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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Rainer M. Christmann | |||
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StPO vor § 1 (faires Verfahren), § 33 |
5. Strafsenat |
Urteil |
vom 20. Februar 1996 g.K.u.G. |
- 5 StR 679/95 - |
Landgericht Hannover |
Aus den Gründen: | |
Das Landgericht hat die Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin jeweils zu Freiheitsstrafen von vier Jahren verurteilt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich gegen ![]() ![]() | 1 |
a) Die Staatsanwaltschaft macht geltend, der Strafkammervorsitzende habe mit den Verteidigern der Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung eine "Absprache" zum Strafmaß getroffen; unter der Voraussetzung, daß die Angeklagten ein "kurzes" Geständnis abgäben, seien den Verteidigern vom Vorsitzenden die schließlich verhängten Strafen in Aussicht gestellt worden. Diese "Absprache" sei ohne Wissen öder Beteiligung der Beschwerdeführerin getroffen und dem Sitzungsstaatsanwalt ebenso wie eine danach erfolgte Zwischenberatung des Gerichts verschwiegen worden. Dieses Verfahren verstoße gegen §§ 33, 261 StPO und zugleich gegen § 169 GVG.
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b) Zwar ist die von der Staatsanwaltschaft behauptete Verfahrensweise nicht in jeder Beziehung bedenkenfrei. Ein den Bestand des Urteils gefährdender Verfahrensverstoß ergibt sich daraus jedoch nicht. Dienstliche Äußerungen der beteiligten Berufsrichter über die inhaltliche Richtigkeit der Beanstandung der Staatsanwaltschaft brauchten deshalb nicht eingeholt zu werden.
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aa) Ein zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO führender Verstoß gegen § 169 GVG liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beanstandungen der Beschwerdeführerin gerade keine Vorgänge der Hauptverhandlung (§§ 226 bis 275 StPO) zum Gegenstand haben
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bb) Der von der Beschwerdeführerin als "Absprache" bezeichnete Vorgang kann mit der Revision nicht erfolgreich beanstandet werden.
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(1) Einem Richter ist es nicht verwehrt, zwecks Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen (BGH StV 1988, 417, 418 m.w.N.). Gegen Rechtsgespräche ist generell nichts einzuwenden. Selbst Absprachen, die bei Beteiligten einen Vertrauenstatbestand schaffen, sind trotz der hiergegen geltend gemachten Bedenken nicht ohne weiteres prozeßordnungswidrig noch ein Verstoß gegen Prinzipien eines ![]() ![]() | 6 |
(2) Die Beschwerdeführerin macht keine Umstände geltend, aufgrund derer der Senat besorgen müßte, daß der Vorsitzende den Rahmen des gesetzlich Zulässigen hier bereits verlassen hätte.
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Ein Rechtsgespräch mit Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung kann in vielfältiger Weise prozeßfördernd und vereinfachend wirken. In vielen Fällen wird es sogar wünschenswert sein. Ein Rechtsgespräch als solches kann grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies gilt auch und gerade dann, wenn die Erörterungen im konkreten Fall relevante Fragen der Strafzumessung zum Gegenstand haben. Der Senat teilt die im Zusammenhang ![]() ![]() | 8 |
(3) Eine Absprache oder Verständigung zwischen dem Gericht und einem Verfahrensbeteiligten, die nach den Grundsätzen von BGHSt 38, 102 eine Anhörung davon betroffener anderer Prozeßbeteiligter unerläßlich machen kann, liegt danach vor, wenn seitens des Gerichts durch die Mitteilung des Ergebnisses einer Zwischenberatung ein hervorgehobener besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wird (vgl. dazu auch BGHSt 36, 210: Hinweispflicht bei beabsichtigtem Abweichen von einer zugesagten Entscheidung). Im hier zu beurteilenden Fall ist dem Revisionsvorbringen eine solche, den Gesprächen des Vorsitzenden folgende "Zwischenberatung" des Gerichts und die Mitteilung von deren Ergebnis an die Verteidiger nicht zu entnehmen. Der Senat schließt daraus, daß ein solcher ![]() ![]() | 9 |
Es muß einem Richter möglich sein, unterhalb einer - unmittelbare Rechtswirkungen zeitigenden - "Absprache" einem Angeklagten gegenüber Prognosen Über die (gemilderte) Straferwartung bei einem Geständnis abzugeben. Derartige auf der Kenntnis gängiger Strafpraxis beruhende Prognosen und Vorabüberlegungen sind dem Strafverfahren nicht fremd; sie sind bei der Beurteilung von sachlichen Zuständigkeiten oder bei Haftentscheidungen gang und gäbe. Eine Erklärung des Richters über die von ihm gehegte Straferwartung im Falle eines Geständnisses stellt danach eine Wissensäußerung dar, der nichts grundsätzlich Problematisches anhaftet. Daß hier vom Vorsitzenden mehr als eine Prognose ausgesprochen worden ist, hat die Staatsanwaltschaft nicht bestimmt behauptet. Die Staatsanwaltschaft kann zu einer solchen Prognose nicht formell rechtliches Gehör beanspruchen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Vorsitzende nach Abgabe einer entsprechenden Erklärung eine "Zwischenberatung" mit dem Gericht oder mit einzelnen Mitgliedern des Spruchkörpers herbeiführt, um die Validität seiner Prognose zu überprüfen. Das Vorgehen wird auch nicht im Nachhinein dadurch bedenklich, daß die schließlich gefundene Strafe der Prognose entspricht.
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3. Der Senat verkennt die vielfältigen möglichen Probleme im Zusammenhang mit Absprachen im Strafverfahren nicht (vgl. insbesondere die von BVerfG - Kammer - NJW 1987, 2662 genannten Grenzen). Er weist darauf hin, daß der vorliegende Fall vorwiegend die Frage des Umfangs des rechtlichen Gehörs betrifft. Er betrifft nicht Verfahrensgestaltungen, bei ![]() ![]() ![]() | 11 |
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