2. An die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn eine Regelung mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen betroffen ist.
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Beschluß | |
des Ersten Senats vom 11. Dezember 1990
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-- 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 -- | |
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I. des Herrn H .. -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Christoph Hollenders und Dr. Werner Niedzwicki, Mühlenfeld 24, Werne -- 1 BvR 1170/90 -; II. 1. des Herrn W .., 2. des Herrn M .., 3. des Herrn K .., 4. des Herrn G .., 5. des Herrn W .., 6. des Herrn I .., 7. des Herrn F .., 8. des Herrn W .., 9. des Herrn H .., 10. der Frau W .., 11. des Herrn M .., 12. des Herrn B .. -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Professor Dr. Rüdiger Zuck, Dr. Michael Quaas und Dr. Thomas Bohle, Robert-Koch-Straße 2, Stuttgart 80 -- 1 BvR 1174/90; III. des Herrn W .. -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Christoph Hollenders und Dr. Werner Niedzwicki, Mühlenfeld 24, Werne -- 1 BvR 1175/90 -- gegen das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands -- Einigungsvertragsgesetz -- und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl. II S. 885), soweit darin den Regelungen des Vertrages über die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) zugestimmt worden ist, hier: Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
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ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
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Die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
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Gründe: | |
A. | |
I.
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1. a) Im Zuge der Verhandlungen über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gaben die Regierungen beider deutscher Staaten am 15. Juni 1990 eine Gemeinsame Erklärung ab, in der es unter anderem heißt:
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...Die beiden deutschen Regierungen sind sich über folgende Eckwerte einig:
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1. Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.
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2. bis 14. ...
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Im Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 -- Einigungsvertrag (im folgenden: EV) -- (BGBl. II S. 889) ist die Gemeinsame Erklärung als Anlage III zum Bestandteil des Vertrages gemacht worden (Art. 41 Abs. 1 EV). Gleichzeitig ist durch Art. 4 Nr. 5 EV ein neuer Artikel 143 in das Grundgesetz eingefügt worden, dessen Absatz 3 lautet:
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Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Einigungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses Vertrags genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden.
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Hinsichtlich der Enteignungen von Grundstücken und Betrieben, die nicht unter die genannten Regelungen fallen, sieht der Einigungsvertrag grundsätzlich eine Rückgabe der enteigneten Objekte nach Maßgabe näherer Regelungen vor (Art. 41 EV in Verbindung mit Anlage II B Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt I Nr. 4 und 5 sowie Anlage III Nr. 3 ff. des Vertrags).
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Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Einigungsvertrag in Art. 1 des -- unter Einhaltung von Art. 79 Abs. 2 GG beschlossenen -- Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 885) zugestimmt.
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b) Im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier alliierten Siegermächten abgeschlossenen Vertrages vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (BGBl. II S. 1318 ff.) haben die Außenminister der beiden deutschen Staaten in einem Gemeinsamen Brief an die Außenminister der Vier Mächte (abgedruckt im Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung vom 14. September 1990, S. 1156 f.) bestätigt, daß in den Verhandlungen über diesen Vertrag die Regelung in Nummer 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 und Art. 41 EV dargelegt worden ist.
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2. Nach den Erläuterungen der Bundesregierung zum Einigungsvertrag fallen unter die angegriffene Regelung im wesentlichen entschädigungslose Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen sowjetisch besetzten Zone oder im Rahmen sowjetischer Reparationsmaßnahmen sowie entschädigungslose Enteignungen im Bereich der Landwirtschaft im Rahmen der sogenannten demokratischen Bodenreform (BTDrucks. 11/7831, S. 3).
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Die Bodenreform beruhte auf Vorschriften, welche die von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzten Landes- und Provinzialverwaltungen im September 1945 mit im wesentlichen gleichem Inhalt erlassen hatten (vgl. die Zusammenstellung der Vorschriften in: Gesamtdeutsches Institut [Hg.], Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, 1971, S. 101 ff.). Danach wurde der Grundbesitz der Kriegsverbrecher und der "aktiven Verfechter der Nazipartei", darüber hinaus aber auch der gesamte private Großgrundbesitz von mehr als 100 Hektar Größe, entschädigungslos enteignet und über einen Bodenfonds zum Teil an Kleinbauern verteilt, zum Teil im Eigentum der öffentlichen Hand belassen.
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Die übrigen unter die Regelung fallenden Enteignungen wurden im wesentlichen aufgrund des Befehls Nr. 124 der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 eingeleitet, der die Sequestrierung des Vermögens der NSDAP sowie ihrer führenden Anhänger und "hervortretenden" Mitglieder vorsah. Die beschlagnahmten Objekte wurden zum Teil von der Sowjetunion als Reparationsleistungen in Anspruch genommen. Im übrigen wurde das sequestrierte Vermögen den deutschen Verwaltungsstellen übergeben und anschließend aufgrund von Vorschriften der deutschen Landes- und Provinzialverwaltungen entschädigungslos enteignet. Die Enteignungen wurden später durch den Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 bestätigt (vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Vorschriften in: Gesamtdeutsches Institut, a.a.O., S. 50 ff.).
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3. Nach Art. 25 EV gilt das in der Deutschen Demokratischen Republik am 17. Juni 1990 erlassene Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens -- Treuhandgesetz -- (GBl. I Nr. 33 S. 300) mit näher bestimmten Maßgaben fort. Die Treuhandanstalt ist danach beauftragt, gemäß den Bestimmungen des genannten Gesetzes die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren.
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II.
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1. Die Beschwerdeführer tragen vor, daß sie selbst oder ihre Rechtsvorgänger als Grundstückseigentümer oder Betriebsinhaber von Enteignungen, die unter die angegriffene Regelung fallen, betroffen worden seien. Mit ihren Verfassungsbeschwerden machen sie im wesentlichen geltend, daß der Gesetzgeber in Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes durch die Zustimmung zur Festschreibung der Enteignungen ihre Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt habe.
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Die Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 1170/90 und 1 BvR 1175/90 beantragen, die Anwendung von Art. 4 Nr. 5 in Verbindung mit Art. 3 und Art. 41 sowie Anlage III Nr. 1 des Einigungsvertrages einstweilen zu untersagen, soweit darin vorgesehen ist, daß Enteignungen der in Frage stehenden Art nicht mehr rückgängig zu machen sind.
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Die Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 1174/90 beantragen, die Anwendung von Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes insoweit auszusetzen, als folgenden Regelungen zugestimmt worden ist:
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- Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 EV, soweit dort die Treuhandanstalt auch künftig damit beauftragt ist, die früheren volkseigenen Betriebe zu privatisieren;
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- Artikel 25 Abs. 1 EV, soweit dort die Fortgeltung des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl. I Nr. 33 S. 300) vereinbart worden ist und dieses Gesetz in § 1 Satz 1 vorschreibt, das volkseigene Vermögen zu privatisieren;
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- Artikel 45 EV in Verbindung mit Anlage II zum EV, Kapitel VI Sachgebiet B Abschnitt II, 1, soweit dort vereinbart worden ist, daß das Gesetz über die Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an Genossenschaften, Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger vom 22. Juli 1990 (GBl. I Nr. 49 S. 899) in Kraft bleibt und dieses Gesetz in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 6 Treuhandgesetz die Treuhandanstalt ermächtigt, volkseigene land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen, die sich im Besitz von Genossenschaften oder Einzelpersonen befinden, zu verkaufen, zu verpachten oder anderweitig zu verwerten (§ 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 2).
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Sie tragen vor:
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Ergehe die einstweilige Anordnung nicht, erwiesen sich die Verfassungsbeschwerden jedoch später als begründet, so würde in schwerwiegender Weise in ihre Grundrechte eingegriffen. Dieser Eingriff lasse sich nicht rückgängig machen. Da die Treuhandanstalt die Aufgabe habe, die Privatisierung der volkseigenen Betriebe durchzuführen, sei mit einer Veräußerung des Eigentums der Beschwerdeführer jederzeit zu rechnen. Jeder Investor könnte sich unter Hinweis auf den Einigungsvertrag darauf berufen, daß er das von der Treuhandanstalt übertragene Vermögen in redlicher Weise erworben habe. Habe die Treuhandanstalt erst einmal die ihr zugeordneten Objekte veräußert, langfristig verpachtet oder sonst verwertet, so entstehe eine unangreifbare Rechtsposition der Begünstigten. Danach drohten dem gemeinen Wohl schwere Nachteile. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß grundlegende Verfassungsprinzipien verletzt seien und der Eigentumsverlust keine volle Entschädigung, sondern allenfalls eine (mindere) Ausgleichsleistung zur Folge habe.
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Die im Falle der Verfassungsmäßigkeit des Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes entstehenden Nachteile bei der Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen hätten demgegenüber geringeres Gewicht. Angesichts von 7.894 volkseigenen Betrieben, die von der Treuhandanstalt zur Verwertung und Veräußerung an private Investoren zur Verfügung gestellt werden könnten, bestehe keine zwingende Notwendigkeit, auf die Betriebe und Unternehmen zurückzugreifen, die aufgrund von Enteignungen in den Jahren 1945 bis 1949 in volkseigene Betriebe umgewandelt worden seien. Im übrigen sei die Treuhandanstalt ohnehin noch nicht voll arbeitsfähig.
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3. Die Bundesregierung ist den Anträgen entgegengetreten.
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a) Sie macht geltend, die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, weil es sich bei den in Frage stehenden Enteignungen um abgeschlossene Akte der Besatzungsmacht oder deutscher Stellen im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone handele, die nicht der deutschen Gewalt im Sinne des Grundgesetzes zugerechnet werden könnten. Jedenfalls seien die Verfassungsbeschwerden offensichtlich unbegründet. Daß die Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 nicht mehr rückgängig gemacht werden sollten, sei von Anfang an eine feste Grundbedingung der Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion im Prozeß der Wiedervereinigung Deutschlands gewesen. Die Bundesregierung habe dies hinnehmen müssen, um den Erfolg eines in die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen eingebetteten komplizierten Vertragssystems nicht zu gefährden.
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b) Auch die Folgenabwägung verbiete den Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
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Würde der Treuhandanstalt die Möglichkeit genommen werden, das in ihrer Verfügungsbefugnis liegende Vermögen in private Hand zu überführen, so ergäben sich schwere, nicht wieder gut zu machende Schäden für den Prozeß des Wiederaufbaus in dem Gebiet der früheren DDR. Die Treuhandanstalt halte direkt oder indirekt die Gesellschafterrechte an etwa 8.000 ehemals volkseigenen Unternehmen. Zur Zeit würden konkrete Verkaufsverhandlungen über etwa 170 Unternehmen mit einem Verkaufsvolumen von 1,5 Milliarden DM geführt. Bis Ende 1990 könne mit einer Veräußerung von 280 Unternehmen mit 200.000 Beschäftigten gerechnet werden. Im Jahre 1991 könnten etwa 500 Unternehmen verkauft werden. Ein vorläufiges Veräußerungsverbot hätte zur Folge, daß eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen gefährdet würde, weil die Kaufinteressenten sich voraussichtlich anders orientieren würden.
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Der Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung würde darüber hinaus die Gefahr schwerster außenpolitischer Schäden herbeiführen. Er würde die Ratifikation des Deutschlandvertrages vom 12. September 1990 in der Sowjetunion gefährden und damit die gewonnene deutsche Einheit und Souveränität in Frage stellen. Die in Rede stehende Regelung über die Unantastbarkeit der Enteignungen sei von den Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik als unverzichtbarer Bestandteil eines umfassenderen Vertragssystems verstanden worden. Sie habe insbesondere auch bei dem Vertrag vom 12. September 1990 eine entscheidende Rolle gespielt. Die Sowjetunion habe nachdrücklich auf einer Regelung bestanden, nach der die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen in der Besatzungszeit nicht einer neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte unterzogen würden. Um dieser Forderung zu genügen, hätten die Außenminister der beiden deutschen Staaten in ihrem Gemeinsamen Brief an die Außenminister der Vier Mächte bekräftigt, daß die einschlägige Regelung Bestandteil des Einigungsvertrages sei. Diese Aussage sei damit Element des Zwei-plus-Vier-Vertragswerkes geworden. Ohne die von den Antragstellern beanstandete Regelung hätte das Verfassungsgebot der Wiederherstellung der deutschen Einheit unter den gegebenen Bedingungen nicht erfüllt werden können. Würde der Vollzug dieser Regelung nunmehr ausgesetzt, so entstünden Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland fähig und überhaupt willens sei, ihre im Einigungsvertrag übernommenen vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und zu ihren Erklärungen gegenüber den Vier Mächten zu stehen. Damit würde die Grundlage des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik und die Vertrauensbasis der Einigung mit den Vier Mächten über die Herstellung der deutschen Einheit einschließlich der Beendigung ihrer Rechte in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes berührt.
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Hingegen seien die Folgen, die sich ergeben würden, wenn den Anträgen nicht stattgegeben würde, die Verfassungsbeschwerdeführer aber in der Hauptsache zu einem späteren Zeitpunkt obsiegen würden, gering zu veranschlagen. In diesem Fall würde ein Rechtsverlust hinsichtlich der Vermögensgegenstände eintreten, die zwischenzeitlich von der Treuhandanstalt rechtsgültig veräußert worden seien. Ob auch die Antragsteller von einem solchen Rechtsverlust betroffen wären, lasse sich kaum abschätzen. Die Wahrscheinlichkeit sei nach den bisherigen Terminplanungen des Bundesverfassungsgerichts äußerst gering.
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1. Die Anträge eines Teils der Beschwerdeführer sind -- jedenfalls derzeit -- unzulässig, weil diese Beschwerdeführer nicht ausreichend belegt haben, daß sie durch die angegriffene Regelung betroffen sind.
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Dem Vortrag des Beschwerdeführers zu 6) des Verfahrens 1 BvR 1174/90 läßt sich nicht entnehmen, daß bis zum Jahre 1949 überhaupt eine Enteignung erfolgt ist. Die Beschwerdeführer zu 7), 8) und 12) desselben Verfahrens haben zwar ihre Betroffenheit schlüssig behauptet, jedoch dazu keine Nachweise vorgelegt. Bedenken bestehen auch gegen die Anträge der Beschwerdeführer zu 3), 4), 5) und 11) dieses Verfahrens sowie gegen den Antrag des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 1170/90, weil diese Beschwerdeführer zwar Belege zum früheren Eigentum oder zur Enteignung vorgelegt, aber die behauptete Erbenstellung nicht belegt haben.
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Für die Betroffenen können zwar erhebliche, von ihnen nicht zu vertretende Beweisschwierigkeiten bestehen. Die alten grundbuchrechtlichen Nachweise mußten nach den Vorschriften zur Bodenreform und zur Ausübung des SMAD-Befehls Nr. 124 vernichtet werden. Urkundliche Nachweise aus den neuen Bundesländern mögen für sie schwer oder gar nicht zu erhalten sein. Nachweise aus früherer Zeit stehen vielen der Enteigneten, die ihren Besitz überstürzt verlassen mußten, teils gar nicht und teils nur lückenhaft zur Verfügung.
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Diesen Beweisschwierigkeiten kann im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung getragen werden. Auf Belege oder sonstige Nachweise, die wenigstens eine hohe Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit ergeben, kann jedoch auch in einem solchen Fall nicht verzichtet werden. Wird die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz erhoben und fehlt es daher an der Vorklärung der Betroffenheit in einem vorausgegangenen Verfahren, so müssen die Tatsachen, die die Betroffenheit ergeben, im Verfassungsbeschwerdeverfahren hinreichend belegt werden. Eine bloße Behauptung oder Versicherung der Beschwerdeführer reicht dazu nicht aus.
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In den Verfahren über die einstweilige Anordnung war es nicht geboten, die genannten Beschwerdeführer auf die unzureichende Beweisführung hinzuweisen und ihnen noch Gelegenheit zu geben, Belege nachzureichen; denn eine etwa gebotene einstweilige Anordnung könnte auch allein auf die zulässigen Anträge der übrigen Beschwerdeführer erlassen werden. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, so ist das Bundesverfassungsgericht bei einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf beschränkt, nur die subjektiven Rechte der Beschwerdeführer zu sichern. Es kann vielmehr, ebenso wie es in der Hauptsacheentscheidung gegebenenfalls die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes allgemeinverbindlich feststellt, den Vollzug der Regelung einstweilen allgemein aussetzen. Wenn eine solche Aussetzung in Betracht kommt, wird sie auch regelmäßig für die Gesamtheit der betroffenen Normadressaten und nicht nur für die Beschwerdeführer vorzunehmen sein (vgl. etwa BVerfGE 14, 153 f.; 43, 47 [51 f.]). Das Bundesverfassungsgericht kann freilich anstatt der Aussetzung der Regelung auch andere vorbeugende Sicherungsmaßnahmen anordnen, wenn diese zur Abwehr der Beeinträchtigung ausreichen. Auch in diesem Fall wäre es aber nicht darauf beschränkt, nur die subjektiven Rechte der Beschwerdeführer zu sichern, sondern es könnte auch dann Maßnahmen treffen, welche die Rechte aller betroffenen Normadressaten allgemein sichern.
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2. Im übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit der Anträge keine Bedenken.
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Eine unmittelbare Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist hier jedenfalls deshalb zulässig, weil die Verfassungsbeschwerden von allgemeiner Bedeutung im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sind. Von den Beschwerdeführern kann auch nicht verlangt werden, wenigstens vorläufigen Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren zu suchen. Die Fachgerichte sind zwar auch dann, wenn die Hauptsacheentscheidung von der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Norm abhängt, nicht gehindert, im Einzelfall aufgrund einer Folgenabwägung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Dieser Weg ist hier für die Beschwerdeführer jedoch schon deshalb nicht zumutbar, weil die angegriffene Regelung in der Verfassung selbst festgeschrieben worden ist (Art. 143 Abs. 3 GG n.F.).
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Die Verfassungsbeschwerden werfen im übrigen klärungsbedürftige Fragen auf.
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Die Entscheidung über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung hängt danach von einer Abwägung der eintretenden Folgen ab (vgl. BVerfGE 77, 130 [134 f.] m.w.N.; st. Rspr.). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ist dabei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, wenn eine gesetzliche Regelung außer Kraft gesetzt werden soll (vgl. BVerfGE 81, 53 [54]). Eine Verschärfung der Anforderungen ergibt sich zusätzlich, wenn eine Regelung mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen betroffen ist (vgl. auch BVerfGE 33, 195 [197]). Die Abwägung nach diesen Maßstäben fällt zuungunsten der Beschwerdeführer aus.
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1. Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweisen sich die Verfassungsbeschwerden jedoch später als begründet, so besteht die Gefahr, daß in der Zwischenzeit über enteignete Objekte verfügt wird oder langfristige obligatorische Nutzungsrechte daran eingeräumt werden. Inwieweit solche Rechtsgeschäfte dazu führen würden, daß sich die rechtlichen Möglichkeiten verschlechtern, den von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rückgewähranspruch durchzusetzen, ist eine Frage des einfachen Rechts. Nach den bestehenden Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb und den Fortbestand von Nutzungsverhältnissen bei Veräußerung muß mit einer solchen Verschlechterung der Lage der Betroffenen jedenfalls gerechnet werden. Könnten die Beschwerdeführer danach den von ihnen für gegeben oder jedenfalls für geboten erachteten Rückerstattungsanspruch nicht mehr durchsetzen, so würde die von ihnen behauptete Grundrechtsposition erheblich beeinträchtigt; diese Beeinträchtigung könnte als solche auch nicht rückgängig gemacht werden. Die Gefahr von Verfügungen, die zum Verlust des Rückerstattungsanspruchs führen könnten, ist angesichts des Privatisierungsauftrags der Treuhandgesellschaft (vgl. Art. 25 EV) und der sonstigen Vorschriften, die in der Deutschen Demokratischen Republik zur weiteren Behandlung der volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftseinheiten und Einzelgrundstücke ergangen sind und auch nach dem Beitritt fortgelten, bei Grundstücken, die im Volkseigentum standen, voraussichtlich besonders groß. Die Beeinträchtigung kann angesichts der in Frage stehenden Grundstückswerte auch von ihrem tatsächlichen Gewicht her nicht als geringfügig angesehen werden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfGE 77, 130 [136]). Andererseits ist zu berücksichtigen, daß Verluste der Beschwerdeführer nachträglich durch eine Entschädigung zumindest finanziell ausgeglichen werden können, wenn sich ihr Begehren als berechtigt erweisen sollte. Die in Nummer 1 der Gemeinsamen Erklärung vorbehaltene Entscheidung über staatliche Ausgleichsleistungen mag zwar von den Vertragschließenden nicht im Sinne einer Regelung über eine volle Entschädigung verstanden worden sein. Sie würde aber eine solche Regelung nicht ausschließen, wenn diese von Verfassungs wegen geboten wäre.
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2. Auf der anderen Seite würden besonders gewichtige Belange des Gemeinwohls beeinträchtigt, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen, die Verfassungsbeschwerden sich aber später als unbegründet erweisen würden.
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a) Zum einen würde die schon derzeit bestehende Unsicherheit der eigentumsrechtlichen Verhältnisse im Gebiet der neuen Bundesländer dadurch erheblich verstärkt. Im Falle eines Verfügungsverbots wäre ein Erwerb der Objekte für die Dauer der einstweiligen Anordnung ausgeschlossen. Das brächte die Gefahr mit sich, daß sich die für den wirtschaftlichen Aufbau im Gebiet der ehemaligen DDR dringend erforderlichen Investitionen, die ohnehin nur langsam anlaufen, noch weiter verzögern, weil die Investoren vor einer Finanzierung ohne gesicherten Eigentumserwerb zurückscheuen. In der derzeitigen Lage würde eine einstweilige Anordnung ein hemmendes Signal darstellen, das die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern erheblich stören könnte. Soweit Eigentum betroffen ist, das sich in privater Hand befindet, könnte eine einstweilige Anordnung darüber hinaus zu einer Beeinträchtigung und Verunsicherung der jetzigen Eigentümer führen und damit den Rechtsfrieden im Gebiet der neuen Bundesländer gefährden.
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Diesen nachteiligen Wirkungen könnte nicht durch eine Beschränkung der einstweiligen Anordnung, etwa durch eine Eingrenzung auf Objekte der Beschwerdeführer, begegnet werden. Auch eine solche Anordnung hätte in der Einschätzung der Öffentlichkeit eine Warnfunktion und würde eine die wirtschaftliche Entwicklung hemmende Wirkung entfalten. Außerdem müßten entsprechende Anordnungen auch auf Antrag weiterer Beschwerdeführer erlassen werden, so daß im Endergebnis doch mit einem umfassenden Veräußerungsstop zu rechnen wäre.
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b) Entscheidend ins Gewicht fällt darüber hinaus, daß eine einstweilige Anordnung die Gefahr außenpolitischer Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland mit sich brächte. Für diese Feststellung bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, wie fest die Verhandlungsposition der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion in der strittigen Frage war. Jedenfalls wird aus der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen beider deutscher Staaten vom 15. Juni 1990 und aus dem Gemeinsamen Brief der Außenminister vom 12. September 1990 deutlich, daß die angegriffene Regelung im Interesse sowohl der Deutschen Demokratischen Republik als auch der Sowjetunion lag und daß sie nicht nur in den Einigungsvertrag als Bestandteil eingeflossen ist, sondern auch Gegenstand der "Zwei-plus-Vier"-Verhandlungen war, die zum Abschluß des Vertrages vom 12. September 1990 führten.
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In der Aussetzung der Regelung könnte danach, unbeschadet der innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Legitimation einer solchen Anordnung, ein Abrücken von der Verhandlungsposition gesehen werden, das geeignet wäre, das Vertrauen in die Verläßlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im völkerrechtlichen Verkehr zu beeinträchtigen. Sie könnte insbesondere zu einer empfindlichen Störung des internationalen Verhältnisses der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion mit nachteiligen Folgen für die weitere Zusammenarbeit führen. Das müßte zwar hingenommen werden, wenn sich bei der Entscheidung in der Hauptsache eine Korrektur besatzungsrechtlicher Maßnahmen als verfassungsrechtlich geboten erweisen sollte. Bei der Abwägung im Rahmen der Entscheidung über die einstweilige Anordnung fällt dagegen das Interesse daran, eine solche Störung der außenpolitischen Beziehungen zu vermeiden, erheblich ins Gewicht.
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3. Die nachteiligen Folgen, die für das Gemeinwohl mit dem Erlaß der einstweiligen Anordnung verbunden wären, wiegen danach schwerer als die Nachteile, die auf seiten der Betroffenen drohen, wenn der Erlaß der einstweiligen Anordnung abgelehnt wird. Das Bundesverfassungsgericht trägt jedoch den Interessen der Beschwerdeführer durch eine beschleunigte Durchführung der Hauptsacheverfahren Rechnung.
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