![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 09.04.2022, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
2. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_130/2021 vom 13. Oktober 2021 | |
Regeste |
Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 26bis und Art. 27 Abs. 1 IVG; Art. 24 Abs. 2 IVV; Tarif für die zahnärztliche Behandlung eines Geburtsgebrechens; Fallpauschale. | |
Sachverhalt | |
A. A. erhob mit Eingabe vom 11. September 2017 Klage gegen die IV-Stellen der Kantone Graubünden und Solothurn mit dem Antrag, es seien seine Leistungen gemäss Liste und eingereichter Rechnung nach dem Zahnarzttarif gemäss Tarifvertrag zwischen der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) und der Medizinaltarif-Kommission UVG (MTK) sowie der Militär- und Invalidenversicherung ![]() | 1 |
B. Das Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten wies die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2020 ab.
| 2 |
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die IV-Stelle des Kantons Solothurn zu verpflichten, ihm eine Vergütung von Fr. 9'507.85 nebst 5 % Verzugszins seit 11. September 2017 zu entrichten.
| 3 |
Das kantonale Gericht, die IV-Stelle des Kantons Solothurn sowie das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
| 4 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
6 | |
2.2 In tatsächlicher Hinsicht steht dabei fest, dass der Beschwerdeführer die hier strittige Behandlung vom 16. bis 19. Juli 2014 (Operation vom 16. Juli 2014) in der Klinik B. vornahm. Dafür stellte er direkt der IV-Stelle Solothurn Rechnung, wobei er zunächst einen Gesamtbetrag von Fr. 17'054.05 verlangte und später davon den ihm von der Klinik ausgerichteten Betrag von Fr. 7'546.10 in Abzug brachte. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass die Klinik der IV-Stelle für die stationäre Behandlung vom 16. bis 19. Juli 2014 einen ![]() ![]() | 7 |
Erwägung 3 | |
8 | |
9 | |
3.3 Im Bereich der Invalidenversicherung steht nach Art. 26bis IVG der versicherten Person die Wahl frei unter den medizinischen Hilfspersonen, den Anstalten und Werkstätten sowie den Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, die Eingliederungsmassnahmen durchführen, und den Abgabestellen für Hilfsmittel, wenn sie den kantonalen Vorschriften und den Anforderungen der ![]() ![]() | 10 |
11 | |
3.5 Zwischen der SSO und den Versicherern gemäss Bundesgesetz über die Unfallversicherung (vertreten durch die MTK), dem (ehemaligen) Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) und der ![]() ![]() | 12 |
3.6 Gemäss Art. 6.1 SSO-Tarifvertrag hat der Zahnarzt der zuständigen Stelle der Versicherer gemäss UVG, IVG und MVG vor Aufnahme der Behandlung einen nach Tarifziffern detaillierten Kostenvoranschlag einzureichen. Dem Kostenvoranschlag soll eine wirtschaftliche und zweckmässige Behandlung zugrunde gelegt werden. Für die auf ihre Kosten vorzunehmende Behandlung leistet der Versicherer so rasch als möglich Gutsprache. Bei Arbeiten, für die keine Gutsprache erteilt worden ist, besteht keine Zahlungspflicht, es sei denn, es habe sich um unaufschiebbare Massnahmen gehandelt (Art. 6.2). Ist die definitive Versorgung erst in einem späteren Zeitpunkt möglich, so ist dies zu begründen. Zu gegebener Zeit muss ein neuer Kostenvoranschlag eingereicht werden (Art. 6.3). Gestützt auf Art. 7.1 gelten für die Behandlung von Versicherten der Invalidenversicherung die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die dazu gehörenden Weisungen des BSV. Das BSV wird vor dem Erlass wichtiger Weisungen, die sich auf die Tätigkeit unter diesem Vertrag auswirken, die SSO zur Vernehmlassung einladen. Nach Art. 7.2 übernimmt die IV bei ambulanten Behandlungen sowie Aufenthalt in einer allgemeinen Abteilung eines Spitals die vollen Kosten der verfügten Massnahmen gemäss geltendem Tarif mit befreiender Wirkung für den Versicherten. Die ![]() ![]() | 13 |
14 | |
3.8 Auch die Invalidenversicherung wollte in den akutsomatischen Spitälern - auf tarifvertraglicher Basis - flächendeckend die Vergütung mittels SwissDRG-Fallpauschalen einführen. Die Verhandlungen über einen Rahmenvertrag mit "H+ Die Spitäler der Schweiz" scheiterten aber Ende 2011, so dass es in der Folge eine "heterogene Situation bei den Spitaltarifen" gab. Mit einigen Belegarztspitälern konnte die Invalidenversicherung Zusammenarbeits- und Tarifverträge abschliessen und vereinbaren, dass die stationär erbrachten Leistungen nach dem SwissDRG-System abzugelten seien. Bei anderen Spitälern liefen die alten Spitalverträge provisorisch ![]() ![]() | 15 |
16 | |
Erwägung 4 | |
4.1 Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die Invalidenversicherung vergüte stationäre Leistungen wie im KVG mittels ![]() ![]() | 17 |
4.2 Weiter erwog die Vorinstanz, die Invalidenversicherung sei nach den Regeln von Treu und Glauben (Art. 9 BV) verpflichtet gewesen, die Einführung der SwissDRG-Fallpauschalen der SSO als Partnerin des Tarifvertrags unmissverständlich und rechtzeitig anzukündigen. Das Prinzip des Vertrauensschutzes könne insbesondere dann angerufen werden, wenn eine Praxis- oder Rechtsänderung eintrete, ohne dass die Möglichkeit der Anpassung oder Mitwirkung an der Gestaltung der neuen Rechtslage bestanden habe. Die Rechtswirkung des Vertrauensschutzes bestehe diesfalls in einer angemessenen Übergangsregelung bzw. angemessenen Übergangsfrist. Für die Bestimmung einer solchen Übergangsfrist könne man sich vorliegend an die Kündigungsfrist von einem Jahr gemäss dem SSO-Tarifvertrag halten. Die neue Abrechnungsmethode sei per 1. Januar 2012 eingeführt worden, so dass bis Ende Dezember 2012 Vertrauensschutz bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe die im vorliegenden Verfahren massgebende Operation am 16. Juli 2014 durchgeführt. Nach Einführung der SwissDRG Anfang 2012 seien ![]() ![]() | 18 |
19 | |
Erwägung 5 | |
20 | |
![]() | 21 |
Der Beschwerdeführer wies in seiner Klagebegründung vor dem kantonalen Schiedsgericht darauf hin, es sei im Bereich der IV nicht üblich gewesen, einen den Anforderungen von Art. 6.1 des SSO-Tarifvertrags entsprechenden Kostenvoranschlag einzureichen, was die Beschwerdegegnerin indessen in Abrede stellte. Vorliegend muss darüber - mit Blick auf das Nachfolgende - nicht abschliessend befunden werden.
| 22 |
5.1.2 Die vorliegend streitigen Leistungen des Beschwerdeführers fanden im Rahmen einer stationären Behandlung in der Klinik B. statt. Seit 1. Juli 2013 besteht zwischen dieser und der MTK/ MV/IV ein SwissDRG-Tarifvertrag, mit welchem Fallpauschalen eingeführt wurden (vgl. E. 3.9 hiervor). Diese Vollkostenpauschalen umfassen sowohl die ärztlichen als auch die zahnärztlichen Leistungen. Dass die Invalidenversicherung nicht befugt gewesen wäre, einen solchen Vertrag abzuschliessen, wird von keiner Seite geltend gemacht und davon ist mit Blick auf Art. 27 Abs. 1 IVG auch nicht auszugehen. Sodann besteht kein Anlass zu bezweifeln, dass zwischen der Klinik und der Invalidenversicherung ein Auftragsverhältnis in Bezug auf die für die versicherte Person konkret angeordneten medizinischen Massnahmen bestand (vgl. E. 3.4 hiervor). So ![]() ![]() | 23 |
24 | |
5.1.4 Anzufügen bleibt, dass kein verfassungsrechtlicher Anspruch der Ärzte und Zahnärzte besteht, von der Invalidenversicherung Behandlungsaufträge zu erhalten (vgl. BGE 138 II 398 E. 3.9.2, BGE 138 II 191 E. 4.4.1; BGE 130 I 26 E. 4.5). Der Beschwerdeführer beruft sich denn auch zu Recht nicht auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Eine Nichtzulassung als Leistungserbringer im Rahmen von stationären Behandlungen schliesst nur den Anspruch aus, zu Lasten der Versicherung abrechnen zu können, nicht aber das Recht auf gewerbliche Betätigung, wie die Vorinstanz richtig erkannte (vgl. auch BGE 138 II 398 E. 3.9.2; ![]() ![]() | 25 |
26 | |
Doch auch über den Systemwechsel in der Klinik B. im IV-Bereich musste der Beschwerdeführer im Bild sein. Die Änderung betraf nicht nur unmittelbar seine persönliche Interessensphäre als Beleg(zahn)arzt, sondern auch die strategischen Aspekte der Klinik. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Beschwerdeführer seit 1993 ununterbrochen auch als Verwaltungsrat der Klinik B. AG amtet (zur Notorietät öffentlich zugänglicher Eintragungen im Handelsregister: Urteile 4A_739/2011 vom 3. April 2012 E. 1.3; 4A_645/2011 vom 27. Januar 2012 E. 3.4.2; wobei notorische Tatsachen weder behauptet noch bewiesen werden müssen und auch keine Anhörung erforderlich ist: vgl. BGE 135 III 88 E. 4.1 mit ![]() ![]() | 27 |
28 | |
5.3 Für die von der Vorinstanz aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) abgeleitete Übergangsfrist (vgl. E. 4.2 hiervor) und die Frage, ob es damit sein Bewenden hat, bleibt im hier zu beurteilenden Fall im Übrigen kein Raum: Nach dem Gesagten (vgl. E. 5.1.5 hiervor) ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vom geltenden SwissDRG-Tarifvertrag in der Klinik B. auch im IV-Bereich Kenntnis hatte. Dennoch hat er die Behandlung in der Klinik vorbehaltlos und ohne vorgängige Rücksprache mit der IV (insbesondere ohne Vorlage eines Kostenvoranschlags) durchgeführt. Es war ihm bekannt, dass er aufgrund des neuen Vertrags selber nicht mehr als Vertragspartner der IV agieren konnte. Wenn er trotz dieser Umstände (be)handelte, wie wenn sich nichts geändert hätte, tat er dies wider besseres Wissen. Insoweit kann sich der Beschwerdeführer nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. ![]() | 29 |
© 1994-2022 Das Fallrecht (DFR). |