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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Engin Kunter, A. Tschentscher | |||
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§ 47 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 VwGO; § 1 Abs. 7 BBauG 1976/1979 |
Beschluß |
des 4. Senats vom 9. November 1979 |
BVerwG 4 N 1. 78, 4 N 2 -- 4. 79 -- |
Vorlegende Gerichte: OVG Koblenz, OVG Lüneburg, VGH München, VGH München | |
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 1. 78 betreibt in A. ein Kaufhaus. Das Betriebsgrundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich eines 1972 erlassenen Bebauungsplanes. Im November 1977 beschloß die Antragsgegnerin zu 1) für das sich nördlich anschließende Gebiet einen Bebauungsplan Nr. 2. Dieser Plan setzt ein Kerngebiet fest, in dem ein Großwarenhaus und in baulicher Verbindung damit das Rathaus der Antragsgegnerin zu 1) sowie eine Tiefgarage errichtet werden sollen.
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Die Antragstellerin zu 1) hat im Mai 1978 beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem ![]() ![]() | 2 |
Das Oberverwaltungsgericht hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil der Antragstellerin zu 1) die erforderliche Antragsbefugnis fehle. Die Antragstellerin zu 1) habe durch den von ihr beanstandeten Bebauungsplan und auch durch dessen Anwendung einen Nachteil weder erlitten noch in absehbarer Zeit zu erwarten. Unter den Begriff des Nachteils im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO falle nämlich nur die Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse.
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Da das Oberverwaltungsgericht meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1) günstigeren -- Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg abzuweichen, und da es außerdem wegen seiner Bedenken gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat es beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob unter dem Begriff des Nachteils in § 47 Abs. 2 VwGO die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen ist, oder ob bereits eine nachteilige Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren ausreicht.
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Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 2. 79 ist Eigentümer eines Wohngrundstücks, das an den bisher eine Sackgasse bildenden H-Weg grenzt. Dieses Grundstück liegt seit 1965 im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der anderweit eine Fläche für gärt ![]() ![]() | 5 |
Der Antragsteller zu 2) hat beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag, den Bebauungsplan Nr. 56 teilweise für ungültig zu erklären, nämlich insoweit, wie ihn eine Verlängerung des H-Weges festgesetzt ist. Er hält den Bebauungsplan für aus verschiedenen Gründen formell unwirksam. Außerdem leide der Plan an materiellen Mängeln. Er sei nicht in der gebotenen Weise aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Ferner liege ihm eine fehlerhafte Abwägung zugrunde. Die Erschließung über den U-Weg sei kürzer und billiger. Es fehle an überzeugenden Gründen, dennoch diese Art der Erschließung zu Lasten der Anlieger des H-Weges durch eine Öffnung dieses Weges zu ersetzen.
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Das Oberverwaltungsgericht bezweifelt die Zulässigkeit der Normenkontrollantrages. Es führt aus: Eine Antragsbefugnis bestehe nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann, wenn der Antragsteller durch die von ihm beanstandete Norm einen Nachteil erlitten oder zu erwarten habe. Das könne nur bei einer Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Fall sein. Daran fehle es hier, weil Straßenanlieger in der Regel keinen Anspruch darauf hätten, daß sich die Verkehrsverhältnisse vor ihrem Grundstück nicht änderten. Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2) lasse sich demgegenüber dann nicht verneinen, wenn der Ansicht gefolgt werde, daß als Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch tatsächliche Auswirkungen einer Rechtsnorm ausreichten. Denn nach Lage der Dinge sei damit zu rechnen, daß das Grundstück des Antragstellers zu ![]() ![]() | 7 |
Das Oberverwaltungsgericht meint, daß die Rechtssache im Zusammenhang mit der Frage der Antragsbefugnis grundsätzliche Bedeutung besitzt. Es hat dementsprechend beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob unter dem Begriff des Nachteils in § 47 Abs. 2 VwGO die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen ist, oder ob bereits eine nachteilige Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren ausreicht.
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Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 3. 79 stellt Betondachsteine her, die unter anderem in Niederbayern vertrieben werden. Sie wendet sich mit einem Normenkontrollantrag gegen die Gültigkeit des von der Antragsgegnerin zu 3) bekanntgemachten Bebauungsplans, soweit dieser Plan die textliche Festsetzung enthält, daß die Dachdeckung in einem Teil des Plangebiets in "Tonziegel naturrot auszuführen sei. Sie macht geltend, daß sie durch die beanstandete Festsetzung im Vergleich zu ihren Konkurrenten erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleide. Seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes habe sie keinen einzigen Auftrag mehr erhalten. Die Festsetzung laufe auf ein Kaufverbot hinaus. Das beeinträchtige sie in ihrer Unternehmensfreiheit. Die Ungültigkeit des Bebauungsplanes ergebe sich aus dem Fehlen der erforderlichen Begründung, aus Mängeln der planerischen Abwägung und aus einem Verstoß gegen die Bayerische Bauordnung, die nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen den Erlaß örtlicher Baugestaltungsvorschriften gestatte.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil die Antragstellerin zu 3) durch die von ihr angegriffene Festsetzung keinen unmittelbaren Nachteil und keine Grundrechtsverletzung erlitten und Nachteile dieser Art auch nicht zu erwarten habe. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei nicht bei nur mittelbaren, sondern allein bei unmittelbaren Nachteilen gegeben.
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Da der Verwaltungsgerichtshof meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 3) günstigeren -- ![]() ![]() | 11 |
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 4. 79 ist Pächterin eines Grundstücks im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 27. Sie betreibt auf diesem Grundstück seit 1965 eine Transportbetonanlage. Der zugrundeliegende Vertrag sichert das Pachtrecht bis zum Jahre 1988; außerdem räumt er der Antragstellerin zu 4) ein Vorkaufsrecht ein.
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Das Betriebsgrundstück der Antragstellerin zu 4) lag vor dem Erlaß des Bebauungsplans Nr. 27 in einem förmlich festgesetzten Industriegebiet. Seine Umgebung ist vorwiegend unbebaut. Nur auf seiner westlichen Seite stehen -- nach der Errichtung der Transportbetonanlage entstandene -- Wohnhäuser, die die Antragstellerin zu 4) im Jahre 1972 auf Drängen der Antragsgegnerin zu 4) durch eine Lärmschutzmauer gegen die Geräuschemissionen des Betriebes abgeschirmt hat. Der Bebauungsplan Nr. 27 sieht in der Umgebung des Betriebsgrundstücks der Antragstellerin zu 4) weitere Wohnbauten vor. Das Betriebsgrundstück selbst ist zum Teil als eingeschränktes Gewerbegebiet und zum anderen Teil als Gewerbegebiet festgesetzt.
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Die Antragstellerin zu 4) hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag, den Bebauungsplan Nr. 27 für nichtig zu erklären. Sie hält den Plan aus mehreren formellen und materiellen Gesichtspunkten für mit höherrangigem Recht unvereinbar und rügt insbesondere, daß zu ihren Lasten gegen § 1 Abs. 7 BBauG 1976 verstoßen sei. Das Zusammentreffen der Herabstufung des Betriebsgeländes vom Industriegebiet zum Gewerbegebiet mit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes in der unmittelbaren Umgebung führe absehbar zu Konflikten, die die weitere Existenz des Betriebes bedrohten. ![]() | 14 |
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Da der Verwaltungsgerichtshof meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 4) günstigeren -- Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin abzuweichen, und da er darüber hinaus wegen der Frage der Antragsbefugnis der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat er beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob ein Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan auch von einem Pächter eines im Geltungsbereich gelegenen Grundstücks gestellt werden kann.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat die vier Vorlagesachen zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden und in der Sache wie folgt erkannt:
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Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte.
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Aus den Gründen: | |
1. Die Vorlagen sind zulässig. Die bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtssachen haben grundsätzliche Bedeutung (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Sie werfen zur Antragsbefugnis Fragen auf, die der Klärung "dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten ![]() ![]() | 19 |
Da sich die Vorlage in allen vier Sachen unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigt, bedarf nicht der Prüfung, ob außerdem die in den Vorlagebeschlüssen zu BVerwG 4 N 1. 78, 4 N 3. 79 und 4 N 4. 79 bejahte Abweichung von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte gegeben ist (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Daß dies dahingestellt bleiben kann, gilt auch für das Vorlageverfahren BVerwG 4 N 3. 79, obgleich der Verwaltungsgerichtshof dort -- anders als in den Verfahren BVerwG 4 N 1. 78 und 4 N 4. 79 -- einzig wegen vermeintlicher Abweichung und nicht auch wegen grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt hat. Die Vorlage wegen Abweichung ist nur ein spezieller Fall der Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Beschluß vom 24. Mai 1965 -- BVerwG 3 B 10. 65 -- Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 49 S. 51 [53] zum Verhältnis zwischen Divergenz- und Grundsatzrevision). Erweist sich bei einer Vorlage wegen Abweichung, daß es zwar an der angenommenen Abweichung fehlt, die Rechtssache in dem fraglichen Punkt jedoch grundsätzliche Bedeutung besitzt, so führt das zur Zulässigkeit der Vorlage (BVerwGE 24, 91 f. zu der entsprechenden Rechtslage bei der Nichtzulassungsbeschwerde). Deshalb braucht auch in der Vorlagesache BVerwG 4 N 3. 79 nicht entschieden zu werden, ob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit seiner im Vorlagebeschluß dargelegten Rechtsauffassung in der Tat von der dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 1973 -- IV N 16/72 -- VerwRspr. 25, 952 zugrundeliegenden Rechtsauffassung abweichen würde oder nicht.
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Die Zulässigkeit der Vorlagen unterliegt auch unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungserheblichkeit keinen Bedenken. Vorlagen sind allerdings nur zur Klärung entscheidungserheblicher Fragen zulässig; ein Oberverwaltungsgericht darf also nach § 47 Abs. 5 VwGO nicht wegen einer Frage vorlegen, auf deren Beantwortung es für den Ausgang des anhängigen Normenkontrollverfahrens nicht ankommt (ebenso BVerwGE 56, ![]() ![]() | 21 |
2. Der beschließende Senat hält, wie der Tenor dieses Beschlusses zum Ausdruck bringt, einen die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründeten Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplanes als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte. Diese Stellungnahme trifft zumindest formal nicht genau die Fragen, die dem Senat mit den Vorlagebeschlüssen gestellt worden sind. Um so antworten zu können, ist vorausgesetzt, daß an den einzelnen Fragestellungen Änderungen vorgenommen werden. Dazu hält sich der beschließende Senat für berechtigt.
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Der Sinn einer Vorlage nach § 47 Abs. 5 VwGO hängt davon ab, daß sie in der Sache zu einem Ertrag führt. Das kann naturgemäß das vorlegende Gericht mit der von ihm gewählten Formulierung der Vorlagefrage nicht gewährleisten. Denn für den Ertrag eines Vorlageverfahrens ist nicht zuletzt wesentlich, wie das mit der Vorlage angerufene Gericht diejenigen Fragen beantwortet, die den Zugang zur Vorlagefrage eröffnet. Es ist beispielsweise -- wie die Vorlagebeschlüsse in den Sachen BVerwG 4 N ![]() ![]() | 23 |
Aus alledem rechtfertigt sich, das Bundesverwaltungsgericht in einem Vorlageverfahren nach § 47 Abs. 5 VwGO für in dem Sinne gegenüber der Fragestellung frei zu halten, daß ihm Änderungen in der Formulierung, im Akzent und im Abstraktionsgrad der Frage erlaubt sind, sofern diese Änderungen erforderlich sind, um ein Vorlageverfahren zu einem sachlichen Ertrag führen zu können. Die sich daraus in den vorliegenden Verfahren ergebenden Änderungen haben dem beschließenden Senat zugleich erleichtert, die vier Vorlageverfahren gem. § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung miteinander zu verbinden.
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3. Die Vorlagebeschlüsse gehen übereinstimmend davon aus, daß nur Normenkontrollanträge von nach § 47 Abs. 2 VwGO zur Antragstellung befugten Personen (oder Stellen) zulässig sind und daß die Antragsbefugnis natürlicher oder juristischer Personen zentral davon abhängt, was in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter dem Merkmal des "Nachteils zu verstehen ist. Dieser Ausgangspunkt trifft zu; er gibt zu weiteren Ausführungen keinen Anlaß.
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Der in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO enthaltene prozeßrechtliche Begriff des Nachteils gestattet unmittelbar aus dem Sinn des Wortes "Nachteil ![]() ![]() | 26 |
Dazu ist im einzelnen zu sagen: Das Wort "Nachteil drückt aus, daß jemand an einem bestimmten "Gut eine "Einbuße erlitten hat. Bei einer Differenzierung zwischen Eingriff und Eingriffswirkung ergibt sich folglich, daß es der "Nachteil nicht (oder doch weniger) mit dem Eingriff, sondern mit der Eingriffswirkung zu tun hat. Für das Entstehen eines Nachteils kommt es beispielsweise bei Bebauungsplänen darauf an, was ein solcher Plan "anrichtet, was er einzelnen an Betroffenheit zumutet. Wird das "Gut, um das es bei einem Betroffensein notwendig geht, als "Interesse bezeichnet, so ist festzustellen: "Nachteil ist gleichbedeutend mit dem Betroffensein in einem Interesse, und zwar -- wie dem Gegensatz zwischen "Nachteil und "Vorteil zu entnehmen ist -- einem negativen, verletzenden Betroffensein im Unterschied zu einem positiven, förderlichen Betroffensein. Zu fragen kann bei diesem Ausgangspunkt nur sein, worin sich die im Zusammenhang mit § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO beachtlichen Interessen von den in diesem Zusammenhang unbeachtlichen Interessen unterscheiden, und ob es dabei auch auf die Art und das Ausmaß ankommt, in denen ein Interesse belastet wird.
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Daß überhaupt eine Einschränkung vorzunehmen ist, also nicht eine jede negative Berührung eines jeden Interesses im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als Nachteil gewertet werden kann, läßt sich nach Überzeugung des beschließenden Senats nicht anzweifeln. Das Erfordernis eines eingetretenen oder zu erwartenden Nachteils soll in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Beschränkung des Kreises der Antragsbefugten erreichen, d.h. -- wie es meist ausgedrückt wird -- zumindest die Zulässigkeit von Popularanträgen ausschließen. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn das Merkmal des Nachteils -- unter Ausscheidung lediglich der vom Recht mißbilligten Interessen -- mit dem umfassenden Begriff des Interesses und jeglichem (negativen) Betroffensein eines solchen Interesses verbunden wäre. Das wird deutlich, wenn man sich die Konstellationen bewußt macht, die allgemein für Fälle einer unzulässigen Poplarantragstellung gehalten werden. Denn das Besondere des Popularantragstellers in dem dabei voraus ![]() ![]() | 28 |
4. Bei einer Durchsicht des zur Normenkontrolle nach § 47 VwGO vorliegenden Materials fällt auf, daß die Abgrenzung der Antragsbefugnis praktisch fast nur bei Bebauungsplänen Schwierigkeiten bereitet. Bei Regelungen, für die kennzeichnend ist, daß sie in hergebrachter Art durch belastende Verwaltungsakte umgesetzt werden -- etwa bei Abgabensatzungen -, kommen kaum Zweifel auf, daß als im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO benachteiligt (jedenfalls) alle diejenigen anzusehen sind, die mit dem Erlaß eines gegen sie gerichteten belastenden Verwaltungsaktes rechnen müssen. Im Unterschied dazu bereitet es bei Bebauungsplänen bereits im Ansatz Schwierigkeiten, mit Hilfe allgemeiner Kriterien den Kreis "nachteilig betroffener Personen festzustellen. Diese Schwierigkeiten hängen offensichtlich damit zusammen, daß Bebauungspläne -- erstens -- überhaupt nicht in ihrem Wesen dadurch gekennzeichnet werden, daß sie eine Belastung bedeuten, und daß sie -- zweitens -- auch in den von ihnen ausgehenden Belastungen anders wirken, als es beispielsweise bei einer Abgabensatzung und einem auf sie gestützten Abgabenbescheid zutrifft. Es ist demnach so: Die Schwierigkeit, die es bereitet, den prozeßrechtlichen Nachteilsbegriff in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO über das bereits Gesagte hinaus einzugrenzen, erklären sich vorwiegend aus materiellrechtlich bedingten Unterschieden der Normwirkung. Das legt die Frage nahe, ob der Nachteilsbegriff insoweit nicht vielleicht überhaupt nur formal ein solcher des Prozeßrechts ist, sein Gehalt dagegen -- möglicherweise von Rechtsmaterie zu Rechtsmaterie wechselnd -- im wesentlichen aus dem materiel ![]() ![]() | 29 |
Diese Überlegung führt zu folgendem: Im (Bau-)Planungsrecht spielt das sog. Abwägungsgebot eine beherrschende Rolle (vgl. § 1 Abs. 7 BBauG 1976, der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 6. Juli 1979 [BGBl. I S. 949 -- BBauG 1979] nicht verändert worden ist). Dieses Abwägungsgebot bildet im (Bau-)Planungsrecht eine Art Brücke zwischen den Betroffensein eines Interesses und der Pflicht des Planers, dieses Interesse bei der Entscheidung über den Erlaß und den Inhalt des Planes zu berücksichtigen: Die Vornahme der Abwägung setzt voraus, daß die abwägungserheblichen Interessen bekannt sind. Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum Kreis der abwägungserheblichen Interessen -- d.h. zum sog. "Abwägungsmaterial im Sinne von BVerwGE 45, 310 [322] -- hängt vom Betroffensein eines Interesses ab, also davon, ob ein bestimmtes Interesse von der in Aussicht genommenen Planung in planungsrechtlich beachtlicher Weise "auswirkt (BVerwGE 52, 237 [245]). Ein Interesse, das durch die Planung nicht in beachtlicher Weise betroffen wird, darf bei der Entscheidung über den Plan vernachlässigt werden.
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Der beschließende Senat ist der Ansicht, daß dieser Zusammenhang zwischen dem Betroffensein eines Interesses und seiner daraus folgenden Beachtlichkeit bei einem Erlaß der Norm allgemein besteht. Es ist -- selbstverständlich -- keine Eigenart des Bauplanungsrechts, daß bei der Entscheidung über den Erlaß einer (Bebauungsplan-)Satzung abgewogen werden muß und abgewogen wird. Die Besonderheit der Abwägung im Planungsrecht liegt vielmehr darin, daß es sich um eine spezifische Art des Abwägens, nämlich eben ein planerisches Abwägen, handelt. Nicht minder selbstverständlich ist, daß bei der Abwägung, die dem Erlaß beispielsweise einer Abgabensatzung vorangeht, auch die von dieser Satzung betroffenen ![]() ![]() | 31 |
Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist das (prozeßrechtliche) Merkmal des "Nachteils in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO allgemein wie folgt zu bestimmen: Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben, wenn der Antragsteller durch die zu kontrollierende Rechtsvorschrift oder durch deren Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieser Rechtsvorschrift als privates Interesse des Antragstellers (oder eines Rechtsvorgängers) berücksichtigt werden mußte.
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Der beschließende Senat hält die darin liegende Abgrenzung der Antragsbefugnis für dem Sinn des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entsprechend und für auch sachgerecht. Es leuchtet -- erstens -- unmittelbar aus sich ein, daß das Bestehen einer Antragsbefugnis von der Beachtlichkeit des dem Antrag zugrundeliegenden Interesses abhängt. Ist ein Interesse gewichtig genug, um bei der Entscheidung über den Erlaß einer Rechtsvorschrift beachtlich zu sein, dann ist es zugleich schutzwürdig genug, um nach erfolgtem Erlaß der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag zu legitimieren. Und ist ein Interesse so wenig gewichtig, daß es bei der Entscheidung über den Erlaß einer Rechtsvorschrift ohne weiteres beiseite geschoben werden darf, dann spricht wenig dafür, daß der so "Betroffene dennoch ein ![]() ![]() | 33 |
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Dazu ergibt sich: Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplanes als privates Interesse des Antragstellers (oder eines Rechtsvorgängers) in der Abwägung berücksichtigt werden mußte, das also -- anders ausgedrückt -- zum notwendigen "Abwägungsmaterial im Sinne von BVerwGE 45, 310 [322] gehörte. ![]() | 35 |
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Die als Abwägungsmaterial beachtlichen privaten Interessen beschränken sich im Bauplanungsrecht nicht auf subjektive öffentliche Rechte oder auf das, was nach Art. 14 oder Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gegen (entschädigungslose) Eingriffe geschützt ist (vgl. BVerwGE 48, 56 [65]). Die Tatsache, daß eine bestimmte Grundstücksnutzung nur auf Grund eines Mietvertrages (so in der Vorlagesache BVerwG 4 N 1. 78) oder eines Pachtvertrages (so in der Vorlagesache BVerwG 4 N 4. 79) geschieht, führt nicht aus sich dazu, daß die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten. Sie führt im übrigen dazu erst recht nicht, wenn sich auf diese obligatorische Rechtsposition ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb gründet, der seinerseits sogar unmittelbar nach Art. 14 GG Schutz genießt.
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Mit der Tatsache, daß die Abwägungsbeachtlichkeit im Bauplanungsrecht den Umkreis des verfassungsrechtlich Geschützten überschreitet, hängt ferner zusammen: Interessen, die auf eine ihrerseits (etwa als Eigentum) geschützte Position zurückgehen, sind nicht deshalb ohne weiteres unbeachtlich, weil sie den (namentlich verfassungsrechtlich) geschützten Bereich überschreiten. In diesem Sinne hat der beschließende Senat bereits ausgesprochen, daß Erweiterungsinteressen eines vorhandenen Gewerbebetriebes abwägungserheblich auch dann sein können, wenn sie als solche nicht "Eigentum und deshalb als solche verfassungsrechtlich nicht geschützt sind (Urteil vom 16. April 1971 -- BVerwG 4 C 66. 67 -- Buchholz 406. 11 § 35 ![]() ![]() | 38 |
Das vorstehend Gesagte bestätigt die bereits an anderer Stelle hervorgehobene Tatsache, daß das notwendige Abwägungsmaterial einer planerischen Abwägung tendenziell eher weit als eng abgegrenzt werden muß. Dennoch unterliegt aber keinem Zweifel, daß das notwendige Abwägungsmaterial ungeachtet dieser Tendenz zur Ausweitung sachgerechter Beschränkung bedarf. Der Planer kann nicht "alles berücksichtigen müssen. Eine Forderung, die darauf hinausliefe, wäre offensichtlich nicht erfüllbar und damit lebensfremd.
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Die wichtigsten Beschränkungen ergeben sich nach Ansicht des beschließenden Senats wie folgt: Bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben können alle (betroffenen) Interessen, die entweder -- objektiv -- geringwertig oder aber -- sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang -- nicht schutzwürdig sind. Von, wie der Senat meint, praktisch weittragender Bedeutung ist dabei insbesondere die sich aus der Schutz(un)würdigkeit ergebende Grenze. Sie führt nicht etwa nur zum Ausschei ![]() ![]() | 40 |
Darüber hinaus beschränkt sich die Abwägungsbeachtlichkeit auf solche Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens -- dies vor allem -- für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind.
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Zu der damit vorausgesetzten Erkennbarkeit ist ergänzend folgendes zu bemerken: Was die planende Stelle nicht "sieht, und was sie nach den gegebenen Umständen auch nicht zu "sehen braucht, kann von ihr bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden und braucht von ihr auch nicht berücksichtigt zu werden. Die Bürgerbeteiligung nach § 2 a Abs. 6 ![]() ![]() | 42 |
Das alles führt bei Bebauungsplänen zusammenfassend zu folgendem: Bei der Bauleitplanung gehören zum notwendigen Abwägungsmaterial im Sinne von BVerwGE 45, 310 [322] alle (privaten) Belange, die "nach Lage der Dinge in die Abwägung "eingestellt werden müssen (BVerwGE 34, 301 [309]). Das sind alle (privaten) Belange, von denen bei der Entscheidung über den Plan mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar ist, daß sie als nicht geringwertige und auch schutzwürdige Interessen bestimmter Personen von dem Plan in mehr als geringfügiger Weise betroffen werden. ![]() | 43 |
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