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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Arbresha Veliju, A. Tschentscher | |||
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Lebensmittelpolizei. Verordnungsrecht des Bundesrates nach Art. 54 LPG. Umfang, in dem der Kassationshof bundesrätliche Verordnungen auf ihre Zulässigkeit nachprüfen kann. Der Ausschluss des Hundefleisches vom Verkehr (Art. 24 der Verordnung des Bundesrates betreffend das Schlachten, die Fleischschau u.s.w. vom 29. Januar 1909) ist nicht anfechtbar. | |
A. | |
Der Kassationsbeklagte Gottlieb Kurth betreibt in Gerlafingen eine Hundemetzgerei. Wegen Übertretung des Art. 24 der bundesrätlichen Verordnung betr. das Schlachten, die Fleischschau u.s.w. vom 29. Januar 1909 in Untersuchung gezogen, wurde er ![]() ![]() | 1 |
B. | |
Gegen dieses Urteil wurde von der Bundesanwaltschaft im Auftrag des Bundesrates die Kassationsbeschwerde ans Bundesgericht ergriffen. Die Anträge lauten:
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"1. Es sei das Urteil des Amtsgerichtes Bucheggberg-Kriegstetten wegen Verletzung eidgenössischer Rechtsvorschriften aufzuheben. 2. Es sei der von Gottlieb Kurth betriebene Verkehr mit Hunde- und Katzenfleisch und mit daraus hergestellten Waren als Übertretung der Vorschriften der eidg. Lebensmittelpolizei zu qualifizieren. 3. Die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen zu neuer Beurteilung in der Meinung, daß sie die der Kassation zu Grunde liegende rechtliche Beurteilung auch ihrem Entscheide zu Grunde zu legen habe. (Art. 172 OG)." | 3 |
Zur Begründung dieser Anträge wird geltend gemacht, die Kompetenz des Bundesrates zum Erlaß des in Art. 24 der Verordnung über das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren vom 29. Januar 1909 enthaltenen Verbotes gründe sich auf Art. 7 und 54 des BG über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905. Sodann verweist die Kassationsklägerin auf ein bei den Akten liegendes Schreiben des schweiz. Gesundheitsamtes vom 31. März 1913, in welchem als Hauptgründe, die zum Verbot des Verkehrs mit Hundefleisch geführt haben, genannt werden:
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"1. Die Tatsache, daß dasselbe nicht selten Trichinen enthält und dessen Genuß daher zu schweren Erkrankungen (Trichinose) Veranlassung geben kann; 2. der Umstand, daß Hundefleisch allgemein -- wenigstens in unserm Lande -- als eklig angesehen und daher als Speise verschmäht wird. Schon der Gedanke, Hundefleisch essen zu sollen, verursacht bei vielen Leuten Übelkeit. Dies mag zum Teil auch daher rühren, daß das Hundefett weich, schmierig und ölig ist ![]() ![]() 3. die Gefahr, sich beim Schlachten von Hunden, die an sogenannter "stiller Wut", welche von Laien sehr oft nicht erkannt wird, leiden, oder die sich in den letzten Tagen des Inkubationsstadiums befinden, durch Speichel, Drüsensäfte oder Rückenmark zu infizieren; 4. die Möglichkeit, daß an einer sonstigen Krankheit leidende Hunde geschlachtet und das von ihnen stammende ungesunde Fleisch in den Verkehr gebracht werden kann. Diese Gefahr ist umso größer, als Hunde nicht des Fleisches wegen und um geschlachtet zu werden gezüchtet werden, sondern zu ganz andern Zwecken, und infolgedessen in der Regel auch erst dann getötet werden, wenn sie durch irgend einen Umstand (Alter, Gebrechen, Krankheit ec.) die von ihnen geforderten Dienste nicht mehr leisten können." | 5 |
Weiter wird in dem von der Kassationsklägerin angerufenen Schreiben des schweiz. Gesundheitsamtes ausgeführt, daß was vom Hundefleisch gesagt sei, in der Hauptsache auch vom Katzenfleisch gelte. Schließlich verweist die Bundesanwaltschaft noch darauf, daß Hunde- und Katzenfleisch sehr häufig in betrügerischer Absicht, jenes bald als Schweinefleisch, bald als Kalb- oder Schaffleisch, dieses als Hasenfleisch in den Verkehr gebracht oder zu bringen versucht werde.
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C. | |
In seiner Beschwerdebeantwortung hat der Kassationsbeklagte auf Abweisung der Beschwerde geschlossen. Er beruft sich u.a. auf die Bescheinigungen von mehr als 400 Bewohnern von Gerlafingen und Umgebung, aus denen hervorgehen soll, daß der Genuß von Hundefleisch in jener Gegend ein sehr großer und dieses Fleisch ein gesundes Nahrungsmittel sei. Ebenso verweist er auf eine Erklärung der Mitglieder des Gemeinderates von Nieder-Gerlafingen, die bescheinigen, daß sie schon seit Jahren Hundefleisch genießen und es als billiges, nahrhaftes Fleisch zu schätzen wissen, so daß sie ungern auf dasselbe verzichten würden". Ferner macht der Kassationsbeklagte darauf aufmerksam, daß Hundefett ein von den Apotheken oft gehaltener und zu Heilzwecken viel verlangter Artikel sei. ![]() | 7 |
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1. Die Legitimation des Bundesrates zur Erhebung der Kassationsbeschwerde ist auf Grund von Art. 155 und 161 Abs. 1 OG in Verbindung mit dem Bundesratsbeschluß über die Mitteilung von kantonalen Entscheiden aus dem Gebiete der Lebensmittelpolizeigesetzgebung vom 24. Dezember 1912 gegeben. Die Kassationserklärung wurde bei der Regierung des Kantons Solothurn rechtzeitig eingelegt. Ebenso sind die Kassationsanträge und deren Begründung dem Kassationshof innert der in Art. 167 OG vorgesehenen Frist eingereicht worden. Da überdies ein Urteil vorliegt, gegen das im Sinne des Art. 162 OG der Kassationsklägerin nach der solothurnischen Gesetzgebung und deren Auslegung durch das Obergericht des Kantons Solothurn (in Sachen gegen Kurth vom 26. Oktober 1912) kein ordentliches Rechtsmittel zusteht, sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Kassationsbeschwerde erfüllt.
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2. Art. 24 der bundesrätlichen Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau u.s.w. vom 29. Januar 1909 lautet: "Der Verkehr mit Hunde- (und Katzen-)Fleisch und mit daraus hergestellten Waren ist verboten." Diese Vorschrift hat der Kassationsbeklagte übertreten, indem er Hundefleisch, und zwar gewerbsmäßig, verkauft hat. Der Ausgang der Beschwerde hängt von der Frage ab, ob der Art. 24 den Charakter einer verbindlichen Rechtsnorm hat. Zunächst kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das Bundesgericht und speziell der Kassationshof Verordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtmäßigkeit nachprüfen kann (vergl. BV Art. 113 Abs. 3; BGE 25 II 16; Burckhardt, Kommentar der BV S. 865 und die dortigen Zitate; Guhl, Bundesgesetz u.s.w. 105). Immerhin ist hiebei die Einschränkung zu machen, daß die Nachprüfung auf die rechtlichen Grundlagen zum Erlaß der Verordnung beschränkt ist; d.h. es kann nur untersucht werden, ob nach den in einem bestimmten Gesetze ausgesprochenen Grundsätzen der Gesetzgeber den Bundesrat zum Erlaß der im gegebenen Falle vorliegenden Verordnung ermächtigen wollte. Diese Untersuchung erstreckt sich aber nicht auf die Frage der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer Verordnungsvorschrift, so lange ![]() ![]() | 9 |
3. Art. 24 der Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau u.s.w. muß, um rechtmäßig zu sein, sich auf eine gesetzliche Ermächtigung stützen können. Eine solche kann zunächst kaum in dem von der Kassationsbeschwerde hiefür angerufenen Art. 7 letzter Absatz LPG gefunden werden, der nach seinem klaren Wortlaut ein Verordnungsrecht des Bundesrates betreffend Schlachten, Fleischschau und Untersuchung von Fleischwaren begründet, ein Verbot aber, gewisse Fleischarten in Verkehr zu bringen, nicht stützen kann. Dagegen ist eine hinlängliche Ermächtigung in Art. 54 Abs. 1 des Gesetzes zu finden. Hier ist dem Bundesrat die Befugnis erteilt, die nötigen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung im Verkehr mit den Waren und Gegenständen, die den Vorschriften des Gesetzes unterliegen, zu erlassen. Aus der allgemeinen Fassung dieser Bestimmung muß geschlossen werden, daß der Bundesrat alles dasjenige anordnen kann, was zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschungen als notwendig erscheint, daß also Art. 54 Abs. 1 dem Bundesrat eine generelle Ermächtigung erteilt, kraft welcher er nicht nur zur Aufstellung von Kontrollvorschriften befugt ist, sondern unter Umständen auch den Verkehr mit irgend einem Lebensmittel gänzlich verbieten kann. Eine einschränkende Interpretation der Bestimmung ist nicht daraus herzuleiten, daß eine Anzahl von solchen Verboten aus gesetzlichem Wege erlassen worden ist, z.B. Absinthverbot, Kunstweinverbot. Es mag ein politisches Postulat sein, daß so außerordentlich weitgreifende Maßnahmen, wie die erwähnten, im Wege der Gesetzgebung getroffen werden. Allein die formelle Kompetenz, durch Verordnung ein Lebensmittel zum Schutze der Gesundheit oder zur Verhütung von ![]() ![]() | 10 |
4. Ist der Bundesrat nach dem Gesagten an sich kompetent, ![]() ![]() Kann darnach die Rechtsgültigkeit des in Frage stehenden Verbots nicht verneint werden, so ist der Kassationsbeklagte vom Amtsgericht Bucheggberg-Kriegstetten zu Unrecht freigesprochen worden. Das angefochtene Urteil ist daher im Sinne des Art. 172 OG aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. | 11 |
Demnach hat der Kassationshof erkannt: | |
Die Kassationsbeschwerde wird gutgeheißen, das angefochtene Urteil des Amtsgerichtes Bucheggberg-Kriegstetten vom 12. März 1913 aufgehoben und die Sache im Sinne des Art. 172 OG an die Vorinstanz zurückgewiesen. ![]() | 12 |
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