1. Der Ausschluß der Beschwerde einer Behörde durch § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, mit der die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage wiederhergestellt worden ist, verstößt auch dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn der Verwaltungsakt der anordnenden Behörde zugunsten einer anderen Behörde derselben Körperschaft ergangen ist.
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Beschluß | |
des Ersten Senats vom 19. Juni 1973
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-- 1 BvL 39/69 -- | |
in den Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 80 Abs. 6 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17), Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse a) des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. Oktober 1969 (II W 17/69) - 1 BvL 39/69 -, b) des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. März 1972 (Nr. 198 I 71) - 1 BvL 14/72 -.
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Entscheidungsformel:
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§ 80 Absatz 6 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (Bundesgesetzbl. I S. 17) ist nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Gründe: | |
A. | |
Gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, steht den Verfahrensbeteiligten nach § 146 Abs. 1 VwGO die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine abweichende Regelung enthält § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO. Über ihre Gültigkeit ist zu entscheiden.
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I.
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Verwaltungsakte werden regelmäßig mit ihrer Bekanntgabe an den Adressaten wirksam. Von diesem Zeitpunkt an dürfen sie auch vollzogen werden. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben jedoch Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende -- das heißt die Vollziehung verbietende -- Wirkung. Dieser Suspensiveffekt entfällt aber nach § 80 Abs. 2 VwGO unter anderem dann, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. Der Betroffene kann jedoch beim Gericht der Hauptsache beantragen, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherzustellen. Wird sein Antrag abgelehnt, so hat er hiergegen die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO an das Oberverwaltungsgericht oder den Verwaltungsgerichtshof. Entspricht das Gericht dagegen dem Antrag, so ist der Beschluß nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO unanfechtbar; die Beschwerde ist somit für die anordnende Behörde ausgeschlossen.
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Die gesetzlichen Bestimmungen lauten:
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§ 80 VwGO
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten.
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(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. ... -- 3. ... 4. In den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. | |
(3) ... -- (4) ...
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(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen ...
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(6) Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 können jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Soweit durch sie den Anträgen entsprochen ist, sind sie unanfechtbar.
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(7) ...
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II.
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1. Im Ausgangsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft des Saarlandes in Durchführung eines wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens zugunsten des saarländischen Ministers des Innern -- Oberste Landesbaubehörde -- die Entziehung von Grundstücken mehrerer Eigentümer angeordnet und die Oberste Landesbaubehörde vorläufig in den Besitz der betroffenen Grundstücke eingewiesen. Gleichzeitig hat er die sofortige Vollziehung des Einweisungsbeschlusses verfügt. Mehrere Betroffene haben diesen Beschluß beim Verwaltungsgericht angefochten und zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht entsprochen. Hiergegen hat die Oberste Landesbaubehörde Beschwerde eingelegt.
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Während des Beschwerdeverfahrens hat der Wirtschaftsminister den angefochtenen Besitzeinweisungsbeschluß aufgehoben, worauf die Oberste Landesbaubehörde das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Die von der Besitzeinweisung betroffenen Antragsteller sind demgegenüber der Ansicht, das in der Beschwerdeinstanz schwebende Verfahren habe sich nicht erledigen können, weil die Beschwerde nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO unzulässig sei.
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Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Bestimmung rechtsgültig ist. Es hat dargelegt, daß es auf die Gültigkeit der beanstandeten Vorschrift für die von ihm zu treffende Entscheidung ankomme.
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§ 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO sei verfassungswidrig. Er verletze den Grundsatz der Gleichheit vor dem Richter, der ein ungeschriebener Bestandteil der Vorschriften des Grundgesetzes für die rechtsprechende Gewalt sei, sowie den Art. 3 Abs. 1 GG. Der Ausschluß der Beschwerde gegen Beschlüsse, durch die einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels entsprochen worden sei, führe im Regelfall zu einer einseitigen Rechtsmittelbeschränkung allein der öffentlichen Gewalt. Bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung sei die Ungleichbehandlung der Streitbeteiligten deshalb besonders augenfällig, weil auch die privaten Beteiligten bezüglich des Beschwerderechts verschieden behandelt würden. Nicht anders sei es zu beurteilen, wenn der begünstigte Dritte selbst wieder ein Organ der öffentlichen Gewalt sei.
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2. Der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurde die Genehmigung zum Bau von Garagen erteilt. Hiergegen haben zwei Nachbarn Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Auf Antrag der beigeladenen Bauherrin ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung des Baubescheides an. Dem Antrag der Kläger, die aufschiebende Wirkung der Klagen wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht teilweise -- für zwei Garagenreihen -- entsprochen. Hiergegen hat die Beigeladene Beschwerde eingelegt. Der I. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat darüber zu befinden, ob das Rechtsmittel im Hinblick auf § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO statthaft ist.
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Auch nach seiner Auffassung ist die Vorschrift verfassungswidrig; er hat daher ebenfalls das Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen.
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Das vorlegende Gericht hat geprüft, ob die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts in eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO umgedeutet werden könne, hält das aber für unmöglich. Es sieht sich auch durch den Wortlaut des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO daran gehindert, dem Bauherrn ein Beschwerderecht nach § 146 VwGO zuzubilligen. Unter diesen Umständen verstoße diese Vorschrift -- wie das Gericht unter Anlehnung an den Vorlagebeschluß des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ausführt -- gegen die Verfassung. Insbesondere könne der Ausschluß des Beschwerderechts nicht damit gerechtfertigt werden, daß dem Bauherrn -- ebenso wie der Behörde -- zuzumuten sei, die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffene vorläufige Regelung hinzunehmen. Falls sich nämlich die Klagen der beiden Nachbarn in vollem Umfang als offensichtlich unbegründet erweisen sollten, sei nicht einzusehen, warum die Bauherrin unter Umständen auf Jahre hinaus gezwungen sein sollte, den restlichen Teil ihres Bauvorhabens hintanzustellen und alle damit verbundenen Nachteile hinzunehmen, nur weil ihr einseitig die Befugnis genommen sei, eine möglicherweise fehlerhafte gerichtliche Entscheidung im Instanzenzug überprüfen zu lassen.
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III.
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1. Der Bundesminister der Justiz, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Rechtsauffassung der vorlegenden Gerichte für unbegründet. § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO sei verfassungsmäßig, zumindest aber einer verfassungskonformen Auslegung fähig. Vieles spreche dafür, die verschiedene Regelung des Beschwerderechts bereits aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu rechtfertigen, da ein mehrfacher Wechsel in der Vollzugsrechtslage verhindert werden müsse. Nach der Gesetzessystematik stelle die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage die Normallage dar; ihre Durchbrechung in den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO trage demgegenüber Ausnahmecharakter, weil der Vollzug eines noch im Streit befindlichen Verwaltungsakts der endgültigen Entscheidung vorgreife. Außerhalb des gerichtlichen Verfahrens habe allein die Behörde, nicht aber der Bürger die Möglichkeit, die rechtlichen Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung zu beeinflussen. Dieser Vorsprung der Verwaltung werde dadurch ausgeglichen, daß der Bürger gegebenenfalls über zwei Instanzen die Chance erhalte, daß die Normallage der aufschiebenden Wirkung wiederhergestellt werde. Der Grundsatz der Waffengleichheit erfordere nicht, der Behörde alsdann abermals die Möglichkeit zu geben, erneut eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen.
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Ähnliche Gesichtspunkte ließen sich für den Ausschluß der Beschwerde desjenigen anführen, der durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts mit Doppelwirkung begünstigt, mithin durch die gerichtliche Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO belastet werde. Der Begünstigte sei nämlich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung Nutznießer des Abweichens von der in § 80 Abs. 1 VwGO bezeichneten Normallage, indem er die Vorteile der Vollziehung eines Verwaltungsakts in Anspruch nehme, dessen Rechtmäßigkeit noch nicht feststehe.
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Auf jeden Fall aber lasse sich § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO verfassungskonform dahin auslegen, daß das Rechtsmittel zwar für die Behörde, nicht aber für den durch einen Verwaltungsakt Berechtigten ausgeschlossen sein solle. Es erscheine naheliegend, die Bestimmungen über das Aussetzungsverfahren im Zweifel nur auf die normalerweise an einem solchen Verfahren Beteiligten, nämlich auf den die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erstrebenden Bürger und die Behörde zu beziehen.
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2. Nach den Äußerungen des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und der Präsidenten der obersten Verwaltungsgerichte der Länder halten die Senate dieser Gerichte überwiegend § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO -- jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung -- für mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Die Vorlagen sind zulässig.
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I.
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1. Beide Gerichte haben in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 2 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt, aus welchen Gründen sie die beanstandete Vorschrift für verfassungswidrig halten und weshalb es für die von ihnen zu treffende Entscheidung auf ihre Gültigkeit ankommt.
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2. Die in den Vorlagebeschlüssen dargestellte Problematik entfiele allerdings dann, wenn man die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung zugrunde legt, die Adressaten eines Verwaltungsakts könnten vorläufigen Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, nicht aber nach § 80 VwGO erhalten, da in diesem Fall alle am Verfahren Beteiligten Rechtsmittel einlegen könnten. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, zu dieser Frage des einfachen Rechts Stellung zu nehmen. Da die Rechtsansicht der vorlegenden Gerichte jedenfalls vertretbar ist, muß das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Auffassung der vorlegenden Gerichte zugrunde legen.
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II.
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1. Die Besonderheit des Ausgangsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes besteht darin, daß zwei Behörden desselben Landes am Ausgangsverfahren beteiligt sind: Der Wirtschaftsminister hat die Oberste Landesbaubehörde vorläufig in den Besitz der Grundstücke der Kläger eingewiesen und durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung diese Behörde ermächtigt, die Besitzeinweisung gegenüber den Grundeigentümern zu realisieren. Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht hat aber nicht die anordnende Behörde, sondern die zum Vollzug ermächtigte Oberste Landesbaubehörde eingelegt. Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO das Beschwerderecht nicht nur für die nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO tätig gewordene Behörde, sondern auch für die "begünstigte" Behörde ausschließt.
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Das Oberverwaltungsgericht hat § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO in seiner ganzen Reichweite zur Prüfung gestellt. Im Hinblick auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens bedarf es hier aber nur der Entscheidung, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, daß der "begünstigten" Behörde in Fällen der vorliegenden Art kein Beschwerderecht nach § 146 Abs. 1 VwGO zusteht.
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2. Eine andere Situation besteht in dem Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Hier wenden sich die Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die ihrer Nachbarin -- der Beigeladenen -- erteilte Baugenehmigung. Auf Antrag der Kläger hat das Gericht der ersten Instanz die von der Behörde angeordnete Vollziehung der Baugenehmigung teilweise aufgehoben. Hiergegen hat die Bauherrin Beschwerde eingelegt, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof zu befinden hat.
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Es geht in diesem Verfahren nicht nur um einen anderen Sachverhalt, sondern auch um eine andere rechtliche Konstellation als im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes: Die Baugenehmigung eröffnet der Beigeladenen die Möglichkeit, ihr Bauvorhaben durchzuführen. Dieser "begünstigende" Verwaltungsakt wird von den Nachbarn -- den Klägern des Ausgangsverfahren -- als Belastung und Beeinträchtigung ihrer Rechte empfunden. Es handelt sich somit um den typischen Fall des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung. Sieht man von der prozessualen Konstruktion ab, so liegt dem Rechtsstreit eigentlich nur eine Auseinandersetzung zwischen Nachbarn zugrunde.
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Demgemäß lautet in diesem Verfahren die verfassungsrechtliche Frage, ob es mit der Verfassung in Einklang steht, daß die Kläger, welche die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung angefochten haben, im Verfahren nach § 80 Abs. 5 und 6 VwGO die Beschwerdemöglichkeit besitzen, der Bauherrin dagegen dieses Rechtsmittel verschlossen ist.
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In der Sache kann der Auffassung der vorlegenden Gerichte nicht beigetreten werden.
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I.
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Grundgesetz keine Mehrstufigkeit der gerichtlichen Verfahren garantiert (BVerfGE 28, 21 [36]). Dieser Gesichtspunkt scheidet daher von vornherein bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der beanstandeten Vorschrift aus.
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II.
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1. Das Gleichheitsgebot der Verfassung, auf das das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes seine Vorlage stützt, ist nicht verletzt. Allerdings gilt das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG, auf welches das Oberverwaltungsgericht hinweist, nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen (BVerfGE 21, 362 [372]; 26, 228 [244]). Das bedeutet jedoch nicht, daß damit das Gleichheitsgebot der Verfassung schlechthin als Prüfungsmaßstab ausschiede. Der allgemeine Gleichheitssatz, der in Art. 3 Abs. 1 GG als Grundrecht des Einzelnen garantiert ist, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als selbstverständlicher ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in allen Rechtsbereichen (BVerfGE 34, 139 [146] mit weiteren Nachweisen). Das hieraus sich ergebende Willkürverbot -- ein Prinzip der rechtsstaatlichen Ordnung -- ist demgemäß auch dann zu beachten, wenn eine Behörde an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Von diesem Grundsatz ist somit, da andere Normen als Prüfungsmaßstab ausscheiden, bei den verfassungsgerichtlichen Erwägungen auszugehen.
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Der Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, vergleichbare Sachverhalte grundsätzlich mit der gleichen Rechtsfolge auszustatten; er ist jedoch weitgehend frei, die Merkmale der Vergleichspaare zu bestimmen, die für Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung maßgeblich sein sollen (BVerfGE 23, 229 [240]). Aber auch bei vergleichbaren Tatbeständen verbietet der allgemeine Gleichheitssatz nicht jegliche Differenzierung; er ist erst dann verletzt, wenn für die gesetzliche Unterscheidung keine sachlich einleuchtenden Gründe vorliegen, die Regelung also willkürlich ist (BVerfGE 27, 1 [9 f.]; ständige Rechtsprechung). Von einem solchen Sachverhalt kann aber keine Rede sein: Der Ausschluß der Beschwerde für die Behörden beruht nicht auf unsachlichen Erwägungen im Sinne dieser Rechtsprechung.
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2. Für die Beurteilung der Frage, ob vergleichbare Tatbestände im Sinne des Gleichheitsgebots vorliegen, kann von Bedeutung sein, daß auf der einen Seite ein von einem Verwaltungsakt betroffener Bürger, auf der anderen Seite eine Behörde steht. Die beanstandete Vorschrift muß aber vor allem im Gesamtsystem der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage (Suspensiveffekt) und der Funktion des Nebenverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gesehen werden.
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a) Die aufschiebende Wirkung der Klage ist ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses. Er wird verfahrensmäßig durch die Regelung des § 80 Abs. 5 und 6 VwGO ergänzt. Der Sinn dieses besonderen Verfahrens besteht darin, einen effektiven Gerichtsschutz gegenüber Maßnahmen der Exekutive zu sichern und durchzusetzen. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist deshalb die Regel; sie entfällt nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 80 Abs. 2 VwGO "nur" unter den dort bezeichneten Voraussetzungen. Demgegenüber bildet die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts die Ausnahme (BVerwGE 18, 72 [79]; vgl. auch BVerwGE 16, 289 [292]); sie bedarf jeweils einer besonderen Regelung.
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Das Recht, die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts anzuordnen, ist ausschließlich der Behörde eingeräumt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dem sachlichen Inhalt nach ermächtigt diese Vorschrift die Exekutive, den gesetzlichen Suspensiveffekt für ein konkretes Verfahren aufzuheben. Eine solche Entscheidung vor dem rechtskräftigen Abschluß eines gerichtlichen Verfahrens bedeutet aber regelmäßig, daß auch die besondere Schutzfunktion, die der aufschiebenden Wirkung der Klage zukommt, aufgehoben wird. Die Behörde ist in der Lage, vollendete Tatsachen zu schaffen, ehe über die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsakts entschieden ist. Der Betroffene wird somit, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung anordnet, in doppelter Weise in eine abwehrende Position gedrängt. Er muß, um wirksamen Rechtsschutz zu erlangen, nicht nur den von ihm bekämpften Verwaltungsakt vor Gericht angreifen, sondern zusätzlich um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen.
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Der Rechtsbehelf des § 80 Abs. 5 VwGO dient nach allem ausschließlich dem Schutz des Bürgers, nicht dagegen der Durchsetzung der Belange der Behörde, der zur vorrangigen Entscheidung die Befugnis nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zusteht. Das Rechtsmittelverfahren soll den von einem Verwaltungsakt Betroffenen davor bewahren, daß durch die Verwaltung oder durch ihre Mitwirkung nicht mehr reparable Zustände geschaffen werden, ehe das Gericht über die Hauptsache entschieden hat. Im Hinblick auf die regelmäßig weittragende Bedeutung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und die besondere Schutzfunktion des Antragsrechts nach § 80 Abs. 5 VwGO erscheint es selbstverständlich, daß dem Bürger das übliche Rechtsmittel -- das heißt hier: die Beschwerde nach § 146 VwGO -- zusteht, wenn er sich beim Gericht der ersten Instanz mit seiner Auffassung nicht durchgesetzt hat.
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b) Die eigentliche Bedeutung des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zeigt sich aber erst, wenn man den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzauftrag in die Überlegungen einbezieht.
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Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Bedeutung der grundgesetzlichen Gewährleistung liegt vornehmlich darin, die "Selbstherrlichkeit" der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger zu beseitigen (BVerfGE 10, 264 [267]). Ihr kommt nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, vollständig -- das heißt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (BVerfGE 18, 203 [212]) -- der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen.
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Hieraus ergibt sich die verfassungsrechtliche Bedeutung des Suspensiveffekts. Ohne die aufschiebende Wirkung der Klage würde der Verwaltungsgerichtsschutz im Hinblick auf die notwendige Dauer der Verfahren häufig hinfällig, weil bei sofortiger Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen würden. Der Zweck der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, eine Nachprüfung des Verwaltungsakts durch unabhängige Gerichte sicherzustellen, wäre damit weitgehend illusorisch und der Betroffene im Ergebnis eines wirksamen Rechtsschutzes beraubt.
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Demgegenüber kann nicht die Erwägung durchgreifen, der Bürger müsse die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinnehmen, da sie ja nur im öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulässig sei, und er könne, wenn der Verwaltungsakt rechtskräftig aufgehoben werde, schadlos gestellt werden. Abgesehen von der Zweifelhaftigkeit solcher Ersatzforderungen, widerspricht diese Auffassung dem Gehalt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.
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Hiernach ergibt sich folgendes: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist selbst eine hoheitliche Maßnahme, die in den Rechtskreis des Bürgers eingreift; sie muß daher -- soweit sie ihn belastet -- nach Art. 19 Abs. 4 GG der gerichtlichen Prüfung unterliegen. Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist demgemäß eine adäquate Ausprägung des grundgesetzlich garantierten Rechtsschutzes. Nach dem Inhalt des verfassungsrechtlichen Gebots muß der Bürger die Möglichkeit haben, eine Entscheidung des Richters über die Frage herbeizuführen, ob die Behörde rechtmäßig handelt, wenn sie den sofortigen Vollzug eines ihn belastenden Verwaltungsakts mit allen sich hieraus ergebenden Folgen anordnet, obwohl dieser weder formell unanfechtbar noch über seine materielle Rechtmäßigkeit durch ein Gericht entschieden worden ist.
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c) In dieser rechtlichen Situation kann der Ausschluß der Beschwerde für die Behörde nicht als eine willkürliche Regelung angesehen werden. Auf der Seite des Bürgers geht es um die Sicherung und Durchsetzung der grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsposition aus Art. 19 Abs. 4 GG, der eine entsprechende Rechtsstellung auf der Seite der Exekutive nicht gegenübersteht.
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Den von den Behörden zu wahrenden öffentlichen Belangen und überwiegenden Interessen der Beteiligten (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), denen im Rahmen des verfassungsrechtlich garantierten Rechtswegs nach Art. 19 Abs. 4 GG sicherlich ebenfalls Rechnung zu tragen ist, wird in ausreichendem Maße dadurch genügt, daß die Behörden vorrangig über die sofortige Vollziehung entscheiden und jederzeit das Recht haben, eine Änderung der gerichtlichen Entscheidung zu beantragen (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Anerkennt das Gericht nicht die Gründe, die Anlaß zur sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeben haben, so wird jedenfalls für die Dauer des Verfahrens vor der ersten Instanz eine Ruhelage geschaffen, die dem Sinn des Suspensiveffekts entspricht. Wenn der Gesetzgeber hierbei dem vorläufigen Rechtsschutz des Bürgers mehr Gewicht beimißt als der formalen "Gleichheit" von Verwaltung und Bürger im Prozeß, so kann darin keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gesehen werden.
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3. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der beanstandeten Vorschrift ist es ohne Belang, daß das Beschwerderecht nicht nur für die anordnende Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, sondern auch für die hierdurch "begünstigte" Behörde ausgeschlossen ist. In dem dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren ist -- in einer für das Enteignungsrecht typischen Weise -- die Verantwortung zwischen zwei Behörden aufgespalten, wie oben bereits dargelegt worden ist. Der anordnenden Behörde obliegt die Aufgabe, die vorläufige Besitzeinweisung rechtlich herbeizuführen, der "begünstigten" Behörde, die Besitzentziehung und Besitzübertragung tatsächlich zu realisieren. Dagegen liegt hier nicht der Fall des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung in dem Sinn vor, daß ein und dieselbe hoheitliche Maßnahme den einen Bürger begünstigt, den anderen dagegen belastet. Die Tätigkeit der anordnenden wie auch der "begünstigten" Behörde ist darauf gerichtet, in die Rechtsstellung derselben Bürger einzugreifen. Materiell-rechtlich hat es der Bürger mit dem Staat als einheitlichem Hoheitsträger zu tun. Daher müssen die oben dargelegten Erwägungen, die den Ausschluß des Beschwerderechts für die anordnende Behörde rechtfertigen, in gleichem Maße für die "begünstigte" Behörde gelten. In keinem Fall kann die Regelung als willkürlich bezeichnet werden.
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III.
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1. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verfahren ist als Prüfungsmaßstab das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht zu ziehen. Kläger und Beigeladene können hieraus einen Anspruch auf gleiche Behandlung im Verfahren geltend machen. Das Recht der Bauherrin, ihr Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen, ist durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Die Nachbarn wiederum können sich aus demselben Grundrecht gegen unrechtmäßige Einwirkungen auf ihre Grundstücke wehren. Beide -- Kläger und Beigeladene -- haben aus diesem Grundrecht und aus Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch auf einen effektiven -- den Bestand ihres Eigentums sichernden -- Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 24, 367 [401]).
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2. Ob die beanstandete Vorschrift bei dem hier maßgeblichen Sachverhalt überhaupt Anwendung findet, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten. Das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung wird aber von der Auffassung bestimmt, die man zugrunde legt. Das Bundesverfassungsgericht muß daher -- ohne Bindung an die Rechtsansicht der vorlegenden Gerichte -- von sich aus die Rechtslage nach einfachem Recht prüfen; denn nur auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung kann es beurteilen, ob die Vorschrift in dem hier maßgeblichen Anwendungsbereich mit dem Grundgesetz in Einklang steht oder nicht (BVerfGE 30, 129 [139 f.]).
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Die eine Auffassung, der die vorlegenden Gerichte folgen, versteht § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO dahin, daß die Beschwerde gegen Beschlüsse, durch die Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben worden ist, schlechthin ausgeschlossen sein solle. Sie beruft sich vor allem auf den Wortlaut der Vorschrift, der eine andere Deutung nicht zulasse. Diese Auslegung müßte -- wenn sie die allein mögliche wäre -- zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen, da es keinen überzeugenden Grund dafür gibt, den Nachbarn besserzustellen als den Bauherrn und dem Eigentumsschutz des einen größere Bedeutung als dem des anderen beizumessen. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend.
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Nach anderer -- überwiegend vertretener -- Auffassung soll § 80 VwGO in bezug auf Verwaltungsakte mit Doppelwirkung eine Regelungslücke enthalten. Absatz 6 Satz 2 dieser Vorschrift schließe das Beschwerderecht des durch eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 betroffenen Bürgers weder ausdrücklich noch sinngemäß aus. § 80 VwGO gehöre nach seinem Inhalt und seiner Stellung im achten Abschnitt der Verwaltungsgerichtsordnung zu den besonderen Vorschriften über die Anfechtungsklage, die der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen dem von einem Verwaltungsakt betroffenen Staatsbürger einerseits und der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde andererseits diene. Gerade deshalb wird auch die Ansicht vertreten, § 80 VwGO sei für den vorläufigen Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung nicht zugeschnitten. Bei der baurechtlichen Nachbarklage etwa führe die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ebenso wie die Unanfechtbarkeit ihrer Wiederherstellung zu einer unvertretbaren Belastung des Begünstigten. Bauherr und Nachbar stünden sich aber gleichberechtigt gegenüber und es gelte nicht, einen Ausgleich zwischen Individualinteresse und öffentlichem Interesse zu finden, vielmehr solle eine vorläufige Regelung zweier sich im Gebiet des öffentlichen Rechts bewegender Einzelinteressen getroffen werden. Das könne nur zu dem Schluß führen, daß die Rechtsmittelbeschränkung des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO allein für Behörden gelte. Angesichts der rechtsmittelfreundlichen Regelung des § 146 Abs. 1 VwGO sei die Vorschrift des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO als Ausnahmeregelung eng auszulegen.
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Diese Auslegung verdient unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten den Vorzug. Die vorlegenden Gerichte sehen sich an einer solchen -- auch von ihnen als verfassungskonform angesehenen Auffassung -- nur deshalb gehindert, weil einer solchen restriktiven Interpretation der Gesetzeswortlaut entgegenstehe. Alle Auslegungsmethoden führten zum Ergebnis, daß der Wille des Gesetzgebers im Wortlaut zutreffend zum Ausdruck komme.
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Den vorlegenden Gerichten ist zuzugeben, daß der Wortlaut des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO den Schluß nahelegt, Beschwerden gegen die den Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Beschlüsse seien schlechthin unstatthaft. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter aber nicht haltzumachen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zu wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der Richter den Inhalt einer Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein (BVerfGE 8, 210 [221]; 22, 28 [37]). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter der verschiedenen, insbesondere der systematischen und der teleologischen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Sie stehen zur grammatischen Auslegung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung. Dabei kann gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz, ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften den Sinn und Zweck der Norm, ihre wahre Bedeutung, freilegen.
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Entscheidendes Gewicht für die hiernach vorzunehmende Ausdeutung der zur Prüfung gestellten Norm gewinnt der Umstand, daß Verwaltungsakte mit Doppelwirkung in den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung keine besondere Regelung erfahren haben und es deshalb der Rechtsprechung überlassen bleiben mußte, diese zwar häufigen, aber nach der Systematik atypischen Hoheitsakte nach Möglichkeit in das zur Verfügung stehende Rechtsschutzsystem einzugliedern. Das spricht für die Ansicht, daß der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von ihm in § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO gewählten Gesetzesfassung bedacht hat. Gemessen an der ratio der Norm und ihrem systematischen Standort im Rechtsmittelsystem bedarf der Wortlaut einer einschränkenden Deutung in der Richtung, daß für den durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung belasteten Bürger die Beschwerdemöglichkeit nicht ausgeschlossen sein soll. Eine solche Interpretation entspricht dem in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck gekommenen Verfassungsprinzip der Gleichheit. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber auch dann keine einschränkende Formulierung gewählt haben würde, wenn er das Problem erkannt hätte. Demgemäß handelt es sich bei einer solchen Interpretation des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nicht um eine Auslegung contra legem, durch die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein geradezu entgegengesetzter, das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlender oder verfälschender Sinn gegeben würde und daher auch nicht um einen verfassungsrechtlich unhaltbaren Eingriff in die Kompetenz des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 8, 28 [33 f.] und 210 [220 f.]).
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Sind aber zwei verschiedene Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 [221]). Von ihr muß daher ausgegangen werden. § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO ist sonach bei verfassungskonformer Auslegung auch in bezug auf Verwaltungsakte mit Doppelwirkung mit dem Grundgesetz vereinbar.
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