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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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54. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 5. Oktober 1999 |
i.S. Regina Stauffer und Mitbeteiligte gegen Stadt Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich |
(Verwaltungs- gerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Besoldung der Zürcher Kindergartenlehrkräfte; Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV, Art. 3 Gleichstellungsgesetz. |
Lohndiskriminierung; Vergleich des Frauenberufs der Kindergartenlehrkräfte mit dem neutral betrachteten Beruf der Primarlehrkräfte (E. 2). |
Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeit bei der Festlegung der Besoldung für die Kindergartenlehrkräfte (E. 4). Arbeitsbewertung des Berufs der Kindergartenlehrkräfte (E. 5). Zulässigkeit der quantitativen Angabe des Diskriminierungsausmasses (E. 6). | |
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Regina Stauffer und weitere Kindergartenlehrkräfte erhoben am 29. März 1996 beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Stadt Zürich wegen Lohndiskriminierung. Sie verlangten Lohnnachzahlungen sowie ab dem 1. Januar 1996 Lohnauszahlungen entsprechend der Einstufung 18 der kantonalen Besoldungsklasse (BVO).
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Mit Klage vom 24. März 1997 gegen die Stadt Zürich und den Kanton Zürich beantragten der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und der Verband Kindergärtnerinnen Zürich beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, es sei festzustellen, dass die Besoldung der Kindergärtnerinnen (75% der Besoldung der Primarlehrkräfte bzw. 80% der kantonalen Besoldungsklasse 18 BVO) diskriminierend sei, und es seien die Städtische Volksschullehrer-Verordnung bzw. die kantonalen Besoldungsempfehlungen für die Kindergärtnerinnen entsprechend zu ändern.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den Kanton Zürich am 10. Juli 1997 mangels Passivlegitimation des Beklagten ab und vereinigte die Klage gegen die Stadt Zürich mit derjenigen von Regina Stauffer und Mitbeteiligten.
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Mit Urteil vom 3. Februar 1999 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die beiden Klagen teilweise gut. Es kam zum Ergebnis, eine Lohndifferenz von 18% zwischen den Kindergartenlehrkräften und den Primarlehrkräften sei gerechtfertigt; der darüber hinaus gehende Besoldungsunterschied von 7% sei jedoch diskriminierend und verstosse gegen Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und gegen Art. 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG; SR 151). Es verpflichtete daher die Stadt Zürich zu entsprechenden Lohnnachzahlungen.
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Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts haben Regina Stauffer und Mitbeteiligte sowie der VPOD beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Wesentlichen ab, heisst sie indessen in Bezug auf die Berechnung des geschuldeten Lohnguthabens im Sinne der Erwägungen gut. (Parallel zu diesem Verfahren hat das Bundes-gericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Stadt Zürich gegen dasselbe Urteil des Verwaltungsgerichts beurteilt, BGE 125 II 541). ![]() | 5 |
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Auszug aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
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Eine indirekte geschlechtsbedingte Diskriminierung liegt vor, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts ohne sachliche Begründung gegenüber jenen des anderen Geschlechts erheblich benachteiligt (Botschaft vom 24. Februar 1993 zum Gleichstellungsgesetz, BBl 1993 I 1248 ff., 1295 f.; BGE 125 I 71 E. 2a S. 79; 124 II 409 E. 7 S. 424 f. mit Hinweisen). Eine Ungleichbehandlung, welche nicht spezifisch Angehörige des einen Geschlechts betrifft, fällt demgegenüber nicht in den Geltungsbereich von Art. 4 Abs. 2 BV bzw. des Gleichstellungsgesetzes, sondern beurteilt sich einzig nach Art. 4 Abs. 1 BV (vgl. BGE 125 I 71 E. 2a S. 79; 125 II 385 E. 3b S. 387 mit Hinweisen).
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Erwägung 3 | |
3.- a) Gemäss Art. 29 der städtischen Verordnung vom 15. November 1989 über die Anstellungsbedingungen und ![]() ![]() | 10 |
Erwägung 4 | |
4.- a) In erster Linie umstritten ist die Berücksichtigung der Arbeitszeit als lohnbestimmenden Faktor. Die Beschwerdeführenden bringen vor, es sei diskriminierend, dass einzig bei den typischen Frauenberufen der Kindergärtnerinnen sowie der Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen das Element der Arbeitszeit nachträglich eingeführt worden sei. Das Verwaltungsgericht ist ebenfalls davon ausgegangen, dass dies eine geschlechtsbedingte Diskriminierung vermuten lässt (Art. 6 GlG; BGE 124 II 436 E. 7c/d S. 442; vgl. auch BGE 124 II 409 E. 11e S. 434). Es hat jedoch den Beweis des Gegenteils als erbracht beurteilt.
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b) Die Berücksichtigung der Arbeitszeit wirft sowohl Tatfragen als auch Rechtsfragen auf: Tatfrage ist im Wesentlichen, wie hoch die Arbeitszeit der Kindergärtnerinnen und der Vergleichsberufe ist (BGE 124 II 436 E. 9 S. 446); Rechtsfrage ist, ob die Berücksichtigung der Arbeitszeit zulässig ist (vgl. BGE 124 II 436 E. 8 S. 442).
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d) Die Beschwerdeführenden bringen vor, ausser bei Kindergärtnerinnen sei auch bei dem ebenfalls typischen Frauenberuf der Hauswirtschafts- und Handarbeitslehrerinnen die Arbeitszeit nachträglich ![]() ![]() | 14 |
e) Selbst wenn im Umstand, dass bei typischen Frauenlehrberufen ein geringeres Arbeitspensum berücksichtigt wird, eine geschlechtsbezogene Diskriminierung läge, könnte diese nicht dadurch korrigiert werden, dass den Angehörigen dieser Berufe für ein tatsächlich quantitativ geringeres Pensum ein voller Lohn bezahlt würde. Dadurch würden wieder Ungleichheiten gegenüber den Angehörigen anderer Berufe geschaffen. Vielmehr wäre eine solche allfällige Diskriminierung dadurch zu beheben, dass den Kindergartenlehrkräften Gelegenheit geboten wird, ein volles Pensum auszuüben, beispielsweise mit Zusatzlektionen in anderen Klassen (vgl. BGE 124 II 436 E. 8d/dd S. 444).
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Bei pädagogischen Berufen wird die Arbeitszeit in der Regel nicht wie bei anderen Arbeitnehmern in einer festen Zahl von Arbeitsstunden festgelegt, sondern durch eine bestimmte Zahl von Pflichtlektionen und übrige Pflichtpräsenzzeit. Zu dieser Zeit kommt ein gewisser Aufwand hinzu für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Gespräche mit Eltern und dergleichen. Dieser Aufwand und damit auch die gesamte Arbeitszeit einer Lehrkraft lassen sich naturgemäss nicht leicht quantifizieren. Immerhin lässt sich unter der Voraussetzung, dass bei verschiedenen Kategorien von Lehrkräften das Verhältnis ![]() ![]() | 17 |
Vorliegend wurde indessen mit der erwähnten IAP-Studie auf Grund einer empirischen Erhebung ein direkter Vergleich der Gesamtarbeitszeit vorgenommen. Eine solche Erhebung ist zumindest nicht ungenauer als die für den Kanton Solothurn verwendete Methode. Bei diesem Vorgehen ist nicht die Zahl der Pflichtlektionen oder die vorgeschriebene Präsenzzeit massgebend, sondern die gesamte Arbeitszeit. Die Ausführungen der Beschwerdeführenden zu den Pflichtlektionen und zum Vor- und Nachbereitungsaufwand sind auf dieser Grundlage nicht ausschlaggebend.
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g) Das Verwaltungsgericht ist gestützt auf die IAP-Studie davon ausgegangen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der Kindergärtnerinnen 87% derjenigen der Primarlehrkräfte beträgt. Das ist eine Sachverhaltsfeststellung, die für das Bundesgericht grundsätzlich bindend ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Die Beschwerdeführenden bringen nichts vor, was diese als offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt erscheinen liesse. Zwar machen sie geltend, bei der vom Kanton durchgeführten umfassenden Arbeitsbewertung (Vereinfachte Funktionsanalyse, VFA 1991) sei davon ausgegangen worden, alle bewerteten Funktionen leisteten ein volles Pensum. Das ist schon deshalb nicht massgebend, weil die Funktion Kindergärtnerin nicht im Rahmen dieser Arbeitsbewertung, sondern in einem damit zwar koordinierten, aber gesonderten Verfahren bewertet wurde, da die Kindergartenlehrkräfte nicht vom Kanton, sondern von den Gemeinden angestellt und besoldet werden. Nicht erheblich ist auch die Kritik der Beschwerdeführenden an der in BGE 124 II 436 zu Grunde gelegten Annahme, der Vor- und Nachbereitungsaufwand sei auf den höheren Schulstufen grösser. Denn vorliegend basiert der Arbeitszeitvergleich gerade nicht auf einer von der Anzahl der Pflichtstunden ausgehenden Hochrechnung, sondern auf einer Erhebung der effektiven Gesamtarbeitszeit. Schliesslich überzeugt auch die Kritik am Einbezug der Pausen in die Arbeitszeit der Primarlehrkräfte nicht. Das Bundesgericht hat ![]() ![]() | 19 |
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In dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten wird der Arbeitswert der Funktion Kindergärtnerin anhand einer Vereinfachten Funktionsanalyse mit der Funktion Primarlehrkraft verglichen. Diese Methode wurde in der Schweiz verschiedentlich angewendet, so auch im Kanton Zürich im Rahmen der Arbeitsbewertung 1991. Sie basiert auf sechs Kriterien, welche die zur Beurteilung einer Funktion massgebenden Anforderungen zusammenfassen (vgl. BGE 124 II 409 E. 10). Diese Kriterien berücksichtigen einzig die qualitativen Aspekte, nicht aber die gegebenenfalls unterschiedliche Dauer der Arbeitszeit. Die entsprechenden Untersuchungen basieren auf der Annahme, dass die zu vergleichenden Funktionen quantitativ eine gleich grosse Arbeitszeit haben (vgl. BGE 124 II 436 E. 8b S. 443). Der vom Verwaltungsgericht angestellte Arbeitswertvergleich hat deshalb die vorliegend zu Grunde zu legenden quantitativen Unterschiede in der Arbeitszeit nicht berücksichtigt. Der vom Verwaltungsgericht beigezogene Experte Katz hielt in seinem Gutachten ausdrücklich fest, dass bei seinen Schlussfolgerungen allfällige Unterschiede in Bezug auf die Arbeitspensen nicht berücksichtigt seien. Es ist daher richtig, den festgestellten quantitativen Unterschied im Arbeitspensum bei der Lohnbemessung zusätzlich einzubeziehen.
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i) Die Beschwerdeführenden bringen eventualiter vor, ihre Arbeitszeit hätte nicht mit derjenigen der Primarlehrkräfte (45,23 Stunden), ![]() ![]() | 22 |
Da bei pädagogischen Berufen das Arbeitspensum üblicherweise nicht in einer festen Zahl von Arbeitsstunden festgelegt wird, ist ein Vergleich mit den übrigen Beamten und Angestellten naturgemäss mit gewissen Unschärfen behaftet. Es ist deshalb nicht unzulässig, Arbeitszeitvergleiche in erster Linie zwischen den verschiedenen Kategorien von Lehrkräften anzustellen. Jedenfalls ist ein solches Vorgehen nicht geschlechtsdiskriminierend: Sofern dadurch die Lehrkräfte gegenüber den anderen Beamten und Angestellten benachteiligt werden sollten, würde das für alle Kategorien von Lehrkräften gleichermassen gelten, also nicht nur für den Frauenberuf der Kindergärtnerin, sondern ebenso für die geschlechtsneutralen oder männlich dominierten Lehrberufe.
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Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführenden selber im Verfahren vor Verwaltungsgericht einen Vergleich mit den Primarlehrkräften angestellt und keine weiteren Vergleiche beantragt haben. Unter diesen Umständen hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlass, andere Vergleiche anzustellen (vgl. BGE 124 II 436 E. 8d/ee S. 445).
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Erwägung 5 | |
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b) Den zuständigen Behörden kommt bei der Ausgestaltung eines Besoldungssystems im öffentlichen Dienst ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie können aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandselemente auswählen, die für die Besoldung von Beamten massgebend sein sollen (BGE 123 I 1 E. 6b/c S. 8; 121 I 49 E. 4c S. 53 f.). Das Lohngleichheitsgebot schränkt diesen grossen Ermessensspielraum nicht grundsätzlich ein. Ob verschiedene Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ![]() ![]() | 27 |
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d) Beim Kriterium K4 (Psychische Belastung) schlug der gerichtliche Experte gleich wie für Primarlehrkräfte die Einstufung 3,0 vor. Das Verwaltungsgericht reduzierte dies auf die von der Arbeitsgruppe VFA angenommene Stufe 2,5, insbesondere unter Hinweis auf den höheren psychischen Druck der Primarlehrer infolge der zu ![]() ![]() | 29 |
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Erwägung 6 | |
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Es ist jedenfalls im Zusammenhang mit einer Lohndiskriminierung nicht ersichtlich, weshalb eine quantitative Angabe des Diskriminierungsausmasses unzulässig sein soll. Lohndiskriminierung drückt sich darin aus, dass eine ungerechtfertigte Differenz in der Besoldung besteht. Diese Differenz kann grösser oder kleiner sein, was für die Betroffenen durchaus erheblich ist, bemisst sich doch die Höhe des allenfalls zusätzlich geschuldeten Lohnes (Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG) danach, um wieviel der bisherige Lohn zu tief ist. Das gilt auch für das von einem Verband nach Art. 7 GlG angestrengten Feststellungsurteil. Der praktische Nutzen dieser Verbandsklage liegt insbesondere darin, individuelle Leistungsbegehren zu erleichtern (Elisabeth Freivogel, in: Margrith Bigler-Eggenberger/Claudia Kaufmann ![]() ![]() ![]() | 32 |
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