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Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.
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2. Die Vorschriften des §§ 22, 23 KunstUrhG bieten ausreichenden Raum für eine Interessenabwägung, die der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG andererseits Rechnung trägt.
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3. Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters. Jedoch ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig.
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Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt.
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Eine spätere Berichterstattung ist jedenfalls unzulässig, wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden. Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.
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Urteil | |
des Ersten Senats vom 5. Juni 1973 auf die mümdliche Verhandlung vom 2. und 3. Mai 1973
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-- 1 BvR 536/72 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn W... ... gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 1972 - 9 U 552/72 -, b) das Urteil des Landgerichts Mainz vom 8. Juni 1972 - 1 O 128/72 -.
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Entscheidungsformel:
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2. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz, unter Androhung einer im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe untersagt, das Dokumentarspiel "Der Soldatenmord von Lebach" bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zur Hauptsache auszustrahlen, soweit darin die Person des Antragstellers und Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.
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Zur Entscheidung über die Kosten in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung wird die Sache an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.
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3. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten.
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Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung eines Antrags des Beschwerdeführers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch zivilgerichtliche Entscheidungen. Durch die begehrte einstweilige Verfügung sollte dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) untersagt werden, ein von ihm produziertes Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin der Beschwerdeführer dargestellt oder sein Name erwähnt wird.
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I.
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Der 1945 geborene Beschwerdeführer war an einer schweren Straftat, dem sog. Soldatenmord von Lebach, beteiligt, die Gegenstand eines Schwurgerichtsverfahrens war. Die beiden Haupttäter waren untereinander und mit dem Beschwerdeführer befreundet, wobei die Beziehungen zum Teil eine homosexuelle Komponente hatten. Die drei jungen Männer strebten die Gründung einer Lebensgemeinschaft außerhalb der von ihnen abge ![]() ![]() | |
Das Schwurgericht verurteilte am 7. August 1970 die beiden Haupttäter zu lebenslangen Freiheitsstrafen, den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren. Es sah eine strafbare Beihilfe des Beschwerdeführers zu den Tötungsdelikten darin, daß er einem der Haupttäter die Handhabung der Pistole erläutert hatte, die dieser später bei dem Überfall benutzte, eine Beihilfe zur versuchten Erpressung in der Billigung des an den Finanzmakler gesandten Briefes. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Schwurgericht zugunsten des bis dahin nicht vorbestraften Beschwerdeführers, daß er eher Mitläufer als treibende Kraft des Unternehmens und sein Tatbeitrag wie das Maß seiner Schuld im Verhältnis zu den Haupttätern gering gewesen sei; er habe durch Bekanntgabe des Waffenverstecks wesentlich zur Aufklärung des Verbrechens beigetragen, sei in vielen Punkten geständig gewesen und bereue offensichtlich sein eigenes Unrecht und das gesamte Tatgeschehen. Auch ergäben sich aus seinem Vorleben, seiner unselbständigen, gehemmten Persönlichkeit und der irrational begründeten gefühlsbestimmten Abhängigkeit von einem der Haupttäter Milderungsgründe. Die Strafe sei in der verhängten Höhe notwendig, um im günstigen Sinne auf ihn einzuwirken, und geeignet, ihn von künftigen Rechtsbrüchen abzuhalten.
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II.
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1. Das Gewaltverbrechen von Lebach erregte in der deutschen Öffentlichkeit ungewöhnliches Aufsehen, zumal da die Fahndung nach den Tätern sich mehrere Monate hinzog. Über die Tat, die umfangreichen Fahndungsmaßnahmen und über das Strafverfahren wurde in Presse, Hörfunk und Fernsehen eingehend berichtet.
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Noch vor dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erschien ein von dem Leiter der Hauptabteilung Dokumentarspiel des ZDF Jürgen Neven-du Mont und dem Leitenden Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt Karl Schütz unter Mitarbeit von Rainer Söhnlein verfaßtes Buch über den Fall.
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Neven-du Mont und Söhnlein verfaßten ferner für das ZDF das Drehbuch für ein Dokumentar-Fernsehspiel "Der Soldatenmord von Lebach", das unter der Regie von Söhnlein produziert und im Frühjahr 1972 fertiggestellt wurde. Nach dem vom Oberlandesgericht festgestellten - unstreitigen - Sachverhalt soll das Spiel im Programm des ZDF voraussichtlich an einem Freitagabend als zweiteilige, von Kurznachrichten unterbrochene Sendung in einer Gesamtdauer von 2 Stunden und 40 Minuten ausgestrahlt werden. Der erste Teil des Spiels stellt die Beziehungen innerhalb der Freundesgruppe, die Planung des Überfalls und seine Ausführung dar. Der zweite Teil behandelt vor allem die Fahndung und Ermittlung der Täter, ferner den Erpressungsversuch. Der Beschwerdeführer wird ebenso wie die Haupttäter eingangs im Bilde vorgeführt, sodann von einem Schauspieler dargestellt. Sein Name wird während des ganzen Spiels immer wieder genannt.
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2. Der Beschwerdeführer sieht in der geplanten Ausstrahlung des Fernsehspiels eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlich ![]() ![]() | |
a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch seine Beteiligung an der Straftat für einen begrenzten Zeitraum als "relative Person der Zeitgeschichte" anzusehen. Die Tat sei besonders durch die Gruppenbildung von grundsätzlicher gesellschaftspolitischer Bedeutung und habe ein starkes Interesse der Öffentlichkeit an den psychologischen und soziologischen Hintergründen erregt. Als Mitglied der Tätergruppe müsse der Beschwerdeführer die Fortsetzung der öffentlichen Erörterung auch in der Einkleidung in eine Filmhandlung dulden, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht seinem Tatbeitrag zukomme. Da die Geschehnisse bereits bekannt seien und das Spiel nach dem Vortrag des ZDF ohne Entstellung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers den wirklichen Fall dokumentarisch einwandfrei darstelle, sei ein wesentlicher zusätzlicher Eingriff in seine Privatsphäre oder eine Gefährdung seiner Resozialisierung nicht zu befürchten.
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b) Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 1972 (NJW 1973, S. 251 = JZ 1973, S. 279) ist im wesentlichen wie folgt begründet: Im vorliegenden Fall sei eine Güterabwägung vorzunehmen zwischen dem Recht am eigenen Bild im Sinne von §§ 22 und 23 KUG, das als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter den Wertvorstellungen der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zu sehen sei, und dem Bedürfnis nach sachgerechter bildmäßiger Information über im öffentlichen Interesse stehende Personen, das in § 23 KUG anerkannt und im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit und Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk auszulegen sei. Aus der letztgenannten Verfassungsnorm ergebe sich ![]() ![]() | |
Der Beschwerdeführer sei durch seine erhebliche Verstrickung in die Tat insoweit relative Person der Zeitgeschichte geworden und sei dies auch noch im Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils. Für diese Frage komme es entscheidend darauf an, daß nach der Überzeugung des Gerichts noch ein nicht unerhebliches Interesse der Bevölkerung an dem Tatgeschehen und der Person des Beschwerdeführers bestehe. Der Überfall nehme im Bewußtsein der meisten Bürger der Bundesrepublik eine Sonderstellung ein. Eine wahrheitsgemäße, sachgerechte Unterrichtung darüber sei aber nicht denkbar, wenn man bei der Darstellung der einzelnen Vorgänge die Person des Beschwerdeführers auslasse.
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Berechtigte Interessen des Beschwerdeführers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG stünden dem Vorhaben des ZDF nicht entgegen. Der Gesichtspunkt der Resozialisierung könne nicht abstrakt der Freiheit der Massenmedien gemäß Art. 5 Abs. 1 GG entgegengehalten, sondern nur bei der konkreten Interessenabwägung berücksichtigt werden. Danach verdiene hier das Recht zur Information über Angelegenheiten öffentlichen Interesses auch dann den Vorrang, wenn mit einer vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers im Juli 1973 zu rechnen sei. Die bei Darstellungen in Form von Dokumentarspielen aus dramaturgischen Gründen mögliche Gefahr einer verfälschten Wiedergabe sei vermieden. Die an sich aus der Massenwirkung von Fernsehsendungen folgende Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich sei dadurch gemindert, daß die Bevölkerung in der Heimatstadt des Beschwerdeführers mit der Tat und der Person des Täters wesentlich vertrauter sei als der Durchschnitt der anderen Fernsehzuschauer. Zwar halte es das Gericht für ausgeschlossen, daß die ![]() ![]() | |
III.
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1. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die angefochtenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, und begründet dies wie folgt:
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Das Oberlandesgericht lasse die Zeichnung eines Lebensbildes des Beschwerdeführers zu, die selbst auf den persönlichsten Intimbereich keine Rücksicht nehme, ihn in beschämender, erniedrigender Weise bloßstelle und ein Klima schaffe, das es dem Beschwerdeführer unmöglich mache, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Das Menschenbild des Grundgesetzes lasse keinen Raum für die Auffassung, Straftäter müßten noch nach Verbüßung der von Rechts wegen über sie verhängten Strafe eine zusätzliche Deklassierung derart hinnehmen, daß sie vor Millionen von Fernsehzuschauern an einen "modernen Pranger" gestellt werden dürften. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrheitsfindung im Prozeß und an der Wiederherstellung des Rechtsfriedens sei spätestens mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang damit entfallen. Eine wahrheitsgemäße sachgerechte Unterrichtung über die Tat sei auch ohne Einbeziehung des Beschwerdeführers denkbar. Zudem tauche in dem Film nirgends die eigentliche Beihilfehandlung auf, derent ![]() ![]() | |
2. Der Bundesminister der Justiz hat namens der Bundesregierung wie folgt Stellung genommen:
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Bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung seien die Umstände des Einzelfalls entscheidend, wobei auch dem Gedanken der Resozialisierung ein hoher Wert zuzumessen sei. Hier trage die zusammenfassende Darstellung des Verbrechens als solchem einschließlich seiner weit zurückreichenden Vorgeschichte in Form eines Dokumentarspiels auch noch längere Zeit nach Rechtskraft des Strafurteils einem legitimen Informationsbedürfnis Rechnung. Jedoch sei bei einem Straftäter, der nur relative Person der Zeitgeschichte sei, ein vorrangiges Publikationsinteresse an der Namensnennung und der persönlichen Darstellung nur für eine beschränkte Zeit nach Rechtskraft des Straferkenntnisses anzuerkennen. Bei einem Dokumentarspiel, das wie das vorliegende eine sehr eingreifende Darstellung des Persönlichkeitsbildes des Straftäters enthalte und eine große öffentliche Resonanz hervorrufen werde, gelte dies unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungsarbeiten nur für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten. Ein zeitlich weiter reichendes Publikationsinteresse könne im Einzelfall gegeben sein, bedürfe aber eines eindeutigen sachlichen Nachweises, der etwa aus einer - hier fehlenden - anhaltenden öffentlichen Erörterung der Straftat in den anderen Massenkommunikationsmitteln, aber auch aus neu hinzutretenden Ereignissen herzuleiten sei, welche die Tat in einem neuen Licht erscheinen ließen.
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Der Beschwerdeführer müsse danach auch heute noch die Darstellung des Überfalls und seiner Vorgeschichte dulden, dagegen nicht mehr das Zeigen seines Bildes und die Nennung seines Na ![]() ![]() | |
3. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hat namens der Landesregierung nach Anhörung örtlicher Behörden zu der Frage Stellung genommen, wie sich die Sendung des Dokumentarspiels auf die Einstellung der Einwohner der Heimatstadt des Beschwerdeführers und auf die Resozialisierung des Beschwerdeführers voraussichtlich auswirken würde. Danach stoße in der Heimatstadt des Beschwerdeführers ein Mann mit homosexueller Veranlagung auf allgemeine Ablehnung und Verachtung der Bürger. Werde der Beschwerdeführer auf Grund des Dokumentarspiels als Homosexueller abgestempelt, so werde dies zu seiner völligen gesellschaftlichen Isolierung nach seiner Entlassung führen. Insbesondere werde seine Eingliederung ins Arbeitsleben behindert und der beabsichtigte Anschluß an Sport- und Musikgruppen unmöglich. Insgesamt würde die Ausstrahlung des Spiels die Resozialisierung des Beschwerdeführers zumindest wesentlich erschweren und eine lang andauernde Prangerwirkung für ihn und seine Familienangehörigen nach sich ziehen.
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4. Das ZDF hält die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich unbegründet und führt hierzu aus:
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Eine Fernsehanstalt wie das ZDF sei in besonderem Maße legitimiert, das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an sachgerechter, umfassender Information über ein Ereignis der Zeitgeschichte, wie es der Lebach-Fall sei, durch eine dokumentarische Darstellung zu befriedigen. Entsprechend der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des ZDF wolle die Sendung in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Die Sendung solle die soziologischen und psychologischen Hintergründe der Tat ![]() ![]() | |
In Anbetracht der geringen Erfolge, die die Bemühungen um die Wiedereingliederung Straffälliger bisher erbracht hätten, dürfe das Resozialisierungsinteresse nicht überbewertet werden. Die Resozialisierung des Beschwerdeführers werde überdies durch das Dokumentarspiel nicht nennenswert gefährdet. Die Sendung enthalte eine diskrete und distanzierte Sachdarstellung unter Absage an jede Sensationshascherei. Sie differenziere zwischen den Beteiligten und lasse den Beschwerdeführer nur als Gehilfen erscheinen. Sie trage zur Information und Meinungsbildung in Form einer künstlerischen Darbietung bei, so daß sich das ZDF auch auf den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG berufen könne.
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Folge man dem Beschwerdeführer, so werde ein breites Informationsfeld für den "mündigen" Bürger, den Art. 5 GG im Auge habe, gesperrt. Auch der Vorschlag, Dokumentarspiele über Straf ![]() ![]() | |
Für die nur in beschränktem Umfang zulässige verfassungsgerichtliche Prüfung seien die Feststellungen der Zivilgerichte bindend, daß der Beschwerdeführer noch relative Person der Zeitgeschichte sei, das Publikum ihn noch in lebendiger Erinnerung habe und daß das Dokumentarspiel kein negativ verfälschendes Bild des Beschwerdeführers zeichne.
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5. Das Bundesverfassungsgericht hat noch einer Reihe weiterer Stellen und Organisationen Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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a) Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshofs über die Fernsehsendung "Vor unserer eigenen Tür" (NJW 1966, S. 2353) hingewiesen. Danach sind bei der Bildberichterstattung über Personen und ihre Lebensverhältnisse die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts notwendigen Grenzen anders und enger zu setzen als bei der Wort- und Schriftberichterstattung. Die Vorführung eines Personenbildes im Fernsehen unter gleichzeitiger Namensnennung und unter negativer Qualifizierung habe eine derart soziale Prangerwirkung, daß sie auch ein früherer Schwerverbrecher nicht zu dulden brauche.
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b) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) hat darauf hingewiesen, daß die Rundfunkanstalten der ARD sich grundsätzlich zur Information über gegenwärtige Geschehnisse in Form künstlerisch gestalteter Dokumentarspiele für berechtigt hielten. Bei solchen Dokumentarspielen entstandene Interessenkonflikte seien im Einzelfall geregelt worden.
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c) Der Deutsche Presserat und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger haben hervorgehoben, daß die Presse bis heute ![]() ![]() | |
d) Nach Auffassung des Deutschen Journalisten-Verbandes hat bei einem jahrelangen Abstand von der Straftat und nach erfolgter Sühne das Informationsinteresse der Öffentlichkeit keinen Bestand mehr. Aber auch das erklärte Ziel einer Meinungsbildung - hier etwa die zudem anfechtbare psychologische Deutung der Tat aus der homosexuellen Veranlagung des Täterkreises - widerspreche der Resozialisierung als dem Hauptziel des modernen Strafvollzugs und rechtfertige zumal bei einem Tatbeitrag von untergeordneter Bedeutung nicht einen so folgenschweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, wie ihn das in Rede stehende Dokumentarspiel bedeute.
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e) Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat ausgeführt, in welchem Umfang über eine Person der Zeitgeschichte berichtet werden dürfe, müsse unter Berücksichtigung der spezifischen Mittel und Wirkungen des jeweiligen Mediums beurteilt werden. Die Wirkung von Fernsehsendungen auf den Zuschauer sei sehr viel stärker als bei Wort-Bild-Darstellungen in der Presse. Hinsichtlich der Art und Weise der Darstellung mache es einen Unterschied, ob lediglich ein Ereignis bildlich wiedergegeben oder ein Lebensbild gezeichnet werde. Insgesamt sollten Ereignisse wie das Geschehen in Lebach der Berichterstattung offenstehen, auch wenn seitdem Jahre vergangen seien. Solche Verbrechen würfen Fragen auf, die in einer offenen Gesellschaft diskutiert werden müßten. Eine Erörterung darüber erschwere auch nicht generell die Resozialisierung der Täter.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat durch einstweilige Anordnung vom 13. März 1973 dem ZDF untersagt, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde das Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin die Person des Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.
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2. Das Bundesverfassungsgericht hat das Dokumentarspiel in Augenschein genommen. Es hat weiter in der mündlichen Verhandlung die Sachverständigen Regierungsdirektorin Dr. Einsele, Frankfurt, Professor Dr. Lüscher, Konstanz, und Diplompsychologe Possehl, Diez/Lahn, darüber gehört, wie Fernsehsendungen über abgeurteilte schwere Straftaten nach Art des Dokumentarspiels vom Standpunkt des Strafvollzuges und der Sozialpsychologie zu beurteilen sind, namentlich welche Wirkungen von solchen Sendungen im Hinblick auf die Resozialisierung der dargestellten verurteilten Täter und speziell des Beschwerdeführers zu erwarten sind.
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a) Die Sachverständige Dr. Einsele hat aus der Sicht des Strafvollzuges ausgeführt:
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Die Zielsetzung des Strafvollzugs habe sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den rationalen Zweck, die Gesellschaft durch Resozialisierung oder Sozialisation vor dem Rückfalltäter zu schützen, konzentriert. Wirklich vollendet werden könne die Sozialisation erst, wenn die Wiedereingliederung des Straffälligen in die normale, freie Gesellschaft gelinge. Dies erfordere nicht nur innere Einsicht und die bei dem heutigen meist labilen Täterkreis notwendige Stärkung des Selbstvertrauens; der Entlassene bedürfe auch entscheidend der Selbstbestätigung durch die Umwelt. Werde ein Täter kurz vor seiner wahrscheinlichen Entlassung noch einmal mit vollem Namen und mit seinem Bild im Zusammenhang mit einer aufsehenerregenden Straftat der Öffentlichkeit vorgestellt, so müsse das in einer inneren und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in einer äußeren Katastrophe ![]() ![]() | |
Der Abschreckungseffekt, den das Dokumentarspiel erzielen wolle, sei nach den Erfahrungen im Strafvollzug bei dem in Betracht kommenden Täterkreis nur sehr gering zu veranschlagen. Viel ernster zu nehmen sei die Gefahr, daß der nicht akzeptierte oder mit Haß aufgenommene Täter aus einer tiefen Verunsicherung heraus sich selbst aufgebe und erneut zum Außenseiter und also potentiellen Straftäter werde. Zu bedenken sei auch, daß das Dokumentarspiel den Beschwerdeführer zur Zeit der Tat zeige und völlig unberücksichtigt lasse, was in der Zwischenzeit mit ihm geschehen sei. Vor der Umwelt stehe er nach dem Film im vollen Lichte seines damaligen Seins, als einer von den Dreien, die an der furchtbaren Tat beteiligt gewesen seien. Beim Beschwerdeführer komme zur Darstellung der Tat noch die seiner Homosexualität hinzu. Die Abwehr gegen dieses Sexualverhalten sei in der Öffentlichkeit noch sehr stark.
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b) Der Sachverständige Professor Dr. Lüscher hat vom Standpunkt der Sozialpsychologie und der Kommunikationswissenschaft aus besonders auf folgendes hingewiesen:
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Die Wirkungsforschung habe die Erkenntnis erbracht, daß durch Massenkommunikation in erster Linie bereits vorhandene Einstellungen verstärkt würden. In Bereichen, in denen noch keine feste Meinung gebildet worden sei, komme vor allem die Glaubwürdigkeit des Kommunikators ins Spiel. Diese Glaubwürdigkeit besitze das Fernsehen im Vergleich zu anderen Medien in hohem Maße. Außerdem werde bei unentschiedenen Personen eine Meinung eher akzeptiert, wenn sie als diejenige der Mehrheit dargestellt werde. Eine Art allgemeinen Abschreckungseffekt erziele das Dokumentarspiel vermutlich nicht, denn die Tatsache, daß generell Einstellungen schwer veränderbar seien, treffe für ![]() ![]() | |
Nach ihrem Inhalt hebe die Sendung die Homosexualität als Erklärung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten (z.B. Kleinstadtmilieu) einseitig hervor. Das sei deswegen von großer Bedeutung, weil hinsichtlich dieses Elements der Beschwerdeführer ein gleichwertiger Träger der dramatischen Handlung sei. Die Gefahr, daß er deswegen von vielen Zuschauern in bezug auf die Tat als letztlich gleichwertiger Täter gesehen werde, lasse sich nicht von der Hand weisen. Sofern die homosexuellen Beziehungen als psychosoziale Erklärung der Tat verstanden und akzeptiert würden, könne die erstrebte Differenzierung zwischen den Beteiligten kaum erreicht werden.
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Das Dokumentarspiel solle nach den Intentionen der Produzenten in erster Linie der Erklärung des Geschehens dienen. Dies entspreche den augenblicklichen Erwartungen des Publikums, das im jetzigen Zeitpunkt an einer Gesamtinterpretation der Tat und der damit zusammenhängenden sozialen Probleme interessiert sei. Weite Teile des Publikums würden das Dokumentarspiel als objektive und abschließende Bewertung des Falles beurteilen und die angebotenen Erklärungen sowohl auf die betroffenen einzelnen Personen wie auch auf analoge Fälle beziehen und in ihre generelle Einstellung aufnehmen. Unter diesen Umständen sei zu bedenken, ob dann nicht die realistische Darstellung der Fakten und deren Authentizität in erster Linie die Funktion habe, die ![]() ![]() | |
Hinsichtlich der Namensnennung in derartigen Sendungen sei zu unterscheiden: Je mehr die Sendung den Charakter eines Spieles habe, desto weniger sei die Namensnennung nötig. Je mehr sich die Sendung auf eine dokumentarische Darstellung beschränke, also Berichterstattung sei, desto stärker müßten individuelle Momente einbezogen werden.
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c) Der Sachverständige Possehl, der als Anstaltspsychologe in der Strafanstalt tätig ist, in der der Beschwerdeführer seine Strafe verbüßt, und den Beschwerdeführer eingehend exploriert hat, ist der Ansicht, daß eine Ausstrahlung des Dokumentarspiels die Lebensangst des Beschwerdeführers, seine Neigung zu sozialer Selbstisolierung und seine Minderwertigkeitsgefühle verstärken würde. Die Sendung würde den heterosexuellen Beschwerdeführer eindeutiger als bisher mit der Homosexualität assoziieren, obwohl diese wahrscheinlich beim gesamten Tatkomplex nur eine akzidentelle Rolle gespielt habe, ihn aber auch mit der Tat in besonderem Maße identifizieren. Die Folge wäre, daß ihn die soziale Umwelt stärker als ohne die Ausstrahlung der Sendung ablehnen würde und sein Anschluß an Frauen in Frage gestellt werde. Damit werde ein Rückfall in irgendeine, nicht vorhersehbare Form der Kriminalität wahrscheinlich. Eine Ausstrahlung des Fernsehspiels sei daher als in hohem Maße rückfallfördernd anzusehen. Dagegen sei die Prognose einer Resozialisierung für den Beschwerdeführer recht günstig, wenn die Belastungen von außen gering blieben.
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Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Gerichtsentscheidungen, die in einem zivilgerichtlichen Verfahren ergangen sind und auf der Anwendung von Vorschriften des Privatrechts be ![]() ![]() | |
II.
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Im vorliegenden Fall ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, daß mehrere Grundrechte auf die Anwendung des einfachen Rechts einwirken, und zwar in entgegengesetzter Richtung: Es handelt sich um eine Spannungslage zwischen dem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Persönlichkeit und der Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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1. Auf der einen Seite berührt eine Fernsehsendung der hier vorliegenden Art über die Entstehung, Ausführung und Verfolgung einer Straftat unter Namensnennung, Abbildung und Darstellung des Straftäters zwangsläufig den Schutzbereich seiner ![]() ![]() | |
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht freilich nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz der genannten Grundrechte (vgl. BVerfGE 6, 389 [433]; 27, 1 [7]; 27, 344 [351]; 32, 373 [379]; 33, 367 [376 f.]; 2 BvR 454/71 B II 1). Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Sein oder Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens berührt, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich ergeben, soweit dieser nicht zum unantastbaren innersten Lebensbereich gehört. Ein solcher Sozialbezug kann bei entsprechender Intensität namentlich Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit zulassen - vgl. etwa die Veröffentlichung von Bildern verdächtiger Personen im Interesse der Strafverfolgung (§ 24 KUG). Jedoch rechtfertigt weder das staatliche Interesse an der Auf ![]() ![]() | |
Diese in der Rechtsprechung zu Maßnahmen öffentlicher Gewalt entwickelten Grundsätze müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um die gerichtliche Entscheidung über kollidierende Interessen nach Vorschriften des Privatrechts handelt. Damit wird die Berücksichtigung der Sonderstellung, die den Medien des Hörfunks und Fernsehens kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation und öffentlichen Aufgabe zukommt, nicht ausgeschlossen.
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2. Insoweit fällt hier, wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorgehoben hat, maßgebend ins Gewicht, daß die streitige Sendung einer Funktion dienen soll, deren freie Wahrnehmung ihrerseits in der Verfassung unmittelbar durch eine Grundrechtsnorm geschützt ist. Die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) ist ebenso wie die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 7, ![]() ![]() | |
Hörfunk und Fernsehen gehören in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen sowohl für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen wie für deren Kontrolle als auch für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt. Sie verschaffen dem Bürger die erforderliche umfassende Information über das Zeitgeschehen und über Entwicklungen im Staatswesen und im gesellschaftlichen Leben. Sie ermöglichen die öffentliche Diskussion und halten sie in Gang, indem sie Kenntnis von den verschiedenen Meinungen vermitteln, dem Einzelnen und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit geben, meinungsbildend zu wirken, und sie stellen selbst einen entscheidenden Faktor in dem permanenten Prozeß der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dar (vgl. BVerfGE 12, 113 [125]; 12, 205 [260]). Trotz der engeren Fassung des Wortlauts ("Berichterstattung") unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit; sie gilt in gleicher Weise für rein berichtende Sendungen wie für Sendungen anderer Art. Information und Meinung können ebensowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung vermittelt werden wie durch Nachrichten oder politische Kommentare; jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung (vgl. BVerfGE 12, 205 [260]; 31, 314 [326]). Ebensowenig läßt die Rundfunkfreiheit von vornherein eine Unterscheidung der Sendungen nach dem jeweils verfolgten Interesse oder der Qualität der Darbietung zu; eine Beschränkung auf "seriöse", einem anerkennenswerten privaten oder öffentlichen Interesse dienende Produktion liefe am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus, die dem Wesen dieses Grundrechts gerade widersprechen würde (vgl. BVerfGE 25, ![]() ![]() | |
Erst wenn die Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen. Die Verfassung hat den möglichen Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit und dadurch betroffenen Interessen von einzelnen Bürgern, von Gruppen oder der Gemeinschaft durch Verweisung auf die allgemeine Rechtsordnung geregelt; nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die damit gebotene Rücksicht auf andere Rechtsgüter jedoch die Rundfunkfreiheit nicht relativieren; vielmehr sind die die Rundfunkfreiheit beschränkenden Gesetze ihrerseits im Blick auf die Verfassungsgarantie auszulegen und gegebenenfalls selbst wieder einzuschränken, um der Rundfunkfrei ![]() ![]() | |
III.
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1. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gehören auch die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl. S. 7), die gemäß § 141 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) weitergelten. Diese Rechtsvorschriften, die sich nach ihrem Wortlaut und ursprünglichen Sinn nur auf das Recht am eigenen Bild bezogen, sind seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt worden, daß sie sowohl für die Abbildung mit und ohne Namensnennung wie für die Darstellung einer Person durch einen Schauspieler auf der Bühne, im Film oder im Fernsehen gelten (vgl. u. a. KG, JW 1928, S. 363; BGHZ 26, 52 [67] - Sherlock Holmes -; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 298; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, Juristische Blätter [Wien] 1962, S. 1 ff., 65 ff. [67 f.]). Das Gesamtverständnis der Vorschriften hat sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes dahin gewandelt, daß das Recht am eigenen Bild als ein Ausschnitt, eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen wird, das aus Art. 1 und 2 GG entwickelt worden ist (vgl. hierzu 1 BvR 112/65, Umdruck A 3, C I 2 und 3; BGHZ 20, 345 [347] - Paul Dahlke -; BGH, NJW 1962, S. 1004 [1005] - Doppelmörder - und 1971, S. 885 [886] - Petite Jacqueline -).
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Diese Vorschriften sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; ihre relativ flexible Gestaltung bietet ausreichenden Raum für eine der Verfassung entsprechende Anwendung. Wie die Praxis zeigt, ist es möglich, bei der durch § 23 KUG gebotenen Interessenabwägung der Ausstrahlungswirkung der einschlägigen ![]() ![]() | |
2. In Konfliktsfällen der vorliegenden Art gilt daher einerseits der allgemeine Grundsatz, daß die Anwendung der §§ 22, 23 KUG auf Fernsehsendungen die Rundfunkfreiheit nicht übermäßig einengen darf. Andererseits besteht gegenüber sonstigen allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG hier die Besonderheit, daß die Beschränkung der Rundfunkfreiheit ihrerseits dem Schutz eines hohen Verfassungswertes dient; das im Rahmen des § 23 KUG zu berücksichtigende, gegen die Abbildung oder Darstellung gerichtete Interesse der betroffenen Person erfährt eine unmittelbare Verstärkung durch die Verfassungsgarantie des Persönlichkeitsschutzes.
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Die Lösung dieses Konflikts hat davon auszugehen, daß nach dem Willen der Verfassung beide Verfassungswerte essentielle Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes bilden, so daß keiner von ihnen einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen kann. Das Menschenbild des Grundgesetzes und die ihm entsprechende Gestaltung der staatlichen Gemeinschaft verlangen ebensowohl die Anerkennung der Eigenständigkeit der individuellen Persönlichkeit wie die Sicherung eines freiheitlichen Lebensklimas, die in der Gegenwart ohne freie Kommunikation nicht denkbar ist. Beide Verfassungswerte müssen daher im Konfliktsfall nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden; läßt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Hierbei sind beide Verfassungswerte in ihrer Beziehung zur Menschenwürde als dem Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung zu sehen. Danach können von der Rundfunkfreiheit zwar restriktive Wirkungen auf die aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Ansprüche ausgehen; jedoch darf ![]() ![]() | |
IV.
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1. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich für die Beurteilung von Fernsehsendungen der vorliegenden Art folgende verfassungsrechtlich bedeutsame Kriterien:
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a) Eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters wird stets seinen Persönlichkeitsbereich erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert. Etwas anderes mag gelten, wenn die Berichterstattung gerade in der Absicht erfolgt, Verständnis für den Täter zu erwecken, etwa um eine Wiederaufnahme des Verfahrens, einen Gnadenakt oder eine sonstige Hilfe zu erreichen. Abgesehen davon, daß unter solchen Umständen der Täter meist mit der Berichterstattung einverstanden sein wird, liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor (vgl. dazu unten V 2).
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b) Läßt man die Möglichkeit einer zusätzlichen Beeinträchtigung durch die jeweilige Art und Weise der Darstellung (Polemik, Verfälschung) außer Betracht, so bedeutet auch eine um Objektivität und Sachlichkeit bemühte Berichterstattung durch das Fernsehen in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in die ![]() ![]() | |
Daher ist freilich nach der Art der Sendung zu differenzieren. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Produktion, die zu der vom ZDF entwickelten Gattung der Dokumentarspiele gehört. Nach Angaben des früheren Leiters der Hauptabteilung Dokumentarspiel im ZDF, Dr. Wolfgang Bruhn, hat sich diese Sendeform, bei der ein im ganzen authentischer Vorgang in ebenso authentischer Form nachgespielt wird, sehr schnell zur beliebtesten Programmform entwickelt und in der Gunst des Publikums sowohl den Spielfilm wie die Showunterhaltung übertroffen (vgl. Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 157 ff. [157, 160]). Nach einer Statistik des ZDF wiesen Dokumentarspiele im Jahre 1969 die höchste Sehbeteiligung aller Abendsendungen des ZDF (38%) auf; im Programm der ARD hatten im selben Zeitraum nur zwei Sparten eine höhere prozentuale Sehbeteiligung (Tagesschau 52 %, Unterhaltung 39 % - vgl. Setzen, Fernsehen: Objektivität oder Manipulation?, 1971, S. 142). Im Einzelfall spielen selbstverständlich auch die Sendezeit und das gleichzeitige Programm der ARD eine Rolle. Nach den vom ZDF vorgelegten Unterlagen über die Ergebnisse der Infratest/Infratam-Fernsehforschung für die Freitagabendprogramme des ZDF im Jahre 1972 lag die durchschnittliche Einschaltquote bei Sendungen über Kriminalstoffe ("Kommissar" und "Aktenzeichen XY - ungelöst") über 65 %. Dies besagt, daß solche Sendungen in etwa 11,7 Millionen Haushaltungen, bei Zugrundelegung einer Durchschnittszahl von ![]() ![]() | |
c) Besteht schon aus den genannten Gründen ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber Persönlichkeitsverletzungen durch Fernsehsendungen mit solcher Reichweite, so kommt hinzu, daß die Sendeform des Dokumentarspiels unter dem hier relevanten Gesichtspunkt spezifische Gefahren mit sich bringt. Sie verbindet eingängig dargebotene Information mit spannender Unterhaltung; ohne Verfremdung oder Verhüllung wird ein tatsächliches Geschehen in seiner Entwicklung und in seinem Ablauf nachgespielt, die daran beteiligten Personen werden möglichst wirklichkeitsgetreu gezeigt oder dargestellt. So sind beispielsweise in der streitigen Sendung fast alle Orts- und Personennamen unverändert geblieben; die wirklichen Akteure der dargestellten Ereignisse spielen zum Teil selbst mit - etwa zahlreiche Randfiguren -, zum Teil werden sie nur deswegen durch Schauspieler dargestellt, weil ihnen die schauspielerischen Fähigkeiten zum eigenen Auftreten fehlen oder weil, wie beim Beschwerdeführer und den Haupttätern, ihre Mitwirkung aus anderen Gründen von vornherein ausschied. Bei gelungener Besetzung der Hauptfiguren ergibt sich aus einem solchen Spiel "eine faszinative Wirkung beim Zuschauer, die beträchtlich mehr verstandesmäßiges wie auch gefühlsmäßiges und damit engagiertes Bewußtsein hervorruft, als dies die beste Dokumentation oder ein sogenanntes Feature erreichen könnte. Der Zuschauer hat ... die totale Illusion, bei einem solchen historischen Vorgang dabeizusein bzw. dabeigewesen zu sein. Er hat ... (die) Möglichkeit der Identifikation mit dem Part des 'Guten' ... und fühlt sich daneben und gleichzeitig gut unterhalten" (Bruhn, a.a.O., S. 160).
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Ein solches intensives Nacherleben unter Betonung der emotio ![]() ![]() | |
d) Eine derart mögliche oder wahrscheinliche negative Qualifizierung des dargestellten Straftäters kann noch durch andere Faktoren bestätigt oder verstärkt werden. Wie der Sachverständige Professor Lüscher ausgeführt hat, steht der Zuschauer in der Bundesrepublik dem Fernsehen im Durchschnitt weniger kritisch gegenüber als anderen Massenmedien; nach Meinungsumfragen genießen Fernsehsendungen mit Abstand die größte Glaubwürdigkeit. Soweit dabei im einzelnen Differenzierungen geboten sind, kann bei einem Dokumentarspiel sowohl wegen der erwähnten emotionalen Komponente wie wegen des Unterhaltungscharakters nicht ein besonders kritisch eingestelltes Publikum vorausgesetzt werden; dies gilt erst recht bei einer Sendung am ![]() ![]() | |
Schließlich tritt beim Fernsehen verstärkt das auch bei anderen Kommunikationsmitteln zu beobachtende Problem der "selektiven Wahrnehmung" auf. Damit ist die Tendenz des Zuschauers gemeint, aus dem Kommunikationsangebot unbewußt nur die den eigenen Auffassungen oder Voreingenommenheiten entsprechenden Aussagen auszuwählen und wahrzunehmen. Wie der Sachverständige Professor Lüscher näher dargelegt hat, tragen die Massenmedien insoweit erheblich dazu bei, vorhandene - bewußte oder unbewußte - allgemeine Einstellungen zu verfestigen (vgl. auch Noelle-Neumann, Wirkung der Massenmedien, Das Fischer Lexikon Bd. 9, Publizistik, 1971, S. 318 ff.; Schwarzkopf in: Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 114 f.). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, daß die Darstellung von kriminellen oder homosexuellen Personen in einem Dokumentarspiel die überwiegend vorhandene allgemeine Ablehnung solcher sozialen Außenseiter verstärken und auch dadurch zu einer ungünstigen Gesamtbeurteilung der dargestellten Einzelperson führen kann.
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Zusammenfassend ergibt sich, daß eine Fernsehberichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters, besonders in der Form des Dokumentarspiels, regelmäßig einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre bedeuten wird.
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2. Auf der anderen Seite sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Auch Straftaten gehören zunächst zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist. Weiter begründen die Verletzung ![]() ![]() | |
3. Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden Berichterstattung im Fernsehen generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im allgemeinen den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muß sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muß grundsätzlich auch dulden, daß das von ihm selbst durch seine ![]() ![]() | |
Freilich gilt dieser Vorrang des Informationsinteresses nicht schrankenlos. Die zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung des Persönlichkeitsrechts verlangt neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 [379] mit weiteren Nachweisen) die strikte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Der Einbruch in die persönliche Sphäre darf nicht weiter gehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert, und die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig. Dies wird in Fällen sog. kleiner Kriminalität oder bei Jugendlichen von den Kommunikationsorganen in der Praxis überwiegend beachtet (vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Presserates vom 16. Februar 1967 zur Abbildung und Namensnennung Jugendlicher, Tätigkeitsbericht 1971, S. 89).
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Auch die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - BGBl. 1952 II S. 686) gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens eine angemessene Berücksichtigung der zu seiner Verteidigung vorgetragenen Tatsachen und Argumente. Es versteht sich auch von selbst, daß das Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts nur für eine sachbezogene Berichterstattung und seriöse Tatinterpretation gilt, nicht aber für eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; insoweit kann auf die in Schrifttum und Rechtsprechung zu § 23 KUG für die Art und Weise der Darstellung entwickelten Grundsätze verwie ![]() ![]() | |
Auf der anderen Seite rechtfertigt die aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat nicht allein die Namensnennung und Abbildung des Täters, sie schließt grundsätzlich auch sein persönliches Leben ein, soweit es in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters aus der Sicht des modernen Strafrechts als wesentlich erscheint. Wo danach konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden. Hier erwächst den für die Veranstaltung von Fernsehsendungen zuständigen Gremien und Personen im Hinblick auf die eingangs geschilderte mögliche "Prangerwirkung" disqualifizierender Darstellungen eine besondere Verantwortung, der sie unter Berücksichtigung der sozialen Machtposition, die den Fernsehanstalten kraft ihrer Monopolstellung und ihres technischen und finanziellen Potentials im Verhältnis zum betroffenen Einzelnen zukommt, entsprechen müssen.
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4. Die Ausstrahlungswirkung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß die Kommunikationsmedien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befassen. Vielmehr gewinnt nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses grundsätzlich sein Recht darauf, "allein gelassen zu werden", zunehmende Bedeutung und setzt dem Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. Auch der Täter, der durch eine schwere Straftat in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Mißachtung erweckt hat, bleibt dennoch ein Glied dieser Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Straf ![]() ![]() | |
5. a) Die zeitliche Grenze zwischen der grundsätzlich zulässigen aktuellen Berichterstattung und einer unzulässigen späteren Darstellung oder Erörterung läßt sich nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren. Das entscheidende Kriterium liegt darin, ob die betreffende Berichterstattung gegenüber der aktuellen Information eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist. Demgemäß bildet der Erlaß des letztinstanzlichen Strafurteils oder der Zeitpunkt seiner Rechtskraft keine feste Grenze, zumal da das aktuelle Informationsinteresse auch die zusammenhängende Darstellung der Tat, ihrer Entstehungsursachen und Hintergründe einschließt, die unter Umständen den vollständigen Abschluß des Strafverfahrens und weitere Nachforschungen voraussetzt. Freilich sind auch solche Gesamtdarstellungen und -interpretationen alsbald nach dem Ende des Strafverfahrens oder jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit möglich, wie Presse, Hörfunk und Fernsehen oft bewiesen haben. Der Einwand des ZDF, daß aus organisatorischen und technischen Gründen für eine zuverlässige Darstellung und Interpretation eines Kriminalfalls in einem Dokumentarspiel eine Vorbereitungszeit von mindestens anderthalb bis zwei Jahren erforderlich sei, kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend sein. Nicht die frei gewählte Darstellungsform und ihre technischen, organisatorischen und ästhetischen Gesetzmäßigkeiten bestimmen das Maß des Persönlichkeitsschutzes; dieser kann vielmehr die Wahl der einen oder anderen Darstellungsform ausschließen, wenn bei ihr die Achtung der Persön ![]() ![]() | |
b) Als maßgebender Orientierungspunkt für die nähere Bestimmung der zeitlichen Grenze kommt das Interesse an der Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft, an seiner Resozialisierung, in Betracht. Die Erkenntnis von der Bedeutung dieser Zielsetzung hat sich in den letzten Jahrzehnten im Strafrecht zunehmend durchgesetzt; nach allgemeiner Auffassung wird die Resozialisierung oder Sozialisation als das herausragende Ziel namentlich des Vollzuges von Freiheitsstrafen angesehen (vgl. auch BVerfGE 33, 1 [7 f.]). Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden, er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen. Entsprechend umschreibt § 2 des kürzlich von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes die Aufgabe des Vollzugs von Freiheitsstrafen wie folgt: "Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsziel)" (BRDrucks. 71/73 S. 8; vgl. auch die Begründung, a.a.O., S. 39, 42 f.). Auch die Stellungnahme des Bundesrates sieht hierin das "vorrangige Ziel des Vollzugs" (vgl. den Änderungsvorschlag zu § 2 Abs. 2 in BRDrucks. 71/73 [Beschluß] II S. 2 f.).
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Ein so verstandener Strafvollzug kann jedoch nur die Grundlage für die Resozialisierung schaffen; das entscheidende Stadium beginnt mit der Entlassung. Nicht nur der Straffällige muß auf die Rückkehr in die freie menschliche Gesellschaft vorbereitet werden; diese muß ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen.
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Verfassungsrechtlich entspricht diese Forderung dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muß der verurteilte Straftäter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung ![]() ![]() | |
c) Die Durchführung der Resozialisierung erfordert zunächst, durch eine entsprechende Einwirkung auf den Verurteilten die inneren Voraussetzungen für eine spätere straffreie Lebensführung zu schaffen. Wie die Sachverständigen Frau Dr. Einsele und Possehl geschildert haben, ist hierbei für die kriminaltherapeutische Behandlung davon auszugehen, daß es sich bei den zu Freiheitsstrafen Verurteilten vielfach um hochgradig labile, selbstunsichere oder sogar psychisch gestörte Personen handelt. Gerade deren Resozialisierung kann jedoch erst gelingen, wenn auch die äußeren Bedingungen dafür geschaffen werden, daß der Straffällige sich nach seiner Entlassung in die normale freie Gesellschaft eingliedert. Neben einer angemessenen Hilfe von seiten des Staates (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 67 des genannten Entwurfs und S. 39, 42, 73 der Begründung BRDrucks. 71/73) kommt es namentlich in diesem Stadium auf die Mitwirkung der Gesellschaft an. Dabei genügt es allein noch nicht, daß der Entlassene Unterkunft und Arbeit findet. Nach den Erfahrungen der Praxis scheitert die Resozialisierung selbst bei insoweit günstigen Vorbedingungen und gelungener kriminaltherapeutischer Behandlung in vielen Fällen an der Mißachtung und Ablehnung, mit denen die Umwelt den Entlassenen begegnet. Eine solche Isolierung kann gerade labilen Naturen den Mut zu neuem Anfang nehmen und sie ![]() ![]() | |
d) Daß die Einstellung der Umwelt gegenüber den Entlassenen durch Fernsehberichterstattung über die Tat, namentlich in Form eines Dokumentarspiels ungünstig beeinflußt werden kann, bedarf nach den früheren Ausführungen (s. B IV 1) keiner weiteren Darlegung. Es kommt hinzu, daß die Notwendigkeit, dem Strafentlassenen von seiten der Gesellschaft bei der Wiedereingliederung zu helfen, in weiten Kreisen der Bevölkerung noch nicht hinreichend erkannt und akzeptiert worden ist. Die von der konkreten Fernsehsendung ausgehende nachteilige Wirkung wird insoweit durch die vorhandene allgemeine Abwehrhaltung gegenüber Strafentlassenen verstärkt. Zugleich kann eine solche Sendung auch beim Täter selbst die im Strafvollzug vielleicht mühsam erreichte innere Stabilisierung zerstören oder in Frage stellen: Die erneute bildhafte Konfrontation mit der Tat wirft ihn gewissermaßen auf den Stand zur Tatzeit zurück und gibt ihm die entmutigende Überzeugung, daß die Umwelt ihn trotz aller seiner Bemühungen noch immer als den Täter von damals ansieht. Von dieser Erkenntnis ausgehend, hat der Deutsche Presserat auf Anregung des Bundespräsidenten am 28. September 1971 empfohlen,
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"im Interesse der schnellen und unbehinderten Resozialisierung von Strafgefangenen keine Namen oder nähere Hinweise zu veröffentlichen, die Rückschlüsse auf entlassene Häftlinge, ihre Familien oder den Entlassungsort zulassen". (Tätigkeitsbericht 1971, S. 102).
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e) Insgesamt ist somit eine wiederholte, nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung über eine schwere Straftat jedenfalls dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährdet. Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor. Ob und wie ![]() ![]() | |
Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt werden soll. Hierfür ist zu berücksichtigen, daß eine zeitige Freiheitsstrafe schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 2 StGB geregelten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann und nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 1 StGB geregelten Voraussetzungen auszusetzen ist.
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V.
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Bei einer Prüfung nach den entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien können die angefochtenen Entscheidungen keinen Bestand haben.
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1. Das Landgericht hat die Güterabwägung zwischen dem Interesse des Beschwerdeführers und dem Interesse des ZDF allein an den §§ 22, 23 KUG orientiert, ohne die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und aus Art. 5 Abs. 1 GG zu erkennen.
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Das Oberlandesgericht hat zwar erkannt, daß hier ein Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsschutz nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 GG besteht, und hat bei der im Rahmen des § 23 KUG vorgenommenen Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit die Ausstrahlungswirkung dieser Grundrechtsnormen berücksichtigt. Bei der Lösung des aufgezeigten Konflikts hat es jedoch die aus den allgemeinen Verfassungsnormen für Fälle der vorliegenden Art abzuleitenden, frei ![]() ![]() | |
2. Eine Beurteilung, welche die Einwirkung der hier maßgebenden Grundrechte auf das einfache Recht hinreichend zur Geltung kommen läßt, führt zu dem Ergebnis, daß dem Antrag des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren stattzugeben ist.
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Zwar ist für die Abwägung zwischen dem durch die Rundfunkfreiheit verstärkten Recht des ZDF auf Darstellung von Vorgängen der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auf der einen Seite, dem durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde verstärkten Interesse des Beschwerdeführers an der Verhinderung der Darstellung auf der anderen Seite mit den angefochtenen Entscheidungen davon auszugehen, daß die Besonderheit der dargestellten Straftat - der Angriff auf eine Einrichtung der Bundeswehr, die abscheuerregende Ausführung und die Zahl der Opfer, die ungewöhnliche, weithin unverständliche Motivation - ein starkes Interesse der Bevölkerung an näherer Unterrichtung und Aufklärung erregt hat. Es ist weiter zu berücksichtigen, daß das streitige Dokumentarspiel sich um eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung bemüht und auch die Schilderung der Beziehung zwischen den Tätern nicht anstößig ist.
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Dennoch würde die Ausstrahlung des Spiels aus den oben (B IV 1)* erwähnten Gründen wegen der Reichweite der Sendung, der gewählten Form des Dokumentarspiels und der zu erwartenden Wirkung einen Eingriff von hoher Intensität in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers bedeuten. Soweit das ZDF demgegenüber geltend gemacht hat, das Spiel solle neben anderen Zwecken auch dazu dienen, Verständnis für den Beschwerdeführer zu wecken, haben schon die Gerichte des Ausgangsverfahrens diesen Vortrag als unbeachtlich angesehen; denn das Spiel läßt ![]() ![]() | |
Dieser schwere Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Beschwerdeführers ist nicht durch das grundsätzlich vorrangige Interesse an der aktuellen Berichterstattung über die Straftat zu rechtfertigen. Diesem Interesse ist durch die ausgiebige Unterrichtung der Öffentlichkeit in allen Medien unmittelbar nach der Entdeckung der Tat, während der Fahndung und vor allem während des Strafprozesses Genüge getan. Im Verhältnis dazu wirkt die nicht mehr im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehende Darstellung in einem Dokumentarspiel als eine neue Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes des Beschwerdeführers, wobei es keinen Unterschied macht, ob man mit dem Oberlandesgericht den Zeitpunkt der Entscheidung im Ausgangsverfahren, den jetzigen Zeitpunkt oder den ursprünglich vorgesehenen Sendetermin im Juni 1972 als maßgebend ansieht.
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Dieser neue Eingriff ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. Einsele, des Anstaltspsychologen Possehl, der von ihm mitgeteilten Ansicht der zuständigen Strafanstaltskonferenz sowie nach der Auskunft der Landesregierung von Rheinland-Pfalz geeignet, die Resozialisierung des Beschwerdeführers schwer zu gefährden; die Sendung würde in erster Linie die Einstellung der Umwelt gegenüber dem Beschwerdeführer, aber auch seine innere Stabilisierung nachteilig ![]() ![]() | |
Demgegenüber kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts der Schwere der Schuld des Täters kein entscheidender Einfluß zugemessen werden. Es widerspricht dem Resozialisierungsgedanken, die Bewertung des Interesses an der Wiedereingliederung eines - resozialisierungsfähigen - Straftäters von dem Ausmaß seiner Schuld an der Straftat abhängig zu machen. Ebensowenig kann entgegen der Auffassung des ZDF und des Oberlandesgerichts maßgebend sein, daß der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung in seine Heimatstadt zurückkehren will, wo Tat und Täter ohnehin, namentlich durch die frühere Berichterstattung, bekannt sind. Zum einen liegt es auf der Hand, daß das geplante Dokumentarspiel - wie auch das Oberlandesgericht erwähnt - gerade in diesem Bereich auf das besondere Interesse der Bevölkerung stoßen würde. Zum anderen macht es einen wesentlichen Unterschied, ob noch eine mehr oder weniger allge ![]() ![]() | |
Ein überragendes Interesse der Meinungsbildung, das ausnahmsweise eine so schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu auch BVerfGE ![]() ![]() | |
Im Ergebnis muß somit bei einer an den Wertvorstellungen der Verfassung orientierten Auslegung des § 23 KUG dem Interesse des Beschwerdeführers, die Ausstrahlung des Dokumentarspiels zu verhindern, der Vorrang zukommen. Diesem Interesse würde nicht genügt, wenn entsprechend der Auffassung der Bundesregierung nur eine Ausstrahlung untersagt würde, soweit das Spiel den Beschwerdeführer im Bilde zeigt und seinen Namen nennt. Auch wenn dies entfiele, würde die verbleibende Darstellung den Beschwerdeführer hinreichend erkennbar machen, um die zu befürchtenden nachteiligen Folgen für seine Resozialisierung auszulösen; der Reiz, das Geheimnis zu entschlüsseln, könnte sogar in dem maßgebenden lokalen Bereich das Interesse der Zuschauer in besonderem Maß auf den Beschwerdeführer lenken.
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Da nach den vorstehenden Ausführungen die Darstellung des Beschwerdeführers in dem streitigen Dokumentarspiel schon zu ![]() ![]() | |
3. Es mag dahingestellt bleiben, ob dem in Rede stehenden Dokumentarspiel, das ein tatsächliches Geschehen wirklichkeitsgetreu nachvollziehen will, der Charakter eines Werkes der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG zuerkannt werden könnte. Auch bei Anwendung dieser Verfassungsnorm wäre zu beachten, daß die Freiheit der Kunst, obwohl die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG für sie nicht gelten, dem in Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Persönlichkeitsschutz nicht übergeordnet ist (vgl. BVerfGE 30, 173 [193 ff.] - Mephisto -).
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VI.
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Die angefochtenen Entscheidungen verletzen daher die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und sind nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Dabei würde es der Besonderheit des Falles nicht entsprechen, die Sache zu erneuter Entscheidung an eines der im zivilgerichtlichen Verfahren zuständigen Gerichte zurückzuverweisen. Denn bei Anwendung der verfassungsrechtlichen Kriterien unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht erhobenen Beweise besteht kein Spielraum mehr für die richterliche Entscheidung; vielmehr muß der Antrag des Beschwerdeführers in vollem Umfang Erfolg haben. Bei einer Zurückverweisung könnten die Gerichte des Ausgangsverfahrens somit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur wiederholen. Dies erscheint als wenig sinnvoll, zumal da das Interesse des Beschwerdeführers einen schnellen Abschluß des Ausgangsverfahrens verlangt, um die durch dieses Verfahren und das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ohnehin hervorgerufene Publizität in Grenzen ![]() ![]() | |
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG. Erstattungspflichtig ist das Land Rheinland- Pfalz, dem die vom Beschwerdeführer erfolgreich gerügte Grundrechtsverletzung zuzurechnen ist.
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