2. Die Auslese der Wahlkreiskandidaten nach dem Prinzip der relativen Mehrheit im Wahlkreis hebt den grundsätzlichen Charakter der Bundestagswahl nach dem Bundeswahlgesetz vom 7. Mai 1956 als einer Verhältniswahl nicht auf.
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3. Überhangmandate sind nur insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als ihre Zuteilung die notwendige Folge des spezifischen Zieles der personalisierten Verhältniswahl ist. Eine über diese Besonderheit der personalisierten Verhältniswahl hinausgehende Differenzierung des Stimmgewichts ist in Anbetracht der Formalisierung der Wahlrechtsgleichheit nicht zu rechtfertigen. Daher müssen im Rahmen des technisch Möglichen Wahlkreise mit annähernd gleich großen Bevölkerungszahlen gebildet werden, so daß grundsätzlich kein Bundesland infolge der unterdurchschnittlichen Größe seiner Wahlkreise mehr Wahlkreise umfaßt, als seinem Anteil an der Bevölkerung des Bundesgebietes entsprechen. ![]() | |
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 22. Mai 1963
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- 2 BvC 3/62 - | |
in dem Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerde des Herrn H... R..., Tübingen, ..., gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1962 Az 17/61.
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Entscheidungsformel:
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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. - I. | |
1. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 166 - im folgenden abgekürzt: WahlprüfG) Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 mit der Begründung erhoben, daß die der Wahl zugrunde gelegte Wahlkreiseinteilung mit dem Verfassungssatz von der Gleichheit der Wahl nicht vereinbar gewesen sei. Grundsätzlich dürfe kein Land in mehr Wahlkreise aufgeteilt sein, als ihm nach seiner Bevölkerungszahl zukämen. Diesem Grundsatz habe der Bundesgesetzgeber nicht Rechnung getragen. Nur deshalb seien der CDU in Schleswig-Holstein drei zusätzliche Überhangmandate zugefallen.
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2. Der Deutsche Bundestag hat den Einspruch in seiner 36. Sitzung am 27. Juni 1962 zurückgewiesen, weil die Wahlkreiseinteilung nicht Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens sein könne. Der Bundestag habe lediglich zu untersuchen, ob die Wahl unter Beachtung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt worden sei. Da die Wahlkreisordnung Teil des ordnungs ![]() ![]() | |
Der Wahleinspruch könne auch nicht darauf gestützt werden, daß bei der angefochtenen Wahl die in § 3 Abs. 3 BWG vorgesehene Toleranzgrenze für die Abweichung von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl in mehreren Wahlkreisen überschritten gewesen sei. Diese Bestimmung enthalte lediglich eine Sollvorschrift, deren Verletzung die Gültigkeit der Wahl nicht berühre.
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3. Gegen den Beschluß hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Juli 1962, bei Gericht eingegangen am 26. Juli 1962, Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wird von 124 Wahlberechtigten unterstützt, so daß der Vorschrift des § 48 BVerfGG Genüge getan ist.
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a) Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Grundsatzes der gleichen Wahl. Er trägt dazu im wesentlichen vor: Gegenwärtig habe das Land Schleswig-Holstein mindestens drei Wahlkreise mehr als ihm zustünden; diese fehlten in anderen Bundesländern. Wäre Schleswig-Holstein bei der letzten Bundestagswahl nur in 11 Wahlkreise eingeteilt gewesen, so würde die CDU lediglich 10 Direktmandate gewonnen haben. Es würde dann also höchstens ein Überhangmandat in Schleswig-Holstein zu vergeben gewesen sein.
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Die Beachtung des § 3 Abs. 3 BWG sei nicht in das Belieben des Deutschen Bundestages gestellt. Die Bestimmung enthalte den klaren Auftrag, die Wahlkreiseinteilung jeweils rechtzeitig an eine etwaige Bevölkerungsverschiebung anzupassen. Die Mißachtung dieses Auftrags habe am 17. September 1961 zu einer schwerwiegenden Verletzung des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit geführt. Eine derartige Verfassungsverletzung müsse im Wahlprüfungsverfahren zumindest vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt werden können. ![]() | |
b) Der Beschwerdeführer hat ferner erstmals mit Schriftsatz vom 14. März 1963, bei Gericht eingegangen am 22. März 1963, die Verfassungsmäßigkeit eines weiteren Überhangmandates in Zweifel gezogen, das die CDU anläßlich der letzten Bundestagswahl im Saarland errungen hat. Dieses Überhangmandat beruhe nicht auf der ungleichen Wahlkreiseinteilung, sondern sei eine Folge der Anwendung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens bei der Verteilung der einer Listenverbindung insgesamt zustehenden Sitze auf die an ihr beteiligten Landeslisten gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BWG. Das d'Hondt'sche Höchstzahlverfahren bevorzuge die größeren Gruppen auf Kosten der kleineren. Es sei aber nicht sachgerecht, die Landeslisten der kleineren Bundesländer zum Vorteil der größeren zu benachteiligen. Hinzu komme, daß die Anwendung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens im Rahmen des § 7 Abs. 3 Satz 1 BWG die Entstehung von nicht gerechtfertigten Überhangmandaten begünstige und bei der letzten Bundestagswahl im Saarland auch zu einem solchen geführt habe.
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II.
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Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag, dem Präsidenten des Bundestags, dem Bundesminister des Innern, dem Bundeswahlleiter und dem Landeswahlleiter des Landes Schleswig-Holstein als Beteiligten im Wahlprüfungsverfahren (§ 6 Abs. 4 WahlprüfG) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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1. Der Bundesminister des Innern hält die Beschwerde für unbegründet.
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Die Zulassung von Überhangmandaten sei eine Folge der Entscheidung des Bundesgesetzgebers für die personalisierte Verhältniswahl. Weder der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit noch die föderative Grundordnung der Bundesrepublik seien dadurch verletzt worden, daß bei der letzten Bundestagswahl die Auf ![]() ![]() | |
Die Beibehaltung einer der Bevölkerungsdichte nicht mehr entsprechenden Wahlkreiseinteilung finde allerdings ihre Grenze in einer mißbräuchlichen Ausnutzung des Instituts der Überhangmandate durch eine passive Wahlkreisgeometrie. Davon könne jedoch keine Rede sein. Einer dahingehenden Annahme stehe schon entgegen, daß nicht eine der im Bundestag vertretenen Parteien von der ihr offenstehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, einen Initiativantrag auf Änderung der Wahlkreisgrenzen einzubringen.
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2. Der Bundeswahlleiter hat zwei Übersichten vorgelegt, die den Bevölkerungsstand der Wahlkreise am 1. 1. 1962 wiedergeben. Er verweist im übrigen auf den Bericht der Wahlkreiskommission aus dem Jahre 1962 (BT Drucks. IV/741), dessen Schlußfolgerung er sich als Mitunterzeichner zu eigen macht.
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3. Der Landeswahlleiter von Schleswig-Holstein ist auch der Ansicht, daß auf den Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl die Ordnungsmäßigkeit des Wahlverfahrens lediglich an Hand des Wahlgesetzes zu prüfen sei. Der angefochtene Beschluß müsse ![]() ![]() | |
4. Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Soweit der Beschwerdeführer die Gültigkeit der Bundestagswahl vom 17. September 1961 mit der Behauptung anficht, daß der Grundsatz der gleichen Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) durch die gemessen an der Bevölkerungszahl verschiedene Größe der Wahlkreise verletzt worden sei, ist die Beschwerde zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben; sie ist aber nicht begründet.
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1. Die Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise ist als Anlage zum Bundeswahlgesetz Bestandteil dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 2 BWG). Der Angriff des Beschwerdeführers richtet sich also mittelbar gegen das Wahlgesetz. Er rügt die Anwendung von Wahlvorschriften, die nach seiner Auffassung verfassungswidrig geworden sind. Das ist zulässig.
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Es bedarf keiner Stellungnahme zu der ständigen Praxis des Bundestages, nach der er im Wahlprüfungsverfahren die Übereinstimmung der wahlgesetzlichen Bestimmungen mit dem Grundgesetz nicht zu prüfen hat. Das Bundesverfassungsgericht, das mit letzter rechtlicher Verbindlichkeit die ihm durch das Grundgesetz zugewiesenen rechtlichen Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden hat, muß jedenfalls, außer im Rahmen einer Normenkontrolle, eines Verfassungsorganstreits oder einer Verfassungsbeschwerde auch im Wahlprüfungsverfahren ein Wahlgesetz auf seine materielle Übereinstimmung mit der Verfassung prüfen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch ![]() ![]() | |
2. Wann Ungleichheiten in der Wahlkreiseinteilung gegen den Grundsatz der gleichen Wahl verstoßen, läßt sich nicht unabhängig von dem jeweiligen Wahlsystem entscheiden. Während erhebliche Größenunterschiede der Wahlkreise bei der reinen Mehrheitswahl im Einerwahlkreis mit dem Gebot der Wahlrechtsgleichheit schlechthin nicht vereinbar sind, kommt der Größe der Wahlkreise im Rahmen des vom Bundeswahlgesetz normierten Wahlverfahrens in aller Regel eine letztlich entscheidende Bedeutung für das Wahlergebnis nicht zu.
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a) Nach dem Bundeswahlgesetz vom 7. Mai 1956 werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages je zur Hälfte nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen (Wahlkreismandate) und nach Landeswahlvorschlägen (Landeslistenmandate) gewählt (§ 1 Abs. 2 BWG). Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste (§ 4 BWG). Im Wahlkreis gewählt ist der Bewerber, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt (§ 5 Satz 2 BWG). Landeslisten können nur von ![]() ![]() | |
b) Die gegenwärtige Wahlkreiseinteilung stammt aus dem Jahre 1949. Sie ist von den Wahlgesetzen vom 8. Juli 1953 (BGBl. I S. 470) und vom 7. Mai 1956 (BGBl. I S. 383) unverändert übernommen worden. Danach entfallen auf Schleswig- ![]() ![]() | |
3. a) Der Grundsatz der gleichen Wahl besagt, daß jedermann sein Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können (BVerfGE 12, 73 [77] mit weiteren Nachweisen). Er verlangt, daß jeder nach den allgemeinen Vorschriften Wahlberechtigte seine Stimme wie jeder andere abgeben darf und daß die gültig abgegebene Stimme ebenso bewertet wird wie die anderen Stimmen; alle Wähler sollen mit den Stimmen, die sie abgeben, ![]() ![]() | |
b) Diesem Gebot des grundsätzlich gleichen Erfolgswertes jeder Wählerstimme als der spezifischen Ausprägung, die die Wahlrechtsgleichheit unter dem Verhältniswahlsystem erhalten hat, ist auch dann Genüge getan, wenn die Verhältniswahl in der Weise mit Elementen der Mehrheitswahl verbunden wird, wie dies im Bundeswahlgesetz vorgesehen ist. Durch die im § 6 Abs. 2 Satz 1 BWG vorgeschriebene Verrechnung der Wahlkreismandate mit den Sitzen, die jeder Partei auf Grund der Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen, wird die Gesamtzahl der Sitze - unbeschadet der vorgeschalteten Mehrheitswahl - so auf die Parteien verteilt, wie es dem Verhältnis der Zweitstimmen entspricht. Die Auslese der Wahlkreiskandidaten nach dem Prinzip der relativen Mehrheit im Wahlkreis hebt also den grundsätzlichen Charakter der Bundestagswahl als einer Verhältniswahl nicht auf (BVerfGE 6, 84 [90]; 13, 127 [129]). Demnach ist, wenn die Wahlkreismandate im Rahmen des Verhältnisausgleichs von der proportionalen Sitzzuteilung auf Grund der Zweitstimmen aufgezehrt werden, die verschiedene Größe der Wahlkreise und demgemäß das verschiedene Gewicht, das die einzelnen Wahlstimmen bei der Feststellung haben, welcher der von den Parteien benannten Wahlbewerber im Wahlkreis zum Zuge kommt, für die Frage, ob der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verletzt worden ist, nicht von Belang (BVerfGE 13, 127 [129]).
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c) Der Erfolgswert der Wählerstimmen wird zwar durch den Anfall von Überhangmandaten, wie er in § 6 Abs. 3 BWG vorgesehen ist, bis zu einem gewissen Grade differenziert. Die mit der Zulassung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung des Stimmgewichts von Wählern, deren Parteien keine Über ![]() ![]() | |
Sie ist vielmehr nur insoweit mit dem Grundsatz der gleichen Wahl vereinbar, als sie die notwendige Folge des besonderen Charakters der personalisierten Verhältniswahl ist. Das Bundeswahlgesetz hat vor den Verhältnisausgleich eine Personenwahl nach relativer Mehrheit in den Wahlkreisen gesetzt. Durch die Vorschaltung der Mehrheitswahl soll eine engere persönliche Beziehung der Wahlkreisabgeordneten zu dem Wahlkreis, in dem sie gewählt worden sind, geknüpft werden. In diesem besonderen Anliegen der personalisierten Verhältniswahl findet die aus der Zulassung von Überhangmandaten sich ergebende Modifizierung der Erfolgswertgleichheit ihre Rechtfertigung (BVerfGE 7, 63 [74 f.]). Überhangmandate sind daher nur insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als ihre Zuteilung die notwendige Folge des spezifischen Zieles der personalisierten Verhältniswahl ist. Eine über diese Besonderheit der personalisierten Verhältniswahl hinausgehende Differenzierung des Stimmgewichts ist in Anbetracht der Formalisierung der Wahlrechtsgleichheit daher nicht zu rechtfertigen.
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Aus diesem Grunde müssen im Rahmen des technisch Möglichen Wahlkreise mit annähernd gleich großen Bevölkerungszahlen gebildet werden, so daß grundsätzlich kein Bundesland infolge der unterdurchschnittlichen Größe seiner Wahlkreise mehr Wahlkreise umfaßt, als seinem Anteil an der Bevölkerung des Bundesgebietes entspricht. Sind alle Wahlkreise etwa gleich groß, so ist deren angemessene Verteilung auf die Bundesländer gewährleistet und damit der Anfall von Überhangmandaten auf das verfassungsrechtlich zulässige Mindestmaß beschränkt.
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Auch die Vorschrift des § 6 Abs. 4 BWG, nach der Parteien am Verhältnisausgleich teilnehmen, die zwar nicht 5. v. H. der Zweitstimmen, wohl aber 3 Wahlkreismandate errungen haben, geht davon aus, daß alle Wahlkreise annähernd gleich groß sind. ![]() | |
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4. Aus der Tatsache, daß die Größe der Wahlkreise bei den letzten Bundestagswahlen nicht mehr in vollem Umfang dem Erfordernis der Wahlrechtsgleichheit Rechnung getragen hat, folgt aber nicht, daß die Wahlkreiseinteilung zu jenem Zeitpunkt schon verfassungswidrig geworden war.
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a) Nach dem Bericht der Wahlkreiskommission vom 4. September 1962 (BT Drucks. IV/741) hatten am 1. Januar 1962 37 Wahlkreise die mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit noch vereinbare Toleranzgrenze des § 3 Abs. 3 Satz 2 BWG überschritten. Zum gleichen Zeitpunkt waren in Schleswig-Holstein drei, in Niedersachsen vier und in Bayern ebenfalls vier Wahlkreise überzählig, von denen sieben in Nordrhein-Westfalen, einer in Rheinland-Pfalz und drei in Baden-Württemberg fehlten. Da sich diese Ungleichheiten bei der letzten Bundestagswahl in Schleswig-Holstein erneut in einer Differenzierung des Stimmgewichts ausgewirkt haben, die nicht mehr ignoriert werden kann, darf die Wahlkreiseinteilung in ihrer bisherigen Form der nächsten Bundestagswahl nicht mehr zugrunde gelegt werden. Die Wahlkreiseinteilung ist verfassungswidrig geworden, weil ![]() ![]() | |
b) Die Verfassungswidrigkeit der Wahlkreiseinteilung war jedoch am 17. September 1961 noch nicht so eindeutig erkennbar, daß diese auch schon zu jenem Zeitpunkt als ungültig angesehen werden muß.
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Die gegenwärtige Wahlkreiseinteilung stammt aus dem Jahre 1949. Sie ist von den Wahlgesetzen vom 8. Juli 1953 und vom 7. Mai 1956 unverändert übernommen worden. Lediglich das Saarland ist nach seinem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I S. 1011) in 5 weitere Wahlkreise eingeteilt worden. Seit 1949 haben sich die Bevölkerungszahlen der Länder sowohl absolut wie im Verhältnis zueinander mehr und mehr verschoben. Dabei haben sich die größten Unterschiede zwischen den Ländern herausgebildet, die vornehmlich von der Umsiedlung der Vertriebenen und von der Binnenwanderung als Folge der verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklung betroffen waren. Dieser Prozeß hat sich nur allmählich und nicht immer geradlinig vollzogen.
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Die Schwierigkeit, die darin besteht, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die ursprünglich verfassungsmäßig gewesene Wahlkreiseinteilung verfassungswidrig geworden ist, beruht im vorliegenden Fall vor allem darauf, daß diese Entwicklung von fließenden Übergängen gekennzeichnet und ihr "Trend" in den Einzelheiten nicht mit genügender Sicherheit vorauszusehen war. In Anbetracht dieser Umstände, die auch eine - wenigstens teilweise - rückläufige Entwicklung nicht von vornherein aus ![]() ![]() | |
c) Der Beschwerdeführer sieht in der dem Bevölkerungsstand nicht mehr entsprechenden Verteilung der Wahlkreise ferner einen Verstoß gegen das bundesstaatliche Prinzip. Er glaubt, auch daraus die Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Wahlkreiseinteilung herleiten zu können. Diesem Gesichtspunkt kommt jedoch im vorliegenden Zusammenhang neben dem Grundsatz der gleichen Wahl keine Bedeutung zu. Der Bundesgesetzgeber ist bei der Wahl zum Bundestag als dem unitarischen Verfassungsorgan des Bundes nicht gehalten, föderative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BVerfGE 6, 84 [99]).
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5. Da der Verstoß der Wahlkreiseinteilung gegen den Grundsatz der gleichen Wahl am 17. September 1961 noch nicht so evident war, daß er deren Verfassungsmäßigkeit zu jener Zeit in Frage zu stellen vermocht hätte, kann nicht von einem Wahlfehler gesprochen werden, der die Wahlen von 1961 in verfas ![]() ![]() | |
II.
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Soweit der Beschwerdeführer die Gültigkeit der letzten Bundestagswahl auch mit der Begründung in Zweifel zieht, daß die sachlich nicht gebotene Anwendung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens im Rahmen des § 7 Abs. 3 Satz 1 BWG zu einem ungerechtfertigten Überhangmandat im Saarland geführt habe, ist die Beschwerde unzulässig.
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Diese mit Schriftsatz vom 14. März 1963 erstmals vorgebrachte Rüge kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens vor dem Bundestag gewesen ist.
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Die Rüge wäre auch sachlich nicht begründet. Es trifft zwar zu, daß das d'Hondt'sche Höchstzahlverfahren nicht immer zu völlig proporzgerechten Ergebnissen führt. Andererseits besteht aber Einigkeit darüber, daß es - bei beweglichen Wahlquotienten - ein exakteres praktisch durchführbares System, das zu gerechteren Ergebnissen führen würde, nicht gibt (vgl. dazu Bay VerfGH, VGHE N. F. 14 II S. 17 ff. mit weiteren Nachweisen). Unter diesen Umständen kann die Gültigkeit einer Bundestagswahl durch die auf der Anwendung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens beruhende Ungenauigkeit nicht in Frage gestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn diese ausnahmsweise zu einem Überhangmandat geführt hat, wie dies bei den letzten Bundestagswahlen im Saarland tatsächlich der Fall war. ![]() |