des Zweiten Senats vom 27. Juli 1971
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-- 2 BvR 443/70 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Polizeimeisters Fritz O. ... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Onno Schirmacher, Dr. Ella Schirmacher, Winfried Wille, Bremen 8, Waller Heerstraße 72 - gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 2. Juli 1970 - II S 11/69 -.
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
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Gründe: | |
I.
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1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines in Bremen gelegenen Grundstücks, das im Geltungsbereich des städtischen Bebauungsplanes Nr. 623 liegt und dort teilweise als Verkehrsfläche ausgewiesen ist. Durch Beschluß vom 23. Juni 1969 wurden 18 m des Grundstücks des Beschwerdeführers zugunsten der Stadtgemeinde Bremen für Straßenverbreiterung enteignet. Der Beschwerdeführer beantragte im Verfahren nach den §§ 157 ff. des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) -- im folgenden: BBauG --, den Enteignungsbeschluß aufzuheben; der zugrundeliegende Bebauungsplan sei nichtig, weil die für ihn in § 2 Abs. 6 BBauG zwingend vorgeschriebene Auslegungsfrist nicht eingehalten, sondern um einen Tag unterschritten worden sei. Das Landgericht Bremen -- Kammer für Baulandsachen -- wies diesen Antrag durch Urteil vom 7. November 1969 als unbegründet zurück, weil der Beginn der strittigen Auslegungsfrist nicht -- wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf in anderer Sache ergangene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 1968 sowie des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 11. Juli 1969 meine -- nach § 187 Abs. 1 BGB, sondern vielmehr gemäß § 187 Abs. 2 BGB zu bestimmen und deshalb die Dauer der Auslegung richtig berechnet worden sei. Durch Urteil vom 20. Mai 1970 hat das Oberlandesgericht Bremen -- Senat für Bau ![]() ![]() | |
2. Der Beschwerdeführer hat außerdem beim Oberverwaltungsgericht Bremen im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO in Verbindung mit Art. 7 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung in Bremen vom 15. März 1960 (GBl. S. 25) -- im folgenden: AGVwGO Bremen -- beantragt, den Bebauungsplan Nr. 623 der Stadt Bremen für ungültig zu erklären. Er hat dazu ebenfalls ausgeführt, die Auslegungsfrist des § 2 Abs. 6 BBauG sei nicht eingehalten worden. Außerdem verstoße der Bebauungsplan hinsichtlich der Verlegung einer Straßenbahnlinie gegen § 1 Abs. 4 BBauG, weil eine dieser Vorschrift entsprechende Abwägung der öffentlichen mit den privaten Belangen nicht stattgefunden habe. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat den Antrag des Beschwerdeführers durch Beschluß vom 2. Juli 1970 (II S 11/69) zurückgewiesen. Es hat sich wegen des zugunsten der Verfassungsgerichte bestehenden Vorbehalts nicht für befugt angesehen, Ortsrecht im Verfahren nach § 47 VwGO am Maßstab des Bundesrechts zu überprüfen.
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3. Gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 2. Juli 1970 hat der Beschwerdeführer am 27. Juli 1970 Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung eingelegt, in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1, 14 und 103 Abs. 1 GG verletzt worden zu sein.
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Der Beschwerdeführer weist zunächst auf die vom Bad.-Württ. ![]() ![]() ![]() ![]() | |
4. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen, dem die Verfassungsbeschwerde gemäß § 94 BVerfGG zugestellt worden ist, hat -- ebenso wie der zur Äußerung aufgeforderte Senator für das Bauwesen -- von einer Stellungnahme zum Verfahren abgesehen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zulässig.
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1. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat den Normenkontrollantrag des Beschwerdeführers allein aus formellen Gründen als unzulässig zurückgewiesen, weil es sich zu einer materiellen Prüfung der unter Berufung auf Bundesrecht gegen den Bebauungsplan erhobenen Sachrügen nicht für zuständig erachtet hat. Der angefochtene Beschluß hat somit über die Rechtmäßigkeit des vom Beschwerdeführer beanstandeten Bebauungsplanes keine Entscheidung getroffen. Insoweit kann der Beschwerdeführer durch den Beschluß nicht in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 GG verletzt sein.
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2. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt worden ist, die gerichtliche Überprüfung der ihn beeinträchtigenden Maßnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das Bundesverfassungs ![]() ![]() | |
3. Aus dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, der nicht nur aus § 90 Abs. 2 BVerfGG zu entnehmen, sondern vom Bundesverfassungsgericht -- auch im Zusammenhang mit der Anfechtung von Gesetzen -- ständig hervorgehoben worden ist (vgl.u.a. BVerfGE 22, 287 [290]; 15, 126 [131]), folgt zwingend, daß die behauptete Grundrechtswidrigkeit, die immer eine effektive Beeinträchtigung voraussetzt, im jeweils mit dieser Beeinträchtigung unmittelbar zusammenhängenden sachnächsten Verfahren geltend gemacht werden muß. Abzustellen ist somit auch im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG auf die mögliche Rechtsbeeinträchtigung und die zu ihrer Beseitigung jeweils gegebenen Rechtsbehelfe der verschiedenen Verfahrensordnungen.
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4. Ein Bebauungsplan soll nach § 1 Abs. 1 und 2 BBauG im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke verbindlich "leiten". Bereits aus diesem Gesetzeswortlaut folgt, daß zur Durchsetzung derartiger Pläne weitere hoheitliche Einzelmaßnahmen notwendig sind. Der Bebauungsplan selbst gestaltet für sich allein noch keine Rechte um, kann also auch nicht unmittelbar in bestehende Rechtsposi ![]() ![]() | |
Soweit der Bebauungsplan selbst in bezug auf den wirtschaftlichen Wert der Grundstücke Nachteile für den Bürger zur Folge haben kann, handelt es sich lediglich um latent vorhandene mittelbare Auswirkungen, die sich erst im Augenblick der Verwertung des Grundstücks durch den jeweiligen Eigentümer -- sei es durch ein Bauvorhaben, sei es durch Verkauf -- aktualisieren. Erst im Rahmen der hierzu notwendigen Rechtshandlungen kann sich eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung einstellen, die wiederum in dem dann gegebenen Verfahren gerichtlich voll nachprüfbar ist. Gegen die Verletzung wirtschaftlicher Interessen allein eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG im übrigen keinen Rechtsweg (BVerfG, Beschluß vom 27. April 1971 -- 2 BvR 708/65 -). Darüber hinaus kann der einzelne Bürger, der schon vor dem Erlaß ihn betreffender Vollzugsakte oder vor der beabsichtigten Verwertung seines Grundstücks künftige Rechtsbeeinträchtigungen durch den Bebauungsplan für sich befürchtet, vorab eine Klärung durch eine Bauvoranfrage herbeiführen. Diese hätte wiederum einen klagefähigen und ggf. in drei Gerichtsinstanzen voll nachprüfbaren Verwaltungsakt einschließlich dessen Rechtsgrundlage zur Folge.
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5. Mit Rücksicht auf diese primär gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Auswirkungen eines Bebauungsplanes ist das ![]() ![]() | |
6. Die Entscheidung verstößt auch nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift garantiert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder eine bestimmte Verfahrensart (BVerfGE 6, 19 [20]) noch ein Rechtsgespräch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.
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Schließlich liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht schon deshalb vor, weil das Oberverwaltungsgericht in einem früheren Verfahren nach § 47 VwGO einen anderen Bebauungsplan der Stadt Bremen materiell geprüft und für unwirksam erklärt hat. Hierin kann eine willkürlich verschiedene und deshalb verfassungsrechtlich zu beanstandende Sachbehandlung durch das Gericht nicht gesehen werden.
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III.
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Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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