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2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
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3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
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4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
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Urteil | |
des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009
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-- 1 BvL 1, 3, 4/09 -- | |
in den Verfahren zu der verfassungsrechtlichen Prüfung, I. ob § 20 Abs. 1 bis 3 und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung von Art. 1 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954, 2955) vereinbar sind mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 2008 -- L 6 AS 336/07 -- 1 BvL 1/09 --, II. ob § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954), in Kraft getreten zum 1. Januar 2005, insoweit mit 1. ![]() ![]() | |
Entscheidungsformel:
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1. § 20 Absatz 2 1. Halbsatz und Absatz 3 Satz 1, § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alternative, jeweils in Verbindung mit § 20 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 2954), § 20 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ![]() ![]() | |
2. Bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, sind diese Vorschriften weiter anwendbar.
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3. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 folgende Sozialgesetzbuch Zweites Buch erfasst wird, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann. ![]() | |
A. | |
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen konkreten Normenkontrollverfahren betreffen die Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach § 20 Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Art. 1 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
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Bis zum 31. Dezember 2004 existierten für erwerbsfähige Personen zwei unterschiedliche Systeme bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts in Gestalt der Arbeitslosenhilfe nach den §§ 190 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch -- Arbeitsförderung -- (SGB III) a.F. einerseits und der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) andererseits. Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954; sog. "Hartz IV-Gesetz") sind mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 diese beiden Systeme im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch -- Grundsicherung für Arbeitsuchende -- (SGB II) in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zusammengeführt worden. Ebenfalls mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 wurde durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) das Bundessozialhilfegesetz aufgehoben (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes) und das Sozialhilferecht im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -- Sozialhilfe -- (SGB XII) als bedürftigkeitsabhängige Grundsicherung für solche Personen, die nicht nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch leistungsberechtigt sind, neu geregelt. Die Arbeitslosenhilfe wurde durch Art. 3 Nr. 14 und Nr. 15 des Vierten Gesetzes für mo ![]() ![]() | |
1. Leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch sind zunächst erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, das heißt nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Darüber hinaus sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch diejenigen Personen leistungsberechtigt, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Hierzu gehören unter anderem der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II) und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen, unverheirateten Kinder, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II a.F.).
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Die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen und die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihm sind die wesentlichen Abgrenzungskriterien zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch und der Sozialhilfe nach Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II schließt der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (§§ 27 bis 40 SGB XII) aus. Personen, die nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, erhalten nach § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch. Als Hauptanwendungsfall des Sozialhilferechts nach Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch verbleibt somit die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. ![]() | |
![]() | |
a) Arbeitslosengeld II setzt sich im Wesentlichen aus der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 20 SGB II, den Leistungen für etwaigen Mehrbedarf nach § 21 SGB II und den Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II zusammen. Nach § 24 SGB II können befristete Zuschläge hinzu kommen, die binnen zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld gewährt werden und in der Höhe vom Unterschied zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II abhängen. Einmalige Beihilfen sieht das Sozialgesetzbuch Zweites Buch nur noch in Ausnahmefällen vor, vor allem in Gestalt von Leistungen für die Erstausstattung von Wohnungen einschließlich Haushaltsgeräten (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II), für die Erstausstattung mit Bekleidung sowie bei Schwangerschaft und Geburt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und für mehrtägige Klassenfahrten (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
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Umfang und Höhe der Regelleistung werden in § 20 Abs. 1 bis 3 SGB II bestimmt. In der hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (SGB II a.F.) lauten diese Regelungen:
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§ 20
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Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
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(1) Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Nicht umfasst ![]() ![]() | |
(2) Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) 345 Euro, in den neuen Bundesländern 331 Euro.
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(3) Haben zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2. Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2.
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(4) . . .
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Die Regelleistung von 90% gilt dabei, wie sich aus der Zusammenschau mit § 20 Abs. 2 SGB II ergibt, für die volljährigen Partner in der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II, das heißt unter anderem für nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten. Sie betrug seit dem 1. Januar 2005 in den alten Ländern einschließlich Berlin (Ost) zunächst gerundet 311 Euro. Sonstige erwerbsfähige Angehörige im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F. (heute § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) sind minderjährige Partner und minderjährige, unverheiratete Kinder, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Für sie betrug die Regelleistung seit dem 1. Januar 2005 in den alten Ländern einschließlich Berlin (Ost) 276 Euro.
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Seit dem 1. Juli 2006 gilt die Regelleistung von 345 Euro gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) bundeseinheitlich. In § 20 Abs. 3 SGB II ist seitdem nur noch die Regelleistung von 90% geregelt. Zum 1. August 2006 ist § 20 Abs. 1 SGB II, dessen Satz 2 bereits zum 1. Juli 2006 gestrichen worden war, durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) um den Gesichtspunkt "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" erweitert worden.
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§ 28
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Sozialgeld
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(1) . . . Hierbei gelten ergänzend folgende Maßgaben:
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1. Die Regelleistung beträgt bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert und im 15. Lebensjahr 80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung;
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. . .
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Ab dem 1. Januar 2005 erhielten damit zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in den alten Ländern einschließlich Berlin (Ost) zunächst 207 Euro, ab dem 15. Lebensjahr 276 Euro Sozialgeld pro Monat.
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c) Der Bezug von Arbeitslosengeld II führt grundsätzlich zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB XI). Die Beiträge hierzu trägt der Bund (vgl. § 251 Abs. 4 SGB V, § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und § 59 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB XI). Minderjährige Kinder sind nach § 10 SGB V und § 25 SGB XI familienversichert. Sofern ausnahmsweise keine Versicherungspflicht besteht, werden nach § 26 SGB II Leistungen für die zu zahlenden freiwilligen oder privaten Beiträge gewährt.
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3. Die Anpassung und Neubemessung der Regelleistung richtet sich nach § 20 Abs. 4 SGB II. Das zuständige Bundesministerium (zur Zeit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales) gibt jeweils spätestens zum 30. Juni eines Kalenderjahres die Höhe der Regelleistung, die für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesgesetzblatt bekannt (§ 20 Abs. 4 Satz 3 SGB II).
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a) § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II koppelt die Anpassung der Regelleistung an die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser wird in § 68 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -- Gesetzliche Rentenversicherung -- (SGB VI) definiert als der Betrag, der einer monatlichen Rente wegen Alters der allgemeinen Rentenversicherung entspricht, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund des Durch ![]() ![]() | |
Wegen Veränderungen des aktuellen Rentenwerts wurde seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II n.F. dreimal erhöht, und zwar zum 1. Juli 2007 auf 347 Euro (Bekanntmachung vom 18. Juni 2007, BGBl. I S. 1139), zum 1. Juli 2008 auf 351 Euro (Bekanntmachung vom 26. Juni 2008, BGBl. I S. 1102) und zum 1. Juli 2009 auf 359 Euro (Bekanntmachung vom 17. Juni 2009, BGBl. I S. 1342). Volljährige Partner in Bedarfsgemeinschaften erhielten damit ab dem 1. Juli 2007 312 Euro, ab dem 1. Juli 2008 316 Euro und ab dem 1. Juli 2009 323 Euro, sonstige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft ab Beginn des 15. Lebensjahres ab dem 1. Juli 2007 278 Euro, ab dem 1. Juli 2008 281 Euro und ab dem 1. Juli 2009 287 Euro. Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 60% nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II stieg zum 1. Juli 2007 auf 208 Euro, zum 1. Juli 2008 auf 211 Euro und zum 1. Juli 2009 auf 215 Euro (Beträge jeweils gerundet). Zum 1. Juli 2005 und zum 1. Juli 2006 fand demgegenüber keine Erhöhung statt, weil der aktuelle Rentenwert jeweils unverändert blieb (Bekanntmachung vom 1. September 2005, BGBl. I S. 2718, und vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1702).
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b) Die Höhe der Regelleistung wird außerdem überprüft und weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegen (§ 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII). Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe wird auf der Grundlage des Gesetzes über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte (PrHaush ![]() ![]() | |
4. Eine individuelle Erhöhung der Regelleistung nach §§ 20, 28 SGB II für einzelne Hilfebedürftige ist ausgeschlossen. Dies stellen nunmehr die mit Wirkung zum 1. August 2006 eingeführten § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 und § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II klar, wonach die Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II "den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen" decken und "eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe" und "weitergehende Leistungen ausgeschlossen" sind, entsprach aber auch vor der Einfügung dieser Vorschriften der herrschenden Meinung (vgl. BSGE 97, 242 [248 Rn. 19] m.w.N.). Damit gibt es im Sozialgesetzbuch Zweites Buch keine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Regelung mehr, wie sie auch schon im Bundessozialhilfegesetz bestand, dass ein Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt werden kann, wenn er im Einzelfall ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
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a) Das Sozialgesetzbuch Zweites Buch erlaubt -- neben Regelungen für einige tatbestandlich präzisierte Sondersituationen in § 23 Abs. 3 bis § 26 SGB II -- lediglich in § 23 Abs. 1 SGB II die Erbringung von Zusatzleistungen in Form von Sach- und Geldleis ![]() ![]() | |
§ 23
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Abweichende Erbringung von Leistungen
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(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt.
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(2) . . .
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b) In Literatur und Rechtsprechung wird diskutiert, ob und inwieweit als Ersatz für eine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB XII entsprechende Öffnungsklausel im Sozialgesetzbuch Zweites Buch auf § 73 SGB XII zurückgegriffen werden kann, der als Vorschrift des 9. Kapitels des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch nicht von dem in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 21 Satz 1 SGB XII angeordneten Ausschluss der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch erfasst ist. Die Vorschrift lautet:
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§ 73
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Hilfe in sonstigen Lebenslagen
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Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.
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Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 -- B 7b AS 14/06 R -- (BSGE 97, 242 [249 f. Rn. 21 ff.]), können in atypischen Bedarfslagen, die eine Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweisen, zusätzliche Leistungen nach § 73 SGB XII gewährt werden. Eine solche atypische Bedarfslage hat das Bundessozialgericht hinsichtlich sol ![]() ![]() | |
5. Neben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts treten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, die ursprünglich in §§ 16 und 29 SGB II a.F. geregelt waren und mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 (Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 [BGBl. I S. 2917]) in den §§ 16 bis 16g SGB II festgelegt sind. Erwerbsfähige Hilfebedürftige können danach beispielsweise Leistungen zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. bzw. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F. i.V.m. §§ 77 ff. und 417 SGB III) erhalten. Soweit es für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich ist, kann der Grundsicherungsträger zudem Dienst- oder Geldleistungen (vgl. § 4 SGB II) zur Betreuung minderjähriger Kinder erbringen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F.; nunmehr § 16a Nr. 1 SGB II n.F.). ![]() | |
Bei der Festsetzung der Regelleistung in §§ 20 und 28 SGB II hat sich der Gesetzgeber an das Sozialhilferecht angelehnt.
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1. Auch nach dem Bundessozialhilfegesetz, das vom Ausgangspunkt her einem Individualisierungsgrundsatz folgte und in § 3 Abs. 1 Satz 1 BSHG anordnete, dass sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen zu richten hatten, wurden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG laufende Leistungen zum Lebensunterhalt grundsätzlich "nach Regelsätzen" gewährt, die von den Landesbehörden nach bundesgesetzlichen Vorgaben und nach einer Regelsatzverordnung des zuständigen Bundesministeriums festzusetzen waren. Neben die Leistungen nach diesen Regelsätzen traten noch einmalige Beihilfen (vgl. § 21 BSHG), zum Beispiel zur Instandsetzung von Bekleidung, Wäsche und Schuhen, zur Beschaffung von Brennstoffen für Einzelheizungen oder von besonderen Lernmitteln für Schüler, zur Instandsetzung von Hausrat, zur Instandhaltung der Wohnung, zur Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Nutzungsdauer und von höherem Anschaffungswert sowie für besondere Anlässe (vgl. § 21 Abs. 1a BSHG in der seit dem 27. Juni 1993 geltenden Fassung, BGBl. I S. 944).
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a) Seit Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes am 1. Juni 1962 setzten die Landesbehörden die Regelsätze zunächst nach einem Warenkorbmodell fest. Grundlage bildete ein vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge konzipierter Warenkorb, der sich an den Lebens- und Verbrauchsgewohnheiten unterer Einkommensgruppen orientierte. Die Referenzgruppe bildete ausgehend von Erhebungen des Statistischen Bundesamtes über die Wirtschaftsrechnung ausgewählter privater Haushalte der sogenannte Haushaltstyp 1, das heißt Haushalte von zwei erwachsenen Personen, die Renten- oder Sozialhilfeempfänger mit geringem Einkommen waren. Die Regelsätze wurden bereits unter der Geltung des Warenkorbmodells nach dem Prinzip festgesetzt, dass ein Regelsatz für den Haushaltsvorstand, der auch für einen Alleinstehenden galt, einerseits und Regelsätze für sonstige ![]() ![]() | |
b) Aufgrund eines Beschlusses der Konferenz der Obersten Landessozialbehörden griff man ab dem 1. Juli 1990 für die Regelsatzbemessung zu einer anderen Methode, dem sogenannten Statistikmodell. Dieses Modell wurde mit Wirkung ab dem 1. August 1996 in § 22 Abs. 3 BSHG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088), dem der heutige § 28 Abs. 3 SGB XII im Wesentlichen entspricht, gesetzlich verankert. Die Regelsätze wurden nunmehr ausschließlich nach dem Verbrauchsverhalten unterer Einkommensgruppen, wie es vor allem mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe statistisch erfasst wird, bemessen. Als Referenzgruppe wählte man zunächst Haushalte mit einem Einkommen, das um 4% über der Sozialhilfeschwelle lag. In einem zweiten Schritt legten die Landesbehörden fest, welche Ausgabepositionen dieser Referenzgruppe Eingang in die Leistungsbemessung finden (sogenannter regelsatzrelevanter privater Verbrauch, Statistikwarenkorb). Dies führte zum Ausschluss des Bedarfs, zu dessen Deckung die Regelsätze nicht vorgesehen waren, weil er, wie zum Beispiel einmaliger Bedarf, gesondert entgolten wurde, und des Bedarfs, welchen der Normgeber als nicht sozialhilfetypisch ansah. Sodann wurden unter Zugrundelegung der ermittelten Daten die monatlichen Aufwendungen der Referenzgruppe für den regelsatzrelevanten privaten Verbrauch zu einem Regelsatzbetrag addiert.
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Auch unter dem Statistikmodell wurde das Haushaltsvorstandsprinzip beibehalten. Daher bildeten Einpersonenhaushalte die Re ![]() ![]() | |
Auf der Grundlage der hochgerechneten Differenzbeträge konnte ein prozentualer Bezug zum Regelsatz für Haushaltsvorstände hergestellt werden. Dieser wurde in § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung vom 21. März 1990 (BGBl. I S. 562; Regelsatzverordnung 1990) normativ umgesetzt. Die Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige betrugen nunmehr: ![]() | |
2. vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 65 vom Hundert,
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3. vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 90 vom Hundert und
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4. vom Beginn des 19. Lebensjahres an 80 vom Hundert
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des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand. Diese Regelung blieb bis zum Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes am 31. Dezember 2004 in Kraft.
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2. Wesentliches Ziel der im Jahre 2002 eingeleiteten arbeitsmarktpolitischen Reformen war die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem einheitlichen Fürsorgesystem für Erwerbsfähige. Dabei sollten das neu zu schaffende Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und das reformierte Sozialhilferecht in wesentlichen inhaltlichen Punkten koordiniert werden. Am Statistikmodell sollte festgehalten werden. Ein weiteres Anliegen bestand darin, die in § 21 Abs. 1a BSHG vorgesehenen einmaligen Beihilfen, die neben den laufenden Regelsätzen zu erbringen waren, durch eine pauschale Aufstockung der Regelleistung zu ersetzen (vgl. den im März 2002 vom Deutschen Bundestag angenommenen Entschließungsantrag, BTDrucks 14/7293, S. 2 f.).
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a) Das für das Sozialhilferecht federführende Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung entwickelte hierfür zunächst einen Berechnungsansatz, bei dem einmaliger Bedarf dadurch bei der Bemessung der Regelsätze berücksichtigt wurde, dass bestimmte durchschnittliche Verbrauchsausgaben, die bislang von einmaligen Beihilfen gedeckt worden waren, zum regelsatzrelevanten Verbrauch hinzugerechnet wurden. Die Arbeiten mündeten in einen Vor-Entwurf zur Regelsatzverordnung vom 21. Juli 2003. Aus diesem ergab sich ein Eckregelsatz von 340 Euro in den alten Ländern.
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b) Parallel dazu erarbeitete das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einen Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch ![]() ![]() | |
c) Die Entwürfe wurden in einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Mitarbeitern beider Ministerien und von Mitgliedern der die damalige Bundesregierung tragenden Fraktionen beraten. Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten sodann am 5. September 2003 den Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in den Bundestag ein. Dieser übernahm als Regelleistung für Alleinstehende und Alleinerziehende den Betrag von 345 Euro für die alten Länder einschließlich Berlin (Ost) und führte zur Begründung aus, dieser ![]() ![]() | |
d) Der ebenfalls am 5. September 2003 in den Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch hob die Neukonzeption der Regelsätze hervor, die künftig pauschal den gesamten Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt umfassen, also auch Leistungen für Haushaltsgeräte, Kleidung etc. enthalten sollten, die nach dem Bundessozialhilfegesetz durch einmalige Beihilfen gedeckt wurden (vgl. BTDrucks 15/1514, S. 59 zu § 29). Das Verfahren der Regelsatzbemessung umriss die Entwurfsbegründung in groben Zügen dahingehend, dass der Inhalt des Regelsatzes durch festgelegte Prozentanteile der einzelnen Positionen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bestimmt werde, wobei als Referenzgruppe die untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte mit Ausnahme der Einpersonenhaushalte im Sozialhilfebezug heranzuziehen seien. Wegen der Einzelheiten verwies sie auf die noch zu erlassende Regelsatzverordnung (vgl. BTDrucks 15/1514, S. 52). ![]() | |
![]() | |
aa) Nach der Regelsatzverordnung bildet der aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe abzuleitende Eckregelsatz die Grundlage für die Regelsätze (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Regelsatzverordnung). Er setzt sich nach § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung aus der Summe von Verbrauchsausgaben zusammen, die sich aus Prozentanteilen einzelner Abteilungen einer vom Statistischen Bundesamt erstellten Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergibt (regelsatzrelevanter Verbrauch). Zugrunde zu legen sind nach § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung die Verbrauchsausgaben der untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (unterstes Quintil) nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe. Zunächst bildeten die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 die Grundlage (§ 5 Regelsatzverordnung 2005). Die Regelsätze sind gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Regelsatzverordnung für den Haushaltsvorstand und für sonstige Haushaltsangehörige festzusetzen. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand, der auch für Alleinstehende gilt, beträgt 100% des Eckregelsatzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3 Regelsatzverordnung).
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bb) Den in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 bestimmten relevanten Verbrauch für den Eckregelsatz gibt folgende Tabelle wieder. Dabei stellen Spalte 1 und 2 die Zusammensetzung des Regelsatzes gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 dar; Spalte 3 fasst stichwortartig zusammen, welche Verbrauchsausga ![]() ![]() | |
Abteilung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Regelsatzrelevanter Anteil Herausnahme oder Absenkung von Einzelpositionen 01: Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren 96% Ausgaben für Tabakwaren werden nur zur Hälfte berücksichtigt. 03: Bekleidung und Schuhe 89% Nicht berücksichtigt sind Ausgaben für Maßkleidung, Pelze, Arbeitskleidung sowie die anderweitig abgedeckte Erstausstattung. Zudem ist begrenzt auch eine Verweisung auf Gebrauchtkleidung zumutbar. 04: Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe 8% Nicht berücksichtigt sind die gesondert abgedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung; die Einzelposition für Strom werden weitgehend, die Ausgaben für Reparaturen in der Wohnung voll anerkannt. 05: Einrichtungsgegenstände (Möbel), Apparate, Geräte und Ausrüstungen für den Haushalt sowie deren Instandhaltung 87% Ausgaben für Campingmöbel und Kunstgegenstände gehören nicht zum notwendigen Bedarf; Erstausstattung wird gesondert abgedeckt. 06: Gesundheitspflege 64% Nicht berücksichtigt sind stationäre Gesundheitsleistungen und über die Zuzahlungen hinausgehende (zahn-)ärztliche Dienstleistungen. ![]() ![]() 08: Nachrichtenübermittlung 64% Postdienstleistungen werden voll berücksichtigt, Kosten für Telefon- und Faxgeräte zur Hälfte, Telefon- und Faxdienstleistungen zu 60%, Internetkosten teilweise. 09: Freizeit, Unterhaltung und Kultur 42% Voll berücksichtigt werden Ausgaben für Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Ausleihgebühren, Schreibwaren und Zeichenmaterialien. Ausgaben für Spielzeug und Hobbywaren, größere langlebige Gebrauchsgüter für Freizeit, Besuch von Sport- und Freizeitveranstaltungen und sonstige Freizeit- und Kulturdienstleistungen werden zu 70% berücksichtigt, da in diesen Positionen nicht regelsatzrelevante Ausgaben, z.B. für Sportboote und Segelflugzeuge, enthalten sind. Gartenerzeugnisse und Verbrauchsgüter für die Gartenpflege werden zu 75% berücksichtigt, Ausgaben für Rundfunk- und Fernsehgeräte zur Hälfte, da die Beschaffung von Gebrauchtwaren zumutbar ist, und für ![]() ![]() 10: Bildungswesen 0% Unberücksichtigt, weil diese Abteilung insgesamt nicht regelsatzrelevant ist (vgl. BRDrucks 206/04, S. 6). 11: Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 30% Berücksichtigt wird nur der Nahrungsmittelanteil. 12: Andere Waren und Dienstleistungen 65% Voll berücksichtigt werden Friseurleistungen, andere Dienstleistungen und Geräte für Körperpflege. An Finanz- und sonstigen Dienstleistungen werden Kontoführungsgebühren und Grabpflege, nicht aber Steuerberatungskosten und Geldstrafen berücksichtigt. Ausgaben für Schmuck und Edelmetalle werden nicht berücksichtigt. | |
Als Ergebnis weist die Begründung des Verordnungsgebers für die alten Länder einschließlich Berlin (Ost) gerundet den Betrag von 345 Euro aus. Dieser Betrag wurde dadurch ermittelt, dass der nach dem vorstehenden Verfahren aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 gewonnene Ausgangswert (630,18 DM) entsprechend der Anpassungsregelung des § 4 Regelsatzverordnung aufgrund der Veränderungen des aktuellen Rentenwerts seit dem 1. Juli 1999 fortgeschrieben wurde (vgl. BRDrucks 206/04, S. 13). Der sich daraus ergebende Betrag von 345 Euro wurde ![]() ![]() | |
cc) Die Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige setzte § 3 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres auf 60% und ab Vollendung des 14. Lebensjahres auf 80% des Eckregelsatzes fest. In der Begründung hierzu heißt es (vgl. BRDrucks 206/04, S. 10 f.):
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"Abs. 2 vereinfacht die Regelsatzstruktur für Haushaltsangehörige gegenüber § 2 Abs. 3 der Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962, indem die bisherigen vier Altersstufen auf zwei Altersstufen reduziert werden. Die gewählten zwei Altersklassen unter 14 Jahre bzw. 14 Jahre entsprechen international anerkannten wissenschaftlichen Verfahren, z.B. der modifizierten OECD-Skala. Sie entsprechen auch der gesetzlichen Festlegung für das Sozialgeld in § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Die neuen Anteile von 60 vom Hundert bzw. 80 vom Hundert des Eckregelsatzes orientieren sich an einer wissenschaftlichen Untersuchung des Statistischen Bundesamtes (Ausgaben für Kinder in Deutschland -- Berechnungen auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, 12/2002, S. 1080 ff.), wonach 14jährige und ältere Kinder etwa um ein Drittel höhere Kosten als jüngere Kinder verursachen. Mit der Neuregelung wird auch der nach dem bisherigen Regelsatzsystem zu große Unterschied in den Leistungen für kleine und große Kinder sowie die nicht nachvollziehbare Absenkung der Leistungen bei Eintritt der Volljährigkeit beseitigt. Dass unterschiedliches Lebensalter und Lebenssituationen ebenso wie das Geschlecht einzelne Bedarfe besonders prägen, lässt sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht durch allgemein geltende und praktikable Regelungen abbilden. Da die statistisch belegte Gesamtbetrachtung über die vorgenommenen Stufungen hinaus keine signifikanten Differenzierungen aufzeigten, ist auch davon auszugehen, dass sich insoweit in der Regel unterschiedliche Bedarfe im Wesentlichen wieder ausgleichen." ![]() | |
1. Nachdem die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 vorlagen, nahm das Statistische Bundesamt im Auftrag des nunmehr für das Sozialgesetzbuch Zweites Buch und das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch federführenden Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine erneute Sonderauswertung für das unterste Quintil vor. Den regelsatzrelevanten Verbrauch bestimmte das Bundesministerium jetzt weitgehend anders als in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgelegt. Zum einen arbeiteten die Haushaltsbücher bei der Erhebung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 mit mehr einzelnen Ausgabepositionen; damit fielen die Ergebnisse in ihren Abteilungen, insbesondere in den Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), Abteilung 07 (Verkehr) und 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur), differenzierter aus. Zum anderen sollte bei einzelnen Ausgabepositionen in den Abteilungen 03, 08 (Nachrichtenübermittlung) und 09 auf Abschläge, die auf Schätzungen beruhen, verzichtet werden (vgl. Ausschussdrucksache 16(11)286, S. 1, 9 f., 13 ff.). Nachdem das Bundesministerium den Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages von dem Verfahren und dem Ergebnis der Sonderauswertung unterrichtet hatte (vgl. Ausschussdrucksache 16(11)286), entwarf es auf dieser Grundlage eine Erste Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung, die nach Zustimmung des Bundesrates unverändert am 20. November 2006 erlassen wurde (BGBl. I S. 2657) und am 1. Januar 2007 in Kraft trat (Art. 2 der Verordnung).
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Die Änderungsverordnung sollte -- neben einer mit der Angleichung der Regelsätze in Ost und West einhergehenden Zugrundelegung der gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur -- einer "weitgehenden Auflösung von normativen Setzungen (Schätzungspositionen und Abschläge) dienen und Änderungen des Verbrauchsverhaltens berücksichtigen" (vgl. BRDrucks 635/06, S. 4 f.). Vor allem wurde die Zusammensetzung des Eckregelsatzes geändert. Die folgende Tabelle stellt in Spalte 1 und 2 die Zusammensetzung des Eckregelsatzes nach § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2007 dar. Spalte 3 fasst stichwortartig die Veränderungen ![]() ![]() | |
Abteilung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Regelsatzrelevanter Anteil Herausnahme oder Absenkung von Einzelpositionen 01 und 02: Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren und Ähnliches 96% Ausgaben für Tabakwaren nur zur Hälfte berücksichtigt. 03: Bekleidung und Schuhe 100% Die volle Berücksichtigung beruht auf der Schwierigkeit, einen Abschlag sinnvoll zu beziffern. 04: Wohnen, Energie, Wohnungsinstandhaltung 8% Unverändert; der Abschlag von 15% bei Strom wird jetzt mit dem darin enthaltenen Heizungsstrom begründet. 05: Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände 91% Unverändert; die Anhebung erfolgt wegen Veränderungen im Verbraucherverhalten und wegen des Übergangs zur gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur (andere Ausgabenbeträge bei den regelsatzrelevanten Positionen). 06: Gesundheitspflege 71% Anhebung wegen Veränderungen im Verbraucherverhalten und wegen Übergangs zur gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur (andere Ausgabenbeträge bei den regelsatzrelevanten Positionen). ![]() ![]() 08: Nachrichtenübermittlung 75% Die Positionen Kauf von Telefon-, Telefaxgeräten, Anrufbeantwortern etc. und Kommunikationsdienstleistungen werden voll berücksichtigt, jedoch sind Mobilfunkdienstleistungen nicht gleichzeitig neben Festnetzdienstleistungen relevant. 09: Freizeit, Unterhaltung und Kultur 55% Die geschätzten Abschläge bei den Positionen Rundfunk-, Fernseh- und Datenverarbeitungsgeräte, Spielwaren u.a. und sonstige Freizeit- und Kulturdienstleistungen entfallen. 10: Bildungswesen 0% Unberücksichtigt, weil diese Abteilung insgesamt nicht regelsatzrelevant ist. 11: Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 29% Absenkung wegen Veränderungen im Verbraucherverhalten und wegen Übergangs zur gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur (andere Ausgabenbeträge bei den regelsatzrelevanten Positionen). ![]() ![]() | |
Die Abteilung 10 (Bildungswesen) blieb weiterhin unberücksichtigt. Die Begründung des Verordnungsgebers weist als Ergebnis der Auswertung erneut gerundet den Betrag von 345 Euro aus. Dieser ergibt sich dieses Mal unmittelbar aus der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (BRDrucks 635/06, S. 5; Ausschussdrucksache 16(11)286, S. 1 ff.). Eine Erhöhung der Regelsätze war nach § 28 Abs. 2 Satz 4 SGB XII in der seit dem 7. Dezember 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2670) und nach § 4 Regelsatzverordnung nicht notwendig, da sich zum 1. Juli 2004, 2005 oder 2006 der aktuelle Rentenwert nicht erhöht hatte. Eine Neufestsetzung der Regelleistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch unterblieb ebenfalls.
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2. In Reaktion auf die Kritik aus den Ländern an der Bemessung der Regelleistung und des Sozialgelds für Kinder (vgl. BRDrucks 33/07, 676/07, 906/07 und 329/08) erließ der Bundesgesetzgeber ergänzende Regelungen, die Mitte 2009 in Kraft getreten sind.
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a) Durch Art. 8 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009 (BGBl. I S. 416) ist mit Wirkung ab dem 1. Juli 2009 (Art. 19 Abs. 3 dieses Gesetzes) § 74 SGB II eingeführt worden. Die Vorschrift lautet: ![]() | |
Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland
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Abweichend von § 28 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 beträgt die Regelleistung ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2011 70 vom Hundert der nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelleistung.
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Seit dem 1. Juli 2009 werden also drei Altersgruppen von Kindern gebildet. Sie erhalten in der neuen Altersgruppe ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres eine Regelleistung von gerundet 251 Euro. In den übrigen beiden Altersgruppen bleibt es bei der bisherigen Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II.
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Die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu § 74 SGB II beschränkt sich auf den Hinweis, dass Haushalte von Arbeitslosengeld-II-Beziehern, in denen 6- bis 13-jährige Kinder lebten, in einer konjunkturell kritischen Phase zusätzliches Einkommen erhielten, das für den Konsum zur Verfügung stehe, und verweist im Übrigen auf die Begründung zur entsprechenden Änderung der Regelsatzverordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Regelsatzverordnung in der seit dem 1. Juli 2009 geltenden Fassung; vgl. BTDrucks 16/11740, S. 30). Dort wird auf eine erneute Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 verwiesen, die am Verbrauch von Paarhaushalten mit einem Kind im untersten Quintil ansetzt. Eine Befristung sei wegen der anstehenden Überprüfung der Regelsatzbemessung nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, deren Ergebnisse erst 2010 oder 2011 vorlägen, angezeigt (vgl. BTDrucks 16/11740, S. 34 zu Art. 15).
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Die Bundesregierung hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung die Sonderauswertung näher beschrieben. Ein für bereits 1998 entwickelter, wissenschaftlicher Verteilungsschlüssel, der haushaltsbezogene Verbrauchsausgaben auf die einzelnen Haushaltsmitglieder umlegt (vgl. Münnich/Krebs, Ausgaben für Kinder in Deutschland -- Berechnungen auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, 12/2002, ![]() ![]() | |
b) Durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz -- FamLeistG) vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2955) ist mit Wirkung zum 1. August 2009 ein neuer § 24a SGB II eingeführt worden. Er ist durch Art. 16 des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl. I S. 1959) mit Wirkung zum 31. Juli 2009 (vgl. Art. 19 Abs. 4 Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) geändert worden. Er lautet nunmehr: ![]() | |
Zusätzliche Leistung für die Schule
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Schülerinnen und Schüler, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, erhalten eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von 100 Euro, wenn sie oder mindestens ein im Haushalt lebender Elternteil am 1. August des jeweiligen Jahres Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch haben. Schülerinnen und Schüler, die nicht im Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils leben, erhalten unter den Voraussetzungen des § 22 Absatz 2a die Leistung, wenn sie am 1. August des jeweiligen Jahres Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch haben. Die Leistung wird nicht erbracht, wenn ein Anspruch der Schülerin oder des Schülers auf Ausbildungsvergütung besteht. Der zuständige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann im begründeten Einzelfall einen Nachweis über eine zweckentsprechende Verwendung der Leistung verlangen.
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In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 24a SGB II in der Fassung des Familienleistungsgesetzes heißt es (vgl. BTDrucks 16/10809, S. 16 zu Art. 3 Nr. 2):
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"Mit der Gewährung einer jährlichen Einmalleistung in Höhe von 100 Euro kommt die Bundesregierung ihrem Anliegen zur besonderen Förderung der schulischen Bildung von Kindern und Jugendlichen aus Familien nach, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Anknüpfungspunkt für den Anspruch ist der jährliche Schuljahresbeginn. Deshalb muss Hilfebedürftigkeit zu diesem Zeitpunkt vorliegen. . . . Die pauschale Leistung umfasst insbesondere die erforderliche Ausstattung am Schuljahresbeginn. Von dieser Leistung unberührt bleibt die Verantwortung der Länder für die schulische Bildung im Rahmen der föderalen Aufgabenwahrnehmung. Diese Leistung dient insbesondere dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (z.B. Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkästen, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck)."
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Die Begründung des Gesetzentwurfs enthält keine Angaben, woraus sich der Betrag von 100 Euro zusammensetzt und wie er ermittelt worden ist. In der Begründung zu der § 24a SGB II ent ![]() ![]() | |
IV.
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1. a) Die Kläger des Ausgangsverfahrens 1 BvL 1/09 bilden eine dreiköpfige Familie, bestehend aus dem im Jahre 1962 geborenen Kläger zu 1), seiner 1963 geborenen Ehefrau, der Klägerin zu 2), und der gemeinsamen 1994 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3). Sie beziehen seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 bewilligte ihnen die Beklagte des Ausgangsverfahrens monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 825 Euro. Die Bewilligung enthielt Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 150 Euro, eine Regelleistung für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) in Höhe von jeweils 311 Euro und eine Regelleistung in Höhe von 53 Euro für die Klägerin zu 3), die sich ausgehend von der gesetzlichen Regelleistung in Höhe von 207 Euro ergab, weil Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich angerechnet wurde.
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b) Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren machten die Kläger vor dem Sozialgericht die Gewährung höherer Leistungen mit der Begründung geltend, die gesetzliche Regelleistung reiche zur Sicherung ihres Existenzminimums nicht aus. Das Sozialgericht wies die Klage unter anderem mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265 [275 ff. Rn. 46 ff.]) ab, demzufolge die Regelleistung für Alleinstehende mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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Das Hessische Landessozialgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten zur Frage der Ermittlung, Höhe und Bedarfsgerechtigkeit der Regelleistung das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ![]() | |
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die bewilligten Leistungen nach § 20 Abs. 2 und Abs. 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II zutreffend berechnet. Höhere Leistungen stünden den Klägern weder nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (§§ 21, 23 und 24 SGB II) noch nach dem Soziagesetzbuch Zwölftes Buch, insbesondere nach § 73 SGB XII, zu; eine extensive verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschriften scheide aus. Die mithin entscheidungserheblichen Vorschriften der § 20 Abs. 1 bis 3 und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II halte der Senat für unvereinbar mit dem Grundgesetz.
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Hinsichtlich der Klägerin zu 3) habe der Gesetzgeber in § 20 Abs. 1 bis 3 SGB II in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II seinen aus dem staatlichen Wächteramt -- Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG -- und aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Auftrag verletzt, ihren existenzminimalen Bedarf zu ermitteln und zu gewährleisten. Die vom Gesetzgeber im Rückgriff auf das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und die Regelsatzverordnung übernommene Begründung für das in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II bei Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren auf 60% der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 SGB II, das heißt auf 207 Euro, festgesetzte Sozialgeld sei nicht tragfähig. Die zur Begründung angeführte OECD-Skala diene nicht der Ermittlung existenznotwendigen Bedarfs. Auch die Studie des Statistischen Bundesamtes stütze die Kinderregelsätze nicht, zumal dort nicht zwei, sondern vier Altersgruppen von 0 bis 5, 6 bis 12 und 13 bis 18 Jahren und älter gebildet würden. Die Studie betone Besonderheiten von Haushalten geringen Einkommens mit Kindern; diese ![]() ![]() | |
Darüber hinaus sehe der Senat bei Kindern im Alter der Klägerin zu 3) Verstöße gegen den Gleichheitssatz -- Art. 3 Abs. 1 GG -- in zwei Richtungen: Zum einen weil das ihnen gewährte Sozialgeld trotz evidenter Unterschiede im Bedarf zu dem von Neugeborenen und Kleinkindern identische Höhe aufweise, zum anderen weil gleichaltrige Kinder, deren Eltern Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bezögen, trotz gleichen Bedarfs ohne stichhaltige Begründung besser gestellt würden. So unterscheide sich der Bedarf von Kindern im Alter der Klägerin zu 3) erheblich vom Bedarf von Neugeborenen. Die Studie des Statistischen Bundesamtes zeige die Notwendigkeit einer Differenzierung nach Altersgruppen auf. Kinder, deren Eltern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bezögen, würden regional höhere Regelsätze erhalten und von der Öffnungsklausel des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII profitieren.
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Ferner sei der Senat der Auffassung, das besondere Diskriminierungsverbot gegenüber Ehe und Familie -- Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG -- werde dadurch verletzt, dass bei der Bemessung der Regelleistung nicht das unterste Fünftel der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte, sondern die Gruppe der Einpersonenhaushalte als Referenzgruppe herangezogen worden sei, deren Einkommens- und Verbrauchsdaten erheblich unter dem Niveau von Familienhaushalten lägen. Da dieser Effekt durch Vorteile gemeinsamen Wirtschaftens nicht ausgeglichen werde, würden Familienhaushalte bei der Regelleistungsbemessung benachteiligt. ![]() | |
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Schließlich verletzten die gesetzlichen Regelungen auch die Verfassungsmaßstäbe der Systemgerechtigkeit, Normenklarheit, Folgerichtigkeit sowie des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG. Schon bei der Auswahl der Referenzgruppe habe der Gesetzgeber gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, vor allem weil er entgegen seinen eigenen Vorgaben die Haushalte im Bezug von Sozialhilfe nicht konsequent separiert und die "Dunkelziffer" derjenigen Personen nicht berücksichtigt habe, die Sozialhilfeleistungen nicht in Anspruch nähmen, obwohl sie einen Anspruch hierauf hätten. Zudem trenne die Verordnung in nicht nachvollziehbarer Weise die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe in regelsatzrelevante und nicht regelsatzrelevante Teile. Im Hinblick auf die in § 16 und § 27 Abs. 2 SGB XII und § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB II normierte Familien- und Kindergerechtigkeit sei insbesondere die Herausnahme des Bildungswesens (Abteilung 10) nicht folgerichtig. Mit dem Rechtsstaatsprinzip sei es nicht vereinbar, dass Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch von den Kinderexistenzminima in anderen Rechtsgebieten, zum Beispiel im Unterhaltsrecht, abwichen. Zudem sei die Anpassung der Regelleistung nach der Veränderung des Rentenwerts nach § 20 Abs. 4 SGB II nicht sachgerecht. Ferner widerspreche es dem Rechtsstaatsprinzip, das Existenzminimum im Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu beziffern, seine Definition und Ermittlung aber dem Verordnungsgeber zu überlassen. Schließlich sei die Regelleistung des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch bereits vor dem Entwurf der Regelsatzverordnung festgelegt worden, so dass noch nicht einmal der Anschein eines ordnungsgemäßen Verfahrens gewahrt worden sei.
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Der aus den Klägern und ihren Eltern bestehenden Bedarfsgemeinschaft bewilligte die beklagte Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Regelleistungen und Leistungen für Unterkunft und Heizung für Januar 2005 in Höhe von insgesamt 842,59 Euro und für Februar 2005 in Höhe von insgesamt 824,89 Euro. Davon entfielen auf die Kläger jeweils 102,56 Euro für Januar 2005 und jeweils 100,41 Euro für Februar 2005. Bei der Berechnung der Leistungen legte die ARGE eine Regelleistung von jeweils 207 Euro für die Kläger und Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 588,02 Euro zugrunde und berücksichtigte als leistungsminderndes Einkommen sowohl das für die Kläger gezahlte Kindergeld als auch Erwerbseinkommen der Eltern. Im Ergebnis handelte es sich bei den zugunsten der Kläger bewilligten Leistungen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II und § 19 Satz 2 SGB II a.F. ausschließlich um Leistungen für Unterkunft und Heizung, da das zu berücksichtigende Einkommen den Festbetrag der Regelleistung überstieg.
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b) Die Kläger machten im Widerspruchsverfahren und im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht erfolglos die Gewährung höherer Leistungen geltend. Das Bundessozialgericht hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
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Ist § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954), in Kraft getreten zum 1. Januar 2005, insoweit mit
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1. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1, 6 Abs. 2, 20 Abs. 1 GG vereinbar, als die Norm für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres eine Regelleistung in Höhe von lediglich 60% der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für Erwachsene vorsieht, ohne dass der für Kinder notwendige Bedarf ermittelt und definiert wurde,
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3. Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II die Höhe der Regelleistung für alle Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich mit 60% festsetzt, ohne dabei weitere Altersstufen vorzusehen?
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Das Bundessozialgericht hält die Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Vorschrift für entscheidungserheblich. Da das Landessozialgericht zu den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung und den Nebeneinkünften der Eltern der Kläger keine Feststellungen getroffen habe, müsste der Rechtsstreit zwar insoweit an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden. Der Senat halte es aus Gründen der Prozessökonomie aber für erforderlich, den Rechtsstreit zunächst nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, weil die Entscheidung der verfassungsrechtlichen Frage zur abschließenden Beurteilung des Falles nach erfolgter Tatsachenaufklärung durch das Landessozialgericht unerlässlich sei, weil den Klägern selbst bei fehlerhafter Berechnung beider Positionen höhere Regelleistungen zustehen könnten.
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Verfassungsrechtlich bleibt das Bundessozialgericht allerdings weiterhin bei seiner ständigen Rechtsprechung, der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum eingehalten, als er die Regelleistung für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 SGB II auf 345 Euro festgesetzt habe. Es sei unmöglich, das aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 20 GG abgeleitete Recht auf Gewährung des Existenzminimums exakt zu beziffern. Die Regelleistung müsse in einer Gesamtschau mit den übrigen Leistungen, insbesondere den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 14 ff. SGB II bemessen werden. Bedenken gegen die Methode zur Ermittlung der Regelleistung griffen nicht durch, da es keinen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verfahren oder auf ein bestimmtes Ergebnis gebe. Weil immer ein Wertungsspielraum bleibe, könne nicht geprüft werden, ob der Gesetzgeber "richtig" gerechnet habe.
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Anders als bei der Ermittlung der Regelleistung für Alleinstehende habe der Gesetzgeber jedoch die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit bei der Festsetzung des kinderspezifischen Be ![]() ![]() | |
Es bestehe kein Sachgrund, Kindern von Sozialhilfeempfängern nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Leistungen für abweichenden Bedarf zuzugestehen, Kindern von Leistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch aber solche Leistungen zu versagen. Anders als bei erwachsenen Alleinstehenden scheide der Gesichtspunkt der Erwerbsfähigkeit als Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aus.
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Schließlich verstoße die Festsetzung einer einheitlichen Regelleistung für alle Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres gegen den Gleichheitssatz. Warum der Gesetzgeber nicht auf die Altersstufen der von ihm selbst angeführten Studie des Statisti ![]() ![]() | |
Die von den Klägern gewünschte höhere Regelleistung und die ergänzende Deckung von Bedarf könne nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts erzielt werden.
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3. a) Kläger des Ausgangsverfahrens 1 BvL 4/09 sind allein die in den Jahren 1997 und 2000 geborenen Kinder. Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005 erhielt die aus den Klägern und ihren Eltern bestehende Bedarfsgemeinschaft insgesamt 716,88 Euro monatlich. Davon entfielen jeweils 104,60 Euro monatlich auf die Kläger. Bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigte die im Ausgangsverfahren beklagte ARGE bei den Klägern das gezahlte Kindergeld und das Erwerbseinkommen des Vaters. Den Klägern wurden letztlich nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II und § 19 Satz 2 SGB II a.F. ausschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt, da das zu berücksichtigende Einkommen die Regelleistung überstieg.
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b) Ihre nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage auf Gewährung höherer Leistungen blieb vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht hat das Revisionsverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die gleiche Frage wie im Vorlageverfahren 1 BvL 3/09 zur Entscheidung vorgelegt. Die Ausführungen des Bundessozialgerichts zur Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage und zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Vorschrift stimmen mit der Begründung der Vorlage 1 BvL 3/09 überein. ![]() | |
Zu den Vorlagebeschlüssen haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales namens der Bundesregierung, die Kläger der Ausgangsverfahren 1 BvL 1/09 und 1 BvL 3/09, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Niedersächsische Staatskanzlei, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, der Diakonie Bundesverband, der Deutsche Sozialgerichtstag, der Sozialverband VdK, der Deutsche Caritasverband und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge Stellung genommen.
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1. a) Die Bundesregierung hält die Vorlagen für unzulässig. Das Bundessozialgericht habe die Unerlässlichkeit der Vorlage nicht dargelegt, da es selbst von einer anderen prozessualen Möglichkeit ausgehe, zu höheren Leistungen zu gelangen, nämlich durch Zurückverweisung der Verfahren an das Berufungsgericht und weitere Sachaufklärung. Gründe prozessualer Zweckmäßigkeit könnten eine Vorlage nicht rechtfertigen. In allen Vorlagebeschlüssen würden die verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht deutlich. Die vorlegenden Gerichte hätten sich nicht hinreichend mit anderen Leistungsansprüchen und Hilfsangeboten auseinander gesetzt.
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b) In jedem Fall seien die Vorlagen unbegründet.
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aa) Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folge die verfassungsrechtliche Pflicht zur Gewährleistung des Existenzminimums, welches sich nicht auf das "nackte Überleben" beschränken dürfe, sondern auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen müsse. Die Entwicklung des Leistungskonzeptes sei dabei Aufgabe des Gesetzgebers, dem weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt seien. Von Verfassungs wegen geboten sei zwar eine dem Leistungskonzept adäquate, realitätsgerechte Bedarfsbemessung, der Gesetzgeber unterliege jedoch keiner Begründungspflicht. Bei der Bestimmung des Existenzminimums sei der Gesetzgeber an Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der System- und Sachgerechtigkeit gebunden. Schließlich treffe den Gesetzgeber entsprechend dem Gedanken eines "lernenden Systems" eine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht. ![]() | |
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Die Konkretisierung des Kinderexistenzminimums halte sich im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG, denn der Gesetzgeber sei aufgrund der damals verfügbaren Daten, bewährter plausibler Annahmen und wertender Abschläge zu einer vertretbaren Konkretisierung gelangt. Ein Modell zur Ermittlung des spezifischen Kinderbedarfs aus den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei erst nach Erlass des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch entstanden. Unterschiede zwischen den Regelungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch und des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch, insbesondere das Fehlen einer § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechenden Öffnungsklausel im SGB II, seien mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Öffnungsklausel des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII werde praktisch nur in wenigen Ausnahmefällen benötigt. Die Unterschiede rechtfertigten sich durch das auf Eigenverantwortung aufbauende Leistungskonzept des Sozialge ![]() ![]() | |
Der Gesetzgeber sei durch die Anpassung nach § 20 Abs. 4 SGB II und durch die Neuregelungen der §§ 24a und 74 SGB II seiner verfassungsrechtlichen Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nachgekommen. Die Anpassung an den aktuellen Rentenwert zeichne die Wohlfahrtsentwicklung der Gesellschaft nach. Wenn die Preise für den notwendigen Bedarf stärker stiegen als die Renten, träfe den Gesetzgeber zudem eine Pflicht zur Anpassung der Regelleistung unmittelbar aus der Verfassung.
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2. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Kläger der Ausgangsverfahren 1 BvL 1/09 und 1 BvL 3/09 halten § 20 Abs. 1 bis 3 SGB II und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II für verfassungswidrig. Es fehle an einer realitätsnahen Ermittlung der Regelleistung von 345 Euro. Es sei versäumt worden, die "verdeckt Armen" aus der Referenzgruppe herauszurechnen. Die Bestimmung des Verbrauchs durch Abschläge sei nicht nachvollziehbar; einem regional unterschiedlichen Bedarf im Bereich Verkehr sei nicht Rechung getragen worden. Außerdem bedürfe es einer Öffnungsklausel für atypischen Bedarf. Die unteren 20% der Einpersonenhaushalte bildeten eine zur Bestimmung eines bedarfsgerechten Regelsatzes für Kinder und Familien ungeeignete Referenzgruppe. Familientypischer und kinderspezifischer Bedarf bleibe unberücksichtigt. Es sei zu bezweifeln, ob die Neuregelungen der §§ 24a und 74 SGB II auf einer sachgerechten Ermittlung beruhen würden. Die Hochrechnung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 nach dem aktuellen Rentenwert trage der Preisentwicklung und anderen Veränderungen nicht Rechnung. Die Kläger der Ausgangsverfahren 1 BvL 1/09 und 1 BvL 3/09 erheben darüber hinaus Einwände gegen die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, gegen ihre Heranziehung für die Bemessung der Leistungen und gegen den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens.
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3. Die Niedersächsische Staatskanzlei, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordhein-Westfalen, ![]() ![]() | |
4. Der Deutsche Caritasverband enthält sich einer verfassungsrechtlichen Bewertung, schließt sich jedoch der Kritik am Verfahren der Bemessung der Regelleistung an. Er bemängelt vor allem, dass die Referenzgruppe nicht um verdeckt arme Menschen bereinigt worden sei und dass wegen der Anpassung des Regelsatzes nach der Rentenentwicklung Preissteigerungen nur unzureichend berücksichtigt würden. Dem Verordnungsgeber sei in Abteilung 07 (Verkehr) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ![]() ![]() | |
5. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge weist darauf hin, dass die Bemessung einer fürsorgerechtlichen Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts so eng mit politischen Anschauungen und Wertungen verbunden sei, dass sich aus der Verfassung selbst kaum ein bestimmter Bezifferungsmaßstab ergeben könne. Er ist der Auffassung, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei eine geeignete Basis für die Bemessung sozialstaatlicher Mindestleistungen. Das Statistikmodell der Regelsatzverordnung 2005 greife auf das Verbrauchsverhalten der untersten Einkommensgruppe ohne Sozialhilfeempfänger zurück. Durch den Ausschluss von Hilfeempfängern aus dieser Gruppe sei eine taugliche Grundlage für die Regelsatzbemessung vorhanden. Bei der Weiterentwicklung des Statistikmodells sei darauf zu achten, dass Bedarf nicht unterschätzt und ein sachgerechter Fortschreibungsfaktor gefunden werde.
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VI.
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In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009 hat die Bundesregierung ihren Vortrag vertieft. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus die Kläger der Ausgangsverfahren, den Senat der Freien Hansestadt Bremen, den Deutschen Caritasverband, den Deutschen Gewerkschaftsbund, den Diakonie Bundesverband, den Deutschen Sozialgerichtstag, den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge und das Statistische Bundesamt gehört. ![]() | |
Die Vorlagen sind zulässig.
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I.
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1. a) Im Ausgangsverfahren des Hessischen Landessozialgerichts kommt es im Sinne von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auf die Gültigkeit von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 sowie auf § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 SGB II a.F. an, denn von diesen Vorschriften und ihrer Verfassungsmäßigkeit hängt die Entscheidung des vorlegenden Gerichts ab.
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aa) § 20 Abs. 3 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. bestimmen die Höhe der Regelleistung im streitgegenständlichen Zeitraum. Dem Begehren der Kläger des Ausgangsverfahrens auf Gewährung einer höheren Regelleistung kann nicht entsprochen werden, wenn die Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Entscheidungserheblichkeit steht dabei nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Unvereinbarerklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (vgl. BVerfGE 117, 1 [28] m.w.N.).
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bb) Entscheidungserheblich ist auch die Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F., denn die Regelleistung von 345 Euro in den alten Ländern bildet die Basis der den Klägern des Ausgangsverfahrens gewährten Regelleistung. Genügt der Betrag von 345 Euro verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, sind auch die für die Kläger des Ausgangsverfahrens geltenden gesetzlichen Leistungen mit dem Grundgesetz unvereinbar, da sie als prozentuale Anteile von dieser Regelleistung abgeleitet werden.
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cc) Zu den Regelungen über die Höhe der Regelleistung zählt ferner § 20 Abs. 1 SGB II a.F., weil er den Bedarf definiert, der von ihr gedeckt werden soll. Auch von dieser Bestimmung des Bedarfs hängt die Höhe der Regelleistung ab. Sie ist zudem Grundlage für die Prüfung, ob die Beträge des § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. und des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. hinreichend bedarfsdeckend sind.
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b) aa) Demgegenüber kommt es in dem Ausgangsverfahren ![]() ![]() | |
bb) Die Vorlagefrage ist ferner dahingehend einzuschränken, dass nur die Höhe der Regelleistung, das Verfahren ihrer Bemessung und ihre Gestaltung als Festbetrag verfassungsrechtlich zu prüfen sind. Demgegenüber ist nicht zu klären, ob Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird, weil Sozialhilfeempfänger von § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB XII besser gestellt werden als Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG können nur solche Rechtsfragen vorgelegt werden, denen im Ausgangsverfahren rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 117, 272 [291]). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift mit einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet, liegt Entscheidungserheblichkeit nur vor, wenn gerade der Kläger des Ausgangsverfahrens von der gerügten Diskriminierung betroffen wird (vgl. BVerfGE 66, 100 [105 ff.]; 67, 239 [244]). Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens höhere Leistungen erhalten hätten, wenn sie Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch gehabt hätten.
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2. Das Hessische Landessozialgericht hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG hinreichend dargelegt, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der genannten Vorschriften abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar sind. Es hat unter Auswertung von Rechtsprechung und Literatur ausgeführt, dass im Ausgangsverfahren keine höheren Leistungen nach den §§ 21, 23, 24 SGB II und § 73 SGB XII in Betracht kommen ![]() ![]() | |
II.
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Die Vorlagen des Bundessozialgerichts genügen den Vorgaben von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG und § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, wobei die Vorlagefragen ebenfalls entsprechend den obigen Ausführungen einzuschränken sind.
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1. Die Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. über das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, auf die sich die Vorlagen beschränken, ist im Verfahren des Bundessozialgerichts entscheidungserheblich.
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Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Elemente des anzurechnenden Elterneinkommens und der Kosten für Unterkunft und Heizung zur Berechnung des Sozialgelds der Kläger noch nicht geklärt sind und das Bundessozialgericht deshalb den Rechtsstreit in jedem Fall zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur endgültigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen möchte. Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist zwar grundsätzlich der Tenor der Entscheidung in der jeweiligen Instanz maßgeblich (vgl. BVerfGE 16, 286 [293]; 18, 257 [263]; 24, 119 [133 f.]; 104, 74 [82]) und eine Vorlage nur zulässig, wenn sämtliche erforderlichen Beweiserhebungen durchgeführt sind (vgl. BVerfGE 11, 330 [334 f.]; 50, 108 [113]). Ausnahmsweise kann eine Vorlage auch zulässig sein, wenn zwar nicht sämtliche für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen fest ![]() ![]() | |
Nach diesen Grundsätzen kommt es für die Entscheidung des Bundessozialgerichts auf die Gültigkeit des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. an, denn der dort festgesetzte Betrag bildet stets die Basis der letztlich zu bewilligenden Leistungen. Trotz des Einkommens in der Bedarfsgemeinschaft, das leistungsmindernd zu berücksichtigen ist, bildet der gesetzlich fixierte Betrag der Regelleistung eine vorgegebene Rechengröße auf der Bedarfsseite. Verändert sie sich, führt dies in Bedarfsgemeinschaften wegen der sich damit verändernden Bedarfsanteile der einzelnen Mitglieder und der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II notwendig dazu, dass die Leistungsansprüche aller ihrer Mitglieder neu berechnet werden müssen. Nach dem Standpunkt des Bundessozialgerichts steht bereits im Revisionsverfahren unabhängig von den nachzuholenden Feststellungen zum Einkommen der Eltern und den Kosten für Unterkunft und Heizung fest, dass sich eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht vermeiden lässt.
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2. Die Begründung des Bundessozialgerichts genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, weil es in gleicher Weise wie das Hessische Landessozialgericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage dargelegt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschrift substantiiert begründet hat.
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§ 20 Abs. 2 1. Halbsatz, Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F., jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 SGB II a.F., sind mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar. ![]() | |
1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 40, 121 [133]; 45, 187 [228]; 82, 60 [85]; 113, 88 [108 f.]; 123, 267 [362 f.]). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind (vgl. BVerfGE 35, 202 [236]; 45, 376 [387]; 100, 271 [284]). Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
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a) Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen (vgl. BVerfGE 1, 97 [104]; 115, 118 [152]). Als Grundrecht ist die Norm nicht nur Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates. Der Staat muss die Menschenwürde auch positiv schützen (vgl. BVerfGE 107, 275 [284]; 109, 279 [310]). Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür dem Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein Leistungsan ![]() ![]() | |
b) Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (vgl. BVerfGE 120, 125 [155 f.]), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfGE 80, 367 [374]; 109, 279 [319]; auch BVerwGE 87, 212 [214]).
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c) Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält. Dies findet auch in weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen seine Stütze. Schon aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 108, 282 [311] m.w.N.). Dies gilt in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht (vgl. BVerfGE 33, 303 [337]; 40, 237 [249]). Zudem kann sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestal ![]() ![]() | |
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 [172]; 91, 93 [112]; 99, 246 [261]; 120, 125 [155 und 166]). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.
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d) Der Leistungsanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG ist dem Grunde nach von der Verfassung vorgegeben (vgl. BVerfGE 107, 275 [284]). Der Umfang dieses Anspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 91, 93 [111 f.]). Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen (vgl. BVerfGE 115, 118 [153]). Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt. Die hierbei erforderlichen Wertungen kommen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliegt es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Ihm kommt zudem Gestaltungsspielraum ![]() ![]() | |
e) Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen (vgl. BVerfGE 66, 214 [223]; 68, 143 [153]; 82, 60 [88]; 99, 246 [260]; 112, 268 [280]; 120, 125 [155]). Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor (ebenso bei grundrechtlichen Schutzpflichten vgl. BVerfGE 46, 160 [164]; 96, 56 [64]; 115, 118 [160]); er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings der sachlichen Rechtfertigung.
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f) Das dergestalt gefundene Ergebnis ist zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er besteht (vgl. BVerfGK 5, 237 [241]). Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht.
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2. a) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Beziffe ![]() ![]() | |
b) Innerhalb der materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auch deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich ist. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein.
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c) Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.
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d) Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang. ![]() | |
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II.
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Nach diesen Grundsätzen genügen die vorgelegten Vorschriften den Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG nicht. Der Gesetzgeber hat zwar durch die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, dem Grunde nach zutreffend definiert (1.). Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gesamtbetrag der in § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. sowie in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. festgesetzten Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichend ist (2.). Der Gesetzgeber hat für die Basisregelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. auch grundsätzlich ein taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums gefunden (3.). Bei der Bemessung der Regelleistung von 345 Euro hat er dieses jedoch in verschiedenen Hinsichten verlassen, ohne es durch andere erkennbare oder tragfähige Kriterien zu ersetzen (4.). Dies führt auch zur Verfassungswidrigkeit der abgeleiteten Leistungen nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. (5.) und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F.; letztere leidet zudem an einem völligen Ermittlungsausfall im Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf (6.).
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1. Mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Bestandteil der im Sozialgesetzbuch Zweites Buch geregelten Grundsicherung für Arbeitsuchende hat der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Siche ![]() ![]() | |
a) Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. beziehungsweise in § 20 Abs. 1 SGB II n.F. sowohl dazu, die physische Seite des Existenzminimums sicherzustellen, als auch dazu, dessen soziale Seite abzudecken, denn die Regelleistung umfasst in vertretbarem Umfang auch die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Anderen von der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums umfassten Bedarfslagen wird im Sozialgesetzbuch Zweites Buch durch weitere Ansprüche und Leistungen neben der Regelleistung Rechnung getragen. Die Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit wird durch die Einbeziehung von Arbeitslosengeld II- und Sozialgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI und die Leistungen zur freiwilligen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II gewährleistet. Besonderer Mehrbedarf wird zum Teil nach § 21 SGB II gedeckt. § 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher.
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b) § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F., auf den § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II a.F. mit der Verweisung in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. auf § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. ("Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts") Bezug nimmt, umfasst grundsätzlich auch alle existentiellen Bedarfslagen von Kindern. Das Fehlen einer § 27 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Regelung, wonach der notwendige Lebensunterhalt bei Kindern und Jugendlichen auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen entstehenden Bedarf umfasst, bedeutet nicht, dass kinderspezifische existentielle Bedarfslagen im Sozialgesetzbuch Zweites Buch nicht berücksichtigt werden sollten. Vielmehr lässt sich auch kinderspezifischer Bedarf im Allgemeinen unter die ![]() ![]() | |
c) Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Sozialgesetzbuch Zweites Buch dazu übergegangen ist, einmaligen Bedarf, der nur in unregelmäßigen Abständen, etwa zur Anschaffung von Winterkleidung, entsteht, durch Anhebung der monatlichen Regelleistungen in der Erwartung zu decken, dass der Hilfebedürftige diesen erhöhten Anteil für den unregelmäßig auftretenden Bedarf zurückhält. Eine verfassungswidrige Unterdeckung einmaligen Bedarfs hat der Gesetzgeber mit § 23 Abs. 1 SGB II zu vermeiden versucht. Danach können Hilfebedürftige ein Darlehen erhalten, wenn ein unvermutet auftretender und unabweisbarer einmaliger Bedarf durch angesparte Mittel nicht gedeckt werden kann. Das Darlehen wird zwar in den nachfolgenden Monaten dadurch getilgt, dass der Grundsicherungsträger 10% von der Regelleistung einbehält. In Anbetracht der Ansparkonzeption des Gesetzgebers ist diese vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung jedoch im Grundsatz nicht zu beanstanden.
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2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von gerundet 345, 311 und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend erkannt werden.
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a) Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" sowie für "Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche" die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl. seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl., sub III 2 [Stand 1. Oktober 2008]). ![]() ![]() | |
Der Umstand, dass der Gesetzgeber in anderen Rechtsbereichen, zum Beispiel bei den Einkommensgrenzen im Prozesskostenhilferecht oder bei den Pfändungsfreigrenzen, andere Beträge festgesetzt hat, begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Bedarfsgerechtigkeit der Summe von 345 Euro. Der Gesetzgeber kann in anderen Bereichen unterschiedliche Wertungen nach der jeweiligen ratio legis treffen und dabei auch über das hinausgehen, was er von Verfassungs wegen denjenigen zur Verfügung stellen muss, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Aus anderen Rechtsbereichen können daher keine Rückschlüsse auf die notwendige Höhe der Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gezogen werden.
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b) Dies gilt auch für den sich aus § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. ergebenden Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (vgl. BVerfGK 8, 338 [342]). Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen ist, dass beide Partner "aus einem Topf" wirtschaften, ist es nicht zu bean ![]() ![]() | |
c) Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist.
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aa) Allerdings ist das Leistungsniveau für Kinder im Alter von 7 Jahren bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und damit auch für die meisten minderjährigen Kläger der Ausgangsverfahren gegenüber der Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz gesunken. Nach § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung 1990 betrug der Regelsatz für Kinder in diesem Alter 65% des Regelsatzes für den Haushaltsvorstand. Dies ergab mithin am 1. Juli 2003 einen Regelsatz für diese Altersgruppe von gerundet 193 Euro. Nach den statistischen Erhebungen des Vierten Existenzminimumsberichts der Bundesregierung, an die der Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch anknüpfte, machte der einmalige Bedarf bei Kindern 20% des jeweiligen Regelsatzes (d.h. ab dem 1. Juli 2003 gerundet monatlich 39 Euro) aus (vgl. BTDrucks 14/7765, S. 2). Eine Aufstockung der Regelsätze um den nunmehr durch monatliche Rücklagen zu deckenden einmaligen Bedarf hätte deshalb zu einer Regelleistung von rund 232 Euro führen müssen.
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Hieraus kann jedoch noch nicht gefolgert werden, dass der Betrag von 207 Euro für Kinder in der genannten Altersgruppe offensichtlich nicht bedarfsdeckend ist. Ausgehend von den Untersuchungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ist nicht ersichtlich, dass der Betrag von 207 Euro nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere den Ernährungsbedarf, von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu decken. In Anbetracht des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen müssen, ![]() ![]() | |
bb) Die Regelleistung für Kinder in Höhe von 207 Euro ist auch nicht deshalb evident unzureichend, weil dieser Betrag nicht der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Kinder nach § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) entspricht. Der steuerliche Abzug derartiger Aufwendungen definiert und berücksichtigt zugleich die unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen eines Steuerpflichtigen für seine Kinder; der staatliche Steuerzugriff findet seine verfassungsrechtlichen Leitlinien in Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beruht hingegen auf Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, steht jedem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft -- auch Kindern -- individuell zu und geht vom absolut notwendigen Bedarf aus. Deswegen können steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen unterschiedliche Höhe erreichen. Auch können Normen des Einkommensteuerrechts fördernden Charakter aufweisen (vgl. z.B. zum Kindergeld § 31 Satz 2 EStG) oder zusätzliche, nicht existenznotwendige Aufwendungen erfassen.
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3. Zur Bestimmung der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F., welche die Basis für die übrigen Regelleistungsbeträge bildet, hat sich der Gesetzgeber auf ein Verfahren gestützt, das im Grundsatz geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen.
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a) aa) Die Bemessung der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. folgt dem Verfahren, das für die Bemessung des Eckregelsatzes nach dem Sozialhilferecht gilt. § 28 Abs. 3 SGB XII und § 2 Regelsatzverordnung 2005 bilden damit die Grundlage für die Bemessung der Regelleistung von 345 Euro. Dies ergibt sich aus der in § 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II enthaltenen Verweisung auf § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII und findet seine Bestätigung im Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzentwurf nahm auf eine Aus ![]() ![]() | |
bb) Dass die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. tatsächlich auf dem in § 2 Regelsatzverordnung 2005 konkretisierten Verfahren der Bemessung des sozialhilferechtlichen Eckregelsatzes beruht, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Entwurf der Regelsatzverordnung 2005 mit ausführlicher Begründung erstmals etwa einen Monat nach Erlass des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt den beteiligten Verbänden übersandt und dann erst im März 2004 in der Bundesratsdrucksache 206/04 publiziert wurde. Der zeitliche Ablauf könnte zwar den Eindruck vermitteln, der Gesetzgeber sei schon auf die Endsumme von 345 Euro festgelegt gewesen, weil sie bereits im Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch vorgesehen war und der Vor-Entwurf zur Regelsatzverordnung zu einem ähnlichen Ergebnis kam. Darauf kommt es jedoch nicht an. Soweit sich die vom Gesetzgeber festgelegten Sätze auf der Grundlage belastbarer Zahlen und vertretbarer Wertungen im Ergebnis verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen, sind die entsprechenden Regelungen nicht zu beanstanden. Im Übrigen verwendete der Vor-Entwurf zur Regelsatzverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung vom 21. Juli 2003 die Methode, die in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 Eingang fand. Dieser Entwurf sowie der Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurden nach den Angaben der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung in einer interministeriellen und interfraktionellen Arbeitsgruppe beraten; dort stimmte man sich über ![]() ![]() | |
b) Das nach § 28 Abs. 3 SGB XII und § 2 Regelsatzverordnung 2005 maßgebliche Statistikmodell ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person.
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aa) Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XII die Grundregeln für das Statistikmodell festgelegt. Die Vorschrift bestimmt:
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Die Regelsatzbemessung berücksichtigt Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten. Grundlage sind die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen.
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Maßgeblich für die Festsetzung des Regelsatzes sind also die entscheidenden Faktoren des Existenzminimums: Mit den Lebenshaltungskosten werden die existenznotwendigen Aufwendungen erfasst; die Orientierung am Verbraucherverhalten auf statistischer Basis soll den physischen und soziokulturellen Bedarf auf der Ausgabenseite empirisch abbilden; die Berücksichtigung des Nettoeinkommens stellt den Bezug zu den Erwerbstätigen her. Die Konzentration der Ermittlung auf die Verhältnisse der unteren Einkommensgruppen ist sachlich angemessen, weil in höheren Einkommensgruppen Ausgaben in wachsendem Umfang über das Existenznotwendige hinaus getätigt werden.
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Das im früheren Sozialhilferecht bis Anfang der 1990er Jahre geltende Warenkorbmodell muss nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen dem verbrauchsbezogenen Ansatz des Statistikmodells vorgezogen werden. Die Berechnung des Existenzminimums anhand eines Warenkorbs notwendiger Güter und Dienstleistungen mit anschließender Ermittlung und Bewertung der dafür zu ent ![]() ![]() | |
bb) Das geltende Statistikmodell stützt sich auf geeignete empirische Daten. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, aus der sich nach § 28 Abs. 3 Satz 4 SGB XII und § 2 Abs. 1 Satz 1 Regelsatzverordnung der Eckregelsatz ableitet, liefert eine realitätsnahe Ermittlungsgrundlage. Die freiwilligen Eintragungen in den Haushaltsbüchern der befragten Referenzgruppe, welche die Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bilden, werden durch zahlreiche Kontrollfragen verifiziert. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet insofern in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab.
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Die Auswahl der Referenzgruppe, nach deren Ausgaben der Eckregelsatz bemessen wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zugrunde zu legen sind nach § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung die Verbrauchsausgaben der untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte (unterstes Quintil). Maßgeblich sind nach der Systematik der Regelsatzverordnung Einpersonenhaushalte. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, jedoch aus der Definition des Eckregelsatzes als Regelsatz für den Haushaltsvorstand oder einen Alleinstehenden in § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 Regelsatzverordnung (vgl. BRDrucks 206/04, S. 10; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 20 Rn. 23). Für die Bestimmung der für einen Alleinstehenden notwendigen Leistungen ist die Beschränkung auf ![]() ![]() | |
Der Gesetzgeber konnte nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vertretbar davon ausgehen, dass die bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag (vgl. zu diesem Kriterium bereits BVerwGE 102, 366 [369]). Die dazu vom Hessischen Landessozialgericht vorgebrachten Bedenken teilt der Senat nicht. Die Einbeziehung von Sozialhilfeempfängern und von Personen, die ihre Ausgaben nicht nur aus eigenem Einkommen, sondern auch durch Auflösung von Vermögen und Zuwendungen Dritter tätigen ("versteckte Armut") in das unterste Quintil würde in der Tat die Datenbasis verfälschen. Das Statistische Bundesamt hat jedoch in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass diejenigen Personen, die während des Zeitraums von drei Monaten, in denen sie Eintragungen in die Haushaltsbücher vornehmen, ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten haben, konsequent ausgeschlossen wurden. Was die Dunkelziffer der "versteckt armen" Haushalte anbetrifft, konnte auch der Caritasverband, der einen eigenen Vorschlag zur Bemessung der Regelleistung unter Herausrechnung dieser Haushalte unterbreitet hat, keine konkreten Angaben machen. Es ist deshalb vertretbar, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, den Anteil "versteckt armer" Haushalte auf empirisch unsicherer Grundlage zu schätzen und ![]() ![]() | |
cc) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Allerdings muss der jeweilige Abschlag sachlich gerechtfertigt sein. So kann das Existenzminimum nicht allein durch die Regelleistung, sondern durch andere soziale Leistungen, zum Beispiel zur Kostendeckung von Unterkunft und Heizung, gesichert werden; dann ist es gerechtfertigt, derartige in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfasste Ausgaben bei der Regelleistung nicht zu berücksichtigen. Aus dem gleichen Grund können auch solche Ausgaben abgesetzt werden, denen in anderen Gesetzen durch Rechtsansprüche auf Leistungen oder auf Kostenbefreiung hinreichend Rechnung getragen wird.
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Die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, hat der Normgeber sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Auch die Höhe einer Kürzung muss sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine Schätzung auf fundierter ![]() ![]() | |
Dem Statistikmodell liegt bei der Bildung des regelleistungsrelevanten Verbrauchs die Überlegung zugrunde, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen in einzelnen Ausgabepositionen vom durchschnittlichen Verbrauch abweichen kann, der Gesamtbetrag der Regelleistung es aber ermöglicht, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen auszugleichen. Der Gesetzgeber muss deshalb die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge so bestimmen, dass ein interner Ausgleich möglich bleibt.
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4. Die Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. ist nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt worden, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells, das der Gesetzgeber selbst gewählt und zur Grundlage seiner Bemessung des notwendigen Existenzminimums gemacht hat, ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden ist.
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a) Der in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgesetzte regelsatz- und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch beruht nicht auf einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998.
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aa) In ihren Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), 05 (Einrichtungsgegenstände etc.), 08 (Nachrichtenübermittlung), 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) und 12 (andere Waren und Dienstleistungen) wurden in einzelnen Ausgabepositionen (Bekleidung; Möbel und Einrichtungsgegenstände; Telefon-, Faxgeräte, Anrufbeantworter; Spiele, Spielzeuge und Hobbywaren; ![]() ![]() | |
Selbst wenn im Zeitpunkt der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 keine hinreichenden detaillierten Daten über die einzelnen Verbrauchspositionen vorhanden gewesen sein sollten, wie die Bundesregierung vorgetragen hat, rechtfertigte dies freihändige Schätzungen nicht. Vielmehr hätte eine nicht ausreichende Datengrundlage den Gesetzgeber veranlassen müssen, zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums auf geschätzte Abschläge insoweit zu verzichten. Diesen Weg hat der Verordnungsgeber später auch bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 eingeschlagen.
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bb) Die Abschläge in der Abteilung 04 (Wohnen, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe) bei der Ausgabenposition Strom (Kürzung um 15%) und in der Abteilung 07 (Verkehr) bei der Ausgabenposition Ersatzteile und Zubehör für Privatfahrzeuge (Kürzung um 80%) sind ebenfalls nicht tragfähig begründet. Zwar lassen sich den Materialien Erwägungen entnehmen, die eine Kürzung dieser Verbrauchsausgaben dem Grunde nach vertretbar erscheinen lassen. Die Abschläge sind jedoch in ihrer Höhe nicht empirisch belegt.
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So wurden Ausgaben für Strom, wie aus späteren Erläuterungen ![]() ![]() | |
Die Ausgabeposition "Ersatzteile und Zubehör für Privatfahrzeuge" umfasst Aufwendungen für Kraftfahrzeuge und für Fahrräder. Von ihr wurden 80% als Aufwand für nicht existenznotwendige Kraftfahrzeuge abgesetzt. Dem liegt die vertretbare Wertung zugrunde, dass ein Kraftfahrzeug zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht erforderlich ist. Ein Wertungswiderspruch zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wonach ein angemessenes Kraftfahrzeug als Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, liegt darin nicht. Wenn der Gesetzgeber Hilfebedürftigkeit ohne verfassungsrechtliche Verpflichtung auch bei Besitz bestimmter Vermögensgegenstände annimmt, zwingt ihn seine Entscheidung nicht zugleich, die Kosten für deren Unterhaltung bedarfserhöhend zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber hingegen den Anteil für Fahrräder berücksichtigen, denjenigen für Kraftfahrzeuge aber ausscheiden will, muss er beide Anteile realitätsgerecht ermitteln. Der Begründung zum Entwurf der Regelsatzverordnung 2005 lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf welchen empirischen Daten es beruht, dass die Ausgaben für privat genutzte Kraftfahrzeuge 80% dieser Ausgabeposition ausmachen. Auch berücksichtigt ein solcher Abschlag nicht, dass bei Einsparung der Kosten eines Kraftfahrzeugs die Kosten des Hilfebedürftigen für den öffentlichen Personenverkehr ansteigen können. Der Abschlag ist daher nicht nachvollziehbar und ungerechtfertigt.
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cc) Schließlich ist weder aus der Begründung zur Regelsatzverordnung 2005 noch aus anderen Erläuterungen ersichtlich, warum die in der Abteilung 10 (Bildungswesen) in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 erfassten Ausgaben bei der Bildung des regelleistungsrelevanten Verbrauchs vollständig unberück ![]() ![]() | |
Die nachgeschobene Erwägung der Bundesregierung, dass die Bedarfsdeckung insoweit den Ländern obliege, weil diese für das Bildungswesen zuständig seien, ist nicht tragfähig. Durch den Erlass des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG abschließend Gebrauch gemacht. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 2 SGB II, wonach die Grundsicherung für Arbeitsuchende den Lebensunterhalt sichern soll, sowie aus § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB II in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung, wonach "die nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen decken". Auch § 20 Abs. 1 SGB II, die Vorschriften über die Abgrenzung zu den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (§ 5 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 21 SGB XII) sowie die Entstehungsgeschichte des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch belegen, dass der Bundesgesetzgeber im Sozialgesetzbuch Zweites Buch das Existenzminimum vollständig sichern wollte. Der Bund trägt dementsprechend die Verantwortung für die Sicherstellung des gesamten menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Verantwortung kann er sich nicht durch eine abstrakte Verweisung auf konkurrierende Landeskompetenzen entziehen, die er den Ländern durch sein eigenes Gesetz bereits ![]() ![]() | |
Aus Art. 104a Abs. 1 GG folgt nichts anderes. Zwar besitzen die Länder im Schul- und Bildungswesen nicht nur die Gesetzgebungs-, sondern auch die Verwaltungskompetenz, so dass sie nach Art. 104a Abs. 1 GG die Ausgaben dafür zu tragen haben. Die Vorschrift verteilt jedoch zwischen den Gebietskörperschaften des Bundesstaates nur die Ausgabenlast. Die Länder haben ihre Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen zu finanzieren. Aus Art. 104a Abs. 1 GG folgt aber keine fürsorgerechtliche Pflicht, hilfebedürftige Personen, die Schulen besuchen und sonstige Bildungseinrichtungen benutzen, mit den dafür notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten. Zudem würde erst ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt die Pflicht des Bundes mindern, weil das menschenwürdige Existenzminimum von Verfassungs wegen durch Rechtsansprüche gewährleistet sein muss. Solche ergänzenden Ansprüche aufgrund von Ländergesetzen sind nicht ersichtlich.
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b) Sozialgesetzbuch Zweites Buch und Regelsatzverordnung 2005 weichen auch insofern in unvertretbarer Weise von den Strukturprinzipien der statistischen Ermittlungsmethode ab, als sie bestimmen, den nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 ermittelten Gesamtbetrag des regelleistungsrelevanten Verbrauchs entsprechend der Steigerung des aktuellen Rentenwerts im Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis zum 1. Juli 2003 auf den Stand des 1. Juli 2003 hochzurechnen, so dass aufgrund der unterbliebenen Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 Regelsatz und Regelleistung für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 nicht heraufgesetzt wurden.
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aa) Die Orientierung an der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts nach § 68 SGB VI stellt einen sachwidrigen Maßstabswechsel dar. Während die statistische Ermittlungsmethode nach § 28 Abs. 3 Satz 2 SGB XII auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten abstellt, setzt eine Fortschreibung ![]() ![]() | |
bb) Weil die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 nur Aufschluss über die zur Deckung des Existenzminimums im Jahre 1998 notwendigen Leistungen gab und die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 im Zeitpunkt der Verabschiedung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen ![]() ![]() | |
Mit dem Statistikmodell eher vereinbar wäre beispielsweise eine Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen sich der regelleistungsrelevante Verbrauch zusammensetzt. Diese Methode hat der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge anlässlich der Einführung des Statistikmodells zum 1. Juli 1990 angewandt. Auch wenn dabei die Konzentration auf das tatsächliche Ausgabeverhalten des untersten Quintils verloren geht, wird der Grundgedanke des Statistikmodells insoweit fortgeführt. Denn allgemeine Preissteigerungen bei den Gütern und Dienstleistungen werden dazu führen, dass die Kosten des untersten Quintils der Einkommensbezieher zur Abdeckung ihres Existenzminimums steigen.
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Aufschluss über statistische Veränderungen des Verbrauchsverhaltens könnten auch die Daten aus den Laufenden Wirtschaftsrechnungen der Statistischen Ämter in Deutschland bringen. Im Rahmen der Laufenden Wirtschaftsrechnungen werden bundesweit 8.000 Haushalte unter anderem zu ihren Einnahmen und Ausgaben befragt; jeweils 2.000 Haushalte führen drei Monate hintereinander ähnlich wie bei der Erhebung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ein Haushaltsbuch. Diese Daten der Laufenden Wirtschaftsrechnungen könnten sogar strukturell der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ähnliche Erkenntnisse zur Fortschreibung der Regelleistung liefern.
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5. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Er ![]() ![]() | |
Die Annahme des Gesetzgebers, dass der zur Sicherung des Existenzminimums zu deckende Bedarf für zwei Partner insgesamt 180% des entsprechenden Bedarfs eines Alleinstehenden beträgt, kann sich allerdings auf eine ausreichende empirische Grundlage stützen. Dieser Betrag beruht auf der modifizierten Differenzrechnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, die der Regelung des § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung 1990 zugrunde lag. Der Deutsche Verein hat diesen Wert ermittelt, indem er als Referenzgruppe Ehegatten ohne Kinder mit einem verfügbaren Nettoeinkommen über der Sozialhilfeschwelle gewählt, für sie den regelleistungsrelevanten Verbrauch entsprechend dem Verfahren wie bei einem Alleinstehenden bestimmt, d.h. nur die einzelnen Ausgabepositionen in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe berücksichtigt hat, die auch bei einem Alleinstehenden berücksichtigt wurden, und anschließend die Differenz zwischen den Beträgen für Ehegatten und für Alleinstehende gebildet hat. Diese Methode ist zur Bestimmung des Existenzminimums von in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnern ohne Kinder geeignet.
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6. Das von der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. abgeleitete Sozialgeld für Kinder nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. von 207 Euro genügt ebenfalls Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG nicht, weil es von der bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet ist. Darüber hinaus beruht die Vorschrift, dass das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60% der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt, auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
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a) Der Gesetzgeber hat weder für das Sozialgesetzbuch Zweites ![]() ![]() | |
aa) Ein zusätzlicher Bedarf ist vor allem bei schulpflichtigen Kindern zu erwarten. Notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten gehören zu ihrem existentiellen Bedarf. Ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen, weil sie ohne den Erwerb der notwendigen Schulmaterialien, wie Schulbücher, Schulhefte oder Taschenrechner, die Schule nicht erfolgreich besuchen können. Bei schulpflichtigen Kindern, deren Eltern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen, besteht die Gefahr, dass ohne hinreichende staatliche Leistungen ihre Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Dies ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
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bb) Die Verweisung auf die OECD-Skala in der Begründung zur Regelsatzverordnung (vgl. BRDrucks 206/04, S. 10 f.) genügt nicht zur Rechtfertigung, dass das Sozialgesetzbuch Zweites Buch hilfebedürftige Kinder lediglich in zwei Alterstufen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und von 14 Jahren bis Vollendung des 18. Lebensjahres einteilt und die Leistungen danach differenziert. Die Altersgruppeneinteilung der OECD-Skala dient lediglich als Aufteilungsschlüssel, um ein Haushaltseinkommen einzelnen Haushaltsangehörigen zuzuordnen und Armutsberechnungen im ![]() ![]() | |
cc) Die Verweisung auf die Untersuchung von Münnich/Krebs "Ausgaben für Kinder in Deutschland -- Berechnungen auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998" (Wirtschaft und Statistik 2002, S. 1080 ff.) zur Begründung der Anteile von 60% und 80% für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einerseits und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anderseits geht aus mehreren Gründen fehl. Zum einen teilt die Studie selbst Kinder in drei Altersgruppen ein (unter 6 Jahren; 6 bis 12 Jahren; 12 bis 18 Jahren; vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1090 f.). Ihr lässt sich zum anderen nicht entnehmen, dass Kinder im Alter von 14 Jahren bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres um ein Drittel höhere Ausgaben verursachen als jüngere Kinder. Sogar die allgemeiner gehaltene Aussage, dass ältere Kinder um ein Drittel höhere Ausgaben verursachen als jüngere Kinder, wird von ihr nicht getragen. Sie stellt vielmehr fest, dass sich die Ausgaben für den privaten Konsum eines Kindes generell mit steigendem Lebensalter erhöhen und dass sie im Vergleich zwischen Kindern unter 6 Jahren (1. Altersgruppe) und Kindern zwischen 12 und 18 Jahren (3. Altersgruppe) bei Alleinerziehenden mit einem Kind um mehr als ein Drittel und bei Paaren mit einem Kind fast um die Hälfte wachsen (vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1089, 1091). Die Studie befasst sich darüber hinaus gar nicht mit dem existentiellen Bedarf von Kindern. Sie untersucht die Ausgaben aller Einkommensschichten und hebt hervor, dass höhere Ausgaben in Haushalten mit älteren Kindern auch darauf zurückzuführen sind, dass deren Eltern wegen ihrer längeren Berufstätigkeit regelmäßig höhere Einkommen erzielen als die Eltern von Kleinkindern (vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1092). ![]() | |
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Für die Abweichung von § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung 1990, der seinerseits auf der modifizierten Differenzrechnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge beruhte, konnten sich das Sozialgesetzbuch Zweites Buch und die Regelsatzverordnung 2005 auf keine empirische Grundlage stützen. Eine Untersuchung des Bedarfs von kleineren und größeren Kindern hatte nicht stattgefunden. In besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig wäre vor allem die Bildung einer einheitlichen Altersgruppe von Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres gewesen, da sich der Bedarf eines schulpflichtigen Kindes in der Pubertät offensichtlich von dem Bedarf eines Säuglings oder eines Kleinkindes unterscheidet. Zudem hätte der Umstand, dass der Gesetzgeber beispielsweise im Unterhaltsrecht zwischen Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres und Kindern ab Beginn des 7. Lebensjahres differenziert (vgl. § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB n.F., § 1612a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. und § 2 Abs. 1 Satz 1 UnterhVG), Anlass gegeben, die Bildung einer einheitlichen Altersgruppe bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu hinterfragen.
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Vor allem ist ein altersspezifischer Bedarf für Kinder einzustellen, welche die Schule besuchen. Wie bereits ausgeführt macht die Zuständigkeit der Länder für das Schul- und Bildungswesen die fürsorgerechtliche Berücksichtigung dieses Bedarfs nicht entbehrlich. Die Zuständigkeit der Länder betrifft überdies den personellen und sachlichen Aufwand für die Institution Schule und nicht den individuellen Bedarf eines hilfebedürftigen Schülers. Der Bundesgesetzgeber könnte erst dann von der Gewährung entsprechender Leistungen absehen, wenn sie durch landesrechtliche ![]() ![]() | |
b) Es wäre durchaus möglich gewesen, den existentiellen Bedarf eines Kindes im Zeitpunkt der Schaffung des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch realitätsgerecht zu ermitteln. Die modifizierte Differenzrechnung, die § 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung 1990 zugrunde lag, bezog bereits das Verbrauchsverhalten von Ehepaaren mit einem Kind in die Bemessung auf der Grundlage des Statistikmodells ein. Diese Methode hätte weiterentwickelt werden können, um den kinderspezifischen Bedarf zu berücksichtigen. Bei ihrer Anwendung hätte dem Gesetzgeber hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden, seiner Pflicht zur realitätsgerechten Ermittlung des Bedarfs eines Kindes zu genügen. Spätere Entwicklungen belegen, dass eine rasche, realitätsgerechte Ermittlung des kinderspezifischen Bedarfs auf der Grundlage damals verfügbarer Daten und Methoden möglich gewesen wäre. Das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zum Beispiel eine Methode zur Bestimmung der Regelleistung für Kinder nach dem Statistikmodell für § 74 SGB II entwickelt. Das Problem, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nur haushaltsbezogene Daten liefert, Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG jedoch eine individuelle Ermittlung der notwendigen Leistungen fordert, hat es dadurch gelöst, dass es die statistischen Haushaltsausgaben, soweit sie als regelleistungsrelevant eingestuft wurden, nach einem schon im Jahre 2002 vorhandenen Verteilungsschlüssel auf Eltern und Kinder verteilt hat. Der Verteilungs ![]() ![]() | |
III.
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Die Verfassungsverstöße sind in der Zwischenzeit weder durch die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2007 (1.) noch durch die Mitte 2009 in Kraft getretenen §§ 24a und 74 SGB II (2.) beseitigt worden.
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1. a) Die Regelsatzverordnung 2007 verzichtet zwar nunmehr in den Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), 08 (Nachrichtenübermittlung) und 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) auf die Kürzung von als regelsatzrelevant bewerteten Ausgabepositionen und berücksichtigt sie zu 100% (vgl. Ausschussdrucksache 16(11)286, S. 9 f., 13 ff.). "Ins Blaue hinein" geschätzte Abschläge kommen also nicht mehr vor. Auch macht eine Aufschlüsselung der Ausgaben in der Abteilung 07 (Verkehr) für Fahrräder einerseits und Kraftfahrzeuge andererseits einen geschätzten Abschlag für Ersatzteile und Zubehör von Kraftfahrzeugen entbehrlich (vgl. Ausschussdrucksache 16(11)286, S. 13). Doch der Abschlag bei den Ausgaben für ein Kraftfahrzeug lässt weiterhin außer Acht, dass dadurch Mehrkosten für die Nutzung des öffentlichen Perso ![]() ![]() | |
b) Nach der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 unterblieb eine Erhöhung des Eckregelsatzes, weil der Verordnungsgeber den aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für das Jahr 2003 ermittelten Betrag von 345 Euro bis zum 30. Juni 2007 mit der Begründung übernahm, seit dem 1. Juli 2003 habe sich der aktuelle Rentenwert nicht erhöht. Damit setzt sich der Strukturfehler in der Fortschreibung des existenznotwendigen Bedarfs fort, der bereits der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. und dem seit dem 1. Januar 2005 geltenden Eckregelsatz anhaftete.
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2. a) Das zum 1. Juli 2009 durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70% der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil es sich von der fehlerhaft ermittelten Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ableitet. Zwar dürfte der Gesetzgeber mit der Einführung einer dritten Altersstufe und der § 74 SGB II zugrunde liegenden Bemessungsmethode (siehe oben II. 6. b)) einer realitätsgerechten Ermittlung der notwendigen Leistungen für Kinder im schulpflichtigen Alter näher gekommen sein. Den Anforderungen an die Ermittlung des kinderspezifischen Bedarfs ist er dennoch nicht gerecht geworden, weil die gesetzliche Regelung an den Verbrauch für einen erwachsenen Alleinstehenden anknüpft. Die Befristung des § 74 SGB II bis zum 31. Dezember 2011 deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber selbst ![]() ![]() | |
b) Die Regelung des § 24a SGB II fügt sich methodisch nicht in das Bedarfssystem des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch ein. Diese Leistungen für die Schule setzen voraus, dass entweder das schulpflichtige Kind oder ein Elternteil Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch haben. Der schulische Bedarf selbst kann also Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch nicht auslösen. Wie die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, liegt § 24a SGB II die Vorstellung zugrunde, der notwendige Schulbedarf gehöre nicht zu dem durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch sicherzustellenden Existenzminimum eines Kindes. Dies ist jedoch, wie bereits ausgeführt, mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Zudem hat der Gesetzgeber den notwendigen Schulbedarf eines Kindes bei Erlass des § 24a SGB II nicht empirisch ermittelt. Weder die Begründung des Entwurfs zum Familienleistungsgesetz noch die Stellungnahme der Bundesregierung geben an, wie sich der Betrag von 100 Euro pro Jahr zusammen setzt; er wurde offensichtlich freihändig geschätzt.
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IV.
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Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem unvereinbar, dass im Sozialgesetzbuch Zweites Buch eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf erforderlich, der nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.
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1. Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grund ![]() ![]() | |
2. a) Ein pauschaler Regelleistungsbetrag kann jedoch nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken. Der nach dem Statistikmodell ermittelte Festbetrag greift auf eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zurück, die nur diejenigen ![]() ![]() | |
b) Die Gesamtheit der Regelungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch erlaubt allerdings in der Regel auch die Deckung individuellen, besonderen Bedarfs. Sie ist jedoch hierzu nicht ausnahmslos im Stande. Zum einen erfassen die neben dem Festbetrag im Sozialgesetzbuch Zweites Buch vorgesehenen Leistungen nur begrenzte, nicht aber alle vorkommenden Bedarfslagen, die ihrer Art nach in der Regelleistung nicht berücksichtigt sind. So betrifft § 21 SGB II lediglich bestimmte, abschließend aufgezählte (vgl. BSGE 100, 83 [91 Rn. 43]) Bedarfslagen. Durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II wiederum können nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden. Zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs ist die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (vgl. auch BSGE 97, 242 [248 f. Rn. 20]). Auch § 73 SGB XII bietet in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefunden hat, keine Gewähr, dass sämtliche atypischen Bedarfslagen berücksichtigt werden. Das Bundessozialgericht hat einen solchen Bedarf, der die Anwendung des § 73 SGB XII rechtfertigt, bislang nur für Kosten angenommen, die einem geschiedenen Elternteil zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit entfernt lebenden Kindern entstehen (vgl. BSGE 97, 242 [249 ff., Rn. 21 ff.]). Im Übrigen ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob und in welchen Fällen zusätzliche Leistungen nach § 73 SGB XII in Betracht kommen können (vgl. Gerenkamp/Kroker, NZS 2008, S. 28 [29]; Münder, NZS 2008, S. 617 [620]; siehe auch oben A. I. 4. b)). Für einen atypischen Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II und der genannten zusätzlichen Hil ![]() ![]() | |
Zum anderen vermag die Regelleistung des § 20 SGB II nicht denjenigen besonderen, laufenden, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf zu erfassen, der zwar seiner Art nach berücksichtigt wird, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Tritt in Sondersituationen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auf, erweist sich die Regelleistung als unzureichend. Auch hier können einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf ist das indessen nicht mehr möglich. Deshalb bedarf es neben den in §§ 20 ff. SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Er entsteht erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen -- einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen -- das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Dieser zusätzliche Anspruch dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen.
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Der Gesetzgeber hat wegen dieser Lücke in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur Deckung dieses besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzugeben.
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D. -- I. | |
1. Die vorgelegten Vorschriften über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. sind mit dem Grundgesetz für unvereinbar zu erklären (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Eine Nichtigerklärung (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 BVerfGG) würde dazu führen, dass es an der nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erforderlichen ![]() ![]() | |
Da nicht festgestellt werden kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. Er muss vielmehr ein Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben durchführen und dessen Ergebnis im Gesetz als Leistungsanspruch verankern.
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Wegen des gesetzgeberischen Gestaltungsermessens ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, aufgrund eigener Einschätzungen und Wertungen gestaltend selbst einen bestimmten Leistungsbetrag festzusetzen. Die verfassungswidrigen Normen bleiben daher bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiterhin anwendbar.
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2. a) Die genannten Rechtsfolgen sind im Interesse der Rechtsklarheit nach § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 78 Satz 2 BVerfGG auch für die späteren Fassungen und die Nachfolgeregelungen der vorgelegten Vorschriften auszusprechen (vgl. BVerfGE 99, 202 [216]; 216 [243]; 104, 126 [150]; 120, 125 [166 f.], jeweils m.w.N.). Die Gründe, die zur Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. führen, treffen sowohl auf die -- lediglich redaktionell geänderten -- Vorschriften des § 20 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB II in ![]() ![]() | |
b) Die Regelung des § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II über die Anpassung der Regelleistung zwischen den alle fünf Jahre erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichproben nach der Veränderung des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI), auf der die genannten Bekanntmachungen beruhen, ist zwar nicht eigenständiger Gegenstand der Vorlagen. Die Anpassungsregelung ist jedoch nach den Ausführungen zu C. II. 4. b) nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber wird einen anderen Anpassungsmechanismus finden müssen, um seiner aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Pflicht zur fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung der festgesetzten Leistungen bei sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu genügen.
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3. Obwohl die Definition des durch die Regelleistung abgedeckten Bedarfs in § 20 Abs. 1 SGB II a.F. und in § 20 Abs. 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. C. II. 1.), müssen diese Regelungen in die Erklärung der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz aufgenommen werden, da sie die in nicht verfassungskonformer Weise ermittelten Regelleistungsbeträge inhaltlich mitbestimmen (vgl. oben B. I. 1. a) cc)).
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4. a) Der Gesetzgeber hat die Regelleistung in einem verfas ![]() ![]() | |
b) Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend für die Zeit ab Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch am 1. Januar 2005 neu festzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber einen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtszustand nicht rückwirkend beseitigen, wenn dies einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung zuwiderläuft oder die Verfassungsrechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 120, 125 [168] m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch für die im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Nach welchen verfassungsrechtlichen Maßstäben im Einzelnen sich die Bemessung solcher Leistungen richtet, war in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bislang nicht geklärt. Die rückwirkende Neufestsetzung etwaiger höherer Leistungen für den gesamten Zeitraum ab dem 1. Januar 2005 hätte zudem wegen der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X unvertretbare fiskalische Wirkungen. Von einer Rückwirkung der Neuregelung kann der Gesetzgeber absehen, weil im Hinblick auf die beanstandeten Vorschriften eine evidente Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht feststellbar ist, sondern diesen allein ein nicht realitätsgerechtes Verfahren der Ermittlung des Existenzminimums zugrunde liegt.
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5. Da die bisherigen Regelungen zunächst fortgelten und der Gesetzgeber nur verpflichtet ist, die Regelleistung mit Wirkung für die Zukunft neu festzusetzen, müssen die Ausgangsverfahren nicht bis zur Neuregelung des Gesetzgebers ausgesetzt bleiben. Gleiches gilt für andere Verwaltungsverfahren und sozialgerichtliche Verfahren, in denen die Höhe der gesetzlichen Regelleistung im Streit steht. Es steht vielmehr für alle Leistungszeiträume, die nicht von der gesetzgeberischen Neuregelung erfasst werden, fest, dass die Hilfebedürftigen nicht deshalb (höhere) Leistungen erhalten können, weil die gesetzlichen Vorschriften über die Höhe der Regelleistung mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften und ihrer Nachfolgeregelungen ist jedoch bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen.
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II.
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Der Gesetzgeber ist ferner verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 eine Regelung im Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu schaffen, die sicherstellt, dass besonderer Bedarf nach Maßgabe der Ausführungen zu C. IV. gedeckt wird. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger besonderer Bedarf vorliegt, müssen aber auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Andernfalls läge eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG vor, die auch nicht vorübergehend hingenommen werden kann. Zwar bleiben die mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbaren Vorschriften über die Höhe der gesetzlichen Regelleistung nach den vorstehenden Ausführungen weiterhin anwendbar und müssen nicht rückwirkend ersetzt werden. Hinsichtlich der im Sozialgesetzbuch Zweites Buch gegenwärtig fehlenden Härtefallklausel zur Deckung dieses besonderen Bedarfs ist jedoch eine andere ![]() ![]() | |
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