![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
41. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Gesundheit gegen A. SA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_739/2015 vom 20. Juni 2016 | |
Regeste |
Art. 65e KVV (in der von 1. Oktober 2009 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung); Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Gleichzeitig entzog es einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
| 2 |
B. Eine hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht - nachdem es mit Zwischenverfügung vom 20. Februar 2013 die Publikumspreise von B. für die Dauer des Beschwerdeverfahrens neu festlegte - mit Entscheid vom 1. September 2015 dahingehend gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an das BAG zurückwies, damit dieses nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen (Vornahme einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand eines APV und eines therapeutischen Quervergleichs [fortan: TQV]) über die Preissenkung neu verfüge. Im Übrigen (Gewährung der Toleranzmarge) wies es die Beschwerde ab.
| 3 |
4 | |
Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Entscheids an, soweit die Verfügung des BAG vom 21. Juni 2012 aufgehoben und die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen und neuer Verfügung an das BAG zurückgewiesen werde.
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 6 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
7 | |
8 | |
Art. 65 Allgemeine Aufnahmebedingungen
| 9 |
1 Ein Arzneimittel kann in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, wenn es über eine gültige Zulassung des Instituts verfügt.
| 10 |
(...)
| 11 |
12 | |
(...)
| 13 |
Art. 65b Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen
| 14 |
1 Ein Arzneimittel gilt als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellen Aufwand gewährleistet.
| 15 |
2 Die Wirtschaftlichkeit wird aufgrund eines Vergleichs mit anderen Arzneimitteln und der Preisgestaltung im Ausland beurteilt.
| 16 |
3 Der Auslandspreisvergleich erfolgt summarisch, wenn er mangels Zulassung in den Vergleichsländern zum Zeitpunkt des Gesuchs um Aufnahme nicht oder nur unvollständig vorgenommen werden kann.
| 17 |
4 Die Kosten für Forschung und Entwicklung sind bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Originalpräparates angemessen zu berücksichtigen. Zur Abgeltung dieser Kosten wird im Preis ein Innovationszuschlag berücksichtigt, wenn das Arzneimittel in der medizinischen Behandlung einen Fortschritt bedeutet.
| 18 |
Art. 65d Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre
| 19 |
1 Das BAG überprüft sämtliche Arzneimittel, die in der Spezialitätenliste aufgeführt sind, alle drei Jahre daraufhin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen.
| 20 |
1bis Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wird der Vergleich mit anderen Arzneimitteln nur durchgeführt, wenn der Vergleich mit der Preisgestaltung im Ausland nicht möglich ist.
| 21 |
1ter Das Departement kann beim Auslandpreisvergleich eine Toleranzmarge vorsehen, mit der Wechselkursschwankungen berücksichtigt werden.
| 22 |
2 Ergibt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit aufgrund der umsatzstärksten Packung, dass der geltende Höchstpreis zu hoch ist, so verfügt das BAG auf den 1. November des Überprüfungsjahres eine angemessene Preissenkung.
| 23 |
Art. 65e Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf
| 24 |
1 Das BAG überprüft Originalpräparate unmittelbar nach Ablauf des Patentschutzes daraufhin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen. Verfahrenspatente werden bei der Überprüfung nicht berücksichtigt.
| 25 |
2 Bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit werden die Kosten für Forschung und Entwicklung nicht mehr berücksichtigt.
| 26 |
3 Ergibt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, dass der geltende Höchstpreis zu hoch ist, so verfügt das BAG eine Preissenkung.
| 27 |
28 | |
29 | |
1 ...
| 30 |
2 Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels werden berücksichtigt:
| 31 |
a) dessen Fabrikabgabepreise im Ausland;
| 32 |
b) dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise;
| 33 |
c) dessen Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise
| 34 |
d) bei einem Arzneimittel im Sinne von Artikel 31 Absatz 2 Buchstaben a und b ein Innovationszuschlag für die Dauer von höchstens 15 Jahren; in diesem Zuschlag sind die Kosten für Forschung und Entwicklung angemessen zu berücksichtigen.
| 35 |
Art. 37 Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf
| 36 |
Für die Überprüfung eines Originalpräparates nach Artikel 65e KVV muss die Zulassungsinhaberin dem BAG spätestens sechs Monate vor Ablauf des Patentschutzes unaufgefordert die Preise in allen Vergleichsländern nach Artikel 35 Absatz 2 und die Umsatzzahlen der letzten vier Jahre vor Patentablauf nach Artikel 65c Absätze 2-4 KVV angeben. Die Durchschnittspreise der Vergleichsländer werden auf der Homepage des BAG publiziert.
| 37 |
38 | |
4.1 Das Bundesverwaltungsgericht verwies einleitend auf seinen Grundsatzentscheid (C-5912/2013 vom 30. April 2015) zur dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen, wonach der TQV ein wesensnotwendiger Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei. Es stellte fest, das BAG nehme bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung nach Patentablauf keinen TQV vor. Diese Auslegung von Art. 65e KVV komme in Ziff. F.1.3 des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die SL vom 1. September 2011 (Stand: 1. Januar 2012; fortan: SL-Handbuch) zum Ausdruck, wonach bei der Überprüfung nach Patentablauf ein TQV nur in begründeten Fällen durchgeführt werde. Einen Ausschluss oder eine Einschränkung der Anwendung des TQV im Rahmen der ![]() | 39 |
4.2 Der Beschwerdeführer rügt eine fehlerhafte Auslegung von Art. 65e KVV i.V.m. Art. 37 KLV und macht geltend, die eingeschränkte Anwendung des TQV bei der Überprüfung nach Patentablauf sei in den Verordnungen zwar nicht explizit festgehalten. Indes könne durch Auslegung ermittelt werden, dass die Grundlage für die eingeschränkte Anwendung des TQV in Art. 65e KVV i.V.m. Art. 37 KLV angelegt sei. Während in Art. 65b KVV die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit "im Allgemeinen" geregelt werde, stelle Art. 65e KVV eine lex specialis dar, gemäss welcher bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Patentablauf nur der APV massgebend sei. Die Details zum Vollzug der Überprüfung seien in Ziff. F.1.3 des SL-Handbuchs geregelt. Die Gründe für den Vorrang des APV lägen in der Schwierigkeit, bei einem Arzneimittel, dessen Patent ablaufe, einen sachgerechten TQV durchzuführen: Ein Vergleich von B. mit patentgeschützten Originalpräparaten oder Generika würde das Gleichbehandlungsgebot verletzen. Die Überprüfung (einzig) mittels APV entspreche dem Willen des Verordnungsgebers, stehe im Einklang mit Sinn und Zweck der Überprüfung nach ![]() | 40 |
41 | |
Erwägung 5 | |
42 | |
43 | |
Erwägung 5.2 | |
44 | |
5.2.2 Entstehungsgeschichtlich ist festzuhalten, dass die von Art. 32 Abs. 2 KVG geforderte periodische Überprüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen (E. 3.1 hiervor) in der ursprünglichen, ab 1. Januar 1996 in Kraft gestandenen Fassung der KVV (AS 1995 3867) noch nicht bzw. erst ansatzweise umgesetzt war. So wurden die auf der SL aufgeführten ![]() | 45 |
Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte sind zweierlei Ziele der Überprüfung der Arzneimittel nach Ablauf des Patentschutzes auszumachen. Zum einen das Ziel, die Preise der Arzneimittel unmittelbar nach und wegen dem Ablauf des Patentschutzes (u.a. Wegfall des Innovationszuschlags) zu senken. Zum anderen jenes der Überprüfung der Aufnahmebedingungen (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG (vgl. auch Ziff. 2.1 der Antwort des Bundesrates vom 25. Mai 2005 auf die Interpellation Nr. 05.3010 von Ruth Humbel betreffend "Preisgestaltung von neuen patentgeschützten Medikamenten" [abrufbar unter www.parlament.ch], wonach eine "generelle Überprüfung der WZW-Kriterien" u.a. nach Ablauf des Patentschutzes bzw. nach 15 Jahren erfolge).
| 46 |
![]() | 47 |
5.2.3 Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, die Einschränkung auf den APV orientiere sich am Ziel der möglichst günstigen Kosten nach Art. 43 Abs. 6 KVG, "wobei der APV geeignet" sei, dieses Ziel zu erreichen, vermag dies nicht zu überzeugen. Zum einen wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist auch (anderweitig) nicht ersichtlich, weshalb die alleinige Anwendung des APV und damit eine ausschliesslich preisbezogene Überprüfung der Wirtschaftlichkeit geeignet sein sollte, das in Art. 43 Abs. 6 KVG stipulierte Ziel der qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen (Arzneimittel-)Versorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen. De facto vermag die ausschliesslich preisbezogene Überprüfung lediglich zu verhindern, dass die Preisdifferenz zu den Vergleichsländern nicht zunimmt (eingehend zu den Unzulänglichkeiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschliesslich anhand des APV: BGE 142 V 26 E. 5.4 S. 38 f. mit Hinweisen auf den Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 13. Juni 2013, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen ![]() | 48 |
49 | |
Dieser Einwand verfängt nicht. Zunächst tritt - wie die Beschwerdegegnerin zutreffend bemerkt - die Problematik in Form des Vergleichs von Arzneimitteln mit ablaufendem bzw. abgelaufenem Patentschutz mit solchen mit noch bestehendem Patentschutz nicht nur beim TQV, sondern - mutatis mutandis - auch beim APV auf. Dies deshalb, weil der Patentschutz ein und desselben Originalpräparats in vielen Fällen zuerst in der Schweiz und erst später in den Vergleichsländern des Länderkorbs abläuft, was auf die unterschiedlichen Anmeldezeitpunkte zurückzuführen ist (S. 4 vierter Absatz der Publikation "Kommentar" des BAG vom April 2006 zu den Änderungen der KVV vorgesehen für 1. Mai 2006 [abrufbar unter www.bag.admin.ch]; vgl. zur Schweiz als Hochpreisland und ![]() | 50 |
5.3 Zusammenfassend ergibt die Auslegung von Art. 65e KVV, dass nach Ablauf des Patentschutzes grundsätzlich eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung - anhand von APV und TQV - durchzuführen ist. Soweit das SL-Handbuch in Ziff. F.1.3 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vor allem anhand eines APV vorsieht, ist es gesetzeswidrig. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer zu Recht angewiesen, die Wirtschaftlichkeit umfassend zu prüfen und hernach über die Preissenkung neu zu verfügen. (...)
| 51 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |