1. Im Hinblick auf die gesetzlichen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld, die regelmäßig im Fall ihrer Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld beziehen, gegenüber der Bundesanstalt beitragspflichtig sind.
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2. Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß das Arbeitslosengeld für den Zeitraum ruht, für den es mit Versorgungsbezügen aus dem Soldatenversorgungsgesetz zusammentrifft (im Anschlußan BVerfGE 31, 185).
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des Ersten Senats vom 11. März 1980
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– 1 BvL 20/76 und 1 BvR 826/76 – | |
in den Verfahren 1. wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 168 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgestzes – Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24. Juni 1976 (S 17 Kr 15/76) – 1 BvL 20/76 –; 2. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn W... – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. E. Funke-Kaiser und Rudolf Gerken, Kaiser-Wilhelm-Ring 1416, Köln 1 – a) unmittelbar gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. August 1976 – 7 RAr 113/75 –, b) mittelbar gegen § 118 Nr. 4 AFG – 1 BvR 826/76 –.
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Entscheidungsformel: | |
1. § 168 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 582) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit auch Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung sowie von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld beitragspflichtig sind, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Gegenstand der zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß Personen, die im Falle der Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld erhalten, gleichwohl verpflichtet sind, Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit zu leisten.
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I.
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Nach § 167 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582), das im Zeitpunkt der Ausgangsverfahren in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965) gegolten hat, erhebt die Bundesanstalt für Arbeit (im folgenden: Bundesanstalt) zur Aufbringung der Mittel für die Durchführung ihrer Aufgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Beiträge.
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(1)... (2) Der Bundesanstalt obliegen 1. die Berufsberatung, 2. die Arbeitsvermittlung, 3. die Förderung der beruflichen Bildung, soweit sie ihr in diesem Gesetz übertragen ist, 4. die Gewährung von berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation, soweit sie ihr in diesem Gesetz übertragen ist, 5. die Gewährung von Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, 6. die Gewährung von Arbeitslosengeld, 7. die Gewährung von Konkursausfallgeld. Die Bundesanstalt hat Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu betreiben. (3) [aufgehoben] (4)-(5) ... | |
§ 168 AFG umschreibt den beitragspflichtigen Personenkreis und bestimmt in Abs. 1 Satz 1:
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Beitragspflichtig sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach § 169 ... beitragsfrei sind.
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Im übrigen werden in dieser Bestimmung weitere Personenkreise, die diesem Arbeitnehmerbegriff nicht entsprechen, den genannten Beitragspflichtigen gleichgestellt.
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§ 169 AFG nennt Personengruppen von Arbeitnehmern, die der Beitragspflicht nicht unterworfen sind, nach Nr. 1 der Vorschrift vor allem Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Im übrigen lautet die Vorschrift:
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Beitragsfrei sind 1. ... 2. Arbeitnehmer, die das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet haben. Die Beitragsfreiheit beginnt mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet; 3. Arbeitnehmer während der Zeit, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist; 4. Arbeitnehmer, die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen (§ 103 Abs. 1); 5.-9. ... | |
In den §§ 100 ff. AFG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen Arbeitslose, die in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden haben, Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld haben.
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Die §§ 117, 118 AFG regeln Fälle, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. § 118 AFG bestimmt:
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Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden Leistungen zuerkannt ist: 1.-3. ... 4. Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten, Knappschaftsruhegeld oder Knappschaftsausgleichsleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art für eine Zeit vor Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres des Arbeitslosen. | |
Nach Art. 2 § 7 des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes vom 25. Juli 1978 – 21. Rentenanpassungsgesetz – (BGBl. I. S. 1089) ist § 118 AFG, der zwischenzeitlich durch ein anderes Änderungsgesetz in zwei Absätze gegliedert worden war, wobei § 118 Nr. 4 in der für dieses Verfahren maßgeblichen Fassung zu Abs. 1 Nr. 4 AFG wurde, in Abs. 1 Satz 3 um folgende Regelung ergänzt worden:
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Im Falle des Satzes 1 Nummer 4 ruht der Anspruch nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung, wenn die Leistung auch während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wird.
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1. Normenkontrollverfahren 1 BvL 20/76
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Der im Jahr 1913 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens bezog von Juni 1968 bis Mai 1973 Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98a des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) und anschließend Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG. Während des Bezugs dieser Leistungen war er außerhalb eines knappschaftlichen Betriebes versicherungspflichtig beschäftigt und wurde deshalb von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (Beklagte des Ausgangsverfahrens) zu Beiträgen zur Bundesanstalt herangezogen.
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Im Juli 1973 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesanstalt lehnte diesen Antrag ab mit der Begründung, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe, weil der Kläger Knappschaftsruhegeld beziehe. Daraufhin beantragte der Kläger Erstattung der Beiträge, die er während seiner Tätigkeit in der Zeit von 1969 bis 1973 an die Bundesanstalt entrichtet hatte.
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Die Beklagte lehnte die begehrte Erstattung der Beiträge ab. Der Kläger sei während seiner Beschäftigung in der Zeit von 1969 bis 1973 nach dem Arbeitsförderungsgesetz beitragspflichtig gewesen. Obschon er als Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung oder Knappschaftsruhegeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erwerben könne, sehe das Gesetz eine Befreiung von der Beitragspflicht nicht vor.
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Vor dem Sozialgericht verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er trug vor, seine Beitragspflicht verstoße gegen Verfassungsrecht. Während das Arbeitsförderungsgesetz bei seinen Regelungen im allgemeinen davon ausgehe, daß Personen, die aufgrund ihrer sozialen Lage aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben könnten, der Beitragspflicht nicht unterlägen, gelte dieser Grundsatz für Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld nicht. Dies sei mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Sozialstaatsgedanken nicht vereinbar.
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ob die Beitragspflicht der Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung (§ 98a RKG) sowie des Knappschaftsruhegeldes nach § 48 Absatz 1 Nummer 2 RKG bei Ausübung einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen oder angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit mit Rücksicht auf § 118 Absatz 1 Nummer 4 AFG den Artikeln 3 und 20 des Grundgesetzes widerspreche, zumal Arbeitnehmer, die das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet hätten, nach § 169 Nummer 2 AFG schlechthin beitragsfrei seien.
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Das Gericht hält die Klage nach geltendem Recht für unbegründet. Indessen sei die Klage begründet, wenn die Beitragspflicht der genannten Personen gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen den in Art. 20 GG zum Ausdruck gekommenen Gedanken des sozialen Rechtsstaats verstoße. Dies sei der Fall.
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Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Arbeitsförderungsgesetz bei der Regelung der Beitragspflicht grundsätzlich von der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen ausgehe und deshalb Personen, die beim Eintritt von Arbeitslosigkeit aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben könnten, von der Beitragspflicht befreie, die genannten Rentenempfänger aber ohne sachlichen Grund von einer Befreiung ausgenommen habe.
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Aus den Regelungen des § 169 AFG lasse sich erkennen, daß das Arbeitsförderungsgesetz bei der Regelung der Beitragsfreiheit allein darauf abstelle, ob das Arbeitslosengeld als wichtigste Leistung im Fall der Arbeitslosigkeit gezahlt werde oder nicht. Daß andere Leistungen der Bundesanstalt, wie etwa das Kurzarbeitergeld, erbracht werden könnten, sei bei der Wertung der hier auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Regelung nicht zu berücksichtigen.
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Wenn Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung und Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG – abweichend von dem § 169 AFG zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip – beitragspflichtig seien, obwohl bei ihnen die Rente bei Aufnahme einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen oder angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht wegfalle und der Anspruch auf Arbeitslosengeld – zu Recht – ruhe, so sei dies im Hinblick auf die Regelung des § 169 AFG mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Die Beitragspflicht dürfe nicht als Sonderlast für Knappschaftsversicherte im Hinblick auf ihre sonstigen zahlreichen Vergünstigungen verstanden werden. Das Gesetz gebe für eine solche Rechtfertigung der Beitragspflicht keinen Anhalt. Es müsse davon ausgegangen werden, daß die vorgelegte Regelung auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhe.
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Nach dem Vorlagebeschluß ist der Kläger des Ausgangsverfahrens verstorben. Seine Witwe hat als seine Erbin den Rechtsstreit aufgenommen.
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2. Verfassungsbeschwerde 1 BvR 826/76
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Der im Jahr 1919 geborene Beschwerdeführer war Berufssoldat der Bundeswehr. Er wurde nach Vollendung des 52. Lebensjahres wegen Überschreitens der für ihn maßgebenden Altersgrenze mit Ablauf des Monats März 1971 unter Gewährung von Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt. Von April 1971 bis Juni 1973 war er als kaufmännischer Angestellter tätig und entrichtete in dieser Zeit Beiträge zur Bundesanstalt. Im Februar 1974 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Arbeitsamt die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesanstalt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Leistungsanspruch ruhe im Hinblick auf die Gewährung von Ruhegehalt.
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Klage und Sprungrevision hatten keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht vertrat die Auffassung, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe nach § 118 Nr. 4 AFG, da der Beschwerdeführer während des hier maßgebenden Zeitraums Ruhegehalt nach den §§ 14 ff. des Soldatenversorgungsgesetzes bezogen habe. Diese Leistung sei zwar in § 118 Nr. 4 AFG nicht ausdrücklich erwähnt worden, gehöre jedoch zu den in dieser Vorschrift genannten "ähnlichen Bezügen öffentlich-rechtlicher Art". Maßgebend für diese Ruhensregelung sei, daß der Gesetzgeber bei den Empfängern der in dieser Vorschrift genannten Leistungen im Regelfall von ihrer versicherungsmäßigen Versorgung ausgehe. Das Ruhegehalt des Beschwerdeführers diene der Sicherstellung seines Lebensunterhalts, auch wenn der Ruhestand im Hinblick auf die Besonderheiten des Dienstverhältnisses der Berufssoldaten bereits in einem Alter eintrete, in dem der Ruhegehaltsempfänger regelmäßig noch arbeitswillig und erwerbsfähig sei. Der Gesetzgeber habe dafür gesorgt, daß ein Soldat nach regelmäßigem dienstlichem Werdegang bereits bei frühestmöglicher Versetzung in den Ruhestand mit 52 Jahren 75 v.H. seines letzten Gehalts als Ruhegehalt erreiche. Dieses Ruhegehalt biete eine ausreichende Lebensgrundlage auch für den Fall, daß der Soldat keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe.
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Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Er macht geltend, er werde gegenüber anderen Arbeitnehmern, die Beiträge zur Bundesanstalt entrichteten und deshalb im Fall der Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten, ungleich behandelt, weil er Beiträge habe entrichten müssen, ohne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben zu können. Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt, denn der Anspruch auf Arbeitslosengeld beruhe nicht ausschließlich auf staatlicher Gewährung, sondern vor allem auf eigenen Leistungen. Der Gesichtspunkt einer Vermeidung von Doppelleistungen dürfe deshalb nicht zum Ruhen dieses Anspruchs führen.
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III.
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1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der namens der Bundesregierung Stellung genommen hat, hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß und die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Es sei Aufgabe des Arbeitsförderungsgesetzes, eine aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik zu ermöglichen und damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ein hoher Beschäftigungsgrad erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert werde. Dieser umfassenden Zielsetzung des Arbeitsförderungsgesetzes entspreche die Konzeption der Regelung über die Beitragspflicht und -freiheit, nach der Arbeitnehmer grundsätzlich auch dann Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit leisten müssen, wenn sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben könnten. Beitragsfrei seien grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer, deren Tätigkeit sich außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarkts vollziehe oder deren Bindung an den Arbeitsmarkt aufgrund ihres Leistungsvermögens oder des Umfangs ihrer Beschäftigung nur gering sei. Die Beiträge dienten nicht allein der Finanzierung des Arbeitslosengeldes und anderer beitragsabhängiger Leistungen, sondern aller Aufgaben der Bundesanstalt. Sie kämen dem sozialen Ausgleich unter allen zugute, die an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts ein unmittelbares Interesse hätten. Es könne daher im Hinblick auf die umfassende Aufgabenstellung der Bundesanstalt unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Begründung von Beitragspflichten nicht darauf ankommen, in welchem Umfang der Einzelne Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz erwerben könne. Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld könnten ebenso wie Bezieher von Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz, wenn sie während des Bezugs dieser Leistungen eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten, verschiedene Leistungen der Bundesanstalt in Anspruch nehmen. Sie hätten aufgrund ihrer Tätigkeit auch ein unmittelbares Interesse an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts. Die Regelungen über die Beitragspflicht und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verletzten auch nicht Art. 14 GG. Die Beitragspflicht sei nicht mit übermäßigen finanziellen Belastungen verbunden. Die Ruhensregelungen sollten die Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen ausschließen. Zudem führten sie auch nicht dazu, daß Beitragspflichtige von allen Leistungen der Bundesanstalt ausgeschlossen seien.
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2. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Stellungnahme zu der Vorlage zum Ausdruck gebracht, daß die vorgelegte Regelung zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß gebe. Es erscheine zweifelhaft, ob die von § 48 Abs. 1 Nr. 2 und § 98a RKG erfaßten Personengruppen, sofern sie einer entgeltlichen Beschäftigung im Sinne des § 168 AFG nachgingen, aufgrund ihrer damit regelmäßig verbundenen Beitragspflicht gegenüber der Bundesanstalt überhaupt einen Vorteil in der Form beitragsbedingter Leistungen haben könnten. Die Auffassung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12. November 1975, SozR 2200 § 173 Nr. 1), die Beitragspflicht sei bereits dann gerechtfertigt, wenn die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt sowie die Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung in Anspruch genommen werden könnten, überzeuge nicht. Die Beratungs- und Vermittlungsdienste könne auch in Anspruch nehmen, wer nicht beitragspflichtig sei oder gewesen sei. Dies gelte insbesondere auch für die Inanspruchnahme von Leistungen der beruflichen Fortbildung.
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Näherliegend erscheine deshalb die Rechtfertigung der Beitragspflicht der in § 48 Abs. 1 Nr. 2 und § 98a RKG erfaßten Personengruppen aus dem Prinzip der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Der Senat könne sich jedoch auch dieser Begründung nicht uneingeschränkt anschließen. Ein allgemeines sozialversicherungsrechtliches Prinzip der Solidarität aller abhängig Beschäftigten gebe es nicht. Zwar habe das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung wiederholt auf dieses Prinzip zurückgegriffen, es jedoch stets aus konkreten gesetzlichen Wertungen hergeleitet. Danach könne auch im vorliegenden Zusammenhang das Prinzip der Solidarität aller abhängig Beschäftigten nur dann von Bedeutung sein, wenn sich nachweisen ließe, daß der Gesetzgeber seine Verwirklichung gerade auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung angestrebt habe. Ein solcher Nachweis lasse sich jedoch nicht führen.
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3. Die Bundesknappschaft hat sich in ihrer Stellungnahme insbesondere mit der Funktion der Knappschaftsausgleichsleistung und des Knappschaftsruhegeldes auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, daß im November 1977 4,3% der Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und 1,6% der Bezieher von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld außerhalb eines bergmännischen Betriebs erwerbstätig gewesen seien.
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4. Die Bundesanstalt hat zur Vorlage mitgeteilt, daß sich auch aufgrund der nach dem Vorlagebeschluß in Kraft getretenen Ergänzung des § 118 Abs. 1 AFG um einen Satz 3 durch das 21. Rentenanpassungsgesetz bei einer rückwirkenden Anwendung dieser Vorschrift kein auszuzahlender Betrag an Arbeitslosengeld ergeben würde.
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IV.
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Der Richter Heußner war im vorliegenden Fall von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen, weil er durch die von ihm unterzeichnete Stellungnahme des Bundessozialgerichts, die das Bundesverfassungsgericht nach § 82 Abs. 4 BVerfGG eingeholt hat, in derselben Sache bereits von Amts wegen tätig war (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG).
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Die beanstandete Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Das Arbeitsförderungsgesetz von 1969 brachte gegenüber dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 (RGBl. I. S. 187) und den insbesondere durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I S. 1018) eingeführten Neuregelungen einen grundlegenden Wandel im bisherigen Verständnis der Aufgabenstellung der Arbeitsverwaltung. Er war im wesentlichen durch einen Übergang zu einer Arbeitsmarktpolitik bestimmt, die Arbeitslosigkeit im Interesse des Arbeitnehmers wie auch der Volkswirtschaft nach Möglichkeit verhindern sollte (vgl. Stingl, Arbeitsmarkt und Sozialordnung, VSSR 1979, S. 67 [68]). Diese Zielsetzung war durch die Erfahrung der Rezession von 1966/67 und die dabei gewonnene Erkenntnis mitbestimmt, daß weder das Risiko der Massenarbeitslosigkeit für die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit noch der durch Arbeitslosigkeit für den einzelnen Arbeitnehmer eingetretene Schaden durch eine Versicherung abzudecken seien (vgl. Hoppe, Der Präventions-Gedanke im Arbeitsförderungsgesetz, ZfS 1977, S. 381 [388]; Hennig/Kühl/Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Einführung, S. XIX/XX). In der Begründung des Regierungsentwurfs des Arbeitsförderungsgesetzes wird die neu formulierte Aufgabenstellung dahin umschrieben, daß die Wandlungen in der Wirtschaft, technischer Fortschritt und Automation in erheblich stärkerem Maße als bisher wirkungsvolle Maßnahmen zur Verhütung der Arbeitslosigkeit erforderten. Der Arbeitnehmer müsse für den veränderten Ablauf des Arbeitslebens besser gesichert werden. Dies sei vor allem durch eine Stärkung seiner beruflichen Mobilität zu erreichen. Daher seien insbesondere Umschulung, berufliche Aufstiegs- und Leistungsförderung sowie Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitslosigkeit von besonderer Bedeutung (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Arbeitsförderungsgesetzes, A. Allgemeiner Teil, III. Ziele des Arbeitsförderungsgesetzes, 1. Übersicht, BTDrucks. V/2291, S. 53 f.).
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Entsprechend dieser gewandelten Auffassung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ist das Arbeitsförderungsgesetz gekennzeichnet durch eine Wendung von bloßer Absicherung bei Arbeitslosigkeit zu rechtzeitigen vorbeugenden Maßnahmen gegen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, von Ausgleichs- und Vermittlungsbemühungen im Einzelfall zu einer umfassenden vorausschauenden Politik der Berufs- und Arbeitsplatzwahl. An die Stelle des reinen Versicherungsdenkens trat ferner die Absicht, die Rücklagen der Bundesanstalt auch zu einem produktiven Einsatz der Mittel zur Schaffung und Umstrukturierung von Arbeitsplätzen zu nutzen (vgl. Hoppe, a.a.O., S. 389; schriftliche Erklärung des Bundesarbeitsministers Katzer, Deutscher Bundestag, 5. Wp., 234. Sitzung, StenBer. S. 12902). Dieser Grundkonzeption entsprechend formulieren die §§ 1 bis 3 AFG die Ziele des Arbeitsförderungsgesetzes und die Aufgaben der Bundesanstalt.
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Die für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Frage, wie der Kreis der Beitragspflichtigen abzugrenzen sei, war im Gesetzgebungsverfahren, aber auch in der Folgezeit, umstritten. Entsprechend seiner umfassenden und vor allem auf dem Gedanken der Generalprävention aufgebauten Zielsetzung ging der Regierungsentwurf (a.a.O. unter A III 8) davon aus, daß zur Beitragszahlung alle Personen verpflichtet werden müßten, die an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts ein unmittelbares Interesse hätten, und daß die Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Arbeitsentgelts und die Arbeitgeber je einen eigenen, gleich hohen Beitrag zu zahlen hätten. Diese Konzeption blieb allerdings im Gesetzgebungsverfahren nicht unwidersprochen. Im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit wurden Bedenken dagegen erhoben, daß auch die im zweiten Abschnitt des Entwurfs geregelten arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Aufgaben aus Beitragsmitteln, nicht aber aus Mitteln der Allgemeinheit finanziert würden. Indes blieb es trotz solcher Bedenken bei dem Grundsatz, daß alle Aufgaben der Bundesanstalt durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu finanzieren seien (§ 167 AFG). Die Bundesregierung wurde gemäß § 239 AFG verpflichtet, bis Ende 1972 zu berichten, wie hoch die Ausgaben für die Durchführung der im zweiten Abschnitt genannten Aufgaben seien und welche anderen Möglichkeiten einer Finanzierung bestünden (vgl. 5. Wp., zu Drucks. V/4110). Dieser Bericht (BRDrucks. 263/73) hat den Gesetzgeber nicht zu einer Änderung der vorgelegten Regelung veranlaßt (a.a.O., S. 53; vgl. auch S. 67, 68).
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II.
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1. Die Einbeziehung der Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld in den Kreis der Beitragspflichtigen verletzt nicht Art. 2 Abs. 1 GG.
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Im sozial- und gesellschaftspolitischen Bereich hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsraum. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung ist ihm insbesondere in der Frage, ob er überhaupt eine Pflichtversicherung begründen will oder eine ihr nahekommende Regelung trifft, weitgehend Gestaltungsfreiheit zuzubilligen (vgl. BVerfGE 10, 354 [370 f.]; 29, 221 [235]; 44, 70 [89]; 48, 227 [234]).
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Es ist dem Gesetzgeber daher grundsätzlich nicht verwehrt, in Abwägung von Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit zum Schutz gegen soziale Risiken Formen der sozialen Sicherung zu wählen, die von herkömmlichen Modellen abweichen. Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist nicht primär durch das Verhalten und das Schicksal des Einzelnen, sondern vor allem durch seine Abhängigkeit von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, von strukturellen und konjunkturellen Veränderungen sowie von saisonalen Einflüssen geprägt. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit dem Arbeitsförderungsgesetz eine Form der sozialen Sicherung gewählt, die nicht ausschließlich an einem auf Schadensvergütung ausgerichteten Versicherungsprinzip orientiert ist, sondern auf einer umfassenden Präventivkonzeption beruht. Dies kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.
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Hinsichtlich des Interesses der Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld hat das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt, daß diese Personengruppen kaum jemals in den Genuß des Arbeitslosengeldes kommen, sofern sie während des Bezugs dieser Leistungen außerhalb eines bergmännischen Betriebs abhängig beschäftigt und damit beitragspflichtig waren. Sie können allerdings die Beratungs-, Vermittlungs- und bestimmte Berufsförderungsleistungen der Bundesanstalt in Anspruch nehmen. Auch kommen ihnen Maßnahmen zugute, die die Bundesanstalt im Rahmen genereller Prävention auf der Grundlage von Arbeitsmarktbeobachtung und Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergreift. Indes kann nicht übersehen werden, daß solche Leistungen für die meisten Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung oder vorgezogenem Knappschaftsruhegeld praktisch von geringer Bedeutung sind. Die genannten Renten, die ein relativ hohes Niveau haben, werden erst in fortgeschrittenem Lebensalter gewährt. Die durch diese Renten Begünstigten werden häufig nicht nur in ihrem bergmännischen Beruf, sondern ganz allgemein erheblich leistungsgemindert sein, so daß – wie auch aus der Stellungnahme der Bundesknappschaft hervorgeht – der Kreis derer, die sich auf dem Arbeitsmarkt beruflich neu orientieren wollen oder können, nicht sehr groß ist.
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Dem steht jedoch das besonders bedeutsame Interesse der Allgemeinheit an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts und damit an einer möglichst leistungsfähigen Arbeitsverwaltung gegenüber. Weil weder das Risiko der Massenarbeitslosigkeit für die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit noch der durch Arbeitslosigkeit für den einzelnen Arbeitnehmer entstandene Schaden durch eine Versicherung nach dem Vorbild herkömmlicher Modelle abzudecken ist, lag es im Allgemeininteresse, mit der Bundesanstalt eine Institution der sozialen Sicherung zu schaffen, die sich nicht nur auf die bloße finanzielle Absicherung des Einzelnen bei Arbeitslosigkeit beschränkt, sondern vor allem auf vorbeugende Maßnahmen zur Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts ausgerichtet ist. Diesem Ziel, das der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit als vorrangig ansehen durfte, dient auch eine umfassende Ausdehnung des Kreises der Beitragspflichtigen auf Personengruppen mit geringerem Schutzbedürfnis, zumal die Beitragssätze verhältnismäßig niedrig sind.
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a) Sowohl das vorlegende Gericht als auch der 12. Senat des Bundessozialgerichts leiten verfassungsrechtliche Bedenken vor allem daraus her, daß Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld unter Verletzung des Äquivalenzprinzips vom Bezug des Arbeitslosengeldes in aller Regel ausgenommen und daher schlechtergestellt seien als Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Beiträge Anspruch auf diese Leistung hätten.
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Diese Bedenken sind unbegründet. Unter B. I. ist ausgeführt, daß das Arbeitslosengeld nicht als die allein wesentliche Leistung des Arbeitsförderungsgesetzes angesehen werden kann. Angesichts der umfassenden Aufgabenstellung der Bundesanstalt verliert die Unterscheidung beitragsabhängiger und beitragsunabhängiger Leistungen ihre zentrale Bedeutung. Bereits in seinem Beschluß vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 115 [124]) hat das Bundesverfassungsgericht zur Bemessung des Arbeitslosengeldes entschieden, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme von Verfassungs wegen nicht gehalten ist, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen. Maßgebend dafür war die Erwägung, daß die Gesamtleistung an Arbeitslosengeld im Einzelfall typischerweise nicht in einer Beziehung zur jeweiligen Beitragsleistung steht (a.a.O. [125]). Ob es auch gerechtfertigt sei, das Arbeitslosengeld deshalb nicht in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen, weil die Bundesanstalt mit dem Beitragsaufkommen auch andere Aufgaben als die Gewährung von Arbeitslosengeld finanziere, wurde offengelassen. Diese Frage ist nunmehr dahin zu entscheiden, daß die Beitragspflicht zur Bundesanstalt wegen der Besonderheiten des Systems der Arbeitsförderung nicht allein dann gerechtfertigt ist, wenn sie mit äquivalenten beitragsabhängigen Gegenleistungen der Bundesanstalt verbunden ist. Die durch die Besonderheiten des Risikos der Arbeitslosigkeit geprägte gemeinsame Interessenlage aller abhängig Beschäftigten, die in ihrer Beitragspflicht zum Ausdruck kommt, berechtigt dazu, Arbeitnehmer auch dann der Beitragspflicht zu unterwerfen, wenn ihnen einzelne (beitragsabhängige) Leistungen, wie das Arbeitslosengeld, etwa deshalb nicht zugute kommen können, weil andernfalls eine Überversorgung einträte. Diese Gemeinsamkeit der Interessen kommt am sinnfälligsten darin zum Ausdruck, daß mit den nach § 168 AFG von allen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu erhebenden Beiträgen eben nicht nur beitragsabhängige, sondern auch beitragsunabhängige Leistungen, insbesondere die generalpräventiven Aufgaben der Bundesanstalt, zu finanzieren sind.
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b) Die zur Prüfung gestellte Regelung ist auch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld, anders als die in § 169 AFG genannten Personengruppen, nicht beitragsfrei sind.
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Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12 [26]; 23, 242 [252]). Der Gesetzgeber muß allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen. Es kommt darauf an, ob die Unterschiede der zu regelnden Sachverhalte für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise so erheblich sind, daß ihre Außerachtlassung als willkürlich empfunden werden muß (BVerfGE 17, 319 [330] und st. Rspr.). Nach diesem Grundsatz kann die unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld gegenüber den in § 169 AFG genannten Personengruppen nicht als willkürlich angesehen werden.
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Das Sozialgericht hat insbesondere aus der Regelung des § 169 Nrn. 2 bis 9 AFG den allgemeinen Grundsatz hergeleitet, daß alle Personen beitragsfrei sein sollten, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben können. Indes ist dies nicht der Gesichtspunkt, der die Regelung des § 169 AFG tragt. Auszugehen ist vielmehr – wie unter B. I. dargelegt worden ist – davon, daß nach § 168 Abs. 1 AFG grundsätzlich alle Personen beitragspflichtig sein sollten, die an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts ein unmittelbares Interesse haben; dementsprechend sind nach § 169 AFG diejenigen Personengruppen beitragsfrei, bei denen ein unmittelbares Interesse in diesem Sinn typischerweise nicht feststellbar ist. Das ist bei Arbeitnehmern, die das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, ebenso der Fall wie bei den anderen in § 169 Nrn. 3 bis 9 AFG genannten Personengruppen. Insbesondere ist dieser Gesichtspunkt auch für die Regelung des § 169 Nr. 1 AFG, die das Sozialgericht nicht zum Vergleich herangezogen hat, tragend gewesen, nach der Personengruppen wie Beamte und Soldaten, deren Tätigkeit sich außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarkts vollzieht oder bei denen nur eine geringe Beziehung zu dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht, ebenfalls nicht der Beitragspflicht unterworfen wurden.
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Wenn der Gesetzgeber Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld nicht in die Beitragsfreiheit nach § 169 AFG einbezogen hat, so lassen sich dafür sachliche Gründe finden. Der Gesetzgeber durfte bei den Beziehern dieser Rentenleistungen davon ausgehen, daß sie aufgrund ihres noch vorhandenen Leistungsvermögens (vgl. dazu BSGE 28, 233 ff.) nicht in dem gleichen Umfang wie die in § 169 AFG genannten Personengruppen an beruflichen Veränderungen desinteressiert sind (vgl. Deutscher Bundestag, 4. Wp., 70. Sitzung, StenBer. S. 3240 ff.; BSG, SozR 4100 § 100 Nr. 1, S. 4 und § 118 Nr. 2, S. 11). Ob die Einbeziehung der Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistung und vorgezogenem Knappschaftsruhegeld sozialpolitisch zweckmäßig war, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden (vgl. BVerfGE 3, 288 [337] und st. Rspr.).
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3. Die zur Prüfung gestellte Regelung verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Da Gegenstand der Vorlage allein die Regelung des § 168 Abs. 1 AFG über die Beitragspflicht zur Bundesanstalt ist, besteht keine Veranlassung, auf die Frage einzugehen, inwieweit Ansprüche auf Arbeitslosengeld dem Schutz der Eigentumsgarantie unterliegen. Dafür, daß die Beitragspflicht diese Garantie verletzt, ist nichts ersichtlich.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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1. Die Regelung des § 118 Nr. 4 AFG in der Auslegung durch das Bundessozialgericht verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bereits in anderem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß Regelungen, die eine Doppelversorgung von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfGE 31, 185 [193 f.]). Das Bundessozialgericht hat in seiner angegriffenen Entscheidung deshalb zu Recht hervorgehoben, daß gerade die Nichtanwendung des § 118 Nr. 4 AFG auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art und die damit eintretende Doppelversorgung eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Ruhegehaltsempfänger gegenüber den sonst von § 118 Nr. 4 AFG erfaßten Personengruppen darstellen würde.
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2. Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, daß Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus den gesetzlichen Rentenversicherungen dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen (Urteil vom 28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77 u. a. –, EuGRZ 1980, S. 118 [127 f.]). Ob dies auch für den Anspruch auf Arbeitslosengeld gilt, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn man das annähme, wäre § 118 Nr. 4 AFG als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Anordnung des Ruhens von Arbeitslosengeld bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen der in § 118 Nr. 4 AFG bezeichneten Art soll Doppelleistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern.
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