1. Die alleinige und abschließende Gewährung subjektiven Wahlrechtsschutzes durch die Länder bei Wahlen in ihrem Verfassungsraum steht der Statthaftigkeit von Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht gegen landesverfassungsgerichtliche Wahlprüfungsentscheidungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG entgegen.
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2. Die Unantastbarkeit landesverfassungsgerichtlicher Wahlprüfungsentscheidungen steht unter dem Vorbehalt der Beachtung des Homogenitätsgebots gemäß Art. 28 Abs. 1 GG.
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Beschluss | |
des Zweiten Senats vom 25. Januar 2023
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– 2 BvR 2189/22 – | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn (...) sowie 41 weiterer Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs Partnerschaftsgesellschaft mbB, Leipziger Platz 3, 10117 Berlin – hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
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Entscheidungsformel: | |
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
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Gründe: | |
Die am 25. Januar 2023 gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG bekanntgegebene Entscheidung beruht auf den gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 BVerfGG nachfolgend dargelegten Gründen:
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A. | |
Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sind Mitglieder des 19. Abgeordnetenhauses von Berlin und der Bezirksverordnetenversammlungen, eine Fraktion einer Bezirksverordnetenversammlung sowie Wählerinnen und Wähler, die an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 26. September 2021 teilgenommen haben. Sie haben mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Lan ![]() ![]() | |
I.
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1. Am 26. September 2021 wurden in Berlin die Wahlen zum 19. Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen durchgeführt. Zugleich wurde die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag abgehalten sowie über den Volksentscheid der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. KG enteignen" abgestimmt. Am selben Tag fand zudem der 47. Berlin-Marathon statt. Aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie galt im Land Berlin zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln (vgl. § 14a der Dritten Verordnung über erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 [Dritte SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – 3. InfSchMV] vom 15. Juni 2021, in der Fassung ihrer Sechsten Änderungsverordnung vom 15. September 2021).
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2. Laut amtlichem Endergebnis nahmen von den 2.447.600 Personen, die bei der Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus wahlberechtigt waren, 1.844.278 Personen an der Wahl teil. Die Wahlbeteiligung erreichte damit 75,4 %. Von denen, die wählten, gaben 46,8 % ihre Stimme per Brief ab. Unter Berücksichtigung von Überhang- und Ausgleichsmandaten setzte sich das am 26. September 2021 gewählte 19. Abgeordnetenhaus von Berlin aus 147 Abgeordneten zusammen (vgl. ABl BE Nr. 47, 2021, S. 4153, 4233, 4235). An den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlun ![]() ![]() | |
II.
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1. Gegen das Ergebnis der Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen legten unter anderem die Landeswahlleitung, die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport sowie die politischen Parteien Alternative für Deutschland (AfD) und Die PARTEI Einspruch beim Verfassungsgerichtshof ein. Die Landeswahlleitung beantragte, die Wahl zum Abgeordnetenhaus in zwei der insgesamt 78 Wahlkreise hinsichtlich der Erststimme für ungültig zu erklären. Der Einspruch der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport war darauf gerichtet, die Wahl zum Abgeordnetenhaus hinsichtlich der Erststimme in 14 Wahlbezirken, die auf drei Wahlkreise beschränkt waren, für ungültig zu erklären. Die PARTEI begehrte, die Wahl zum Abgeordnetenhaus in 26 Wahlkreisen zu wiederholen, während der Einspruch der AfD sich gegen das Zweitstimmenergebnis bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im gesamten Wahlgebiet richtete.
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2. Der Verfassungsgerichtshof verband die vier durch die genannten Wahleinsprüche eingeleiteten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und verhandelte am 28. September 2022 mündlich. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung wies die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs darauf hin, dass der Gerichtshof nach vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage dazu neige, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen insgesamt für ungültig zu erklären.
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3. Mit angegriffenem Urteil vom 16. November 2022 erklärte der Verfassungsgerichtshof die Wahlen zum 19. Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 26. Sep ![]() ![]() | |
a) Der Verfassungsgerichtshof vertrat bezüglich der Zulässigkeit und Entscheidungsreife des Verfahrens die Auffassung, dass der Anspruch der am Wahlprüfungsverfahren Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewahrt sei (aa). Weitere Beweiserhebungen seien nicht geboten gewesen (bb). Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 3 GG habe es nicht bedurft (cc).
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aa) Allen Personen und Institutionen, die gemäß § 41 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) zu beteiligen gewesen seien, sei in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang rechtliches Gehör gewährt worden. Parteilose Bewerberinnen und Bewerber seien direkt und die von einer Partei vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerber über die Landesverbände der jeweiligen Partei unterrichtet worden. Von einer individuellen Zustellung der Wahleinsprüche an sämtliche Wahlbewerberinnen und -bewerber sei abgesehen worden, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer unangemessen langen Dauer des Wahlprüfungsverfahrens geführt hätte.
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bb) Eine weitergehende Beweiserhebung sei nicht angezeigt gewesen. Als Tatsacheninstanz habe der Verfassungsgerichtshof den Sachverhalt im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 25, 27 VerfGHG zu ermitteln. Dabei bestimmten sich Inhalt und Umfang der Ermittlungspflicht nach der Art des beanstandeten Wahlergebnisses und des gerügten Wahlmangels. Bestehe die Möglichkeit, dass der behauptete Wahlfehler sich auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt habe, habe dies mit Blick auf die Legitimationsfunktion der Wahl grundsätzlich die Verpflichtung zur vollumfänglichen Sachaufklärung zur Folge. Gemessen hieran stellten die Protokolle der Bezirkswahlausschüsse ![]() ![]() | |
cc) Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 3 GG sei nicht geboten. Den für die Entscheidung anzuwendenden rechtlichen Maßstab entnehme der Verfassungsgerichtshof der Verfassung von Berlin sowie weiteren landesrechtlichen Vorschriften, deren Auslegung in den Grenzen des Art. 28 Abs. 1 GG allein ihm obliege. Diese Grenzen seien gewahrt. Dies ergebe sich hinsichtlich der anzuwendenden Maßstäbe für die Feststellung von Wahlfehlern, die Bestimmung der Mandatsrelevanz und die Abwägung des Interesses an der Korrektur von Wahlfehlern mit dem Bestandsinteresse des Parlaments schon daraus, dass der Verfassungsgerichtshof weder von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts eines anderen Landes abweiche. Neu sei vorliegend allein der zugrundeliegende Sachverhalt, über den bislang anderweitig noch nicht entschieden worden sei.
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b) Die Einsprüche seien, soweit zulässig, begründet. Bei der Durchführung der Wahlen seien aufgrund einer unzureichenden Vorbereitung Vorschriften der Verfassung von Berlin, des Landeswahlgesetzes und der Landeswahlordnung verletzt worden (aa). Diese Wahlfehler hätten in ihrer Häufigkeit die Verteilung der Sitze beeinflusst (bb). Dies führe zur Ungültigkeit der Wahlen im gesamten Wahlgebiet (cc). ![]() | |
(1) Bereits die Vorbereitung der Wahlen habe an schweren systemischen Mängeln gelitten.
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(a) Die Vorbereitung der Wahl müsse darauf ausgerichtet sein, die Wahlrechtsgrundsätze der Öffentlichkeit sowie der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zu wahren. Es sei dafür Sorge zu tragen, dass grundsätzlich alle Wahlberechtigten die Möglichkeit hätten, in Präsenz zu wählen. Das Leitbild der Präsenzwahl folge aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl in Art. 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 Verfassung von Berlin (VvB) und werde durch Vorschriften des einfachen Landesrechts konkretisiert. Demgemäß stehe allen Wahlberechtigten das Recht auf eine vollständige, gültige Abgabe ihrer Stimme ohne unzumutbare Erschwernisse zu. Eine den Grundsätzen der Allgemeinheit, Gleichheit und Öffentlichkeit der Wahl genügende Wahlvorbereitung setze daher eine sachgerechte Prognose der Landeswahlleitung hinsichtlich der Zahl der Wahlberechtigten und der Wahldauer pro Person sowie die davon ausgehende Ermittlung des Bedarfs an Wahlkabinen, Wahllokalen und Stimmzetteln voraus, die sodann von den Bezirken bereitgestellt werden müssten.
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Der Landeswahlleitung stehe bei der Vorbereitung der Wahlen zwar ein organisatorischer Spielraum zu. Sie müsse sich aber von sachgerechten und vertretbaren Erwägungen leiten lassen und die zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen. Ob die Vorbereitung der Wahl diese Anforderungen erfüllt habe, sei aus einer Perspektive ex ante zu beurteilen.
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(b) Diesen Anforderungen seien die Landeswahlleitung und die Senatsverwaltung für Inneres, die gemäß §§ 1, 6 der Wahlordnung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (Landeswahlordnung – LWO) für die Vorbereitung der Wahlen verantwortlich seien, nicht gerecht geworden.
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(aa) Die Prognose der Wahlzeit pro Person und die Ermittlung der demgemäß notwendigen Anzahl an Wahlkabinen seien fehlerhaft erfolgt. ![]() | |
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Darüber hinaus sei die Zahl der benötigten Wahlkabinen zu niedrig angesetzt worden. Im Vorfeld der Wahlen seien pro Wahllokal im Wahlgebiet durchschnittlich 2,36 Wahlkabinen eingeplant gewesen. Ausgehend von der Drei-Minuten-Prognose der Landeswahlleitung habe damit die maximale Anzahl von Wählern pro Wahllokal durchschnittlich bei 472 Personen und folglich bei etwa 43 % der Wahlberechtigten gelegen. Gehe man von einer realistischen Verweildauer von fünf Minuten aus, hätte die maximale Anzahl von Wählern pro Wahllokal durchschnittlich 283 Personen und folglich 26 % der Wahlberechtigten betragen. Mit einer solch geringen Anzahl von Präsenzwählern habe die Landeswahlleitung nicht rechnen dürfen. Bei den Wahlen zum 18. Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im Jahr 2016, die nicht mit der Bundestagswahl verbunden gewesen seien, hätten etwa 47 % der Wahlberechtigten im Wahllokal gewählt. Wie viele Wählerinnen und Wähler infolge der Corona-Pandemie zusätzlich von der Briefwahlmöglichkeit Gebrauch machen würden, sei nicht kalkulierbar gewesen und habe daher nicht berücksichtigt werden dürfen. Die tatsächliche Quote von circa 40 % Präsenzwählern habe realistischerweise nur dadurch erreicht werden können, dass am Wahltag in vielen Wahllokalen die Anzahl der Wahlkabinen erhöht und bis weit nach 18 Uhr gewählt worden sei. ![]() | |
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(cc) Die Landeswahlleitung sei ihrer Verpflichtung zur Koordinierung und Anleitung der Bezirke bei der Vorbereitung der Wahlen nicht gerecht geworden. Sie habe sich weder ausreichend Kenntnis über die Vorbereitungshandlungen der Bezirke verschafft noch diese einer Prüfung unterzogen und auf die Notwendigkeit einer Nachbesserung hingewiesen. Nach Bekanntwerden des in den Bezirken völlig unterschiedlich kalkulierten Briefwahlanteils hätte sie auf eine Überprüfung hinwirken müssen. Gleiches gelte für die von den Bezirken mitgeteilte Auswahl der Wahllokale. Die Landeswahlleitung habe auch keine Maßnahmen zur Erhöhung der Anzahl der Wahlkabinen ergriffen. Vielmehr habe sie die Bezirke in der Annahme, zwei Wahlkabinen pro Wahllokal seien ausreichend, bestärkt, indem ein von ihr vor der Wahl verteiltes Informationsblatt zu pandemiebedingten Hinweisen den Aufbau eines Wahllokals mit lediglich zwei Wahlkabinen gezeigt habe.
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(dd) Auch die Senatsverwaltung für Inneres sei ihren Pflichten aus § 1 LWO nicht hinreichend nachgekommen. Nachdem sich ihr die Defizite in der Vorbereitung der Wahl offenbart hätten, habe sie es versäumt, die Landeswahlleitung im Rahmen ihrer ergänzenden Kontroll- und Koordinierungspflicht auf die Gefahren einer unzureichenden Vorbereitung hinzuweisen.
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(2) Infolge der fehlerhaften Vorbereitung sei es zu Wahlfehlern bei der Durchführung der Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus gekommen.
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(a) Vielen Wahlberechtigten sei die vollständige Stimmabgabe ![]() ![]() | |
(b) Daneben hätten Wahlberechtigte ihre Stimme wegen der Ausgabe falscher oder kopierter Stimmzettel nicht wirksam abgeben können.
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(aa) Die Ausgabe falscher, das heißt für einen anderen Wahlkreis(-verband) vorgesehener Erst- und Zweitstimmzettel verletze die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl aus Art. 39 Abs. 1 VvB sowie § 52 Abs. 1 LWO beziehungsweise § 80b Abs. 4 Satz 1 LWO in Verbindung mit § 56 Abs. 1 Satz 1 BWO und § 49 Abs. 2 und 3 LWO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 LWG. Dies betreffe Wahlberechtigte in mindestens fünf der zwölf Wahlkreisverbände. Die auf den falschen Stimmzetteln abgegebenen Stimmen seien gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 LWG ungültig. Ihre Wertung als gültig widerspreche dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Die Stimmzettel für die Wahl des Abgeordnetenhauses unterschieden sich hinsichtlich der im jeweiligen Wahlkreisverband zugelassenen Bezirkslisten. Gäben Wählerinnen und Wähler ihre Stimme einer Liste, die zwar auf dem ihnen fälschlicherweise ausgegebenen Stimmzettel zugelassen sei, nicht aber auf dem tatsächlich zu verwendenden Stimmzettel, finde diese Stimme keine Entsprechung. Die betroffenen Wählerinnen und Wähler könnten das Ergebnis der Wahl nicht wie andere Wahlberechtigte mit zwei Stimmen beeinflussen.
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(bb) Die Ausgabe kopierter Stimmzettel verletze die Anforderungen an die Beschaffenheit von Stimmzetteln gemäß § 49 LWO, das Recht auf allgemeine und gleiche Wahl gemäß Art. 39 Abs. 1 VvB sowie die Chancengleichheit der Parteien. Stimmen, die auf nicht amtlichen Stimmzetteln abgegeben würden, seien gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 LWG ungültig. Schon der Begriff ![]() ![]() | |
(c) Einer nicht abschließend bezifferbaren Zahl von Wahlberechtigten sei die Abgabe ihrer Stimme durch Unterbrechungen der Wahlhandlung sowie durch erhebliche Wartezeiten vor den Wahllokalen während der Wahlzeit unzumutbar erschwert worden. Dies verletze den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl.
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(aa) Insgesamt seien Unterbrechungen mit einer Dauer von mindestens 6.334 Minuten dokumentiert. Sie beruhten auf der fehlerhaften Wahlvorbereitung, da sie nach den Niederschriften der betroffenen Wahllokale aufgrund fehlender oder falscher Stimmzettel erfolgt seien. Den betroffenen Wahlberechtigten sei dadurch eine zumutbare Teilnahme an der Wahl unmöglich gewesen. Zwar müssten Wahlberechtigte Unzulänglichkeiten, die sich in zeitlich engem Rahmen hielten, grundsätzlich hinnehmen. Vorliegend sei jedoch nicht absehbar gewesen, ob und wann die Wahllokale wieder öffneten. Vor diesem Hintergrund habe den Betroffenen nicht abverlangt werden können, zu warten oder später erneut das Wahllokal aufzusuchen. Die Unterbrechungen verletzten ferner § 41 Abs. 1 LWO beziehungsweise § 80b Abs. 4 ![]() ![]() | |
(bb) Daneben sei einer nicht bezifferbaren Zahl von Wahlberechtigten die Stimmabgabe durch erhebliche Wartezeiten vor den Wahllokalen unzumutbar erschwert worden. Dem stehe die (abstrakte) Möglichkeit späterer Rückkehr zum Wahllokal nicht entgegen, da nicht vorhersehbar gewesen sei, ob erneut erhebliche Wartezeiten hätten in Kauf genommen werden müssen. Die Wartezeiten seien durch die fehlerhafte Wahlvorbereitung verursacht worden und unterschieden sich damit von solchen, die durch nicht vorhersehbare Umstände bedingt seien.
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(d) Eine Vielzahl von Wahlberechtigten habe ihre Stimme nicht unbeeinflusst abgeben können. In 1.090 Wahllokalen im gesamten Wahlgebiet habe die Wahlhandlung nach 18 Uhr und teilweise bis nach 20 Uhr angedauert, obwohl zeitgleich erste Prognosen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen veröffentlicht worden seien.
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Dies verstoße gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl, der verlange, dass alle Wählerinnen und Wähler ihr Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben könnten. Diese Vorgabe werde dadurch konkretisiert, dass Ergebnisse von Wahlbefragungen gemäß § 29 LWG frühestens nach Schließung aller Wahllokale bekanntgegeben werden dürften. § 41 Abs. 1 LWO lege die Wahlzeit auf 8 bis 18 Uhr fest. Zur Verwirklichung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl sehe § 54 Abs. 1 Satz 2 LWO allerdings vor, dass bei Ablauf der Wahlzeit diejenigen Wahlberechtigten noch zur Stimmabgabe zugelassen würden, die sich zu diesem Zeitpunkt im oder aus Platzmangel vor dem Wahllokal befänden. Dies gelte auch bei verbundenen Wahlen gemäß § 80b Abs. 4 Satz 1 LWO in Verbindung mit § 60 Satz 2 BWO. Vorliegend wiesen die Wahlunterlagen schon nicht durchgehend aus, dass in den nach 18 Uhr geöffneten Wahllokalen Feststellungen dazu getroffen worden seien, welche Wahlberechtigten sich bis 18 Uhr im oder vor dem Wahllokal eingefunden hätten. Sinn und Zweck von § 54 Abs. 1 Satz 2 LWO sei nicht, ![]() ![]() | |
Die Veröffentlichung der auf Nachwahlbefragungen beruhenden Prognosen trotz andauernder Wahlhandlungen sei geeignet, die Wählerinnen und Wähler in ihrer Entscheidungsfreiheit ernstlich zu beeinträchtigen. Dabei sei die Öffnung von Wahllokalen nach 18 Uhr auf die schwerwiegenden systemischen Mängel in der Wahlvorbereitung zurückzuführen gewesen. Ob eine Veröffentlichung von Prognosen die Wahlfreiheit verletze, wenn Stimmabgaben nur noch gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 LWO beziehungsweise § 60 Satz 2 BWO in einzelnen Wahllokalen durchgeführt würden, könne dahinstehen, da fast die Hälfte der Wahllokale noch nach 18 Uhr geöffnet gewesen sei. In 244 Wahllokalen sei dies noch nach 18:30 Uhr der Fall gewesen.
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bb) Bei der Wahl des Abgeordnetenhauses hätten sich die festgestellten Wahlfehler mandatsrelevant ausgewirkt. Dies sei bezogen auf die Erststimme in der überwiegenden Zahl der zulässig angegriffenen Wahlkreise und bezogen auf die Zweitstimme im gesamten Wahlgebiet der Fall.
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(1) Wahlfehler seien mandatsrelevant im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 8 VerfGHG, wenn sie sich auf die Sitzverteilung ausgewirkt haben könnten. Es gelte der Grundsatz der potentiellen Kausalität. Lasse sich infolge schwerwiegender Wahlfehler nicht ausschließen, dass dadurch die Mandatsverteilung beeinflusst worden sei, könne dies im Wahlprüfungsverfahren nicht ohne Konsequenzen bleiben. Daraus folge, dass die Anforderungen an die Feststellung der Mandatsrelevanz desto geringer seien, je schwerwiegender die Wahlfehler das Demokratieprinzip beeinträchtigten. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach müsse es sich bei der Auswirkung des Wahlfehlers auf die Sitzverteilung um eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit handeln.
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Eine über die Auswertung der vorhandenen Unterlagen hinausgehende Sachverhaltsermittlung sei vorliegend nicht sachdienlich. Es lasse sich nicht feststellen, wie viele Personen von Unterbrechungen der Wahl betroffen gewesen seien und wie viele wegen unzumutbarer Wartezeiten ihr Wahlrecht nicht ausgeübt hätten. Auch durch die Ermittlung der genauen Anzahl der verwendeten falschen oder kopierten Stimmzettel wäre für die Berechnung der möglichen Sitzverteilung nichts gewonnen. Es bliebe ungewiss, wie die betroffenen Stimmen auf gültigen Stimmzetteln abgegeben worden wären.
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(2) Davon ausgehend sei zur Feststellung der Mandatsrelevanz die Anzahl der von Wahlfehlern betroffenen Stimmen zu ermitteln.
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(a) Aus den Niederschriften der Wahllokale, den Protokollen der Bezirkswahlausschüsse und der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Tabelle der Landeswahlleitung folge, dass wegen fehlender oder falscher Stimmzettel mindestens 5.871 Wählerinnen und Wähler keine beziehungsweise keine wirksame Erststimme und mindestens 3.609 Wählerinnen und Wähler keine beziehungsweise keine wirksame Zweitstimme hätten abgeben können.
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(b) Des Weiteren stehe nach den Aussagen des Bezirkswahlleiters von Friedrichshain-Kreuzberg und der Landeswahlleitung fest, dass eine "deutlich vierstellige Zahl" beziehungsweise "ein paar tausend" Wählerinnen und Wähler jedenfalls in Friedrichshain-Kreuzberg wegen der Verwendung kopierter Stimmzettel keine wirksame Stimme hätten abgeben können.
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(c) Zudem sei überwiegend wahrscheinlich, dass eine erhebliche Anzahl von Stimmen wegen Unterbrechungen der Wahlhandlung und aufgrund einer Beeinflussung durch Prognosen nicht oder nicht unbeeinflusst abgegeben worden sei.
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(bb) In allen 78 Wahlkreisen sei die Wahl nach 18 Uhr in unterschiedlichem Umfang fortgesetzt worden. Die entsprechenden Öffnungszeiten summierten sich auf 21.941 Minuten. Die durch Unterbrechungen und Wahlhandlungen nach 18 Uhr betroffenen Stimmabgaben ließen sich damit näherungsweise berechnen.
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(cc) Ausgehend von einer durchschnittlichen Dauer des Wahlgangs von mindestens fünf Minuten und der durchschnittlichen Ausstattung eines Wahllokals mit 2,36 Kabinen zu Beginn des Wahltages um 8 Uhr seien insgesamt rund 2.971 Personen von Unterbrechungen betroffen gewesen. Ausgehend von drei Minuten pro Wahlgang seien es rund 4.951.
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Die Stimmabgabe nach 18 Uhr habe ausgehend von einer durchschnittlichen Dauer von fünf Minuten pro Wahlgang und einer Ausstattung am Ende des Wahltages mit durchschnittlich 2,54 Wahlkabinen pro Wahllokal im gesamten Wahlgebiet potentiell rund 11.146 Personen betroffen. Bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Verweildauer von drei Minuten hätten sogar 18.577 Personen ihre Stimme erst nach 18 Uhr abgeben können. Dabei stütze sich der angenommene Durchschnittswert von 2,54 Wahlkabinen am Ende des Wahltages auf Angaben in den Wahlniederschriften und der Landeswahlleitung, wonach im Laufe des Wahltages zusätzliche Wahlkabinen aufgestellt worden seien.
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(d) Die Niederschriften der Wahllokale enthielten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Abgabe einer Vielzahl weiterer Stimmen von Wahlfehlern betroffen gewesen sein könnte.
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(aa) Im gesamten Wahlgebiet seien auch ohne Unterbrechung der Wahlhandlung erhebliche Wartezeiten aufgetreten, die in den Niederschriften dokumentiert seien. Sie beträfen mindestens acht der zwölf Wahlkreisverbände und beliefen sich auf mindestens 5.598 Minuten.
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(bb) Es gebe konkrete Anhaltspunkte, dass es im gesamten Wahlgebiet darüber hinaus zu erheblichen nicht dokumentierten Wartezeiten gekommen sei. Aus den Wahlniederschriften und den im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen, eidesstattlichen ![]() ![]() | |
(cc) Darüber hinaus sei die Wahlhandlung in 56 Wahlkreisen der zwölf Wahlkreisverbände erst nach 18:30 Uhr beendet worden. Die betroffenen Wahlberechtigten hätten mindestens seit 18 Uhr warten müssen. Sie seien damit ebenfalls von teilweise erheblichen Wartezeiten betroffen gewesen. Die in den Niederschriften dokumentierten Öffnungszeiten von Wahllokalen nach 18 Uhr beliefen sich auf insgesamt 14.145 Minuten.
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(dd) Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Wahlniederschriften das Wahlgeschehen nicht vollständig dokumentierten. Einige Unterbrechungen und Wartezeiten seien erst durch eidesstattliche Versicherungen einzelner Einsprechender und Stellungnahmen der Wahlleitungen bekannt geworden. Teilweise legten Wahlniederschriften über das dokumentierte Maß hinaus weitere Unterbrechungen der Wahlhandlung mit unbekannter Dauer nahe. Auch bestünden konkrete Anhaltspunkte für eine höhere Zahl nicht ausgeteilter Stimmzettel, da die Wahlniederschriften oftmals Abweichungen zwischen abgegebenen Stimmen einerseits und ausgeteilten Stimmzetteln andererseits offenbarten, ohne dass diese erläutert würden.
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(3) Nach dem Maßstab der potentiellen Kausalität bestehe die konkrete Möglichkeit, dass sich die von den Wahlfehlern betroffenen oder unterbliebenen Stimmabgaben auf die Sitzverteilung ausgewirkt hätten. Dies gelte für das Erststimmenergebnis in jedenfalls 19 der angegriffenen 22 Wahlkreise (a) sowie für das in allen Wahlkreisen angegriffene Zweitstimmenergebnis (b).
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(a) (aa) Die potentielle Kausalität für das Erststimmenergebnis sei für sechs Wahlkreise (Friedrichshain-Kreuzberg 4, Pankow 2, 3, 9, Charlottenburg-Wilmersdorf 6, Marzahn-Hellersdorf 1) von ![]() ![]() | |
(bb) Für 13 der weiteren 16 angegriffenen Wahlkreise sei in Bezug auf die Abgabe der Erststimmen gleichfalls die potentielle Mandatsrelevanz gegeben. Zwar überschritten die in diesen Wahlkreisen identifizierten, von Wahlfehlern betroffenen Stimmen den Abstand zwischen Erst- und Zweitplatziertem nicht. Ergänzend sei aber die Zahl der Nichtwähler zu berücksichtigen. In allen 13 Wahlkreisen sei die Anzahl der Nichtwähler mehr als doppelt so hoch wie die Differenz zwischen Erst- und Zweitplatziertem. Damit bestehe die konkrete Möglichkeit einer Beeinflussung der Sitzverteilung durch die festgestellten Wahlfehler. Da es nicht möglich sei, genau zu bestimmen, wie viele Wahlberechtigte von ihrem Wahlrecht hätten Gebrauch machen wollen, habe der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, wer die Folgen dieses nicht behebbaren Sachverhaltsermittlungsdefizits zu tragen habe. Ein vergleichbarer Fall sei durch die Verfassungsgerichtsbarkeit in Bund und Ländern bisher nicht entschieden worden. Nach Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs genüge die konkrete Möglichkeit des Einflusses von Wahlfehlern auf die Sitzverteilung, ohne dass dies mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit belegt werden müsse. Im Übrigen erscheine es für die genannten 13 Wahlkreise wahrscheinlich, dass es sich bei den dokumentierten betroffenen Stimmen nur um einen Bruchteil der insgesamt von Wahlfehlern tangierten Stimmen handele.
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(cc) Für drei Wahlkreise werde in Bezug auf die Erststimmen die Mandatsrelevanz ausdrücklich offengelassen. Die Zahl der Nichtwähler übersteige hier die Stimmendifferenz zwischen der erst- und zweitplatzierten Person nur geringfügig.
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(b) (aa) Auch hinsichtlich der Zweitstimmenergebnisse bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus seien die Wahlfehler mandatsrelevant. Es sei davon auszugehen, dass bereits die dokumentierten ![]() ![]() | |
(bb) Die Ungewissheit, wie sich diese Stimmen verteilt hätten, schließe die Möglichkeit der Sitzbeeinflussung nicht aus. Nach den Angaben unter anderem der Landeswahlleitung stehe fest, dass bereits knapp 2.000 zusätzliche Stimmen für die AfD dieser einen weiteren Sitz im Abgeordnetenhaus verschafft hätten. Nach den Berechnungen der Landeswahlleitung hätte das Abgeordnetenhaus zudem 148 statt 147 Sitze zugunsten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn die Partei knapp 10.000 Stimmen mehr erhalten hätte. Darüber hinaus hätte selbst eine nur dreistellige Anzahl von Stimmen zu Sitzverschiebungen zwischen verschiedenen Bezirkslisten der FDP führen können.
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cc) Die Wahlfehler führten im gesamten Wahlgebiet zur Ungültigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus sowie zu den Bezirksverordnetenversammlungen.
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(1) Die Wahlprüfung solle die rechtmäßige Zusammensetzung des Parlaments gewährleisten. Lägen ergebnisrelevante Wahlfehler vor, sei die Legitimationsgrundlage des politischen Prozesses beeinträchtigt. Allerdings komme einem gewählten Parlament ein Bestandsschutz zu. Dem entspreche das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Das Vorliegen von Wahlfehlern führe daher nicht automatisch zur Ungültigkeit der Wahl. Selbst bei mandatsrelevanten Fehlern sei stets zu prüfen, ob das Interesse am Fortbestand des Parlaments das Korrekturinteresse überwiege und/oder ![]() ![]() | |
(2) Vorliegend überwiege das Korrekturinteresse das Bestandsinteresse. Die Integrität des Wahlergebnisses sei durch die Schwere der Wahlfehler erheblich beschädigt. Tausende Wahlberechtigte hätten ihr Wahlrecht nicht, nicht wirksam, nur unter unzumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst wahrnehmen können. Die festgestellten Wahlfehler verletzten die Wahlrechtsgrundsätze in ihrem Kern. Demgegenüber müsse das Interesse am Fortbestand des Parlaments und der Abgeordneten an der Wahrnehmung ihres Mandats zurücktreten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Wahlfehler Ausdruck eines systemischen Mangels der Wahlvorbereitung seien. Entscheidend für das Überwiegen des Korrekturinteresses sei, dass infolge der gravierenden und flächendeckenden Wahlfehler ein erheblicher Vertrauensverlust der Berliner Bürgerinnen und Bürger in demokratische Strukturen drohe.
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(3) Dem Korrekturinteresse könne nicht durch die Beschränkung der Ungültigkeit der Zweitstimme auf einzelne Wahlkreise oder Wahlkreisverbände entsprochen werden. Zwar unterscheide sich der Umfang potentiell betroffener Zweitstimmen in den einzelnen Wahlkreisen teilweise erheblich. Im Hinblick auf die Ermittlung der Sitzverteilung nach §§ 17 bis 19 LWG und die Kombination von Bezirks- und Landeslisten könnten die Stimmabgaben bezüglich der Zweitstimme in den unterschiedlichen Wahlkreisverbänden aber nicht losgelöst voneinander betrachtet werden.
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(4) Auch bezüglich der Erststimme sei die Wahl im gesamten Wahlgebiet für ungültig zu erklären. Die systemischen Fehler bei der Wahlvorbereitung hätten sich mehr oder weniger im gesamten Wahlgebiet ausgewirkt. Ergebe die Wahlprüfung, dass über ![]() ![]() | |
(5) Die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen seien wegen des Koppelungsgebots ebenfalls für ungültig zu erklären. Gemäß Art. 70 Abs. 1 Satz 1 VvB würden die Bezirksverordnetenversammlungen in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl zur gleichen Zeit wie das Abgeordnetenhaus gewählt. Die Koppelung trage dem Wesen der Einheitsgemeinde Rechnung, wie sie in Art. 1 Abs. 1 VvB vorgesehen sei. Für eine Koppelung spreche ferner die Funktion der Bezirksverordnetenversammlungen. Diese seien keine Organe der Legislative, sondern der Exekutive.
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c) Die Richterin des Verfassungsgerichtshofs Lembke hat ihre abweichende Meinung gesondert dargelegt. Sie könne der Mehrheit des Plenums bezogen auf die Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe bei der Feststellung der Mandatsrelevanz der Erststimmenabgaben (aa) sowie bei der Begründung der Ungültigerklärung der Wahl im gesamten Wahlgebiet (bb) nicht folgen. ![]() | |
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(2) Soweit die Plenumsmehrheit die Mandatsrelevanz von Wahlfehlern auch in weiteren 13 angegriffenen Wahlkreisen bejahe, überdehne sie den Grundsatz der potentiellen Kausalität erheblich. Die Annahme, dass alle von festgestellten Wahlfehlern betroffenen (potentiellen) Erststimmenabgaben der zweitplatzierten Person zugutegekommen wären, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und sei vom Bundesverfassungsgericht bislang eher strenger gesehen worden. Wenn aber selbst bei Zugrundelegung dieser Hypothese eine Beeinflussung der Sitzverteilung ausgeschlossen sei, seien die festgestellten Wahlfehler nicht mandatsrelevant. Auf die Anzahl der Nichtwählenden als solche komme es demgegenüber nicht an.
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Dabei sei zu berücksichtigen, dass die systemisch mangelhafte Vorbereitung der Wahl für sich genommen keinen Wahlfehler darstelle. Soweit sie sich bei der Durchführung der Wahl ausgewirkt habe, seien diese Auswirkungen eigenständig auf ihre Mandatsrelevanz zu überprüfen.
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In 13 Wahlkreisen begründe die Plenumsmehrheit die Mandatsrelevanz, indem sie die Stimmenabstände zwischen erst- und zweitplatzierter Person, die nach Anrechnung der von festgestellten Wahlfehlern betroffenen Stimmen verblieben, unter Rückgriff auf "weitere, unbezifferbare Wahlfehler" überbrücke. Die nicht unerheblichen Schwierigkeiten bei der Bezifferung der betroffenen Stimmabgaben legitimierten aber nicht den Schluss, festgestellte oder gar nur vermutete Wartezeiten könnten sich auf eine mandatsrelevante Anzahl von Erststimmenabgaben zwischen einigen Hundert bis zu knapp 3.000 ausgewirkt haben. ![]() | |
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(1) Da bezüglich der (potentiellen) Erststimmenabgabe nur in sechs Wahlkreisen Mandatsrelevanz vorliege, sei die Verteilung von 72 der 147 Sitze im Abgeordnetenhaus aufgrund der Erststimmenabgabe nicht zu beanstanden.
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(2) Bezüglich der 69 durch Zweitstimmenabgaben verteilten Sitze könnten sich die ermittelten 20.724 von Wahlfehlern betroffenen (potentiellen) Zweitstimmenabgaben nur auf die Verteilung von maximal drei bis vier Mandaten ausgewirkt haben. Es lasse sich dabei aber nicht ermitteln, welche Sitze dies seien. Die notwendige Beschränkung auf den geringstmöglichen Eingriff könne hier nur territorial erfolgen. Auf Grundlage der im Rahmen der Amtsermittlung gewonnenen Erkenntnisse sei feststellbar, dass sich die systemischen Wahlvorbereitungsmängel bei der Durchführung der Wahl im Wesentlichen in den Wahlkreisverbänden Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf ausgewirkt hätten. In anderen Wahlkreisverbänden sei nicht ersichtlich, dass es bezüglich der Zweitstimmenabgabe überhaupt zu Fehlern gekommen sei, die über das normale Fehlerrisiko bei Wahlen hinausgingen.
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(3) Die sich demgemäß ergebende Zahl von sechs plus maximal drei bis vier Sitzen im Abgeordnetenhaus, die in mandatsrelevanter Weise von Wahlfehlern betroffen seien, spreche für eine beschränkte Ungültigerklärung. Das Vorgehen der Plenumsmehrheit überschreite die dem Verfassungsgerichtshof im Wahlprüfungsverfahren von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen. Die Entscheidung für eine Ungültigerklärung der Wahl im gesamten Wahlgebiet bedürfe einer über die unerwünschten Effekte von (Teil-)Wiederholungswahlen hinausgehenden Begründung. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sei bislang nicht ent ![]() ![]() | |
III.
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1. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 haben die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verfassungsgerichtshofs erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. In der Hauptsache beantragen sie, festzustellen, dass die angegriffene Entscheidung sie in ihren Grundrechten aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG verletzt; das Urteil sei aufzuheben und die Sache an den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin zurückzuverweisen (a). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist darauf gerichtet, erstens die Wirkung der Ungültigerklärung der Wahlen zum 19. Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen einstweilen für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens auszusetzen und zweitens die 90-Tage-Frist des § 21 Abs. 3 Satz 1 LWG mit dem Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung neu beginnen zu lassen, sofern die einstweilige Anordnung nicht außer Kraft tritt, weil das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache entscheidet, dass das angegriffene Urteil aufgehoben wird. Hilfsweise beantragen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer den Erlass einer in das Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellten Anordnung, die geeignet ist, das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgte Rechtsschutzziel zu verwirklichen, die Durchführung der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, sowie den ![]() ![]() | |
a) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begründet.
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aa) Ihrer Zulässigkeit stehe insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern nicht entgegen.
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(1) Soweit das Bundesverfassungsgericht entschieden habe (BVerfGE 96, 231), dass die Rüge einer Verletzung von grundrechtsgleichen Gewährleistungen nicht mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden könne, wenn sie sich auf ein Verfahren beziehe, in dem eine landesverfassungsrechtliche Streitigkeit durch das Landesverfassungsgericht in der Sache abschließend entschieden worden sei, habe dem eine Streitigkeit zwischen Beteiligten des Verfassungsrechtskreises eines Landes zugrunde gelegen. Darum gehe es vorliegend nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handele es sich bei dem Wahlprüfungsverfahren schon nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG. Auch habe der Verfassungsgerichtshof in der Sache nicht abschließend über subjektive Rechte entschieden. Das Urteil sei in einem objektiven Wahlprüfungsverfahren ergangen.
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(2) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stehe auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur fehlenden Rügefähigkeit der Wahlgrundsätze gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 99, 1) entgegen. Die Beschwerdeführer rügten nicht die Verletzung der Wahlgrundsätze gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern eine Verletzung der grundrechtsgleichen Verfahrensrechte der am Ausgangsverfahren beteiligten Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sowie des aus der Menschenwürde abgeleiteten Anspruchs auf Demokratie. ![]() | |
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(3) (a) Die Figur der "getrennten Verfassungsräume" werde undifferenziert und unzutreffend verwendet. Die Landesverfassungsgerichte seien Hüter ihrer jeweiligen Landesverfassung. Sie seien aber nicht befugt, sich über die elementaren Bestandteile des grundgesetzlichen Demokratiegebots hinwegzusetzen. Dementsprechend habe sich das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Rüge einer Verletzung der Wahlgrundsätze ausdrücklich eine Überprüfung im Wege der abstrakten und konkreten Normenkontrolle vorbehalten. Auch wenn Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte in der Regel ausschließlich die Landesverfassung sei, entbinde sie dies nicht davon, angesichts der materiellen Grenzen der Verfassungsautonomie der Länder das Grundgesetz auszulegen. Entsprechend sehe das Grundgesetz in diesen Fällen gemäß Art. 100 Abs. 3 GG eine Vorlagepflicht vor, gegen die der Verfassungsgerichtshof verstoßen habe.
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(b) Zudem gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Vorbehalt der Homogenität gemäß Art. 28 Abs. 1 GG. Eine Prüfung der Wahlgrundsätze durch das Bundesverfassungsgericht finde nur so lange nicht statt, wie die Länder bei der Einrichtung ihrer hiermit befassten Landesverfassungsgerichte die Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG beachtet hätten. Dazu gehöre, dass sie ihre Gerichte mit Richtern besetzten, die im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig seien, und sie der Bin ![]() ![]() | |
(c) Außerdem seien im konkreten Fall die Verfassungsräume des Bundes und des Landes Berlin hinsichtlich des Verfahrensgegenstands verschränkt. Es gehe um ein einheitliches Wahlgeschehen. Zudem gälten im Wahlprüfungsverfahren mit Blick auf die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Demokratiegebot hergeleitet habe, identische verfassungsrechtliche Maßstäbe.
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(d) Die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu den getrennten Verfassungsräumen sei jedenfalls zu überdenken. Das Bundesverfassungsgericht habe sich aus der Überprüfung der Wahlprüfungsentscheidungen der Länder im Wege der Verfassungsbeschwerde unter der Annahme zurückgezogen, dass ein äquivalenter Rechtsschutz auf Landesebene bestehe. Diese Annahme sei mit Blick auf das Wahlprüfungsverfahren in Berlin nicht gerechtfertigt. Erstens sei das Verfahren dem Verfassungsgerichtshof übertragen, der nicht aus hauptberuflichen Richtern bestehe. Zweitens führe das einstufige Verfahren dazu, dass der Verfassungsgerichtshof als erste und letzte (Tatsachen-)Instanz agiere. Drittens sei die Wahlprüfung in Berlin ein rein objektives Verfahren.
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bb) Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.
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(1) Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs habe die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG überschritten, indem sie ohne gesetzliche Rückbindung neue Regelungen für die Wahlvorbereitung geschaffen habe. Eine gesetzliche Regelung, die der Landeswahlleitung die Pflicht auferlege, den Bedarf an Wahlkabinen, Wahllokalen und Stimmzetteln zu prognostizieren, existiere nicht. Vielmehr stehe der Landeswahlleitung und den Bezirkswahlämtern ![]() ![]() | |
(2) Daneben habe der Verfassungsgerichtshof in mehrfacher Weise das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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(a) Er habe bei der Prüfung der Frage, ob eine Wahlhandlung nach 18 Uhr einen Wahlfehler darstelle, die einschlägige Norm des § 60 Satz 2 BWO außer Acht gelassen und stattdessen auf § 54 LWO abgestellt, den er zudem willkürlich ausgelegt habe. Sinn und Zweck der Norm, die am Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl orientiert sei, würden durch die Auslegung des Verfassungsgerichtshofs konterkariert. Ihre Missdeutung ergebe sich auch daraus, dass er eine wahlkreis- und nicht eine wahllokalbezogene Betrachtung angestellt habe.
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(b) Die tatsächlichen Erwägungen zum Vorliegen von Wahlfehlern seien willkürlich. Unzutreffend führe der Gerichtshof aus, dass eine Quote von 40 % Präsenzwählern nur dadurch habe erreicht werden können, dass am Wahltag in vielen Wahllokalen die Anzahl der Wahlkabinen erhöht und nach 18 Uhr weiter gewählt worden sei. Bei der Annahme, ohne die Wahlfehler hätten weitaus mehr als 40 % Präsenzwähler an der Wahl teilgenommen, ergebe sich eine Wahlbeteiligung von über 87 %. Dies sei fernab der Lebenswirklichkeit. Die pauschale Annahme, die Fortdauer der Wahlhandlung nach 18 Uhr beruhe auf systemischen Mängeln der Wahlvorbereitung, sei nicht nachvollziehbar. Allein sachgerecht sei es, auf die einzelnen Wahllokale abzustellen. Bei einer Öffnung der Wahllokale von lediglich ein bis zwei Minuten über 18 Uhr hinaus sei eine Beeinträchtigung der Freiheit der Wahl ausgeschlossen.
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Das Abstellen auf bloß vermutete Wahlfehler gehe fehl. Wahlfehler müssten konkret nachgewiesen werden. Daher sei die errechnete Anzahl potentiell betroffener Stimmen durch Unterbrechungen der Wahl einerseits und ihre Fortdauer nach 18 Uhr andererseits nicht akzeptabel. Die Bezifferung beider Wahlfehler führe jedenfalls zu einer Doppelzählung potentiell betroffener Stimmen. Dies gelte auch, soweit der Verfassungsgerichtshof Wartezeiten als separate Wahlfehler erfasse. Dass die Erwägungen ![]() ![]() | |
Zudem habe der Verfassungsgerichtshof den zulässigen Prüfungsumfang überschritten, indem er das gesamte Wahlgeschehen zum Prüfungsgegenstand gemacht habe. Willkürlich sei schließlich die Ungültigerklärung der Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Insofern seien schon keine Wahlfehler geltend gemacht oder festgestellt worden.
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(3) (a) Das angegriffene Urteil verletze die am Ausgangsverfahren beteiligten Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter, weil der Verfassungsgerichtshof seiner Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 3 GG nicht nachgekommen sei.
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Der Verfassungsgerichtshof hätte bei seiner Entscheidung als Vorfrage das Grundgesetz in Form von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auslegen beziehungsweise seine Auslegung der Landesverfassung daraufhin überprüfen müssen, ob sie mit dem Grundgesetz sowie mit der hierzu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung übereinstimme. Bei einer Abweichung hätte es einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 3 GG bedurft. Dem werde die angegriffene Entscheidung in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
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So weiche der Verfassungsgerichtshof von dem Grundsatz ab, dass die vorläufige Bekanntgabe des Wahlergebnisses keine Beeinträchtigung der Freiheit der Wahl darstelle. Ebenso lasse er die Gebote vollumfänglicher Sachaufklärung und des konkreten Nachweises von Wahlfehlern außer Betracht, die der Annahme einer Art Beweis des ersten Anscheins im Wahlprüfungsverfahren entgegenstünden. Die bloße Vermutung von Wahlfehlern und der Verzicht des Verfassungsgerichtshofs auf weitere Maßnahmen der Tatsachenaufklärung seien damit nicht vereinbar. Des Weiteren missachte der Verfassungsgerichtshof die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe zur Mandatsrelevanz. Er wende sich durchweg gegen den Bestandsschutz des Parlaments und den Grundsatz, dass der Wahleinspruch bei fehlender Auf ![]() ![]() | |
(b) Das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei auch deshalb evident verletzt, weil zwei Drittel der Richterinnen und Richter im Entscheidungszeitpunkt ihre Amtszeit um mehr als 15 Monate überschritten hätten. Am Verfassungsgerichtshof wirkten ehrenamtliche nicht neben hauptberuflichen Richtern mit; er bestehe vielmehr ausschließlich aus ehrenamtlichen Richtern. In diesem Fall sei aufgrund der Überschreitung der Amtszeit von einem Entzug des gesetzlichen Richters auszugehen.
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(4) Dass der Verfassungsgerichtshof die Wahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen insgesamt für ungültig erklärt habe, verletze die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zudem in ihrem Recht auf Demokratie aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das durch Art. 1 GG geschützte Recht auf Demokratie beinhalte, dass ein gewähltes Parlament größtmöglichen Bestandsschutz genieße. ![]() ![]() | |
(5) Die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer seien schließlich in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Verfassungsgerichtshof habe sie nicht hinreichend über das Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren informiert und sei den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht aufnahmebereit und unvoreingenommen begegnet.
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b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei ebenfalls zulässig und begründet.
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aa) Seiner Zulässigkeit stehe insbesondere nicht die Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Die Beschwerdeführer begehrten in der Hauptsache die Aufhebung des angegriffenen Urteils. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei demgegenüber auf die vorläufige Aussetzung der "Wirksamkeit" des Urteils gerichtet.
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bb) Die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Folgenabwägung ergebe, dass die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen überwögen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erginge, sich das Hauptsacheverfahren aber als unbegründet erwiese. Dies folge insbesondere daraus, dass bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung sowie späterem Erfolg der Hauptsache eine Situation drohte, in der sich zwei Parlamente gegenüberstünden, die sich jeweils als rechtsgültig gewählt erachten könnten. Die Aufhebung des Urteils hätte zur Folge, dass die bei der Wahl am 26. September 2021 Gewählten ihre Sitze nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 3 LWG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Nr. 7 VerfGHG verloren hätten. Zugleich führte der Erfolg der Verfassungsbeschwerde nicht dazu, dass die Rechtswirkungen der Wiederholungswahl vom 12. Februar 2023 entfielen. Die drohende Existenz zweier miteinander konkurrierender Parlamente hätte das Potential, ![]() ![]() | |
c) Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer haben angeregt zu prüfen, ob der Richter Müller gemäß § 19 Abs. 1 BVerfGG abzulehnen ist. Sein Interview in einem Podcast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5. Oktober 2022, in dem er sich zu dem Wahlgeschehen in Berlin geäußert habe, habe bei ihnen eine Besorgnis der Befangenheit begründet.
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2. Der Senat hat dem Verfassungsgerichtshof, den im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenen Fraktionen und Parteien, den in den Bezirksverordnetenversammlungen vertretenen Parteien, die nicht im Abgeordnetenhaus vertreten sind, der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport, der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, dem Landeswahlleiter für Berlin sowie über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin dessen Mitgliedern und über die Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlungen deren Mitgliedern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Eine Entscheidung über die Befangenheit des Richters Müller ist nicht veranlasst. Voraussetzung einer solchen Entscheidung ist, dass ein Richter des Bundesverfassungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird oder sich selbst für befangen erklärt, § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 BVerfGG. Außerhalb dieser ausdrücklich normierten Ausnahmen ist für eine Ent ![]() ![]() | |
C. | |
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Dem steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht entgegen.
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I.
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Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden (vgl. BVerfGE 34, 160 [162]; 46, 160 [163 f.]; 67, 149 [151]; 147, 39 [46 f. Rn. 11]; 152, 63 [65 Rn. 5] – Einstweilige Anordnung PSPP II; stRspr), denn sie soll einen Zustand lediglich vorläufig regeln (vgl. BVerfGE 8, 42 [46]; 15, 219 [221]; 147, 39 [47 Rn. 11]; 152, 63 [66 Rn. 5]).
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Unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung daher regelmäßig dann, wenn es dem Antragsteller um eine eilige Entscheidung über die Hauptsache und nicht nur um eine vorläufige Regelung geht (vgl. BVerfGE 147, 39 [47 Rn. 11]; 152, 63 [66 Rn. 5]). Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist anzunehmen, wenn der beantragte Inhalt der einstweiligen An ![]() ![]() | |
II.
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Nach diesen Maßgaben führte der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer begehren mit der Verfassungsbeschwerde die Aufhebung des angegriffenen Urteils des Verfassungsgerichtshofs und die Zurückverweisung der Sache an diesen zur erneuten Entscheidung. Letztlich erstreben sie auf diesem Wege die endgültige Verhinderung einer Wiederholungswahl. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist demgegenüber auf die vorübergehende Aussetzung der Wirkung der im Urteil des Verfassungsgerichtshofs ausgesprochenen Ungültigerklärung der Wahlen vom 26. September 2021 und damit lediglich auf die Nichtdurchführung der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 gerichtet. Mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung erreichten die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer ihr mit der Hauptsache verfolgtes Rechtsschutzziel nicht. Der Erlass der einstweiligen Anordnung schlösse nicht aus, dass eine vollständige Wiederholungswahl zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden könnte.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet. ![]() | |
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG erfüllt sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 [3]; 82, 310 [312]; 94, 166 [216 f.]; 104, 23 [27]; 106, 51 [58]; 132, 195 [232 Rn. 86]). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 [43 f.]; 103, 41 [42]; 118, 111 [122]; 154, 1 [10 Rn. 25] – Abwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses – eA; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die einträten, wenn einerseits eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, und andererseits die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 [371]; 106, 351 [355]; 108, 238 [246]; 125, 385 [393]; 126, 158 [168]; 129, 284 [298]; 132, 195 [232 f. Rn. 87]; 154, 1 [10 Rn. 25]; stRspr).
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II.
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Hiernach ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Erfolg zu versagen. Ihm steht entgegen, dass der Antrag in der Hauptsache unzulässig ist. Die erhobene Verfassungsbeschwerde ist nicht statthaft, weil bei Wahlen im Verfassungsraum eines Landes der subjektive Wahlrechtsschutz grundsätzlich durch das jeweilige Land allein und abschließend gewährt wird (1.). Dies steht der Geltendmachung einer Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten auch jenseits der Wahl ![]() ![]() | |
1. Bei Wahlen in den Ländern ist für eine Verfassungsbeschwerde, die auf die Verletzung der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Wahlgrundsätze gestützt wird, regelmäßig kein Raum. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 16. Juli 1998 (BVerfGE 99, 1) entschieden, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl bei Wahlen zu den Volksvertretungen in den Ländern vom Grundgesetz nicht subjektivrechtlich gewährleistet sind (a) und im Anwendungsbereich der Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausscheidet (b). Dies trägt der Eigenständigkeit der Verfassungsräume von Bund und Ländern Rechnung (c). Die Länder gewährleisten demnach den subjektiven Schutz bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum grundsätzlich allein und abschließend (d).
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a) Das Grundgesetz hat die Anforderungen, die an demokratische Wahlen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zu stellen sind, für den Verfassungsraum des Bundes in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und für den Verfassungsraum der Länder in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG geregelt. In beiden Fällen gilt das objektivrechtliche Gebot allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahlen. Während aber bei Bundestagswahlen die Verletzung aller fünf Wahlgrundsätze gerügt werden kann (Art. 41 Abs. 2 GG, § 48 BVerfGG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie ![]() ![]() | |
b) Ebenso wenig kann der Bürger bei Wahlen zu den Volksvertretungen in den Ländern die Wahlgrundsätze über Art. 3 Abs. 1 GG mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einfordern. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist mittlerweile geklärt, dass im Bereich der speziellen wahlrechtlichen Gleichheitssätze der Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG für einen Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz kein Raum ist (vgl. BVerfGE 99, 1 [8 ff.] m.w.N.). Gründe für eine Abweichung von dieser Rechtsprechung sind nicht ersichtlich.
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c) Dass das Recht, die Beachtung der Wahlgrundsätze im Wege der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG geltend zu machen, dem Bürger vom Grundgesetz nur für politische Wahlen auf Bundesebene gewährt wird, ist Ausfluss des bundesstaatlichen Prinzips gemäß Art. 20 Abs. 1 GG. Demgemäß gewährleistet das Grundgesetz Bund und Ländern in den Grenzen ihrer föderativen Bindungen eigenständige Verfassungsbereiche, die auch das Wahlrecht umfassen. Folglich regeln die Länder im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG Wahlsystem und Wahlverfahren zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes autonom; dies gilt auch für die ![]() ![]() | |
Soweit das Grundgesetz in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG die Länder an die fünf Wahlgrundsätze bindet, ist eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen. Im Wege der Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG können die Bundesregierung, jede Landesregierung oder ein Quorum des Bundestages die Verletzung der Bindung des Landes an die Wahlgrundsätze beim Bundesverfassungsgericht geltend machen. Ebenso hat jeder Richter das in einem Rechtsstreit erhebliche Landeswahlrecht auf seine Übereinstimmung mit den fünf Wahlgrundsätzen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG zu überprüfen und das Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wenn er der Auffassung ist, es entspreche diesen Grundsätzen nicht (vgl. BVerfGE 99, 1 [11 f.]). Gleiches gilt gemäß Art. 100 Abs. 3 GG, wenn das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung der Anforderungen aus Art. 28 Abs. 1 GG von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder eines anderen Landesverfassungsgerichts abweichen will. Diese Verfahren dienen der Klärung, ob der Landesgesetzgeber den objektivrechtlichen Vorgaben der Verfassung genügt hat (vgl. BVerfGE 99, 1 [12] m.w.N.). Mit Blick auf die Verfassungsautonomie der Länder beschränkt sich das Grundgesetz aber auf diese objektivrechtliche Kontrolle und räumt nicht auch jedem Bürger bei Wahlen im Land das Recht ein, die Beachtung der Wahlgrundsätze mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einzufordern (vgl. BVerfGE 99, 1 [12]).
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d) Die Länder sind berufen, ihren Verfassungsraum unter Beachtung ihrer föderativen Bindungen eigenständig auszugestalten. Sie entscheiden dabei auch, auf welche Weise eine Verletzung der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Wahlgrundsätze im Wege der Wahlprüfung gerügt werden kann. Es obliegt ihnen, den subjektiven Schutz des Wahlrechts zu ihren Volksvertretungen abschließend zu regeln und durch ihre Gerichtsbarkeit zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 99, 1 [12]). Werden sie dem gerecht, ist für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesver ![]() ![]() | |
2. Davon zu unterscheiden ist die Statthaftigkeit von Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht gegen landesverfassungsgerichtliche Wahlprüfungsentscheidungen, mit denen nicht eine Verletzung der Wahlgrundsätze oder des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, sondern ein Verstoß gegen sonstige Grundrechte oder grundrechtsgleiche Gewährleistungen geltend gemacht wird. Diese Frage hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar noch nicht ausdrücklich entschieden. Auch insoweit steht jedoch die alleinige und abschließende Gewährung subjektiven Wahlrechtsschutzes durch die Länder bei Wahlen in ihrem Verfassungsraum der Statthaftigkeit einer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG entgegen. Dies folgt aus der grundsätzlichen Unantastbarkeit von Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte über Fragen, die allein dem Verfassungsraum der Länder zuzuordnen sind (a). Hierzu zählen auch landesverfassungsgerichtliche Wahlprüfungsentscheidungen (b). Der generelle Ausschluss der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen Wahlprüfungsentscheidungen der Landesverfassungsgerichte trägt Sinn und Zweck des Wahlprüfungsverfahrens Rechnung (c) und ist in der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits angelegt (d).
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a) Bei Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte handelt es sich zwar um Akte öffentlicher Gewalt, die grundsätzlich als tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde in Betracht kommen (vgl. BVerfGE 6, 445 [447]; 42, 312 [325]; 85, 148 [157]; 96, 231 [242]). Auch können in solchen Verfassungsbeschwerdeverfahren die Verletzung von Prozessgrundrechten einschließlich des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 ![]() ![]() | |
Dementsprechend geht das Grundgesetz mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG davon aus, dass ein Land interne Streitigkeiten zwischen seinen Funktionsträgern ohne jede bundesverfassungsgerichtliche Einwirkung durch seine Verfassungsgerichtsbarkeit abschließend entscheidet. Die insoweit verfassungsrechtlich anerkannte Unantastbarkeit der Landesverfassungsgerichtsbarkeit würde teilweise wieder beseitigt, wenn das Bundesverfassungsgericht kontrollieren müsste, ob die Landesverfassungsgerichte bei der Entscheidung derartiger Streitigkeiten den grundrechtsgleichen Gewährleistungen Rechnung tragen. Ein solcher Übergriff auf die Landesverfassungsgerichtsbarkeit ist auch nicht geboten, solange die Länder bei der Einrichtung ihrer Verfassungsgerichte die Ho ![]() ![]() | |
b) Zwar beziehen sich die vorstehenden Ausführungen des Zweiten Senats auf landesverfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Funktionsträgern der Landesstaatsgewalt. Für diese bestimmt bereits Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 Variante 3 GG, dass das Bundesverfassungsgericht nur entscheidet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist. Die dargestellten Erwägungen sind aber auf landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen im Wahlprüfungsverfahren zu übertragen. Denn die Länder sind – wie der Zweite Senat mit Beschluss vom 16. Juli 1998 (BVerfGE 99, 1) entschieden hat – für die Gewährung des subjektivrechtlichen Schutzes des Wahlrechts zu ihren Volksvertretungen allein zuständig und gewährleisten diesen Schutz abschließend. Dies ist auch bei der Frage nach der Anfechtbarkeit landesverfassungsgerichtlicher Wahlprüfungsentscheidungen vor dem Bundesverfassungsgericht zu berücksichtigen. Auch hier liegt eine allein den Verfassungsraum der Länder betreffende Angelegenheit vor, deren Entscheidung durch die Landesverfassungsgerichte nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle unterworfen werden kann.
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Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Anerkennung der alleinigen und abschließenden Gewährleistung des subjektivrechtlichen Wahlrechtsschutzes durch die Länder bei Wahlen in ihrem Verfassungsraum wieder beseitigt oder zumindest wesentlich eingeschränkt würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 2008 – 2 BvR 1223/08 –, juris, Rn. 8; Drossel/Kirsch, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 361 [388 f.]). Die Autonomie, die den Ländern im Bereich des subjektiven Wahlrechtsschutzes zuerkannt ist, drohte auf diese Weise wieder zurückgenommen zu werden. Diese Autonomie möglichst weitgehend zu erhalten, ist aber durch das Bundesstaatsprinzip verfassungsrechtlich geboten.
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Demgemäß folgt aus der weitgehenden Verfassungsautonomie, über die die Länder unter dem Grundgesetz im Bereich der Lan ![]() ![]() | |
Im Ergebnis kommt daher Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine über die Rüge einer Verletzung der Wahlgrundsätze hinausgehende generelle Sperrwirkung für Verfassungsbeschwerden gegen Wahlprüfungsentscheidungen der Landesverfassungsgerichte zu. Die objektivrechtliche Ausgestaltung der Norm hat nicht nur zur Folge, dass für eine auf die Verletzung der Wahlgrundsätze gestützte Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht kein Raum verbleibt. Vielmehr sind auch auf sonstige Grundrechte oder grundrechtsgleiche Gewährleistungen gestützte Verfassungsbeschwerden gegen solche Entscheidungen grundsätzlich nicht ![]() ![]() | |
c) Der generelle Ausschluss der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen im Wahlprüfungsverfahren entspricht dem Sinn und Zweck dieses Verfahrens. In diesem Zusammenhang ist in Rechnung zu stellen, dass die Durchführung der Wahlen zu den Volksvertretungen eine Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane erfordert und die Wahl in diesem Sinne ein einzigartiges Massenverfahren ist, bei dem Fehler nicht gänzlich zu vermeiden sind (vgl. für die Wahl zum Deutschen Bundestag BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Juli 2021 – 2 BvC 10/21 –, Rn. 29; Glauben, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 41 Rn. 80 m.w.N. [März 2017]). Entsprechend werden im Anschluss an solche Wahlen in der Regel zahlreiche Wahleinsprüche erhoben. Könnten diese über die Geltendmachung einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten jenseits der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG stets bis zum Bundesverfassungsgericht getragen werden, drohte dieses zu einer die Landesverfassungs ![]() ![]() | |
Auf diese Weise könnte das Ziel der Wahlprüfung, die richtige Zusammensetzung der Volksvertretung binnen angemessener Zeit zu klären (vgl. BVerfGE 85, 148 [159]; 123, 39 [77]; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 12. Januar 2022 – 2 BvC 17/18 –, Rn. 62), in erheblichem Umfang beeinträchtigt werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Verfassungsbeschwerde kein Suspensiveffekt zukommt (vgl. BVerfGE 93, 381 [385]) und der Fristablauf für die Durchführung einer gegebenenfalls erforderlichen Wiederholungswahl durch sie nicht gehemmt wird. Endgültige Rechtssicherheit bezüglich der ordnungsgemäßen Zusammensetzung der von der angegriffenen Wahlprüfungsentscheidung betroffenen Volksvertretung beziehungsweise einer gegebenenfalls durchzuführenden Wiederholungswahl würde vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht erreicht. Die Verzögerung der Entscheidung, ob die Volksvertretung eines Landes ordnungsgemäß zusammengesetzt ist, hätte daher auch dann einen erheblichen Übergriff in den Verfassungsraum des jeweiligen Landes zur Folge, wenn sie im Wege einer Verfassungsbeschwerde erfolgte, mit der die Verletzung von Gewährleistungen jenseits der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird. Der Ausschluss der Verfassungsbeschwerde gegen landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen zum Schutz des subjektiven Wahlrechts trägt daher zur Erreichung des verfassungsrechtlichen Ziels einer zügigen Klärung von Wahlfehlern und daraus sich ergebender Konsequenzen für die ordnungsgemäße Zusammensetzung der gewählten Volksvertretung wesentlich bei (vgl. in diesem Sinn auch Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, Bericht der Kommission, 1998, S. 126; zum Beschleunigungsgebot bei der Wahlprüfung auch Glauben, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 41 Rn. 85 f. [März 2017]).
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d) Das Ergebnis einer generellen, nicht nur die unmittelbare Rüge einer Verletzung der Wahlgrundsätze umfassenden Sperrwirkung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG für Verfassungsbeschwerden gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG ![]() ![]() | |
aa) In der Entscheidung vom 16. Juli 1998 (BVerfGE 99, 1) hat der Zweite Senat ausgeführt, es entspreche der fehlenden Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, dem Bürger bei Wahlen zu den Volksvertretungen in den Ländern subjektiven Rechtsschutz gegen eine Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze zu gewähren, dass Parteien eine Verletzung ihres Rechts auf chancengleiche Wahlteilnahme nur im Wege des Organstreits geltend machen könnten, den sie vor den Landesverfassungsgerichten zu führen hätten und der im Land abschließend entschieden werde (vgl. BVerfGE 99, 1 [17]). Nur wenn im Land kein Rechtsweg eröffnet sei, sei eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Sinne eines "subsidiären Landesverfassungsgerichts" begründet. Dabei hat der Zweite Senat auf die Empfehlungen der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen (vgl. BVerfGE 99, 1 [17]). Diese hatte unter anderem empfohlen, eine abschließende Zuständigkeit der Länder im Bereich des Wahlrechts festzuschreiben, wobei Verfassungsbeschwerden nicht nur für die Rüge einer Verletzung der allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze ausgeschlossen sein sollten, sondern auch für die Geltendmachung der Verletzung sonstiger Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte (vgl. Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, Bericht der Kommission, 1998, S. 125). Dies spricht dafür, dass das Bundesverfassungsgericht bereits in dieser Entscheidung, mit der es die alleinige und abschließende Zuständigkeit der Länder für die Gewährung subjektiven Wahlrechtsschutzes in ihrem Verfassungsraum anerkannt hat, von einer weiten Sperrwirkung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ausgegangen ist.
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bb) Auch die bisherige Kammerrechtsprechung deutet in diese Richtung.
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(1) Mit Beschluss vom 8. Juli 2008 – 2 BvR 1223/08 – hat die 3. Kammer des Zweiten Senats darauf verwiesen, dass das Bundes ![]() ![]() | |
(2) Mit Beschlüssen vom 9. März 2009 (BVerfGK 15, 186), 3. Juli 2009 (BVerfGK 16, 31) sowie 10. November 2010 – 2 BvR 1946/10 – hat die 3. Kammer des Zweiten Senats ferner entschieden, dass das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen von Wahlprüfungsgerichten der Länder die Verletzung von Grundrechten nicht prüfe, soweit es dabei Fragen einer Verletzung des subjektiven Wahlrechts bewerten müsste, deren Beantwortung allein den für die Wahlprüfung zuständigen Gerichten des Landes obliege.
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(3) Anderes folgt nicht aus dem Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. März 2016 – 2 BvR 1576/13 –. Dieser betrifft eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in einem Popularklageverfahren, das sich gegen wahlrechtliche Vorschriften des Freistaats Bayern wandte. Soweit die Kammer davon ausging, dass die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könne, da Popularklageverfahren nicht zu den Streitigkeiten gehörten, die die Landesverfassungsgerichte abschließend entschieden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. März 2016 – 2 BvR 1576/13 –, Rn. 41 f.), konnte sie an ältere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anknüpfen (vgl. BVerfGE 13, 132 [140 ff.]; 69, 112 [120 ff.]). Daraus ergibt sich jedoch nicht, ![]() ![]() | |
(4) Zuletzt hat die 1. Kammer des Zweiten Senats in einem Beschluss über die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, mit dem das Gesetz zur Einführung paritätischer Listen bei der Landtagswahl für nichtig erklärt worden war, die Frage aufgeworfen, ob bei wahlrechtlichen Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte die Erhebung der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht wegen der insoweit zu beachtenden Verfassungsautonomie der Länder gänzlich ausgeschlossen ist. Im Ergebnis konnte die Kammer die Frage offenlassen, weil es an der hinreichend substantiierten Darlegung einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten jenseits der Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG fehlte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Dezember 2021 – 2 BvR 1470/20 –, Rn. 37).
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3. Die Unantastbarkeit landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen in Verfahren zum Schutz des subjektiven Wahlrechts steht allerdings unter dem Vorbehalt der Beachtung des Homogenitätsgebots gemäß Art. 28 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 96, 231 [244]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 2008 – 2 BvR 1223/08 –, juris, Rn. 8). Genügt die verfassungsmäßige Ordnung des jeweiligen Landes den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats ![]() ![]() | |
a) Art. 28 Abs. 1 GG belässt den Ländern einen erheblichen Spielraum zur autonomen Ausgestaltung ihrer verfassungsmäßigen Ordnung.
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aa) Mit Art. 28 Abs. 1 GG will das Grundgesetz nicht Konformität oder Uniformität erzwingen, sondern nur ein Mindestmaß an Homogenität durch die Bindung der Länder an seine leitenden Prinzipien herbeiführen (vgl. BVerfGE 9, 268 [279]; 24, 367 [390]; 27, 44 [56]; 41, 88 [119]; 90, 60 [84 f.]). Die Norm ist darauf gerichtet, dasjenige Maß an struktureller Gleichgerichtetheit von Gesamtstaat und Gliedstaaten zu gewährleisten, das für das Funktionieren eines Bundesstaates unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 90, 60 [84]; vgl. auch BVerfGE 81, 53 [55]). In diesem Rahmen können die Länder ihr Verfassungsrecht sowie ihre Verfassungsgerichtsbarkeit nach eigenem Ermessen ordnen (vgl. BVerfGE 4, 178 [189]; 36, 342 [360 f.]; 60, 175 [207 f.]; 64, 301 [317]; 96, 345 [368 f.]).
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bb) (1) Dementsprechend verpflichtet das Homogenitätsgebot die Länder lediglich auf die "Grundsätze" des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Das Homogenitätserfordernis ist auf die dort genannten Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen und innerhalb dieser wiederum auf deren Grundsätze beschränkt. Die konkreten Ausgestaltungen, die diese Grundsätze im Grundgesetz gefunden haben, sind für die Landesverfassungen nicht verbindlich (vgl. BVerfGE 36, 342 [361 f.]; ![]() ![]() | |
(2) Davon ausgehend bedarf es in jedem Einzelfall einer die Verfassungsautonomie beachtenden, länderfreundlichen Bestimmung dessen, was Art. 28 Abs. 1 GG für den jeweils infrage stehenden Regelungsbereich zu entnehmen ist (vgl. Kersten, DÖV 1993, S. 896 [899 ff.]; Engels, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 28 Rn. 10-12; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 38; VerfGH NRW, Urteil vom 18. Februar 2009 – VerfGH 24/08 –, juris, Rn. 45 m.w.N.). Der grundgesetzlichen Anerkennung der Verfassungsautonomie der Länder entspricht es, die staatsorganisatorischen Entscheidungen der Länder möglichst unangetastet zu lassen und Eingriffe in ihren Verfassungsraum auf das geringstmögliche Maß zu beschränken (vgl. ![]() ![]() | |
cc) Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gilt das Homogenitätsgebot für die "verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern". Dies meint nicht lediglich das formelle Landesverfassungsrecht. Vielmehr erfasst Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG das gesamte materielle Verfassungsrecht einschließlich der Regelungen des einfachen Landesrechts, welche das Landesverfassungsrecht ausgestalten (vgl. Grawert, NJW 1987, S. 2329 [2331]; Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 245 f.; Dittmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 127 Rn. 11, 28; Dreier, in: ders., GG, 3. Aufl. 2015, Art. 28 Rn. 51; Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 28 Abs. 1 Rn. 46 [Sept. 2022]; jeweils m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 83, 60 [70 ff.]; 93, 37 [65 f.]).
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Darüber hinaus umfasst die verfassungsmäßige Ordnung gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch die Verfassungswirklichkeit (vgl. Werner, Wesensmerkmale des Homogenitätsprinzips und ihre Ausgestaltung im Bonner Grundgesetz, 1967, S. 80 f.; Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 312; Dittmann, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 127 Rn. 11; Dreier, in: ders., GG, 3. Aufl. 2015, Art. 28 Rn. 51; Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 28 Abs. 1 Rn. 34, 46 [Sept. 2022]; jeweils m.w.N.). Allerdings ist mit Blick auf die Eigenstaatlichkeit der Länder und ihre Verfassungsautonomie bei der Bewertung, ob Abweichungen der Verfassungswirklichkeit von der Verfassungsnorm als Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 GG zu werten sind, Zurückhaltung geboten (vgl. Werner, Wesensmerkmale des Homogenitätsprinzips und ihre Ausgestaltung im Bonner Grundgesetz, 1967, S. 81; Mann, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 42 [April 2016]). Eine Verletzung des Homogenitätsgebots ist erst anzunehmen, wenn die Praxis von der Norm andauernd beziehungsweise systematisch und in einer Weise abweicht, die die Geltung der normativen Gewährleistung grundsätzlich infrage stellt. Einzelne Verfassungs- und Rechtswidrigkeiten sind hingegen nicht geeignet, einen Homogenitätsverstoß zu begründen (vgl. Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. ![]() ![]() | |
b) Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet die Länder bei der Ausgestaltung ihrer verfassungsmäßigen Ordnung zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes (aa) als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (bb).
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aa) Zu den von den Ländern insoweit zu beachtenden Grundsätzen zählt insbesondere die Gewährung wirksamen Rechtsschutzes (vgl. Dittmann, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 127 Rn. 22; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 55; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 28 Rn. 7.1 [Nov. 2022]; Ernst, in: von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 28 Rn. 28 Fn. 119). Dem ist auch bei der Konstituierung, Besetzung und Ausgestaltung der Landesverfassungsgerichtsbarkeit Rechnung zu tragen. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt demgemäß, dass die Länder ihre Verfassungsgerichte mit Richtern besetzen, die im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Zu dem rechtsstaatlich unverzichtbaren Wesen richterlicher Tätigkeit nach dem Grundgesetz gehört es, dass sie durch einen neutralen Dritten in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird. Sie erfordert Unvoreingenommenheit und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfGE 103, 111 [140] m.w.N.). Daneben bedarf es einer Berücksichtigung der weiteren Prinzipien, die für jedes gerichtliche Verfahren gelten und im Rechtsstaatsprinzip ihre Grundlage finden (vgl. BVerfGE 96, 231 [243 f.]). Dazu gehören die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Garantie des gesetzlichen Richters. Das Recht auf den gesetzlichen Richter soll ebenso wie die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gerichte Eingriffe Unbefugter in die Rechtspflege verhindern und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte schützen (vgl. BVerfGE 4, 412 [416]). ![]() | |
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c) Im Bereich des Wahl- und des Wahlprüfungsrechts ergeben sich aus Art. 28 Abs. 1 GG spezifische Anforderungen an die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern.
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aa) Bezüglich des Ordnungsrahmens für die Wahlen zu den Vertretungen des Volkes eröffnet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG den Ländern einen Spielraum nur nach Maßgabe des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Der erste Satz der Vorschrift wird durch den zweiten ergänzt; dieser bestimmt objektivrechtlich das bei der Regelung des Landeswahlrechts zu wahrende Minimum an Homogenität (vgl. BVerfGE 83, 37 [58]). Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Damit sind die Wahlrechtsgrundsätze, die gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG bei der Wahl des Deutschen Bundestages gelten, auch für den Verfassungsraum der Länder verbindlich vorgegeben (vgl. BVerfGE 3, 45 [50]; 120, 82 [102]). Ver ![]() ![]() | |
bb) Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gibt den Ländern kraft des Demokratiegebots auf, ein Verfahren zur Prüfung ihrer Parlamentswahlen einzurichten, das in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise dem Schutz des aktiven und passiven Wahlrechts dient und die Beachtung der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze gewährleistet (vgl. BVerfGE 85, 148 [158 f.]; 99, 1 [11 f., 18]). Innerhalb dieses Rahmens gestalten und organisieren die Länder auch das Wahlprüfungsverfahren autonom (vgl. BVerfGE 99, 1 [11]).
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Dementsprechend steht es den Ländern frei, ob sie ihre Wahlprüfung ein- oder zweistufig ausgestalten. Rechtsstaatlich geboten ist lediglich, dass spätestens in zweiter Instanz eine gerichtliche Kontrolle stattfindet (vgl. BVerfGE 99, 1 [18]; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 2006 – 2 BvR 1487/06 –, Rn. 4 und vom 18. Oktober 2010 – 2 BvR 2174/10 –, Rn. 5). Dies schließt aus, dass im Wahlprüfungsverfahren eine abschließende Entscheidung durch ein Gremium getroffen wird, das teilweise mit gewählten Abgeordneten der von der Wahlprüfung betroffenen Volksvertretung besetzt ist. Vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip, dass der rechtsprechenden Gewalt im Sinne von Art. 92 GG vorbehalten ist, über streitige Rechtsverhältnisse letztverbindlich zu entscheiden. Niemand kann in eigener Sache Richter sein, und ein zur Streitentscheidung berufenes Gericht darf nicht zugleich Partei in einem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit sein (vgl. BVerfGE 103, 111 [139 f.] m.w.N.). Dem hat auch die Ausgestaltung der Wahlprüfung durch die Länder zu entsprechen. Dies schließt eine Beschränkung der Wahlprüfung auf parlamentarische Gremien aus. ![]() | |
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4. Nach diesen Maßstäben ist die vorliegende Verfassungsbeschwerde nicht statthaft. Sie richtet sich gegen die Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts in einem auf Landeswahlen bezogenen Wahlprüfungsverfahren (a). Da sowohl die Regelungen der Verfassungsgerichtsbarkeit (b) als auch die Ausgestaltung des Wahlprüfungsverfahrens (c) im Land Berlin den Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG Rechnung tragen, sind die Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrwirkung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben. Die gegen das angegriffene Urteil des Verfassungsgerichtshofs erhobenen Einwendungen können folglich nicht in statthafter Weise im Wege der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden (d). ![]() | |
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b) Die Regelungen über den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin beachten die rechtsstaatlichen Anforderungen des Homogenitätsgebots aus Art. 28 Abs. 1 GG (aa). Diesbezügliche Bedenken bestehen weder aufgrund der Besetzung des Verfassungsgerichtshofs im Zeitpunkt der Entscheidung über die streitgegenständlichen Wahleinsprüche (bb) noch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (cc).
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aa) (1) Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 VvB wird im Land Berlin ein Verfassungsgerichtshof gebildet, der aus neun Mitgliedern besteht, von denen drei zum Zeitpunkt ihrer Wahl Berufsrichter sein und drei weitere die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs ergeben sich aus Art. 84 Abs. 2 VvB in Verbindung mit dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof. Als Teil der Rechtspflege sind die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs an die Gesetze gebunden (Art. 80 VvB) und nehmen an der Verfassungsgarantie der richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 79 Abs. 1 VvB teil. Diese Regelungen sind hinsichtlich der Beachtung der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Homogenitätsanforderungen aus Art. 28 Abs. 1 GG unbedenklich.
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(2) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG ehrenamtlich tätig sind. Für nahezu sämtliche Mitglieder der Verfassungsgerichte der Länder gilt, dass diese ihre Richtertätigkeit ehrenamtlich wahrnehmen (vgl. von Lampe, in: Pfennig/ Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2020, Art. 84 Rn. 13). Dies stellt die Einhaltung der Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nicht infrage (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 2006 – 2 BvR 1487/06 –, Rn. 4 und vom 8. Juli 2008 – 2 BvR 1223/08 –, ![]() ![]() | |
(3) Zweifel an der Wahrung dieser Anforderungen ergeben sich auch nicht daraus, dass dem Verfassungsgerichtshof – wie den meisten Landesverfassungsgerichten (vgl. Wassermann, NJW 1999, S. 471 [471]; Knöpfle, in: Starck/Stern [Hrsg.], Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 1, 1983, S. 231 [272]; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 94 Rn. 6 m.w.N.), anders aber als dem Bundesverfassungsgericht (§ 3 Abs. 2 BVerfGG; vgl. zu dessen Genese Volp, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 3 Rn. 17 f.) – gemäß Art. 84 Abs. 1 VvB auch Laienrichter angehören können (vgl. dazu Wassermann, NJW 1999, S. 471 [471]; Knöpfle, in: Starck/Stern [Hrsg.], Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 1, 1983, S. 231 [262 f., 272 f.]; Heun, Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit im Vergleich, 2014, S. 103 [111 f.]). Es kann offenbleiben, ob sich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG fach ![]() ![]() | |
bb) Soweit sechs der neun Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs ihre Amtszeit zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bereits überschritten hatten, verstößt das Land Berlin auch hiermit im Ergebnis nicht gegen das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG.
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(1) Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 2 VvB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 VerfGHG werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs durch das Abgeordnetenhaus in geheimer Wahl ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit für sieben Jahre gewählt; eine Wiederwahl ist nicht zulässig (vgl. dazu von Lampe, in: Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2020, Art. 84 Rn. 12 m.w.N.). § 7 VerfGHG bestimmt, dass die Richter des Verfassungsgerichtshofs mit Ablauf der Amtszeit ausscheiden (Abs. 1). Nach Ablauf der Amtszeit führen sie ihre Amtsgeschäfte bis zur Ernennung des Nachfolgers fort (Abs. 2).
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(2) Diese Regelungen sind mit Blick auf das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die Garantie des gesetzlichen Richters, deren Beachtung den Ländern über die Verpflichtung auf rechtsstaatliche Grundsätze gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG vorgegeben ist. ![]() | |
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(b) Davon ausgehend werden die Regelungen in § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1 und 2 VerfGHG den rechtsstaatlichen Anforderungen bei Ausscheiden der Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs und der (Wieder-)Besetzung ihrer Stellen gerecht. Etwas anderes folgt insbesondere nicht daraus, dass dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof – wie auch dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. nur Hömig, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 5 Rn. 8 m.w.N. [Sept. 2011]; Bowitz, in: Um ![]() ![]() | |
(3) Auch die konkrete Anwendung der Vorschriften zur Wahl und zum Ausscheiden der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs lässt einen Verstoß gegen das Homogenitätsgebot noch nicht erkennen.
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(a) Die siebenjährige Amtszeit von sechs der neun Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs war bereits im Juli 2021 abgelaufen. Angesichts dessen könnte durch den Verzicht auf die Neubesetzung dieser Richterstellen ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 2 VerfGHG in Betracht kommen, weil eine Überschreitung der Amtszeit um mehr als 15 Monate mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Amtszeitbegrenzung nicht mehr vereinbar sein könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter dann gegeben sein kann, wenn die Amtszeit ganz erheblich überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 1986 – 1 BvR 1104/86 –, SozR 1500 § 13 Nr. 3) oder eine Ersatzwahl aus sachfremden – etwa parteipolitischen – Gründen ungebührlich verzögert oder bewusst unterlassen wird (vgl. BVerfGE 2, 1 [9]; 82, 286 [300 f.]; vgl. auch Volp, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 4 Rn. 21 m.w.N.). ![]() | |
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cc) Schließlich ist auch nicht feststellbar, dass die Einrichtung des Wahlprüfungsverfahrens im Land Berlin unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nicht Rechnung trägt.
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(1) Gemäß Art. 15 Abs. 1 VvB hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Daran ist der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 80 VvB gebunden. Einfachgesetzlich bestimmt § 41 VerfGHG für das Wahlprüfungsverfahren, dass die Beteiligten spätestens eine Woche vor dem Verhandlungstermin zu laden sind (§ 41 Satz 2 VerfGHG) und über ein selbständiges Antragsrecht verfügen (§ 41 Satz 3 VerfGHG). Zu den Beteiligten zählen dabei insbesondere die Einsprechenden, die betroffenen Wahlbewerber und Abgeordneten sowie die zuständigen Wahlleiter (§ 41 Satz 1 VerfGHG). Diese Regelungen garantieren den Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren zur Prüfung der Landeswahlen in Berlin in einer den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG genügenden Weise.
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(2) Anderes ergibt sich nicht aus dem Vorgehen des Verfassungsgerichtshofs im vorliegenden Fall.
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Soweit die am Wahlprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten Beschwerdeführerinnen und Beschwerde ![]() ![]() | |
Ungeachtet dessen fehlt es jedenfalls an einem Hinweis darauf, dass das Vorgehen des Verfassungsgerichtshofs im konkreten Fall Teil einer andauernden Praxis sein könnte, die geeignet wäre, die Geltung der normativen Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes Berlin – und sei es auch nur für den Bereich des Wahlprüfungsrechts – grundsätzlich infrage zu stellen. Für die Annahme eines den Regelungsgehalt des Art. 28 Abs. 1 GG berührenden Homogenitätsverstoßes ist daher kein Raum.
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c) Auch die Ausgestaltung des Wahlrechts (aa) und des Wahlprüfungsverfahrens (bb) in Berlin genügt den Homogenitätsanforderungen aus Art. 28 Abs. 1 GG. ![]() | |
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bb) Gleiches gilt für die Ausgestaltung des Wahlprüfungsverfahrens.
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(1) Rechtsgrundlage für das Verfahren zur Prüfung der Gültigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen des Landes Berlin sowie des Mandatserwerbs und -verlusts sind § 14 Nr. 2 und 3 in Verbindung mit §§ 40 ff. VerfGHG. Danach findet die Wahlprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nur aufgrund eines Einspruchs statt (§ 40 Abs. 1 VerfGHG). Im Folgenden regelt § 40 Abs. 2 bis 5 VerfGHG den Katalog möglicher Einspruchsgründe sowie die Einspruchsberechtigung und sonstige Anforderungen an die Erhebung, Begründung und Rücknahme eines Wahleinspruchs. Darüber hinaus bestimmt § 41 VerfGHG den Kreis der Verfahrensbeteiligten und § 42 VerfGHG die möglichen Inhalte der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Diese Bestimmungen genügen den sich aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Homogenitätsanforderungen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 GG an die Ausgestaltung der Wahlprüfung im Verfassungsraum der Länder.
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(2) Dem steht nicht entgegen, dass das Wahlprüfungsverfahren im Land Berlin primär objektiv ausgerichtet ist. Gemäß § 14 Nr. 2 und 3, §§ 40 ff. VerfGHG kommt ihm zuvörderst die Aufgabe zu, die gesetzmäßige Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen zu gewährleisten (vgl. VerfGH BE, Urteil vom 17. März 1997 – 90/95 –, juris, ![]() ![]() | |
(3) Einer homogenitätsgerechten Ausgestaltung des Wahlprüfungsverfahrens im Land Berlin widerspricht es zudem nicht, dass die Möglichkeit der Erhebung eines Wahleinspruchs für die Wahlberechtigten auf die Geltendmachung nur bestimmter Wahlfehler begrenzt ist. Auch insoweit handelt es sich um eine das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG wahrende Regelung.
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(a) Wahlberechtigte können gemäß § 40 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 7 VerfGHG einen Wahleinspruch nur darauf stützen, dass Personen zu Unrecht in das Wahlverzeichnis eingetragen oder nicht eingetragen worden seien oder zu Unrecht einen Wahlschein erhalten oder keinen Wahlschein erhalten hätten und dadurch die Verteilung der Sitze beeinflusst worden sei. Sonstige Verletzungen wahlrechtlicher Vorgaben im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 8 VerfGHG können sie selbst dann nicht geltend machen, wenn ihr subjektives Wahlrecht dadurch betroffen ist (vgl. von Lampe, in: Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2020, Art. 84 Rn. 154; Glauben, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 41 Rn. 10 m.w.N. [März 2017]). Dies folgt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs daraus, dass Gegenstand der Beurteilung im Wahlprüfungsverfahren nicht die Verletzung subjektiver Rechte, sondern die objektive Gültigkeit des festgestellten Wahlergebnisses ist (vgl. VerfGH BE, Beschluss vom 31. Juli 1998 – 92/95 –, juris, 1. Orientierungssatz sowie Rn. 7 m.w.N.).
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(b) Die Begrenzung des Kreises der Einspruchsberechtigten und der zulässigen Einspruchsgründe ist mit Blick auf das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Zwar mag es der Bedeutung des Wahlrechts entsprechen, einzelnen ![]() ![]() | |
[173] Dafür spricht, dass das Bundesverfassungsgericht bis zur Änderung von § 1 WahlPrüfG und § 48 BVerfGG durch das Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen vom 12. Juli 2012 (BGBl I S. 1501) in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass Gegenstand der Wahlprüfung in erster Linie nicht die Verletzung subjektiver Rechte, sondern die Feststellung der Gültigkeit der Wahl ist (vgl. nur BVerfGE 1, 208 [237 f.]; 89, 291 [299] m.w.N.). Dieser Herleitung des Gegenstandes der Prüfung der Wahl zum Deutschen Bundestag entspricht es, dass das Bundesverfassungsgericht im Falle einer vorrangig objektiven Ausgestaltung des Wahlprüfungsverfahrens in den Ländern keinen Anlass gesehen hat, die Übereinstimmung solcher Regelungen mit dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG infrage zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 2008 – 2 BvR 1223/08 –, juris, Rn. 7).
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[174] Den Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG ist daher genügt, wenn für Landeswahlen eine Regelung getroffen ist, die sicherstellt, dass die Beachtung der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ![]() ![]() | |
(4) Bedenken gegen die Homogenitätskonformität der Ausgestaltung des Wahlprüfungsverfahrens in Berlin ergeben sich auch nicht daraus, dass die Aufgabe der Wahlprüfung ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof übertragen ist. Zwar ist der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin im Ländervergleich das einzige Landesverfassungsgericht, das in Wahlprüfungsangelegenheiten in erster und letzter Instanz entscheidet (vgl. von Lampe, in: Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2020, Art. 84 Rn. 151; Glauben, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 41 Rn. 3 m.w.N. [März 2017]). Art. 28 Abs. 1 GG ist aber nicht zu entnehmen, dass die Wahlprüfung in den Ländern zweistufig ausgestaltet sein muss (vgl. oben Rn. 144). Das Homogenitätsgebot verlangt lediglich, dass im Verfahren der Wahlprüfung – spätestens in zweiter Instanz – eine unabhängige gerichtliche Rechtskontrolle gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 99, 1 [18]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 2006 – 2 BvR 1487/06 –, Rn. 4). Dies ist im Land Berlin gemäß §§ 40 ff. VerfGHG der Fall.
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d) Da die Ausgestaltung der Landesverfassungsgerichtsbarkeit, des Wahlrechts und der Wahlprüfung in der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes Berlin den Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG entspricht, erfolgt die Gewährung subjektiven ![]() ![]() | |
aa) Dem widerspricht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht, dass Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens eine verbundene Wahl ist. Zwar trifft die Landeswahlordnung für den Fall, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am selben Tag wie die Wahl zum Deutschen Bundestag stattfinden, spezielle Regelungen (§§ 80b, 80c LWO). Insbesondere gelten für die Stimmabgabe sowie für die Ermittlung der Wahlergebnisse die Vorschriften der Bundeswahlordnung (§ 80b Abs. 4 und 5 LWO). Auch können bei verbundenen Wahlen auftretende Wahlfehler sowohl die Wahl zum Deutschen Bundestag als auch die Wahl zum Abgeordnetenhaus sowie zu den Bezirksverordnetenversammlungen von Berlin betreffen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Wahlen für den Verfassungsraum des Bundes am Maßstab des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und für den Verfassungsraum des Landes am Maßstab des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG getrennt zu betrachten sind (vgl. BVerfGE 99, 1 [10]). Soweit die Länder bestimmen, dass für Wahlen in ihrem Verfassungsraum vereinzelt Regelungen des Bundeswahlrechts Anwendung finden, führt dies nicht zum Verlust ihrer Autonomie im staatsorganisatorischen Bereich (vgl. BVerfGE 99, 1 [11]), sondern ist Ausdruck ebendieser. Davon ist auch vorliegend auszugehen. Die gleichzeitige Durchführung mit der Wahl zum Deutschen Bundestag ändert nichts daran, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen ausschließlich dem Verfassungsraum des Landes Berlin zuzuordnen sind.
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bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Hinweis der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer auf Art. 84 Abs. 2 ![]() ![]() | |
cc) Infolgedessen ist die gegen das angegriffene Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht statthaft. Aufgrund der Sperrwirkung von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG können die von den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern gerügten Verletzungen ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Gewährleistungen im Wege der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht geltend gemacht werden. Dies gilt nicht nur für die bereits im Rahmen des Homogenitätsgebots erörterten Rügen der Verletzung grundrechtsgleicher Gewährleistungen, sondern zum einen auch hinsichtlich der Behauptung, der Verfassungsgerichtshof habe im Wege unzulässiger Rechtsfortbildung neue Regelungen für die Wahlvorbereitung geschaffen, die Stimmabgaben nach 18 Uhr unzutreffend als Wahlfehler gewertet, die Anzahl der potentiell von Wahlfehlern betroffenen Stimmen fehlerhaft und unter Verletzung des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung ermittelt und in unzulässiger Weise das gesamte Wahlgeschehen einschließlich der Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen zum Prüfungsgegenstand gemacht. Eine Entscheidung dieses Vorbringens hätte nicht zuletzt eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Anwendung der Wahlgrundsätze zur Voraussetzung, die durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG nur objektivrechtlich und gerade nicht subjektivrechtlich garantiert sind. Gleiches gilt zum anderen, soweit die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG dadurch geltend machen, dass der Verfassungsgerichtshof eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht unterlassen habe, obwohl ![]() ![]() | |
Ob etwas anderes anzunehmen wäre, wenn das angegriffene Urteil als Ausdruck einer systematischen Abweichung des Verfassungsgerichtshofs von den in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Wahlgrundsätzen zu qualifizieren wäre, aufgrund derer die Geltung dieser Grundsätze in der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes Berlin grundsätzlich infrage gestellt würde, kann auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer dahinstehen. Eine solche Behauptung wird von den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern nicht aufgestellt. Sie machen vielmehr geltend, die Wahlgrundsätze seien im konkreten Einzelfall durch den Verfassungsgerichtshof fehlerhaft angewandt worden. Ob dies zutreffend ist, kann ebenfalls offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, begründete das für sich genommen keine Verletzung des Homogenitätsgebots und ist daher nicht tauglicher Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle.
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5. Schließlich kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts, die in einem Verfahren zum Schutz des subjektiven Wahlrechts ergangen ist, ausnahmsweise statthaft ist, wenn substantiiert geltend gemacht wird, die Entscheidung verletze die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG oder den Menschenwürdegehalt anderer Grundrechte oder grundrechtsgleicher Gewährleistungen (vgl. dazu Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 125 ff.; kritisch Dreier, in: ders., GG, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 163 ff.) oder wenn dies nach dem zu beurteilenden Sachverhalt offenkundig naheliegt. ![]() | |
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b) Dieser Vortrag geht im Ergebnis über die Rüge einer Verletzung des Demokratieprinzips nicht hinaus. Inwieweit damit zugleich dessen durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG geschützter Kerngehalt betroffen sein soll, kann ihm nicht entnommen werden und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Es erschließt sich nicht, warum der Anspruch auf Bestandsschutz einer gewählten Volksvertretung dem Menschenwürdekern des Demokratieprinzips zuzuordnen sein soll. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer legen schon nicht dar, inwieweit die Möglichkeit einer erneuten Stimmabgabe im Rahmen einer Wiederholungswahl geeignet sein könnte, das in der Menschenwürde wurzelnde Recht auf demokratische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger zu entleeren oder substantiell einzuschränken. Auch die Bezugnahme auf Fälle der Übertragung von Kompetenzen auf supranationale Organisationen geht fehl. Diese betreffen die dauerhafte Einschränkung demokratischer Mitwirkungs- und Legitimationsmöglichkeiten. Daran fehlt es vorliegend. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer setzen sich außerdem nicht damit auseinander, dass die Wahlprüfung darauf gerichtet ist, festzustellen, ob die Zusammensetzung des Parlaments den Wählerwillen unverfälscht wiedergibt. Ist dies nicht der Fall, fehlt es an der Legitimationswirkung der Wahl und kann eine Korrektur im Wege einer (gegebenenfalls teilweisen) Wiederholungswahl geboten ![]() ![]() | |