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Bearbeitung, zuletzt am 14.02.2022, durch: A. Tschentscher | |||
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Regeste |
Auf Wiedervereinigung mit Basel-Stadt gerichtete Volksinitiative in Baselland. |
Zulässigkeit der Auffassung des Regierungsrates von Baselland, dass eine Initiative ausgeschlossen sei, die direkt die Wiedervereinigung vorschlägt in dem Sinn, dass sie mit der Annahme der Vorlage (und einem entsprechenden Entscheid in Basel-Stadt) virtuell vollzogen ist. |
Zulässigkeit einer Initiative, die lediglich darauf ausgeht, in der KV die zur Zeit noch fehlende Grundlage und das Verfahren zu schaffen, um einen spätem Entscheid über die Wiedervereinigung herbeizuführen. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Die Staatsverfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 4. April 1892 enthält folgende Bestimmungen über ihre Revision :
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Art. 48: Die Verfassung soll ganz oder teilweise revidiert werden, so oft es durch die absolute Mehrheit der Stimmenden beschlossen wird. Wird ein Begehren auf ganze oder teilweise. Revision von mindestens 1500 stimmfähigen Bürgern oder durch den Landrat gestellt, so muss durch eine Volksabstimmung darüber entschieden werden: a) ob die verlangte Revision stattfinden soll; bejahendenfalls b) ob dieselbe durch den Landrat oder von einem Verfassungsrat vorzunehmen sei. | 2 |
3 | |
B. | |
Am 2. März 1933 reichten 7483 Stimmberechtigte des Kantons Baselland beim Regierungsrat ein Initiativbegehren mit folgendem Wortlaut ein:
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"Auf Grund von Art. 48 u. ff. der Staatsverfassung stellen die unterzeichneten stimmberechtigten Einwohner des Kantons Basel-Landschaft das Begehren, es sei in die Staatsverfassung ein Artikel folgenden Inhalts aufzunehmen:
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1. Die beiden Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft vereinigen sich wieder zu einem einzigen Kanton Basel, und zwar unter Wahrung folgender Grundsätze: a) Die Verwaltung der Einwohnergemeinde Basel wird von der des Kantons getrennt. b) Die Autonomie der Gemeinden, im besondern auch das Recht, sich mit andern Gemeinden zu vereinigen, ist im Rahmen der Verfassung gewährleistet. c) Die Sozialgesetzgebung und die Fürsorgeeinrichtungen des Halbkantons Basel-Stadt sind nach Möglichkeit auf den ganzen Kanton auszudehnen. d) Die Anstellungsverhältnisse der staatlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Kantons Basel sind in angemessener Weise den Normen des bisherigen Halbkantons Basel-Stadt anzupassen. e) Sitz der Regierung ist Basel; Sitz des Kantonsgerichts ist Liestal. | 6 |
2. Zur Ausarbeitung der Verfassung samt den erforderlichen Einführungs- und Übergangsbestimmungen für den Kanton Basel ist in den beiden bisherigen Halbkantonen ein gemeinsamer Verfassungsrat von 150 Mitgliedern zu wählen. Jeder Halbkanton wählt in diesen Verfassungsrat nach den Bestimmungen seiner Verfassung 75 Mitglieder.
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4. Der Verfassungsrat ist binnen drei Monaten nach der Wahl auf Grund einer Verständigung der beiden Kantonsregierungen einzuberufen. Diese haben seine Arbeiten zu fördern und ihm die erforderlichen personellen und materiellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die durch die Tätigkeit des Verfassungsrates entstehenden Kosten werden von den beiden Halbkantonen im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl getragen. | 9 |
5. Der Verfassungsrat konstituiert sich selbst unter dem Vorsitze des Ältesten der anwesenden Mitglieder; er gibt sich sein eigenes Geschäftsreglement, und beschliesst über den Ort seiner Sitzungen.
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6. Die vom gemeinsamen Verfassungsrate beschlossene Verfassung für den Gesamtkanton Basel tritt erst in Kraft, nachdem sie in jedem Halbkanton durch die Mehrzahl der Stimmenden angenommen worden ist und die eidgenössische Gewährleistung erhalten hat.
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7. Wird die vom gemeinsamen Verfassungsrate beschlossene Verfassung in einem Halbkanton oder in beiden verworfen, so haben die Regierungen der beiden Halbkantone binnen sechs Monaten Neuwahlen für einen zweiten Verfassungsrat anzuordnen, der eine zweite Vorlage auszuarbeiten hat.
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8. Für den zweiten Verfassungsrat und die von ihm beschlossene Verfassung gelten die Ziffern 2, 4, 5 und 6 hievor entsprechend.
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9. Die vorgesehene Verfassungsänderung fällt dahin, wenn die vom zweiten Verfassungsrate beschlossene Verfassung in einem Halbkanton oder in beiden verworfen wird."
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Ein gleiches Begehren wurde im Kanton Basel-Stadt eingereicht.
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Der Regierungsrat des Kantons Baselland beschloss am ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 16 |
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Prof. Fleiner hat sich in seinem Gutachten wie folgt ausgesprochen: Das vorliegende Initiativbegehren fordere Anordnungen, die über den Bereich der Aufgaben des Staates Baselland hinausgehen und unter die Hoheit von Basel-Stadt fallen. Insoweit sei es nach dem Bundesrecht und dem kantonalen Verfassungsrecht unzulässig. Auch könne die Initiative, wenn sie als bedingte anzusehen sei, nicht zugelassen werden. Daraus ergebe sich, dass der erste Antrieb zur Wiedervereinigung nicht durch eine Teilrevision in einem Halbkanton eingeleitet werden könne. Der einzige Weg zur Regelung des Wiedervereinigungsverfahrens sei ein Vertrag zwischen den beiden Halbkantonen, der zwischen den beiden Regierungen abzuschliessen und dann dem Volke zur Abstimmung zu unterbreiten wäre.
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C. | |
Gegen den Beschluss des Regierungsrates haben Erlacher und Genossen als Initianten und stimmberechtigte Einwohner von Baselland am 15. März 1934 die staatsrechtliche Beschwerde ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und der Regierungsrat anzuweisen, die ![]() ![]() | 19 |
Die Rekurrenten machen geltend, dass der angefochtene Beschluss gegen die Art. 48 und 49 KV, Art. 5, 6, 43, 45, 113 Ziff. 3 BV, eventuell auch gegen Art. 4 BV, verstosse. Sie berufen sich auf ein Gutachten von Prof. Max Huber und führen aus: Es sei nicht einzusehen, wieso das Volk von Baselland die Wiedervereinigung nicht beschliessen könnte. Die Initiative verstosse nicht gegen kantonales Verfassungsrecht. Dieses kenne nur eine Form für alle Verfassungsänderungen, also auch für solche, die grundlegend seien und die Aufgabe der eigenen staatlichen Existenz durchführen sollen. Die Verfassung des Kantons Basel-Landschaft bleibe übrigens auch bei der Annahme der Initiative bestehen. Hiedurch werde nur die Ausarbeitung einer Verfassung für den geeinten Kanton ermöglicht. Erst später werde die Wiedervereinigung dem Volke vorgelegt. Der Regierungsrat sei somit nach Art. 48 KV zur Ansetzung der Volksabstimmung verpflichtet. Die Initianten hätten Anspruch darauf, dass auf Grund des geltenden Verfassungsrechts ihr Volksbegehren behandelt werde. Durch dieses solle ein besonderer Artikel in die Kantonsverfassung aufgenommen werden, der "unter Wahrung bestimmter Grundsätze" die Wiedervereinigung vorbereite. Die erwähnten Grundsätze enthielten bloss eine unverbindliche Wegleitung für den Landrat oder Verfassungsrat.
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D. | |
Der Regierungsrat von Baselland hat die Abweisung der Beschwerde beantragt. Er bemerkt, es bestünden gewichtige Bedenken, dass der im Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1933 enthaltene Vorbehalt noch gültig sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Erwägung 3 | |
3. Art. 48 der KV von Baselland gibt 1500 stimmfähigen Bürgern das Recht, dem Volke einen Antrag auf Verfassungsrevision zur Abstimmung vorzulegen. Es ![]() ![]() | 22 |
Erwägung 4 | |
4. Die Haupteinwendung, die der Regierungsrat von Baselland gestützt auf den Inhalt von Art. 48 KV erhebt, ist die, dass die Beendigung der eigenen staatlichen Existenz nicht Gegenstand einer Volksinitiative im Sinne der genannten Verfassungsbestimmung sein könne. Nach dieser ist eine Volksinitiative für eine Verfassungsrevision zulässig. Verfassungsrevision ist die Aufstellung einer neuen anstelle der bisherigen Verfassung (Totalrevision) oder die Einführung neuer, die Aufhebung oder Abänderung einzelner Artikel bei der bestehenden Verfassung (Partialrevision). Die Verfassung sagt nicht, was dem Inhalte nach Gegenstand einer Verfassungsrevision und damit einer Initiative auf eine solche sein kann. Es leuchtet aber ein, dass jede Bestimmung, die geeignet ist, Bestandteil der Verfassung zu sein, auch im Wege der Initiative in sie hineingebracht werden kann. Bei der ![]() ![]() | 23 |
Die Wiedervereinigung der beiden Halbkantone hat zur Folge, dass die bisherige staatliche Organisation von Basel-Land aufgelöst wird, indem Gebiet und Volk Bestandteil eines zu errichtenden grösseren staatlichen Verbandes werden. Wiedervereinigung bedeutet daher nicht die Schaffung einer neuen Verfassung von Baselland anstelle der bisherigen, sondern sie führt zum Erlass der Verfassung für ein grösseres Gemeinwesen, worin der bisherige Staat Baselland aufgeht. Insofern kann man vom Standpunkt des Staatsrechtes von Baselland aus sagen, dass eine Initiative auf Wiedervereinigung nicht auf Revision, sondern auf Beseitigung, Vernichtung der kantonalen Verfassung überhaupt geht und daher aus dem Bereiche von Art. 48 herausfällt.
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Erwägung 5 | |
5. In diesem Sinne kann die Auffassung des Regierungsrates, dass eine Initiative auf Wiedervereinigung die Schranken einer zulässigen Verfassungsrevision nach der genannten Bestimmung durchbreche, nicht wohl als unzulässig bezeichnet werden. Man hätte freilich, mit Rücksicht auf den Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833, auch zu einem andern Ergebnis gelangen können. Der in diesem Beschluss enthaltene Vorbehalt der Wiedervereinigung der beiden Basel gilt auch heute noch, obwohl er nicht ausdrücklich in die Bundesverfassung aufgenommen worden ist; denn nach Art. 6 Ue.z.BV von 1848 blieben die Beschlüsse der Tagsatzung bis zu ihrer Aufhebung oder Abänderung in Kraft, soweit sie nicht der Bundesverfassung widersprachen. Diese Bestimmung wurde auch nicht etwa dadurch aufgehoben, dass sie in der Verfassung von 1874 nicht wiederholt worden ist. Das beruht lediglich darauf, dass man eine solche Wiederholung als überflüssig ansah. Die Bestimmung blieb als selbstverständliche Rechtsnorm bestehen, soweit sie noch irgendwelche Bedeutung hatte. Der Vorbehalt bringt zum Ausdruck, dass ![]() ![]() | 25 |
Erwägung 6 | |
6. Aus dieser Auslegung des Art. 48 KV folgt indessen nur, dass eine Initiative unzulässig ist, die direkt die Wiedervereinigung vorschlägt in dem Sinn, dass sie mit der Annahme der Vorlage (und einem entsprechenden Entscheid in Baselstadt) virtuell vollzogen ist und es sich dann nur noch darum handelt, den Beschluss auszuführen, d.h. den wiederhergestellten Kanton Basel zu organisieren. Keineswegs unstatthaft aber ist danach eine Initiative, die lediglich darauf ausgeht, in der KV die zur Zeit noch fehlende Grundlage und das Verfahren zu schaffen, um einen spätern Entscheid über die Wiedervereinigung herbeizuführen. Das ist eine blosse Verfassungsrevision in Baselland durch Einfügung eines neuen Artikels in die KV (der auch seinem Inhalt nach, wie noch auszuführen sein wird, nichts enthält, was nicht in der Verfassung stehen ![]() ![]() | 26 |
Erwägung 7 | |
7. Nähere Prüfung ergibt nun, dass die vorliegende Initiative keine solche auf Wiedervereinigung ist, sondern eine Initiative auf Revision der KV behufs Herbeiführung eines Entscheides über die Wiedervereinigung. Zwar wird in Ziff. 1 die Wiedervereinigung mit Baselstadt ausgesprochen unter Wahrung einiger Grundsätze. Der übrige Inhalt des Begehrens zeigt aber, dass damit keine virtuelle Wiedervereinigung gemeint ist, die mit der Annahme der Vorlage (immer vorausgesetzt ein sachlich übereinstimmender Entscheid in Baselstadt) eingetreten wäre, sondern dass der Entscheid über die Wiedervereinigung einer spätern Abstimmung über die Verfassungsvorlage für Basel vorbehalten ist. Auch nach Annahme der Initiative besteht der Kanton Baselland mit seinen Behörden wie bisher weiter. Der Verfassungsrat, wozu Baselland 75 Mitglieder wählt, ist nicht etwa ein Organ des wiedererrichteten Kantons Basel, sondern eine gemeinschaftliche Behörde der beiden Halbkantone, die in dieser Beziehung einen Zweckverband bilden. Erst mit der Annahme der Verfassungsvorlage wird die Wiedervereinigung beschlossen sein; bei zweimaligem negativem Ergebnis wird nicht etwa eine grundsätzlich bereits vollzogene Wiedervereinigung wieder rückgängig gemacht, sondern es bleibt alles beim alten. Der erste Satz der Zif. 1 der Initiative ist daher nichts weiter als ein völlig unverbindliches, rechtlich belangloses Bekenntnis zum Gedanken der Wiedervereinigung, und bei den zu wahrenden Grundsätzen hat man es, ![]() ![]() | 27 |
Erwägung 8 | |
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Erwägung 9 | |
9. Sie erscheint auch nicht aus andern Gründen als inhaltlich unzulässig. So nicht deshalb, weil sie ihrem Gegenstand nach über den Bereich des Kantons und seiner staatlichen Aufgaben hinausgehen würde. Die auf die Wiedervereinigung abzielende Aktion setzt freilich voraus, dass auch in Baselstadt entsprechend vorgegangen wird. ![]() ![]() ![]() ![]() | 29 |
Erwägung 10 | |
10. Schliesslich kann der Initiative, als Motiv der Nichtzulassung zur Volksabstimmung, auch nicht entgegengehalten werden, dass sie keine Erschwerung der Wiedervereinigung vorsehe, sei es, dass nur die Kantonsbürger an der Abstimmung teilnehmen können, sei es, dass eine qualifizierte Mehrheit nötig ist, sei es nach beiden Richtungen. Für die Abstimmung über die Initiative, die auf eine Verfassungsrevision geht, kommt bundesrechtlich nichts anderes in Betracht als Zulassung auch der niedergelassenen Schweizerbürger und absolutes Mehr (BV Art. 6 c, 43). Nach Art. 48 I KV ist dabei massgebend die absolute Mehrheit der Stimmenden; der Kanton hat also von der nach Bundesrecht bestehenden Möglichkeit, auf die Mehrheit der stimmfähigen Bürger abzustellen (Burkhardt, BV 3. A. S. 69), keinen Gebrauch gemacht. Was den spätern Entscheid über die Wiedervereinigung anlangt, so wäre es vom bundesrechtlichen Standpunkt aus jedenfalls zulässig, dass der Verfassungsartikel, der diesen Entscheid vorsieht und vorbereitet, für die Wiedervereinigung die absolute Mehrheit der stimmfähigen Schweizerbürger verlangt. Ob im Falle der Annahme der Initiative der Landrat (oder Verfassungsrat) eine solche von der Initiative nicht angeregte Bestimmung in die Vorlage aufnehmen kann, ist eine Frage, zu der das Bundesgericht hier nicht Stellung zu nehmen hat. Ebensowenig hat es sich darüber auszusprechen, ob weitere Erschwerungen im gedachten Sinn des Entscheides der Wiedervereinigung beim gegenwärtigen Stand des Bundesrechts zulässig wären (man beachte immerhin, dass der Entscheid über die ![]() ![]() | 30 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
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