BVerwGE 24, 60 - Zumutbarkeit | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Marcel Schröer, Fabian Beer, A. Tschentscher | |||
1. Das hamburg. Denkmalschutzgesetz ist vorkonstitutionelles Recht und genügt den Anforderungen von Art. 14 Abs. 3 GG. |
2. Die Unterstellung unter Denkmalschutz ist nicht stets nur ein Ausfluß der Sozialbindung des Eigentums; es kann darin eine Enteignung liegen. |
3. § 25 des hamburg. Denkmalschutzgesetzes ist überholt. |
4. Die Denkmalswürdigkeit eines Gebäudes ist verwaltungsgerichtlich nachprüfbar. |
GG Art. 14; WeimRV Art. 153; hbg. Denkmalschutzgesetz vom 6. Dezember 1920 §§ 1, 3 bis 6, 9, 16, 25 |
Urteil |
des IV. Senats vom 22. April 1966 |
-- BVerwG IV C 120.65 -- |
I. Verwaltungsgericht Hamburg |
II. Oberverwaltungsgericht Hamburg | |
Das Haus des Klägers, ein früheres Lotsenhaus, wurde auf Grund des hamburgischen Denkmalschutzgesetzes vom 6. Dezember 1920 (Sammlung des bereinigten hamburgischen Landesrechts 224-a) -- DSchG -- unter Denkmalschutz gestellt, indem die Behörde es, während es noch der Rechtsvorgängerin des Klägers gehörte, nach Einschaltung des Denkmalrates in die Denkmalliste eintrug, die Eintragung veröffentlichte und schließlich dem Kläger, der inzwischen Eigentümer geworden war, dies schriftlich mitteilte.
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Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers führten nicht zu der von ihm begehrten Beseitigung der Unterstellung unter Denkmalschutz.
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Auf die Revision des Klägers verwies das Bundesverwaltungsgericht die Streitsache an das Berufungsgericht zurück.
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Aus den Gründen: | |
1. Das hamburgische Denkmalschutzgesetz ist vorkonstitutionell.
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Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG sagt: "Sie (d.h. die Enteignung) darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt." Diese sogenannte Junktim-Klausel greift nach der Rechtsprechung (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 1955 -- BVerfGE 4, 219 [236/237] --, zuletzt: Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 1965 -- BVerwG IV B 10.65 --) nur bei nachkonstitutionellen Gesetzen ein. Bei vorkonstitutionellen Gesetzen nimmt die Rechtsprechung an, sei seien durch Art. 153 Abs. 2 Satz 2 WeimRV ("angemessene Entschädigung") ergänzt. An dieser gefestigten Rechtsprechung ist festzuhalten.
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Vergeblich sucht die Revision das hamburgische Denkmalschutzgesetz als nachkonstitutionell hinzustellen. Das hamburgische Denkmalschutzgesetz ist 1920 erlassen. Daß es nach 1949 an einigen -- hier nicht einschlägigen -- Stellen geändert worden ist, macht es nicht zu einem nachkonstitutionellen Gesetz; die Erwägung, dadurch, daß nur einige Stellen geändert worden sind, habe der spätere Gesetzgeber die unverändert gelassenen in seinen Willen aufgenommen, trifft so allgemein nicht zu; sie würde nur durchgreifen, wenn die gesetzgebende Körperschaft insoweit etwa einen Änderungsantrag ausdrücklich abgelehnt hätte; etwas Derartiges ist hier nicht der Fall. Das Denkmalschutzgesetz ist auch nicht als Ganzes neu verkündet worden (hierzu Hw. Müller in DVBl. 1962 841), weder in der Form, daß der Gesetzgeber selbst die Änderungen gleich in den zusammenhängend veröffentlichten Wortlaut einbaute (Beispiel: Erstes Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 [BGBl. I S. 453] brachte Neufassung des Bundesversorgungsgesetzes), noch in der Form der Anlage zu einem die Änderungen einzeln anordnenden Gesetz (Beispiel: GVG, ZPO, StPO als Anlagen zum Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. September 1950 [BGBl. S. 455]). Das Denkmalschutzgesetz ist nicht einmal kraft gesetzlicher Ermächtigung im Änderungsgesetz vom zuständigen Minister (in Hamburg: Senator) in neuer Fassung bekanntgemacht worden, was an seinem Alter nichts geändert hätte. Daß es in die Sammlung des bereinigten Rechts aufgenommen ist, hat erst recht keinen Einfluß auf sein Alter, auch nicht, wenn dabei Unebenheiten geglättet worden sein sollten.
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Ist das Denkmalschutzgesetz mithin vorkonstitutionell, so ist es unschädlich, daß es nur von "gesetzlicher Entschädigung" spricht. Gemeint ist damit, wie auch aus dem zeitlichen Zusammenhang hervorgehen dürfte -- WeimRV 1919, DSchG 1920 --, die "angemessene Entschädigung" des Art. 153 Abs. 2 Satz 2 WeimRV.
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2. Das Denkmalschutzgesetz ist auch sonst mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Eine Entschädigung sieht es nach seinem Wortlaut (§ 16) zwar nur bei Versagung oder nur bedingungsweiser Genehmigung vor. Bedenkt man aber, daß nach der Vorstellung des hamburgischen Gesetzgebers offenbar für alles, worin eine Enteignung liegen konnte, Entschädigung gewährt werden sollte, so ist das Gesetz dahin zu verstehen, daß Entschädigung auch für bloße Unterstellung unter Denkmalschutz vorgesehen ist, falls sie als Enteignung aufzufassen ist. Eine dahin gehende Auslegung eines Landesgesetzes ist auch dem Bundesverwaltungsgericht, das als Revisionsgericht auf die Prüfung, ob Bundesrecht verletzt ist, beschränkt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO), nicht verwehrt.
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Obwohl nicht zu verkennen ist, daß bei dem Haus des Klägers die Ortsbezogenheit, die ein Anzeichen für Sozialbindung des Eigentums sein kann, eine gewisse Rolle spielt, ist hier nicht abschließend zu entscheiden, ob die Unterstellung dieses Hauses unter Denkmalschutz lediglich einen Ausfluß der Sozialbindung des Eigentums darstellt oder ob darin angesichts der schon durch die Unterstellung eingetretenen Nachteile bereits eine Enteignung liegt, da die Geltung des angewendeten Gesetzes, wie gesagt, für jede dieser beiden Einordnungen zweifelsfrei ist und die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger schon wegen der bloßen Unterstellung ein Entschädigungsanspruch zusteht, nicht vor die Verwaltungsgerichtsbarkeit gehört, sondern vor die Zivilgerichtsbarkeit (Art. 14 Abs. 3 GG).
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a) Zunächst ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts klarzustellen, daß § 25 DSchG nicht mehr gilt. § 25 DSchG schreibt vor, der Entscheid der Behörde, ob ein Gegenstand zu schützen sei, sowie die Beurteilung, ob eine für den Entscheid maßgebliche Gefährdung des öffentlichen Interesses vorliege, gälten als Feststellung eines tatsächlichen Verhältnisses im Sinne des § 28 des Gesetzes, betreffend das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtspflege, vom 23. April 1879. Wenn das Oberverwaltungsgericht meint, nach Aufhebung des § 28 des erwähnten Verhältnisgesetzes sei kraft der Verweisung dessen Inhalt als in § 25 DSchG aufgenommen anzusehen, sonst habe sich nichts geändert, so übersieht es, daß die Neuordnung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie sie durch übergeordnetes Recht vorgenommen worden ist -- MRVO Nr. 141, MRVO Nr. 165, Verwaltungsgerichtsordnung --, die Verwaltungsgerichte nicht an tatsächliche Feststellungen der Verwaltungsbehörden bindet und auch für Sonderbereiche nichts Derartiges zuläßt. Obwohl § 25 DSchG niemals förmlich aufgehoben worden ist und demzufolge in der Sammlung des bereinigten hamburgischen Rechts noch erscheint, ist er durch die Rechtsentwicklung überholt. Da diese sich in dem dem Landesrecht übergeordneten Rechtskreis vollzogen hat, kann das Bundesverwaltungsgericht dies von sich aus klarstellen.
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b) Auch den sonstigen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Denkmalswürdigkeit pflichtet der Senat nicht durchweg bei.
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Wenn § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DSchG die Denkmalswürdigkeit eines Gebäudes dahin umschreibt, die Erhaltung eines Bauwerks wegen seiner allgemeingeschichtlichen oder kunstgeschichtlichen Bedeutung müsse im öffentlichen Interesse liegen, so handelt es sich dabei um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff. Obwohl die Denkmalbehörde -- abgesehen von Eilfällen -- zuvor ein Gutachten des Denkmalpflegers (§ 4 DSchG) und des Denkmalrates (§ 3 DSchG) einzuholen hat (§ 6 DSchG), ehe sie die Eintragung in die Denkmalliste verfügt, also die Mitwirkung von Fachkundigen für den Regelfall vorgeschrieben ist, ist, wenn die Unterstellung unter Denkmalschutz streitig wird, das Verwaltungsgericht doch nicht der eigenen Prüfung enthoben. Auch bei Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wertenden Inhalts ist die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung uneingeschränkt. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht zur Frage der Errichtung oder wesentlichen Änderung von Bauanlagen an Bundesfernstraßen nach § 9 Abs. 2 und 3 des Bundesfernstraßengesetzes (BVerwGE 16, 116 -- Leitsatz 3 -- [129]), zur Frage der nicht zu erwartenden Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit eines Polizeivollzugsbeamten nach § 101 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BVerwGE 16, 285 [287]), zur Frage der ästhetischen Beurteilung einer Anlage der Außenwerbung nach Baurecht (BVerwGE 17, 322), zur Frage, ob Landkindern der Weg zu einer Volksschule zugemutet werden kann (BVerwGE 18, 40 [42]), zur Frage der Zulässigkeit eines nicht bevorrechtigten Bauvorhabens im Außenbereich (BVerwGE 18, 247 [250]), zur Frage des künstlerisch hochstehenden Konzertes nach Vergnügungsteuerrecht (BVerwGE 21, 184) und jüngst zur Frage der Beurteilung eines Filmes als (besonders) wertvoll nach Vergnügungsteuerrecht (BVerwGE 23, 194) entschieden. So liegt es rechtlich auch beim Denkmalschutz. Eine verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbare Beurteilungsermächtigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur bei höchstpersönlichen Werturteilen anzuerkennen, z.B. für Schul- und dgl. Prüfungen (vgl. Urteil vom 14. Juli 1961 [BVerwGE 12, 359]). Mag, da der Denkmalschutz Sache der Länder ist, bei der Beurteilung der Denkmalswürdigkeit auf die Verhältnisse gerade jenes Landes abzustellen sein, in dem das Baudenkmal steht, so war es doch fehlsam, wenn das Oberverwaltungsgericht es rundweg ablehnte, das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Einmal ist durchaus nicht gesagt, daß sich in Hamburg nicht ein Sachverständiger finden ließe, der nicht dem Denkmalrat angehört, und ferner kommt es bei der Auswahl des Sachverständigen gar nicht auf dessen Wohnsitz an -- ob innerhalb oder außerhalb Hamburgs --, sondern lediglich darauf, daß er gerade die hamburgischen Verhältnisse richtig zu beurteilen in der Lage ist (folgen Ausführungen zur Rüge der Nichtbeteiligung des Klägers an einer von ihm behaupteten gerichtlichen Ortsbesichtigung).
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Demnach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Streitsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch nochmals nachzuprüfen haben wird, ob den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes hinsichtlich der Einholung eines Gutachtens des Denkmalrates wirklich voll Genüge getan worden ist. Wer an der Stellungnahme beteiligt war und wie sie im einzelnen zustande gekommen ist, ist, wie der Kläger rügt, nicht ersichtlich geworden. Ohne vollständige Aufklärung dieser Vorgänge ist die auch revisionsgerichtlich gebotene Nachprüfung der richtigen Ausfüllung eines etwaigen Beurteilungsspielraums nicht möglich.
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