BGE 108 II 112 - Hallenbadmiete | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
22. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung |
vom 31. März 1982 i.S. Max Gautschi gegen Fred Schwab (Berufung) | |
Regeste |
Art. 2 Abs. 2 und 253 OR. Unvollständiger Mietvertrag. Ergänzung durch den Richter. |
Ein mietvertragsähnliches Verhältnis liegt vor, wenn eine durch Gebrauchsüberlassung bereits erfüllte Vereinbarung einzig hinsichtlich der Höhe einer nur grundsätzlich vereinbarten Vergütung unbestimmt ist. Richterliche Ergänzung des Vertrages nach Treu und Glauben. | |
Sachverhalt | |
Gautschi und Schwab bewohnen als Nachbarn zwei 1970 von der gleichen Baufirma erstellte Häuser in Zürich. Auf dem Grundstück Schwab wurde ein Hallenbad gebaut, an dessen Kosten Gautschi eine Anzahlung von Fr. 63'000.- leistete. Nach einer Vereinbarung vom 25. Februar 1971 sollte dafür eine besondere Parzelle ausgeschieden und Schwab und Gautschi im Verhältnis von 55 zu 45% in Miteigentum zugewiesen werden. In der Folge lehnte es Schwab ab, das Miteigentum zu begründen, bestätigte jedoch das Benützungsrecht Gautschis, der dieses denn auch während Jahren ausübte.
| 1 |
Schon im September 1974 reichte Gautschi beim Bezirksgericht Zürich gegen Schwab Klage ein, mit welcher er den Grundbuchvollzug der Miteigentumsvereinbarung, eventuell die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit, subeventuell die Feststellung eines vertraglichen Benützungsrechts und subsubeventuell Zahlung von Fr. 255'000.- verlangte. Das Bezirksgericht Zürich verpflichtete den Beklagten, dem Kläger den Baukostenbeitrag von Fr. 63'000.- zurückzuerstatten und wies im übrigen die Klage ab. Im Berufungsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich war nur noch diese Rückzahlungspflicht streitig. Weil der Kläger das Hallenbad während knapp sechs Jahren benützt hatte, sprach das Obergericht dem Beklagten dafür eine Vergütung zu; nach Verrechnung mit diesem Gegenanspruch schützte er die Klage schliesslich für Fr. 18'766.80 nebst 5% Zins seit 1. Oktober 1978. Vor Bundesgericht hält der Kläger an seiner Rückzahlungsforderung von Fr. 63'000.- fest.
| 2 |
Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
| 3 |
Erwägung 4 | |
4 | |
Das Obergericht lässt offen, ob ein mietvertragsähnliches oder ein faktisches Vertragsverhältnis vorliege (dazu näher BUCHER, OR allg. Teil, S. 239 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 563-565 zu Art. 1 OR). Entscheidend ist, dass die Parteien die Mitbenützung des Hallenbades durch den Kläger, und zwar gegen Entgelt, vereinbarten. Die Möglichkeit eines nur faktischen Rechtsverhältnisses braucht daher nicht berücksichtigt zu werden; vielmehr liegt eine mietvertragsähnliche Vereinbarung, wenn nicht gar ein (unvollständiger) Mietvertrag vor. Zwar fehlt es an einem bestimmten oder bestimmbaren Mietzins, doch setzt sich das Obergericht gestützt auf BGE 100 II 330 zu Recht darüber hinweg. Dieser Entscheid, der sich auf PIOTET (La formation du contrat, S. 30-36) berufen konnte, wurde von MERZ (ZBJV 112/1976, S. 99) und vor ihm von JEANPRETRE (JdT 1975 I, S. 610) kritisiert, der sich (wie SCHMID, N. 2 zu Art. 253 OR) auf BGE 23 II 1113 ff. beruft. In diesem alten Entscheid fehlte es aber nicht nur an der Bestimmung der Mietzinshöhe, sondern an der Vereinbarung der Entgeltlichkeit überhaupt. Weiter zitiert JEANPRETREBGE 54 II 303 E. 1; dort war zu beurteilen, ob der Mietvertrag, trotz fehlender Einigung über einen vorbehaltenen Nebenpunkt, gültig zustande gekommen war; der Mieter hatte indessen die Räumlichkeiten nicht bezogen. Wesentlich anders stellt sich die Frage, wenn es darum geht, eine durch Gebrauchsüberlassung bereits erfüllte Vereinbarung hinsichtlich der Höhe einer nur grundsätzlich vereinbarten Vergütung zu ergänzen. Dieser Tatbestand entspricht jenem, bei dem nach Beendigung des Mietvertrages der Mieter noch weiter in den Räumlichkeiten geduldet und ein mietvertragsähnliches Verhältnis angenommen wird (BGE 63 II 371; SCHMID, N. 4 zu Art. 253 OR; BUCHER, OR allg. Teil, S. 243). Bei Ungültigkeit eines Vertrages besteht zwar im allgemeinen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, allenfalls ein ausservertraglicher Schadenersatzanspruch (SCHMID, N. 3 zu Art. 253 OR); in Fällen wie dem vorliegenden, wo der Mieter die Sache bereits seit Jahren nutzt, wird jedoch dieser Weg nicht nur der Situation nicht gerecht, er ist auch kaum praktikabel.
| 5 |
Demnach besteht kein Anlass, von der mit BGE 100 II 330 gegebenen Lösung abzuweichen. Das Obergericht hat zu Recht angenommen, es liege ein unvollständiger Vertrag vor, der nach Treu und Glauben zu ergänzen sei. Massgebend ist dabei, was die Parteien unter den gegebenen Umständen in guten Treuen vereinbart hätten, wäre die Höhe des Mietzinses festgesetzt worden; diese Ergänzung des Vertrages gemäss Art. 2 Abs. 2 OR unterliegt als Rechtsfrage der freien Überprüfung durch das Bundesgericht, das sich dabei auf die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stützt (BGE 107 II 149 und 218/9). Die Auffassung des Beklagten, die Angemessenheit der Benützungsentschädigung könne im Berufungsverfahren nicht geprüft werden, ist daher unzutreffend.
| 6 |
Erwägung 5 | |
5. Über die Frage, wie hoch unter Berücksichtigung des Ausbaustandards und des Wertes der Anlage die angemessene Entschädigung für die Mitbenützung des privaten Hallenbades durch den Kläger, seine Familie und allfällige Gäste in der Zeit vom 16. Oktober 1972 bis 30. September 1978 anzusetzen sei, ordnete das Obergericht eine Expertise an. Es hält fest, dass der Experte bei der Ermittlung des Mietwerts des Hallenbades insbesondere den Realwert, die kostendeckende Bruttorendite und die Mitbenützungsanteile berücksichtigt, die von den Parteien bereits bezahlten Betriebs- und Unterhaltskosten dagegen ausgeklammert habe. Für die Ermittlung der Bruttorendite habe der Gutachter auch der Entwicklung der Hypothekarzinsen in der massgeblichen Periode Rechnung getragen. Aufgrund dieses Gutachtens, das die Vorinstanz für überzeugend hält, gelangt diese zu einer Benützungsentschädigung von Fr. 65'758.20. Der Kläger beantragt, diese Vergütung herabzusetzen, weil er nie willens gewesen sei, soviel zu zahlen. Damit macht er jedoch nicht eine Verletzung von Bundesrecht geltend; wieviel der Kläger zu zahlen bereit war, ist unerheblich, weil die Parteien diese Frage wie bereits ausgeführt offen liessen und daher der Richter nach den Umständen und nach Treu und Glauben, nicht nach dem Willen des Klägers, die angemessene Entschädigung zu bestimmen hat. Wenn der Kläger sodann die angefochtene Gesamtsumme in eine monatliche Miete von Fr. 919.70 umrechnet und geltend macht, dass ihn dabei selbst bei täglicher Benützung ein Bad Fr. 30.- gekostet hätte, übersieht er den luxuriösen Charakter eines privaten Hallenbades für nur zwei Partner, bestehe zwischen ihnen Miteigentum oder ein Mietverhältnis.
| 7 |
Der Kläger bestreitet zu Recht nicht, dass der Experte die Entschädigung nach den für Mietzinsberechnungen geltenden Grundsätzen berechnen durfte und berechnet hat. Das Obergericht hat daher zu Recht den Rückerstattungsanspruch des Klägers von Fr. 84'525.-, der betragsmässig unangefochten ist, um Fr. 65'758.20 auf Fr. 18'766.80 gekürzt.
| 8 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |