BGer 1C_646/2012 | |||
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BGer 1C_646/2012 vom 22.05.2013 | |
{T 0/2}
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1C_646/2012
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Urteil vom 22. Mai 2013 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
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Gerichtsschreiberin Gerber.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.________,
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2. B.________,
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3. C.________,
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4. D.________,
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5. E.________,
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6. F.________,
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7. G.________,
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8. H.________,
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9. I._________,
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10. J.________,
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11. K.________,
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Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Marc Tomaschett,
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gegen
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L.________ AG,
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Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Clavadetscher,
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Gemeinde Breil/Brigels, Casa Sentupada, 7165 Breil/Brigels, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.
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Gegenstand
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Baueinsprache, Zweitwohnungsbau,
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Beschwerde gegen das Urteil vom 12. November 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
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Sachverhalt: |
A. | |
Am 13. Juli 2012 reichte die L.________ AG ein Baugesuch für ein Mehrfamilienhaus auf Parzelle Nr. 3690 in der Dorferweiterungszone D3 der Gemeinde Breil/Brigels ein. Der geplante Neubau umfasst insgesamt sieben Wohnungen und neun Einstellplätze. Zuvor hatte dieselbe Bauherrschaft gleichenorts bereits drei Mehrfamilienhäuser im Rahmen der Ferienresidenz Crestas Sut erstellt.
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B. | |
Dagegen reichten die Einsprecher Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ein. Dieses wies die Beschwerde am 12. November 2012 ab. Es ging davon aus, Art. 75b BV und seine Übergangsbestimmungen (Art. 197 Ziff. 9 BV) seien erst auf Baubewilligungen anwendbar, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt würden.
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C. | |
Dagegen haben die im Rubrum genannten Einsprecher am 13. Dezember 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Erteilung der Baubewilligung sei zu verweigern. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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D. | |
Die Beschwerdegegnerin und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Auch die Gemeinde Breil/Brigels schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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E. | |
Mit Verfügung vom 23. Januar 2013 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
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F. | |
Am 22. Mai 2013 hat das Bundesgericht in öffentlicher Sitzung über die Beschwerde beraten.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine Baubewilligung. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Damit bleibt kein Raum für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind als Stockwerkeigentümer von benachbarten Grundstücken zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.
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Erwägung 2 | |
Das Verwaltungsgericht führte aus, dass die neue Verfassungsbestimmung gemäss Art. 195 BV an dem Tag in Kraft getreten sei, an dem sie von Volk und Ständen angenommen wurde, mithin am 11. März 2012. Das Stimmvolk habe jedoch dem in Art. 75b BV angelegten faktischen Baustopp für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % nur unter Berücksichtigung der übergangsrechtlichen Regelung von Art. 197 Ziff. 9 BV (in den Abstimmungsunterlagen noch Art. 197 Ziff. 8 BV) zugestimmt. Der neue Art. 75b BV dürfe deshalb nur zusammen mit dem neuen Art. 197 Ziff. 9 BV gelesen und verstanden werden.
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Erwägung 3 | |
Im gleichen Sinne haben auch die verwaltungsgerichtlichen Abteilungen der Kantone Wallis und Waadt entschieden.
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3.1. In seinem Urteil A1 12 176 vom 23. Oktober 2012 und in weiteren Entscheiden ging das Walliser Kantonsgericht davon aus, dass der Verfassungsgeber mit der Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV die Nichtigkeitsfolge ausdrücklich auf nach dem 1. Januar 2013 erteilte Baubewilligungen beschränkt habe. Damit habe er implizit in Kauf genommen, dass in der Übergangszeit zwischen der Annahme der Initiative und dem 1. Januar 2013 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen rechtmässig erteilt werden könnten. Im Übrigen sei Art. 75b Abs. 1 BV auch nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfe der Umsetzung durch Gesetz oder Verordnung.
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3.2. Auch die verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Waadt kam im Urteil AC.2012.0127 vom 22. November 2012 und weiteren Entscheiden zur Überzeugung, dass Art. 75b BV nicht unabhängig von den übergangsrechtlichen Bestimmungen angewendet werden könne. Aus diesen ergebe sich zunächst, dass Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung der Verfassungsnorm notwendig seien; hierfür gewähre Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV dem Gesetzgeber eine Frist von zwei Jahren. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass Art. 75b BV keine unmittelbar anwendbare Norm darstelle, sondern vom Gesetzgeber konkretisiert werden müsse. Dieser müsse definieren, was eine Zweitwohnung sei; zudem seien vertiefte Abklärungen nötig, um den Anteil an Zweitwohnungen in den verschiedenen Gemeinden zu ermitteln. Der Gesetzgeber müsse schliesslich festlegen, wie sich Art. 75b BV auf den Verkauf, den Umbau, die Nutzungsänderung oder den Wiederaufbau von Zweitwohnungen auswirke und u.U. Anmerkungen im Grundbuch vorsehen.
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Erwägung 4 | |
Die Beschwerdeführer machen dagegen geltend, Art. 75b BV sei am 11. März 2012 in Kraft getreten und müsse ab diesem Zeitpunkt auch angewendet werden. Im vorliegenden Fall sei völlig unstreitig, dass es sich beim Bauvorhaben um einen Zweitwohnungsbau handle und dass der Anteil an Zweitwohnungen in Breil/Brigels über 20 % liege; hieran ändere auch die Verordnung des Bundesrates nichts.
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Erwägung 5 | |
Die Gemeinde Breil/Brigels schliesst sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Graubünden an. In Art. 75b Abs. 2 BV und in den Übergangsbestimmungen werde Bezug genommen auf eine Ausführungsgesetzgebung; schon dadurch werde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Anwendbarkeit der Zweitwohnungsregelung grundsätzlich ein vom Parlament erlassenes Gesetz voraussetze. Der Verzicht auf die sofortige Anwendbarkeit von Art. 75b BV sei auch in der Sache gerechtfertigt, bedeute die Plafonierung der Zweitwohnungen doch einen schweren Eingriff nicht nur in das Eigentum, sondern auch in die Autonomie der Kantone und Gemeinden.
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Erwägung 6 | |
In einer ersten Stellungnahme vom 15. März 2012 zur Annahme der Zweitwohnungsinitiative ging das ARE davon aus, dass Art. 75b BV am Tag der Annahme, d.h. am 11. März 2012, in Kraft getreten sei. Baubewilligungen, die vor diesem Datum rechtskräftig erteilt worden seien, blieben weiterhin gültig. Art. 197 Ziff. 8 (heute: Ziff. 9) Abs. 2 BV sehe vor, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nichtig seien. Das heisse aber nicht, dass Baugesuche, die nach Annahme des Verfassungsartikels, aber vor Ablauf des Jahres eingereicht werden, ohne Probleme gestützt auf das bisherige Recht erteilt werden könnten, da dies dem Zweck des Verfassungsartikels widersprechen würde. Vielmehr sei die neue Verfassungsbestimmung über Zweitwohnungen auf alle Baugesuche anwendbar, die nach dem 11. März 2012 eingereicht werden. Gebe es Zweifel an der Übereinstimmung mit dem neuen Verfassungsartikel, so seien die Baugesuchsverfahren zu sistieren, bis die Ausführungsgesetzgebung in Kraft sei und das Gesuch beurteilt werden könne. Für die im Zeitpunkt der Annahme der Verfassungsbestimmung bereits hängigen Gesuche sei eine korrekte, pragmatische Lösung zu finden.
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Erwägung 7 | |
In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
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7.1. ERIC BRANDT (Résidences secondaires: premières jurisprudences cantonales, in: Plaidoyer 6/2012 S. 38 ff., insbes. S. 42 f.) hält Art. 75b Abs. 1 BV im Grundsatz für nicht unmittelbar anwendbar: Zum einen könnten die Gemeinden, in denen der Anteil von Zweitwohnungen 20 % der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche übersteige, aufgrund der heutigen statistischen Grundlagen nicht ermittelt werden; zum anderen präzisiere Art. 75b BV nicht, auf welcher Stufe der raumplanungsrechtlichen Hierarchie (Richtplan, Sachplan, Nutzungsplan, Baubewilligung) er wie umgesetzt werden solle. Dagegen sei die Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sehr viel präziser und sehe die Nichtigkeit von Baubewilligungen vor, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt würden. Diese Bestimmung sei dahingehend auszulegen, dass die Nichtigkeitsfolge nur Baubewilligungen für Zweitwohnungen betreffe, die in einer Gemeinde erteilt werden, in denen der 20 %-Anteil bereits überschritten sei. Insoweit werde Art. 75b Abs. 1 BV für direkt anwendbar erklärt, allerdings beschränkt auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten Zweitwohnungen noch nach altem Recht bewilligt werden.
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In ersten Stellungnahmen nach der Abstimmung (ohne vertiefte Begründung) gingen auch ALAIN GRIFFEL ( NZZ Nr. 66 vom 19. März 2012 S. 8), FELIX UHLMANN ( NZZ Nr. 61 vom 13. März 2012 S. 9) und TOBIAS JAAG ( NZZ Nr. 103 vom 4. Mai 2012 S. 13) davon aus, dass 2012 noch Baubewilligungen nach altem Recht erteilt werden könnten. RENÉ RHINOW ( Die Südostschweiz vom 27. März 2012 S. 4) befürwortete immerhin eine Sistierung von Baugesuchen, die "in letzter Minute" eingereicht worden seien.
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7.2. BERNHARD WALDMANN (Die Zweitwohnungsverordnung, in: Jusletter 10. Dezember 2012 [im Folgenden: Zweitwohnungsverordnung]; DERSELBE, Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in: Schweizerische Baurechtstagung Freiburg 2013, S. 123 ff. [im Folgenden: Zweitwohnungen]) teilt den Ansatz des Verwaltungsgerichts Graubünden, kommt aber zu einem anderen Ergebnis für Baubewilligungen, die am 1. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig geworden sind.
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7.3. JACQUES DUBEY (La Suisse: son territoire, sa démocratie et son fédéralisme, Le point sur les résidences secondaires et la révision de la LAT, in: Journées suisses du droit de la construction, Fribourg 2013, S. 93 ff.) vertritt einen ähnlichen Ansatz wie Waldmann. Auch er hält Art. 75b Abs. 1 BV nicht für unmittelbar anwendbar; insbesondere sei die Norm zu unbestimmt, um eine gesetzliche Grundlage für schwerwiegende Eingriffe in die Eigentumsgarantie und die Niederlassungsfreiheit darzustellen (a.a.O., S. 108 f.). Auch seines Erachtens enthält jedoch Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV ein unmittelbar anwendbares Moratorium für die Bewilligung von Zweitwohnungen; damit werde dem neuen Recht negative Vorwirkung ab dem 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung (bzw. einer Ausführungsverordnung des Bundesrats gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV) zugesprochen (a.a.O., S. 112 ff.).
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7.4. Andere Autoren teilen die Auffassung des ARE, wonach Art. 75b Abs. 1 BV seit dem 11. März 2012 unmittelbar anwendbar sei und jedenfalls die Bewilligung von Baugesuchen verbiete, die nach diesem Datum eingereicht wurden.
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Erwägung 8 | |
Gemäss Art. 195 BV und Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR, SR 161.1) treten Änderungen der Bundesverfassung mit der Annahme durch Volk und Stände in Kraft, sofern die Vorlage nichts anderes bestimmt, und zwar unabhängig vom Datum ihrer Publikation in der Amtlichen Sammlung (vgl. Botschaft vom 22. Oktober 2003 zum Publikationsgesetz, BBl 2003 7729). Art. 75b BV und seine Übergangsbestimmungen sind daher am 11. März 2012 in Kraft getreten.
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Erwägung 9 | |
Ausgangspunkt der Auslegung ist der Text der Verfassungsbestimmung. Dieser lautet:
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Art. 75b Zweitwohnungen
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1 Der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde ist auf höchstens 20 Prozent beschränkt.
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2 Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden, ihren Erstwohnungsanteilplan und den detaillierten Stand seines Vollzugs alljährlich zu veröffentlichen.
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Art. 197
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[...]
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9.Übergangsbestimmungen zu Art. 75b (Zweitwohnungen)
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1 Tritt die entsprechende Gesetzgebung nach Annahme von Artikel 75b nicht innerhalb von zwei Jahren in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch durch Verordnung.
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2 Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Artikel 75b folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, sind nichtig.
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9.1. Art. 75b Abs. 1 BV setzt einen Höchstanteil von 20 % für Zweitwohnungen fest. Dieser gilt sowohl für den Gesamtbestand der Wohneinheiten als auch für die für Wohnzwecke genutzte Bruttogeschossfläche einer Gemeinde. Die Verfassungsbestimmung enthält damit eine präzise Vorgabe zum Zweitwohnungsanteil, die grundsätzlich einer direkten Anwendung zugänglich erscheint (anders als der in Art. 8 Abs. 2 RPG verwendete unbestimmte Begriff des "ausgewogenen Verhältnisses" von Erst- und Zweitwohnungen). Auch die Formulierung "ist ... beschränkt" deutet darauf hin, dass es sich um eine unmittelbar verbindliche Vorgabe handelt.
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Art. 75b Abs. 1 BV begrenzt den Anteil von Zweitwohnungen pro Gemeinde auf höchstens 20 %. Ist dieser Anteil (sei es am Gesamtbestand der Wohneinheiten, sei es an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche) in einer Gemeinde bereits erreicht oder überschritten, so ergibt sich grundsätzlich unmittelbar aus der Verfassung, dass keine weiteren Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden dürfen (so auch ARE, Erläuternder Bericht, S. 17 f.). Umgekehrt dürfen in Gemeinden, die den Plafond noch nicht erreicht haben, neue Zweitwohnungen weiterhin bewilligt werden (vorbehältlich restriktiverer Bestimmungen des kantonalen oder kommunalen Baurechts). Dementsprechend beschränkt sich auch das in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV enthaltene Bewilligungsverbot für Zweitwohnungen auf Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von 20% und mehr.
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9.2. Diese Auslegung kann sich auf den Titel der Initiative ("Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen") und die Materialien stützen: So ging der Bundesrat in seiner Botschaft zur eidgenössischen Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!" vom 29. Oktober 2008 (BBl 2008 8757 ff., insbes. Ziff. 4.2 S. 8766 f.; im Folgenden: Botschaft) wie auch in den Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 11. März 2012 S. 12 (im Folgenden: Abstimmungserläuterungen") davon aus, dass die Initiative zu einem "Baustopp" für Zweitwohnungen in Tourismusorten führen werde (vgl. die Zitate unten E. 11.4).
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9.3. Davon gehen im Grundsatz auch die kantonalen Verwaltungsgerichte (oben E. 2 und 3) und die Literatur (oben E. 7) aus. Streitig ist jedoch, ob dieses Baubewilligungsverbot auf Zweitwohnungsbauten Anwendung findet, die zwischen dem 11. März und dem 31. Dezember 2012 bewilligt worden sind. Dagegen werden im Wesentlichen zwei Einwände erhoben:
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Erwägung 10 | |
Die unmittelbare Anwendbarkeit einer Verfassungsbestimmung setzt voraus, dass Tatbestand und Rechtsfolgen genügend genau formuliert sind: Das Legalitätsprinzip verlangt eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze im Dienste des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Rechtsanwendung (BGE 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173; 132 I 49 E. 6.2 S. 58 f.; je mit Hinweisen). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidungen, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f. mit Hinweisen).
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10.1. Der Begriff der Zweitwohnung wird nicht nur in Art. 75b BV, sondern auch in anderen Gesetzen und Verordnungen verwendet:
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10.2. Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch steht die "Zweitwohnung" im Gegensatz zur "Erstwohnung" oder "Hauptwohnung". Diese befindet sich am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort einer Person, an dem sie sich ständig oder über längere Zeit aufhält und i.d.R. auch steuerpflichtig und stimmberechtigt ist. Zweitwohnungen sind demnach grundsätzlich alle Wohnungen, die keine Erstwohnung sind.
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10.3. Legt man den Zweitwohnungsbegriff im oben skizzierten Sinne aus, so lässt sich auch der Zweitwohnungsanteil der Gemeinden relativ leicht ermitteln.
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10.4. Gegen den oben umschriebenen Begriff der Zweitwohnung kann allerdings eingewendet werden, dass sich die Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" vor allem gegen sogenannte "kalte Betten" und nicht gegen "warme Betten" richtete. In ihrem Argumentarium (S. 26) gingen die Initianten davon aus, dass Ferienwohnungen, die kommerziell vermietet werden (Parahotellerie), keine Zweitwohnungen seien, weil sie viel stärker genutzt würden (durchschnittlich 200 Nächte gegenüber 30 bis 60 Nächten/Jahr bei Zweitwohnungen).
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Dementsprechend geht Art. 4 lit. b Zweitwohnungsverordnung davon aus, dass qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen weiterhin bewilligt werden dürfen (vgl. Erläuternder Bericht S. 11 f.; WALDMANN, Zweitwohnungsverordnung, Rz. 34). Voraussetzung ist, dass die Wohnungen nicht individuell ausgestaltet sind sowie dauerhaft und ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden, sei es im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen (Ziff. 1), oder durch den oder die im selben Haus wohnenden Eigentümer oder Eigentümerin (Ziff. 2).
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10.5. Unter dem Blickwinkel des Legalitätsprinzips ergibt sich somit Folgendes:
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Art. 75b BV bedarf aber in weiten Teilen der Konkretisierung durch Ausführungsvorschriften. Dies gilt einerseits für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in den betroffenen Gemeinden noch Baubewilligungen für bestimmte, besonders intensiv genutzte Arten von Zweitwohnungen ("warme Betten") erteilt werden dürfen. Andererseits ist klärungsbedürftig, ob und inwieweit die Umnutzung von Erst- zu Zweitwohnungen bzw. die Erweiterung und der Ersatz bestehender Zweitwohnungen zulässig ist.
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10.6. Namentlich in diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von demjenigen, der dem Urteil BGE 139 I 16 zugrunde lag:
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Die unmittelbare Anwendung der Art. 121 Abs. 3-6 BV (Ausschaffungsinitiative) würde zu gravierenden Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Ausländer führen, mit einschneidenden, i.d.R. nicht wieder gutzumachenden Nachteilen für sie und ihre Familien; dabei stellen sich heikle völkerrechtliche Probleme. In dieser Situation verbieten es die Grundsätze der Legalität und der Gewaltenteilung, die neuen Verfassungsbestimmungen (ganz oder teilweise) direkt anzuwenden, bevor der in Abs. 4 ausdrücklich damit beauftragte Gesetzgeber die erforderliche Konkretisierung und Feinabstimmung vorgenommen hat (vgl. BGE 139 I 16 E. 4.3.4 S. 27 f.).
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10.7. Die vorliegend zu beurteilende Rechtslage ist dagegen mit derjenigen nach Annahme der Rothenthurm-Initiative am 6. Dezember 1987 vergleichbar. Damals wurde Art. 24sexies Abs. 5 mit folgendem Wortlaut in die damalige Bundesverfassung (aBV) eingefügt:
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5 Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung sind Schutzobjekte. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen irgendwelcher Art vorgenommen werden. Ausgenommen sind Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes und der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen.
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Die Übergangsbestimmung sah vor, dass schutzzweckwidrige Anlagen, Bauten und Bodenveränderungen, die nach dem 1. Juni 1983 erstellt worden waren, zu Lasten der Ersteller abgebrochen und rückgängig gemacht werden müssten. Sie entfaltete somit (ähnlich Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) direkte Rechtsfolgen für Private und Gemeinwesen.
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Rechtsprechung und Literatur gingen übereinstimmend davon aus, dass Art. 24sexies Abs. 5 aBV ein unmittelbar anwendbares, eigentümerverbindliches, absolutes Veränderungsverbot enthalte (BGE 117 Ib 237 E. 2b S. 246 f.; 118 Ib 11 E. 2e S. 15; 123 II 248 E. 3a/aa S. 251; 127 II 184 E. 5b/aa S. 192; Urteil 1A.178/1991 vom 17. Dezember 1992 E. 2a in: ZBl 94/1993 S. 522; Urteil 1A.42/1994 vom 29. November 1994 E. 1a, in: ZBl 97/1996 S. 122, URP 1996 S. 364 und RDAF 1997 I S. 459 und 505; Thomas Fleiner-Gerster, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Stand Oktober 1989, Art. 24sexies Rz. 47; Bernhard Waldmann, Der Schutz von Mooren und Moorlandschaften, Freiburg 1997, S. 70 ff.; Jean-Baptiste Zufferey, in: Keller/Zufferey/Fahrländer, Kommentar NHG, Zürich 1997, Allg. Teil, 2. Kap., Rz. 91 f.).
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10.8. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist es grundsätzlich möglich, den örtlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Baubewilligungsverbots gemäss Art. 75 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV zu bestimmen, ohne dem Gesetzgeber vorzugreifen und dessen Gestaltungsspielraum unnötig einzuengen. Sofern es um klassische Ferienwohnungen in Tourismusgebieten geht, ist die Qualifikation als Zweitwohnung ohnehin unstreitig.
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Erwägung 11 | |
Streitig ist jedoch der zeitliche Anwendungsbereich dieses Baubewilligungsverbots.
| 50 |
11.1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Rechtmässigkeit von Verwaltungsakten (mangels einer anderslautenden übergangsrechtlichen Regelung) grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zur beurteilen. Später eingetretene Rechtsänderungen sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn zwingende Gründe für die sofortige Anwendung des neuen Rechts sprechen (BGE 135 II 384 E. 2.3 S. 390; 125 II 591 E. 5e/aa S. 598; je mit Hinweisen; so auch ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., S. 71 Rz. 327; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 190 f. Rz. 20 f.; PIERRE MOOR/ALEXANDRE FLÜCKIGER/VINCENT MARTENET, Droit administratif, Bd. I, Bern 2012, S. 187 f. und S. 194 f.). Zwingende Gründe für eine sofortige Anwendung des neuen Rechts hat das Bundesgericht insbesondere im Bereich des Gewässer-, Natur-, Heimat- und Umweltschutzrechts als gegeben erachtet (BGE 135 II 384 E. 2.3 S. 390).
| 51 |
Art. 75b BV ist am 11. März 2012 in Kraft getreten (Art. 195 BV Art. 15 Abs. 3 BPR). Nach den allgemeinen Grundsätzen ist die Bestimmung (vorbehältlich einer abweichenden Regelung) auf alle Baubewilligungen anwendbar, die ab diesem Datum erteilt worden sind. Dementsprechend ging das Bundesgericht in zwei Urteilen vom 14. Dezember 2012 (1C_215/2012 E. 2.4 und 1C_159/2012 E. 6.2) davon aus, dass Art. 75b BV nicht auf Bauvorhaben anwendbar sei, die vor dem 11. März 2012 kantonal letztinstanzlich beurteilt worden waren; eine erstmalige Anwendung von Art. 75b BV im Verfahren vor Bundesgericht rechtfertige sich nicht.
| 52 |
11.2. Eine rechtswidrige Verfügung ist im Allgemeinen anfechtbar. Eine Baubewilligung, die geltendem Recht widerspricht, wird somit auf Rekurs oder Beschwerde von der zuständigen Rechtsmittelbehörde aufgehoben. Wird sie nicht angefochten, so wird sie rechtskräftig. Der Widerruf einer rechtskräftigen Baubewilligung ist nur ausnahmsweise, unter qualifizierten Voraussetzungen, möglich und kann u.U. Entschädigungsfolgen nach sich ziehen (BGE 115 Ib 152 E. 3a S. 155 mit Hinweisen; Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Aufl., Zürich 1999, S. 225 Rz. 821-826).
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11.3. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV bestimmt, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nichtig sind. Was mit Baubewilligungen geschehen soll, die nach Inkrafttreten von Art. 75b BV am 11. März 2012, aber vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden, ist nicht ausdrücklich geregelt und deshalb auslegungsbedürftig.
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11.4. Die Übergangsbestimmungen der Initiative wurden im Vorfeld der Abstimmung kaum thematisiert (die Ausführungen des Bundesrats in den Abstimmungserläuterungen S. 7 betreffen den indirekten Gegenvorschlag, d.h. die Übergangsbestimmungen zur Änderung des RPG vom 17. Dezember 2010).
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"Die Initiative ist zu starr. Die Beschränkung der Zweitwohnungen auf einen fixen Anteil von 20 Prozent aller Wohnungen würde in zahlreichen Gemeinden zu einem abrupten Baustopp führen".
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Im Dossier 08.073 der Bundesversammlung "Argumentarien contra" zur Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" (Stand 20. Januar 2012, S. 4 unten) wurde ausgeführt:
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"Die Initiative würde ein sofortiges Umnutzungsverbot von Erst- in Zweitwohnungen und einen Baustopp für neue Zweitwohnungen bewirken".
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Ähnlich argumentierte Economiesuisse in ihrer Medienmitteilung vom 24. Februar 2012 (Zweitwohnungsinitiative trifft strukturschwache Regionen ins Mark) :
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"Der Zweitwohnungsanteil soll in allen Gemeinden der Schweiz auf maximal 20 Prozent beschränkt werden. In Regionen, die vom Tourismus leben, ist der Anteil jedoch weit höher. Ein sofortiger Baustopp würde die Tourismuskantone Wallis, Graubünden, Tessin und Bern empfindlich treffen. 136 der 175 Bündner Gemeinden - davon 80 in strukturschwachen Regionen - dürften keine Zweitwohnungen mehr errichten".
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Diesen Argumenten widersprachen die Initianten nicht etwa mit Hinweis auf eine Schon- oder Übergangsfrist für die Bewilligung von Zweitwohnungen nach Annahme der Initiative; im Gegenteil: In ihrem Argumentarium (S. 23 und 26 f.) hoben sie hervor, dass die Initiative dem uferlosen Bau von Zweitwohnungen wirksam entgegentrete und ihre Annahme bedeute, dass in Gemeinden mit über 20 % Zweitwohnungen keine weiteren Zweitwohnungen mehr gebaut oder Erstwohnungen in Zweitwohnungen umgenutzt werden könnten.
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11.5. Für die sofortige Anwendung der neuen Verfassungsbestimmungen sprechen auch Sinn und Zweck der Initiative. Wie bereits ihr Titel ("Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!") besagt, soll die Zerstörung von Natur und Landschaften durch den Zweitwohnungsbau beendet werden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn Zweitwohnungen noch während einer Übergangsfrist von bis zu einem Jahr (je nach Festsetzung des Abstimmungsdatums) nach altem Recht erteilt werden dürften. Es war vorhersehbar, dass eine derartige Übergangsfrist zu einer Flut von Baugesuchen und -bewilligungen kurz vor Jahreswechsel führen würde. Die Initianten erhoben denn auch sofort nach der Abstimmung systematisch Einsprache gegen Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Tourismusgemeinden.
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11.6. Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV keine Übergangsfrist für die Weiteranwendung des bisherigen Rechts enthält, sondern ab dem 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung eine verschärfte Rechtsfolge anordnet (Nichtigkeit statt Anfechtbarkeit). Dadurch wird Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt, die Initiative möglichst rasch und wirksam umzusetzen. Würde das Ausführungsgesetz zu viele Ausnahmen zulassen, könnten die Initianten dagegen das Referendum ergreifen, ohne befürchten zu müssen, dass in der Zwischenzeit Baubewilligungen für Zweitwohnungen in den betroffenen Gemeinden erteilt und rechtskräftig werden könnten. Bei dieser Zielsetzung macht es Sinn, die schwerwiegende Nichtigkeitsfolge erst zu einem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem frühestens ein Ausführungsgesetz vorliegen könnte, d.h. am 1. Januar des auf die Annahme von Art. 75b BV folgenden Jahres.
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11.7. Eine andere Auslegung erscheint auch nicht unter den Aspekten von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes geboten. Besonderen Situationen des Vertrauensschutzes kann im Einzelfall im Baubewilligungsverfahren Rechnung getragen werden (vgl. auch BGE 139 II 263).
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Erwägung 12 | |
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 75b Abs. 1 BV - entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen - auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Da es sich unstreitig um ein Baugesuch für Zweitwohnungen in einer Gemeinde mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % handelt, hätte die Baubewilligung nicht erteilt werden dürfen. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde, zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zur Verweigerung der Baubewilligung.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 12. November 2012 sowie der Bau- und Einspracheentscheid des Gemeindevorstands Breil/Brigels vom 20. August 2012 werden aufgehoben. Die Baubewilligung für das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin auf Parzelle Nr. 3690 der Gemeinde Breil/Brigels wird verweigert.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren und von Fr. 3'371.-- für das verwaltungsgerichtliche Verfahren werden der Beschwerdegegnerin (L.________ AG) auferlegt.
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3. Die Beschwerdegegnerin (L.________ AG) hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 8'000-- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Breil/Brigels, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. Mai 2013
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Die Gerichtsschreiberin: Gerber
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