rahmen des Einspracheverfahrens gab die SUVA der beantragten Beiladung der Basler ohne Präjudiz statt und wies die Einsprache mit Entscheid vom 27. Juli 2012 ab.
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B. Beschwerdeweise liessen die Basler und die UPK die Aufhebung des Einspracheentscheids der SUVA vom 27. Juli 2012 beantragen und u.a. ein Rechtsgutachten des PD Dr. iur. Ueli Kieser vom 9. Dezember 2011 auflegen. Das Bundesverwaltungsgericht vereinigte die beiden Verfahren. Mit Entscheid vom 13. Juni 2014 hiess es die Beschwerden, soweit es darauf eintrat, im Sinne der Erwägungen gut und hob den angefochtenen Einspracheentscheid vom 27. Juli 2012 auf.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SUVA, Ziffer 1 des Erkanntnisses des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2014 sei aufzuheben, soweit die Vorinstanz auf die Beschwerden eingetreten sei und diese gutgeheissen habe; die Ziffern 2 und 3 seien aufzuheben.
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Die UPK lassen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, und auf Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids schliessen; sie lassen u.a. ein aktualisiertes Gutachten des Prof. Dr. iur. Ueli Kieser zur Auslegung von Art. 98 UVV (SR 832.202) vom 9. Oktober 2014 auflegen. Die Basler lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) spricht sich in seiner Vernehmlassung im Wesentlichen für die ![]() | 6 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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4. Das Wahlrecht der öffentlichen Verwaltungen ist in Art. 75 UVG geregelt. Demgemäss können Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften für die Versicherung ihres Personals, das nicht bereits bei der SUVA versichert ist, innert einer vom Bundesrat festzusetzenden Frist zwischen der SUVA und einem Versicherer nach Art. 68 UVG wählen (Abs. 1). Verwaltungen und Betriebe, die eine Einheit bilden, werden beim gleichen Versicherer versichert (Abs. 2). In Art. 98 UVV hat der Bundesrat dazu festgelegt, dass Zweige der öffentlichen Verwaltungen und öffentliche Betriebe je eine Einheit bilden, wenn sie organisatorisch selbstständig sind. Solche Einheiten müssen beim gleichen Versicherer versichert werden (Abs. 1). Neu geschaffene Verwaltungs- und Betriebseinheiten müssen die Wahl des Versicherers spätestens einen Monat vor der Aufnahme der Tätigkeit treffen. Den Vertretern der Arbeitnehmer ist ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen (Abs. 2). Übt eine öffentliche Verwaltung das Wahlrecht nicht rechtzeitig aus, so sind ihre Arbeitnehmer bei der SUVA versichert (Abs. 3). Gemäss Art. 98 Abs. 4 UVV üben die öffentlichen Verwaltungen ihr Wahlrecht aus, indem sie dem gewählten Versicherer ![]() | 9 |
Erwägung 5 | |
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5.2.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 138 II 440 E. 13 S. 453, BGE 138 II 557 E. 7.1 S. 565; BGE 138 IV 232 E. 3 S. 234; BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20; BGE 137 III 217 E. 2.4.1 S. 221).
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5.2.2 Die intertemporalrechtliche Bedeutung des Art. 75 Abs. 1 UVG ist offensichtlich und unbestritten. So wollte der Gesetzgeber bei der ![]() | 13 |
5.2.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann sich der Inhalt von Art. 75 UVG jedoch nicht nur auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden öffentlichen Verwaltungen beschränken, sondern delegiert diese Bestimmung auch eine Regelungskompetenz für neue, nach Inkraftsetzung des UVG geschaffene öffentliche Verwaltungen. Dies ergibt sich - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - bereits aus der systematischen Stellung von Art. 75 UVG unter den gemeinsamen Vorschriften (5. Abschnitt) und nicht in den Schluss- und Übergangsbestimmungen. Zudem ist die Möglichkeit organisatorischer Veränderungen von Gemeinwesen in Art. 75 Abs. 2 UVG zwingend enthalten, zeigt doch diese Bestimmung, dass ein Gemeinwesen nicht bloss aus einer einzigen Verwaltungs- oder Betriebseinheit bestehen und nicht unverändert bleiben muss. Dementsprechend wurde im Kommentar des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) vom 22. November 1982 zum ![]() | 14 |
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6.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die Bestimmungen des am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Gesetzes über ![]() | 19 |
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6.2.1 Zur Bedeutung von "organisatorisch selbstständig", sind - wie das BAG in seiner Vernehmlassung aufgezeigt hat - zunächst die Materialien beizuziehen. Im Vorentwurf zur UVV vom 4. September 1980 wurde in Art. 95 Abs. 1-5 unter dem Titel "Wahlrecht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften" die Ausübung des Wahlrechts gemäss Art. 75 UVG präzisiert. Art. 96 UVV sah unter dem Titel "Betriebs- und Verwaltungseinheiten" vor, dass Zweige der Verwaltung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die betriebswirtschaftlich selbstständig sind und eine eigene Rechnung führen, als Betriebseinheit gelten, wohingegen die übrige Verwaltung der Körperschaft eine Verwaltungseinheit bildet. Diese Bestimmung wurde anlässlich der Debatte der Expertenkommission vom 23. September 1980 im Nachgang zur 1. Lesung angenommen. Anlässlich der Debatte vom 29./30. April 1981 im Nachgang zur 2. Lesung wurden bezüglich Art. 96 UVV keine Bemerkungen angebracht, wobei im darauffolgenden Vorentwurf aus den Art. 95 und 96 UVV die Art. 96 und 97 UVV wurden. Im Verordnungsentwurf vom Februar 1982 erfolgte die Regelung des Wahlrechts in Art. 96 UVV unter dem Titel "Wahlrecht der öffentlichen Verwaltungen". Unter ![]() | 21 |
6.2.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat sodann zur Ergänzung und Verdeutlichung des Wortlauts von Art. 98 Abs. 1 und 2 UVV auf zwei bundesrätliche Antworten zu Interpellationen verwiesen. So hielt der Bundesrat in seiner Antwort vom 6. Juni 2011 auf die Interpellation Miesch im Zusammenhang mit dem Wahlrecht bezüglich Unfallversicherer und der Teilnahme der SUVA an öffentlichen Ausschreibungen fest, dass diejenigen Verwaltungen, die ihr Wahlrecht gemäss Art. 75 UVG bei Inkrafttreten des UVG ausgeübt hätten, nicht ein zweites Mal zwischen der SUVA und einem Privatversicherer wählen könnten. Durch Gemeindefusionen könnten jedoch neue Einheiten entstehen, die noch nie eine Wahl getroffen hätten. Bei neuen Einheiten, die ihre einmalige Wahl noch nicht getroffen hätten, könne somit auch die SUVA eine Offerte für die obligatorische Unfallversicherung derjenigen Arbeitnehmer einreichen, welche nicht bereits obligatorisch bei der SUVA versichert seien (vgl. Antwort des Bundesrates vom 6. Juni 2011 auf die Interpellation Nr. 11.3159 von Christian Miesch betreffend "Änderungen des Prämientarifs der SUVA" [abrufbar unter ![]() | 22 |
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6.5 Zusammenfassend ist mit der SUVA und dem BAG davon auszugehen, dass die UPK bereits vor dem 1. Januar 2012 ![]() | 26 |
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