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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius | |||
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2. Zur Bedeutung des Merkmals der Konnexität für einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen (Fortführung von BGHSt 37, 162; 39, 251). |
3. Das vom Bundesverfassungsgericht aus der Verfassung abgeleitete besondere Verfolgungshindernis für ehemalige DDR-Spione steht der Annahme eines Beteiligungsverdachts i.S.d. § 60 Nr. 2 StPO an einer durch Dritte begangenen geheimdienstlichen Agententätigkeit nicht entgegen. |
StGB § 99 Abs. 1 Nr. 1, § 78 c Abs. 3 Satz 2, § 52 Abs. 1; StPO § 244 Abs. 3, § 60 Nr. 2 |
3. Strafsenat |
Urteil |
vom 28. November 1997 g.W. |
- 3 StR 114/97 - |
Oberlandesgericht Düsseldorf |
Aus den Gründen: | |
I. | |
Nach den Feststellungen des Urteils war der Angeklagte nach dem Regierungswechsel im Jahre 1969 als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion unter anderem für die Entspannungs- und Ostpolitik seiner Partei verantwortlich. Insbesondere war er mit vorbereitenden Gesprächen im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Moskauer Vertrages, des Grundlagenvertrages, des Berliner Abkommens und des Warschauer Vertrages befaßt. Etwa 1970 beschloß die Leitung der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS), mit dem Angeklagten in Kontakt zu treten, um diesen für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen. Zu diesem Zweck trat etwa Mitte 1970 der Mitangeklagte und Nichtrevident V. unter der Legende eines Mitarbeiters im wirtschaftspolitischen ![]() ![]() | 1 |
Trotz des Ausscheidens des Angeklagten aus der aktiven Politik nahm V. im Auftrag seiner Führungsstelle im Jahre 1976 wieder engeren Kontakt zu ihm auf. Führungsoffizier war wie bereits früher Wi., der inzwischen Leiter des den Vorgang "K./St." führenden Referats 6 geworden war; Wi. behielt, auch nachdem er als Leiter des Referats 6 ausgeschieden war, als Sonderoffizier die Führung des innerhalb der HVA nachrichtendienstlich hoch angesiedelten Vorgangs "K./St." bis zum Ende der Verbindung inne. Da Aspekte der Konspiration innerhalb der HVA in Bezug auf diesen Vorgang von Anfang an in außergewöhnlich großem Ausmaße beachtet wurden, hatten ab 1975 grundsätzlich nur die für das Referat 6 zuständigen stellvertretenden Abteilungsleiter der Abteilung I der HVA sowie die Abteilungsleiter selbst Einblick in den Vorgang. Die Leitung der HVA wurde bei Bedarf unterrichtet. Mußte Wi. urlaubs- oder krankheitsbedingt vertreten werden, trat der stellvertretende Leiter der Abteilung I an seine Stelle. 1985 und 1986 wurde Wi. statt dessen sechs- bis siebenmal durch den Zeugen Dr. F., einen operativen Mitarbeiter des Referats 6, und durch den Zeugen Sto., der ab Mitte 1987 Leiter des Referats 6 wurde, drei- bis fünfmal bei der organisatorischen Abwicklung von Treffen V.s mit dem Angeklagten vertreten. ![]() | 2 |
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II. | |
Das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung besteht entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten nicht. Wie die Revision selbst zutreffend darlegt, ist das in dem angefochtenen Urteil festgestellte, den Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB kontinuierlich erfüllende Handeln des Beschwerdeführers von Regelmäßigkeit geprägt, so daß sich die Frage nicht stellt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Unterbrechungen die Annahme einzelner beendeter Taten im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen könnten. Der Senat vermag der Ansicht der Revision, in derartigen Fällen gewinne der Ablauf der doppelten Verjährungsfrist im Sinne des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB Bedeutung, nicht zu folgen.
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Der Ablauf der doppelten Verjährungsfrist setzt eine zuvor beendete Tat voraus, da gemäß § 78 a StGB nur unter dieser Bedingung die Verjährungsfrist überhaupt in Lauf gesetzt ![]() ![]() | 5 |
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß im Zusammenhang mit den täternachteiligen Folgen der früheren Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung aus rechtsstaatlichen Gründen auch erwogen worden ist, die rechtliche Möglichkeit zur Aburteilung einer Mehrzahl von Einzelfällen als fortgesetzte Tat dadurch zu begrenzen, daß die Einbeziehung eines Einzelaktes in die fortgesetzte Handlung jedenfalls dann unstatthaft sein könnte, wenn für diesen Einzelakt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist im Sinne des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB verstrichen ist (vgl. BGHR StGB vor § 1/fH/Gesamtvorsatz 10). Denn anders als bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit war für eine fortgesetzte Handlung gerade nicht die durch den gesetzlichen Tatbestand vorgegebene Einheitlichkeit der Tat kennzeichnend (vgl. BGHSt 40, 138, 163 ff.), sondern maßgeblich war der Umstand, daß objektiv mehr oder weniger lose zusammenhängende, im übrigen den objektiven und subjektiven Tatbestand voll erfül ![]() ![]() | 6 |
III. | |
Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte die rechtliche Behandlung eines Beweisantrags sowie von acht der insgesamt 84 gestellten Hilfsbeweisanträge durch das Oberlandesgericht beanstandet, sind unbegründet.
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1. Zu Unrecht macht die Revision geltend, das Oberlandesgericht habe den Hilfsbeweisantrag der Verteidigung auf Einvernahme des Zeugen Wo., des Leiters der HVA, im Hinblick auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO wegen Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) rechtsfehlerhaft abgelehnt.
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Die Verteidigung hatte für den Fall, daß der Angeklagte nicht freigesprochen werde, im Schlußvortrag beantragt, den Zeugen Wo. u.a. dazu zu vernehmen, daß der Beschwerdeführer niemals irgendwelche Geldzahlungen seitens des MfS, überbracht durch den Mitangeklagten V., erhalten habe. Der Zeuge vermöge dies zu sagen, weil er über die Zeit des aktiven Dienstes hinaus immer wieder über Vorgänge, darunter auch den Vorgang des Beschwerdeführers, informiert und bei diesen Informationen kein Wort darüber berichtet worden sei, daß der Beschwerdeführer Geld seitens des MfS erhalten habe. Das Oberlandesgericht hat die Beweiserhebung in den Urteilsgründen wegen Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt, nachdem der Rechtsbeistand des Zeugen schon zuvor erklärt hatte, daß der Zeuge in vollem Umfang von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen werde, und zwar mit Rücksicht darauf, daß der erkennende Senat das gegen Wo. früher ergangene erste Urteil des Oberlandesgerichts D. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hatte (vgl. BGHSt 41, 292, 295 f.).
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Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß es keine für das vorliegende Verfahren bedeutsame Frage gebe, die der Zeuge, dessen eigenes Strafverfahren erst durch Urteil des Oberlan ![]() ![]() | 10 |
2. ...
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3. Auch die Rügen, mit denen die Revision bemängelt, das Oberlandesgericht habe die für den Fall der Verurteilung des Angeklagten beantragte Vernehmung der Zeugen S., Stu. und G. (Hilfsbeweisanträge 13, 16 und 55) durch formelhaft-schematische Anwendung des sogenannten Konnexitätserfordernisses zwischen Beweisthema und benanntem Beweismittel zu Unrecht abgelehnt und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, sind nicht begründet.
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a) Soweit in das Wissen der Zeugin S. gestellt worden ist, daß neben Wi. nur F. genaue Kenntnis vom Vorgang "K./St." hatte, hat das Oberlandesgericht das als bereits erwiesene Tatsache behandelt, über die kein weiterer Beweis durch Vernehmung der Zeugin erhoben werden müßte. Dies beanstandet auch die Revision nicht.
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Im übrigen hat das Oberlandesgericht dem Antrag auf Vernehmung der Zeugin S. zu Recht die Eignung als Beweisantrag ![]() ![]() | 14 |
b) Die Rüge der Ablehnung des Hilfsbeweisantrages auf Vernehmung des Zeugen Stu. ist gleichfalls unbegründet.
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Die Verteidigung hatte den Zeugen Stu. dafür benannt, er werde bekunden, (1) daß der Angeklagte weder von V. noch von einer anderen Person, die mit dem MfS der ehemaligen DDR in Verbindung zu bringen sei, unmittelbar oder mittelbar irgendwelche finanziellen Zuwendungen erhalten habe, (2) daß er - der Zeuge - seit 1959 Mitarbeiter der HVA gewesen sei und bis 1984 als operativer Mitarbeiter der Abteilung I Referat 6 gearbeitet habe, (3) daß die Legende V.s sich als sehr stabil erwiesen habe und daß eine nachrichtendienstliche Werbung des Angeklagten nicht geplant gewesen sei, da dies den Gesprächskontakt beendet hätte.
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Das Oberlandesgericht hat die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Stu. zu den Beweisthemen (1) und (3) vornehmlich darauf gestützt, daß keine konkreten Tatsachen genannt, son ![]() ![]() | 17 |
aa) Das gilt zunächst für die unter (3) angeführten Umstände schon deshalb, weil die Behauptung, die Legende V.s habe sich als sehr stabil erwiesen, schon nicht mitteilt, für welchen Zeitraum der Zeuge die Stabilität der Legende bekunden soll und was mit dem Werturteil "stabil" konkret gemeint ist; dies kann zum einen bedeuten, daß die Legende von außenstehenden Dritten nicht als solche erkannt wurde - davon geht auch das angefochtene Urteil für den Zeitraum von 1970 bis 1974 aus -, zum anderen kann es bedeuten, daß die Legende lange aufrechterhalten wurde. Auch von diesem Umstand geht das Urteil aus, da es ausdrücklich feststellt, daß die Legende V.s bis zum Schluß nicht verändert wurde. Daß der Angeklagte die Legende nicht durchschaut und den nachrichtendienstlichen Charakter der Verbindung zu dem Mitangeklagten V. auch ab Ende 1976 nicht erkannt hat, wird in dem Antrag gerade nicht behauptet.
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Ähnliche Erwägungen gelten hinsichtlich des zweiten Teils dieses Beweisthemas. Es wird nicht mitgeteilt, für welchen Zeitraum oder welchen der beiden in Betracht kommenden Zeiträume eine nachrichtendienstliche Werbung des Angeklagten nicht geplant gewesen sein soll, weil eine solche Werbung den Gesprächskontakt beendet hätte. Der näheren Darlegung hätte es schon deshalb bedurft, weil nach den Urteilsfeststellungen zwar Anfang der siebziger Jahre im MfS daran gedacht worden war, den Angeklagten anzuwerben. Eine solche Anwerbung hat jedoch ausweislich der Urteilsgründe nicht stattgefunden. Das Oberlandesgericht stellt zudem ausdrücklich fest, daß es zu der ursprünglich von der HVA vor ![]() ![]() | 19 |
bb) Auch zu dem Beweisthema (1) werden im Antrag lediglich Negativtatsachen benannt, die zudem sowohl hinsichtlich des in Betracht kommenden Personenkreises als auch der von dem Zeugen als nicht geschehen auszuschließenden Formen möglicher finanzieller Entlohnung so allgemein gehalten sind, daß sie den Anforderungen an eine bestimmte Behauptung nicht genügen.
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Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO setzt als erstes Erfordernis eine konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus (vgl. BGHSt 37, 162, 164 f.). Als weitere Anforderung an einen auf eine Zeugenvernehmung zielenden Beweisantrag kommt hinzu, daß der Zeuge die behauptete Tatsache aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden kann. Dies muß ebenfalls - wenn auch nur im Wege der Auslegung - aus dem Antrag hervorgehen. Denn ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden, sei es, daß er die von ihm zu bekundenden Tatsachen gesehen, gehört, gelesen, gefühlt oder mit seinem Geschmackssinn wahrgenommen hat. Gegenstand des Zeugenbeweises können deshalb nur solche Umstände und Geschehnisse sein, die mit dem Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises (BGHSt 39, 251, 253). Sind diese beiden Voraussetzungen gegeben, kann u.U. eine dritte hinzutreten, die sogenannte Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung, die im Falle des Zeugenbeweises nur bedeutet, daß der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Urt. vom 23. Oktober 1997 - 5 StR 317/97; vgl. auch BGHSt 40, 3, 6; Widmaier NStZ 1993, 602 f. Anmerkung zu BGHSt 39, 251), ![]() ![]() | 21 |
Das Oberlandesgericht hat dem Antrag auf Vernehmung des Zeugen Stu. deshalb auch insoweit zu Recht die Eignung als Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO abgesprochen, da es schon an der erforderlichen bestimmten und konkreten Behauptung einer Tatsache fehlt. Denn selbst die dem Beweisthema zu (1) allenfalls zu entnehmende Mindestbehauptung, der Angeklagte habe von V. keine Geldzuwendung erhalten, der Angeklagte sei kein bezahlter Agent gewesen, enthält nur Negativtatsachen, beschreibt nur das Beweisziel, nämlich das Ergebnis einer Bewertung von Tatsachen, die möglicherweise den Schluß zulassen, daß ein bestimmtes Ereignis nicht stattgefunden hat, daß dem Angeklagten eine bestimmte Eigenschaft nicht zukommt. Welche Tatsachen dies ![]() ![]() | 22 |
cc) Diese strengen Anforderungen an die Voraussetzungen eines förmlichen Beweisantrags beeinträchtigen das berechtigte Verteidigungsinteresse des Angeklagten nicht. Denn der Antragsteller kann einen Beweisantrag, der die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und deshalb zurückgewiesen wird, in einer den Anforderungen des Gesetzes entsprechenden modifizierten Weise wiederholen, um die Bescheidungspflicht nach § 244 Abs. 3 - 5 StPO auszulösen; Voraussetzung ist allerdings, daß er zu einer solchen Substantiierung in der Lage ist, ohne Behauptungen aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufzustellen. Dieser Möglichkeit, seinen Antrag "nachzubessern", begibt sich ein Antragsteller, der - wie der Angeklagte - nur die Form des Hilfsbeweisantrags wählt und damit auf dessen Bescheidung vor der Urteilsverkündung verzichtet.
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Aber auch wenn der Antragsteller zu einer Konkretisierung, die das Beweisbegehren zu einem förmlichen Beweisantrag qualifiziert, mangels näherer Kenntnisse des aufzuklärenden Geschehens nicht in der Lage ist, darf der Antrag nicht ausschließlich deshalb zurückgewiesen werden. Das Gericht ist vielmehr nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet, dem Antrag dennoch nachzugehen, wenn er Tatsachen oder Beweismittel betrifft, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Eine solche Verpflichtung hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei im Hinblick auf die "Abschottung des Vorgangs K./St." und deswegen verneint, weil der Zeuge nach seinen Bekundungen im Ermittlungsverfahren keine Kenntnis von dem Vorgang hatte. Auch die Verteidigung hat während der einjährigen Hauptverhandlung bis zum Schluß der Beweisaufnahme keinen Anlaß gesehen, die Vernehmung des Zeugen Stu. förmlich zu beantragen.
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Im übrigen stehen die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Abschottung des Vorgangs "K./St." in Übereinstim ![]() ![]() | 25 |
c) Auch der Hilfsbeweisantrag Nr. 55 auf Vernehmung des früheren HVA-Mitarbeiters G. als Zeugen ist insgesamt ein Beweisermittlungsantrag, der nicht nach § 244 Abs. 3 StPO, sondern nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandeln wäre. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.
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aa) Es liegt auf der Hand, daß es sich insoweit nicht um einen Beweisantrag handelt, wie der Zeuge bekunden soll, die Aussagen mehrerer namentlich benannter und vom Oberlandesgericht in der Hauptverhandlung schon vernommener Zeugen seien hinsichtlich bestimmter Inhalte glaubhaft, während die Vertreter der Bundesanwaltschaft die Aussagen dieser Zeugen in ihrem Schlußvortrag falsch bzw. unvollständig wiedergegeben hätten. Denn in dem Antrag fehlt jeder Hinweis auf eine Wahrnehmungsgrundlage des Zeugen für dieses Werturteil (vgl. BGHSt 37, 162, 164). Ebenso hat das Oberlandesgericht zutreffend die von dem Zeugen erwartete Bekundung, er halte es für völlig ausgeschlossen, daß es in einer fast zwei Jahrzehnte dauernden IM-Verbindung nicht ein einziges Mal zu einem Führungstreffen gekommen sei, nicht als Tatsache, sondern als bloße Schlußfolgerung angesehen, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.
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bb) Aber auch soweit der Zeuge G. nach den Behauptungen des Antrags bekunden sollte, der Angeklagte sei eine unwissentlich abgeschöpfte Kontaktperson des MfS gewesen und bis zuletzt davon ausgegangen, daß V. Mitarbeiter des Ministerrats der ehemaligen DDR war, handelt es sich nicht um eine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung; das Oberlandesgericht hat den Antrag auch insoweit im Ergebnis zu Recht nicht als einen Beweisantrag behandelt, weil ![]() ![]() | 28 |
Bei der Behauptung, der Beschwerdeführer sei eine "unwissentlich abgeschöpfte Kontaktperson" gewesen, handelt es sich nicht um die Behauptung bestimmter Tatsachen, sondern lediglich um die Angabe des Ergebnisses einer Bewertung durch den Zeugen. Denn die Behauptung, der Angeklagte sei unwissentlich abgeschöpft worden, d.h. er habe die wahren Hintergründe der Kontakte mit V. nicht erkannt und auch nicht aus den indiziellen objektiven Umständen erschlossen, knüpft notwendig an äußere Tatsachen an, aus denen sich die Schlußfolgerung auf eine Gutgläubigkeit der abgeschöpften Person rechtfertigen könnte. Der Behauptung dieser Umstände hätte es bedurft. Die bloße Wiedergabe der von einem Zeugen erwarteten Wertungen oder Schlußfolgerungen kann die Behauptung der Tatsachen, an die sich die Bewertung möglicherweise knüpfen läßt, nicht ersetzen (vgl. BGHSt 37, 162, 164; 39, 251, 254; BGHR StPO § 244 VI Beweisantrag 4, 13, 31). Dies gilt im gleichen Maße für die sinngemäße Behauptung, der Beschwerdeführer habe bis zum Ende der Verbindung an die Legende des Mitangeklagten V. geglaubt. Es handelt sich insoweit, wie im übrigen auch bei der Frage der Wissentlichkeit bzw. Unwissentlichkeit, um eine fremdpsychische, innere Tatsache eines anderen Menschen, die sich für den Zeugen in der Regel nur aus indiziellen äußeren Tatsachen erschließt (vgl. BGHSt 12, 287, 290; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984, 210 (Nr. 9); Herdegen in KK 3. Aufl. StPO § 244 Rdn. 3 m.w.N.), die deshalb konkret zu bezeichnen sind, um einem Antrag die Eigenschaft eines formgerechten Beweisantrags zu geben. Hieran fehlt es in dem Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen G.
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4. Schließlich greift die Rüge, das Oberlandesgericht habe neun Zeugen, die in der HVA des MfS als Mitarbeiter tätig gewesen sind, wegen des Verdachts der Beteiligung an einer nach § 99 Abs. 1 StGB strafbaren Tat gemäß § 60 Nr. 2 StPO rechtsfehlerhaft unvereidigt gelassen, nicht durch.
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Die Revision meint, das vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 15. Mai 1995 (BVerfGE 92, 277) bei ![]() ![]() | 31 |
a) Für die Frage, ob ein Beteiligungsverdacht im Sinne des § 60 Nr. 2 StPO besteht, ist entscheidend, daß das Verhalten des Zeugen ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes und deswegen an sich strafbares Tun darstellt (RGSt 22, 99, 100; 28, 111, 112; 55, 233; 57, 417; BGHSt 4, 130, 131; 9, 71, 73; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Tatbeteiligung 3). Darauf, daß eine Bestrafung des Täters im Einzelfall erfolgen kann, kommt es hingegen nicht an. Demzufolge entfällt ein Beteiligungsverdacht im Sinne dieser Vorschrift nicht, wenn der Zeuge lediglich wegen eines Verfahrenshindernisses strafrechtlich nicht verfolgt werden kann (BGHSt 4, 130: Straffreiheitsgesetz; RGSt 55, 233: Militäramnestieverordnung; BGH NJW 1952, 1146: Verfolgungsverjährung), oder wenn ein persönlicher Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgrund eingreift, der aber die Rechtswidrigkeit und Schuld grundsätzlich unberührt läßt, wie etwa die Selbstbegünstigung (BGHSt 9, 71, 73), der Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB bzw. § 31 StGB (BGH GA 1962, 370; BGH bei Dallinger MDR 1973, 191; BGH NStZ 1982, 78; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Tatbeteiligung 3) oder die Möglichkeit, nach § 31 BtMG von der Bestrafung abzusehen (BGH NStZ 1983, 516; vgl. zum Ganzen auch Dahs in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 60 Rdn. 18 ff.; Pikart in KK 3. Aufl. § 60 Rdn. 19 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO § 60 Rdn. 14).
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b) Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß die von DDR-Bürgern, auch soweit sie vom Boden der DDR aus gehandelt haben, gegen die Bundesrepublik Deutschland begangenen Spionagestraftaten nach den im Einklang mit dem Grundgesetz stehenden §§ 94, 99 StGB i.V.m. §§ 9, 5 Nr. 4 StGB von Anfang an strafbares Unrecht waren; ![]() ![]() ![]() | 33 |
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