Art. 80 Abs. 1 SchKG; definitive Rechtsöffnung; Aberkennungsurteil.
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Sachverhalt
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 Die Yashar Foundation in Liquidation mit Sitz in Vaduz (hiernach: Beschwerdeführerin) schloss mit der Rechtsvorgängerin der Transinvest Holding AG mit Sitz in St. Gallen (hiernach: Beschwerdegegnerin) am 15. Juli 1997 einen Darlehensvertrag. Zwischen den Vertragsparteien kam es zu Streitigkeiten über die Fälligkeit und die Rückzahlung der Darlehensforderung.
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Die Beschwerdeführerin leitete vor den Gerichten in Vaduz gegen die Beschwerdegegnerin die Zwangsvollstreckung ein. Das Fürstliche Landgericht erteilte der Beschwerdeführerin die Rechtsöffnung  für die Darlehensforderung von Fr. 1'149'953.24 samt 5 % Zins seit 14. Dezember 2001. Die Beschwerdegegnerin erhob Aberkennungsklage. Das Fürstliche Landgericht wies die Aberkennungsklage ab, weil die vertragliche Voraussetzung einer sofortigen Fälligstellung der Restdarlehensforderung per 14. Dezember 2001 erfüllt sei.
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Die Beschwerdeführerin betrieb die Beschwerdegegnerin, die den Kapitalbetrag von Fr. 1'149'953.24 per 31. Dezember 2006 bezahlt hatte, für die ausstehenden Zinsen vom 14. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2006 und ersuchte in der Schweiz um definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 290'043.75 zuzüglich Betreibungskosten und um Beseitigung des Rechtsvorschlags der Beschwerdegegnerin. Die kantonalen Gerichte wiesen das Gesuch ab. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und erteilt der Beschwerdeführerin die definitive Rechtsöffnung.
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Aus den Erwägungen:
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5.3.1 Die Aberkennungsklage hat eine Doppelnatur. Sie ist einerseits in das Betreibungsverfahren eingebaut und andererseits nicht bloss ein Zwischenverfahren in der Betreibung, sondern eine negative Feststellungsklage des materiellen Rechts. Das Aberkennungsurteil wirkt sich zwar unmittelbar auf die laufende Betreibung aus (BGE 130 III 285 E. 5.3.1 S. 292), hat jedoch materielle Rechtskraftwirkung für Bestand und Fälligkeit der in Betreibung gesetzten Forderung (BGE 124 III 207 E. 3a S. 208; BGE 128 III 44 E. 4a und b S. 47). Dass es nicht auch die Verurteilung zur festgestellten Leistung ausspricht und insoweit keinen Leistungsbefehl enthält, ergibt sich aus der Doppelnatur der Aberkennungsklage und ist nicht nötig, weil durch den erlassenen Zahlungsbefehl der Antrag auf Leistung vom Gläubiger schon gestellt ist und die Möglichkeit der zwangsweisen Eintreibung der Leistung nur noch davon abhängt, dass das Gericht feststelle, ob die vom Schuldner der Zahlungspflicht entgegengestellten Einwendungen berechtigt seien oder nicht (vgl. JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl., Zürich 1911, N. 10 zu Art. 83 SchKG, S. 219).
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5.3.2 Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung (Art. 84 Abs. 1 SchKG). Er hat insbesondere zu prüfen, ob die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil beruht (vgl. Art. 80 SchKG) und nicht seit Erlass des Urteils untergegangen ist (vgl. Art. 81 SchKG). Anhand des gerichtlichen Urteils hat der Rechtsöffnungsrichter namentlich zu prüfen, ob die im Urteil genannten Personen des Gläubigers und des Schuldners mit dem Betreibungsgläubiger und dem Betreibungsschuldner identisch sind und ob sich die in Betreibung gesetzte Forderung aus dem vorgelegten gerichtlichen Urteil ergibt (vgl. A. SCHMIDT, a.a.O., N. 17 f. zu Art. 84 SchKG). Dabei hat er weder über den materiellen Bestand der Forderung zu befinden noch sich mit der materiellen Richtigkeit des Urteils zu befassen. Ist dieses unklar oder unvollständig, bleibt es Aufgabe des Sachgerichts, eine Erläuterung oder Vervollständigung vorzunehmen (BGE 113 III 6 E. 1b S. 9/10;  BGE 124 III 501 E. 3a S. 503). Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis bedeutet freilich nicht, dass der Rechtsöffnungsrichter ausschliesslich auf das Dispositiv des Urteils abzustellen hätte. Er darf gegenteils auch die Urteilsgründe berücksichtigen, wenn es darum geht, die Frage nach der Eignung des Urteils als Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 1 SchKG zu beantworten (BGE 79 I 327 E. 2 S. 330; zuletzt: Urteil 5P.324/2005 vom 22. Februar 2006, E. 3.4-3.9, publ. in: Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht [SZZP] 2006 S. 296; ausführlich: SCHWANDER, Zu den verschiedenen Funktionen der Rechtsöffnung, in: Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Basel 2000, S. 374 ff.).
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5.4 Gegen die Zulassung des Aberkennungsurteils als Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 80 SchKG spricht, dass es sich um ein Feststellungs- und nicht um ein Leistungsurteil handelt. Wird es im Gesamtzusammenhang der konkreten Betreibung gesehen, ergänzt das Aberkennungsurteil indessen lediglich ein bereits gestelltes Leistungsbegehren des Gläubigers mit der Feststellung, dass die geltend gemachte Forderung besteht und fällig ist. Da das Aberkennungsurteil diesbezüglich in materielle Rechtskraft erwächst und damit über die konkrete Betreibung hinaus wirksam ist, kann es in einer späteren Betreibung als Vollstreckungstitel gelten unter der Voraussetzung, dass der selbe Gläubiger gegen den nämlichen Schuldner für die gleiche Forderung auf dem Betreibungsweg die Leistung erneut begehrt und dass die Forderung nicht seit Erlass des Urteils untergegangen ist. Diese Voraussetzungen, die aus streng prozessrechtlicher Sicht in einem ordentlichen Verfahren von einem Gericht beurteilt werden müssten, kann auch der Rechtsöffnungsrichter auf Grund seiner Befugnisse im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung prüfen. Sind sie erfüllt, kann die definitive Rechtsöffnung aufgrund eines Urteils gewährt werden, in dem die Aberkennungsklage abgewiesen wurde, die der Betriebene im Zuge einer früheren und nunmehr verwirkten Betreibung bezüglich derselben Forderung angehoben hatte.
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