BGE 130 I 205
 
18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Steueramt des Kantons Aargau und Steuerver- waltung des Kantons Luzern sowie Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
 
2P.5/2002 vom 30. Juni 2004
 
Regeste
Art. 127 Abs. 3 BV; Art. 46 Abs. 2 aBV; interkantonale Doppelbesteuerung bei Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge, gebundener Vorsorge (Säule 3a) und freier Vorsorge (Versicherungen; Säule 3b).
An die zivilrechtliche Behandlung von Kapitalleistungen aus Versicherungen im Nachlass (E. 8) ist das kantonale Erbschaftssteuerrecht nicht gebunden (E. 9.1). Selbständiger Nachlassbegriff im Doppelbesteuerungsrecht (E. 9.2). Die als Einkommen steuerbaren Leistungen sind im Wohnsitzkanton des Leistungsempfängers steuerbar, die von der Einkommenssteuer befreiten Leistungen im Wohnsitzkanton des Erblassers (E. 9.3 und 9.4). Bedeutung von Begünstigungsklauseln (E. 9.5). Schuldenverlegung: Von der Einkommenssteuer befreite Versicherungsleistungen sind doppelbesteuerungsrechtlich dem steuerlichen Nachlass im Wohnsitzkanton des Erblassers als Aktiven zuzurechnen und die Schulden proportional dazu zu verlegen (E. 9.6).
 
Sachverhalt


BGE 130 I 205 (207):

A. C. starb am 1. April 1996. Er hatte seinen letzten Wohnsitz im Kanton Aargau. Erben waren seine drei Kinder.
Am 4. Oktober 1996 teilte die "X." Lebensversicherungsgesellschaft der Eidgenössischen Steuerverwaltung mit, den drei Nachkommen des Erblassers sei aus dem Vorsorgeverhältnis zweite Säule (Police Nr. 6...; nachfolgend: Vorsorgepolice "X.") eine Kapitalleistung von Fr. 517'996.- ausgerichtet worden.
Gestützt darauf erhob die Veranlagungsbehörde für Gewerbebetriebe und freie Berufe des Kantons Luzern (nachfolgend: Veranlagungsbehörde Luzern) am 1. September 1997 bei A., Tochter des Erblassers mit Wohnsitz im Kanton Luzern, eine Sondersteuer für das Jahr 1996 auf dem ihr zustehenden Drittel von Fr. 172'665.-. Diese Veranlagung blieb von der Steuerpflichtigen unangefochten. Jedoch erhob die kantonale Steuerverwaltung Luzern am 3. Dezember 1998 dagegen Einsprache (vgl. lit. D).
B. Das Steueramt des Kantons Aargau eröffnete A. am 20. Januar 1998 die Veranlagung der Erbschaftssteuer, basierend auf einem erbsteuerrechtlichen Reinvermögen, in dem - neben andern Guthaben und Schulden - auch Direktansprüche der Erben aus Lebens-, Spar-, Risiko- und Erlebensfallversicherungen, die der Erblasser abgeschlossen hatte, nicht aber aus der Vorsorgepolice "X.", enthalten waren. Die Veranlagung wurde rechtskräftig.


BGE 130 I 205 (208):

C. Von diesen weiteren Kapitalleistungen erhielt die Veranlagungsbehörde Luzern am 23. März 1998 Kenntnis. Sie erliess am 7. Mai 1998 eine neue, als "Rektifikat" bezeichnete Sonderveranlagung 1996. Diese sollte die Verfügung vom 1. September 1997 ergänzen und neben dem Anteil von Fr. 172'665.- von A. an der Kapitalleistung aus der Vorsorgepolice "X." zusätzlich die Leistungen aus fünf Policen der Versicherungsgesellschaft Y. erfassen.
Dabei handelte es sich um die "gebundene Vorsorge-Police" Nr. 1... von 1986 mit einer Versicherungssumme von Fr. 619'267.60 (nachfolgend: Vorsorgepolice 1...), um die "Vorsorge-Police" Nr. 2... aus dem Jahr 1986 mit einer Versicherungssumme von Fr. 153'972.30 (nachfolgend: Vorsorgepolice 2...), um die Risikoversicherung Nr. 3... von 1973 mit einer geleisteten Summe von Fr. 58'245.- und einem Rückkaufswert am Todestag von Fr. 7'799.50 (nachfolgend: Risikopolice 3...), um die Police Nr. 4... von 1973 (Versicherung "Risiko fallend") mit einer geleisteten Summe von Fr. 78'195.50 (Versicherungsleistung Fr. 64'174.-, Bonus Fr. 13'481.50) und einem Rückkaufswert von Fr. 9'971.90 (nachfolgend: Risikopolice 4...), sowie um eine "Spar- und Risikoversicherung", Police Nr. 5... von 1971, mit gemeldeten Leistungen aus "Versicherungssumme Fr. 62'104.-", "Todesfall-Zusatzversicherung Fr. 115'335.-", einem "Bonus" von Fr. 8'695.70 und einem Rückkaufswert von Fr. 53'362.90 (nachfolgend: Zusatzpolice 5...). Von der letzten erfasste der Kanton Luzern nur die Leistung aus der Todesfall-Zusatzversicherung von Fr. 115'335.- mit der Einkommenssteuer, von den übrigen Policen die gesamte Leistung. Er besteuerte die Leistungen aus der Vorsorgepolice "X." und aus den beiden Vorsorgepolicen 1... und 2... zu 100 %, diejenigen aus den beiden Risikopolicen 3... und 4... sowie die Leistung von Fr. 115'335.- aus der Zusatzpolice 5... je zu 60 %. Tabellarisch zusammengestellt ergab dies folgendes Resultat:
Police
Ausbezahlte Leistung (Fr.)
Anteil A. (Fr.)
%
steuerbar (Fr.)
1
Vorsorgepolice 1...
619'267
206'422
100
206'422
2
Vorsorgepolice 2...
153'972
51'324
100
51'324
3
Risikopolice 3...
58'245
19'415
60
11'649
4
Risikopolice 4...
78'195
26'065
60
15'639
5
Zusatzpolice 5...
115'336
38'445
60
23'067
total (1-5)
341'671
308'101
6
Vorsorgepolice X.
517'996
172'665
100
172'665
total 1-6
514'336
480'766


BGE 130 I 205 (209):

Von den insgesamt ausbezahlten Fr. 514'336.- (Anteil A.) belegte der Kanton Luzern somit rund Fr. 480'700.- mit der Sondersteuer.
D. Gegen diese Verfügung erhob A. am 19. Mai 1998 bei der Staatssteuerkommission für Gewerbebetriebe und freie Berufe des Kantons Luzern (nachfolgend: Steuerkommission Luzern) Einsprache. Sie machte geltend, das Doppelbesteuerungsverbot sei verletzt, weil der Kanton Aargau die neu mit der Sondersteuer erfassten Kapitalzahlungen am 20. Januar 1998 bereits der Erbschaftssteuer unterworfen habe.
Auch die kantonale Steuerverwaltung Luzern reichte bei der Steuerkommission Luzern am 3. Dezember 1998 Einsprache gegen die Veranlagung vom 1. September 1997 ein. Der kantonalen Steuerverwaltung stand nach Art. 121 des damals geltenden Steuergesetzes vom 27. Mai 1946 des Kantons Luzern (StG/LU) das Recht zu, spätestens zwei Jahre nach Ablauf der Veranlagungsperiode gegen zu niedrige und unrichtige Einschätzungen Dritter (hier: der Veranlagungsbehörde Luzern) Einsprache zu erheben.
Die Steuerkommission Luzern hob am 2. Februar 2001 die als "Rektifikat" bezeichnete Verfügung vom 7. Mai 1998 betreffend die Staats- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer infolge fehlender gesetzlicher Grundlage für den Erlass einer Berichtigung auf. Für die Staats- und Gemeindesteuern hiess sie mit einer zweiten Verfügung vom gleichen Tag die Einsprache der Steuerverwaltung Luzern gegen die ursprüngliche Veranlagung vom 1. September 1997 gut und erfasste den Anteil von A. an den ausbezahlten Versicherungsleistungen von Fr. 514'336.- (steuerbar Fr. 480'700.-) mit der Sondersteuer 1996.
E. Am 3. Dezember 2001 wies die abgaberechtliche Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern die Beschwerde von A. vom 15. Februar 2001 ab.
F. A. hat am 7. Januar 2002 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliege. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern sei aufzuheben und der Kanton Luzern anzuweisen, auf die Besteuerung der zusätzlichen Leistungen gemäss Einsprachebegehren vom 3. Dezember 1998 zu verzichten. Eventuell sei der Kanton Aargau anzuhalten, die Erbschaftssteuerveranlagung vom 20. Januar 1998 um die im Kanton Luzern besteuerten zusätzlichen Kapitalleistungen von Fr. 308'101.-


BGE 130 I 205 (210):

zu kürzen und die erhobenen Erbschaftssteueranteile zurückzuzahlen.
Das Verwaltungsgericht und die Steuerverwaltung des Kantons Luzern beantragen in ihren Vernehmlassungen vom 29. Januar 2002 bzw. 1. Februar 2002 die Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Luzern richtet.
Das Steueramt des Kantons Aargau beantragt am 22. Februar 2002, "die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit sie sich gegen die Veranlagung des Steueramts des Kantons Aargau richtet und gutzuheissen, soweit sie sich gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern richtet".
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 4
4.1 Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV bzw. Art. 46 Abs. 2 aBV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem andern Kanton zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem darf ein Kanton eine steuerpflichtige Person grundsätzlich nicht deshalb stärker belasten, weil sie nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge ihrer territorialen Beziehungen auch noch in einem anderen Kanton steuerpflichtig ist (Schlechterstellungsverbot; StR 58/2003 S. 432, 2A.349/2002, E. 2.1; vgl. BGE 125 I 54 E. 1b S. 55 f.; BGE 123 I 264 E. 2a S. 265; BGE 117 Ia 516 E. 2 S. 518; BGE 116 Ia 127 E. 2a S. 130; BGE 107 Ia 41 E. 1a S. 42).
Eine unzulässige (aktuelle) Doppelbesteuerung liegt vor, wenn die gleichen Kapitalleistungen einer Versicherung von zwei oder mehreren Kantonen nach ihrem internen Recht vollumfänglich entweder der Einkommens- oder der Erbschaftssteuer unterworfen werden: diese beiden Steuerarten sind als gleichartig im doppelbesteuerungsrechtlichen Sinn anzusehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.314/2001 vom 23. September 2003, E. 4.2; ADRIAN MUSTER, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, Diss. Bern 1990, S. 51; BGE 99 Ia 232 E. 2 S. 234).
4.2 Im vorliegenden Fall erhob der Kanton Aargau am 20. Januar 1998 die kantonale Erbschaftssteuer (§ 83 ff. des aargauischen

BGE 130 I 205 (211):

Steuergesetzes vom 13. Dezember 1983; StG/AG) auf einem erbsteuerrechtlichen Reinvermögen, in dem u.a. Direktansprüche der Erben aus zwölf Versicherungsleistungen enthalten waren (vgl. Steuerinventar vom 2./14. Juli 1997).
Einen Teil dieser Direktansprüche (Leistungen aus fünf Policen der Versicherungsgesellschaft Y. im Umfang von Fr. 341'671.-, steuerbar im Betrag von Fr. 308'101.-, vgl. lit. C) erfasste auch der Kanton Luzern am 7. Mai 1998 mit seiner Einkommenssteuer nach § 19 Abs. 1 Ziff. 6 bzw. § 19 Abs. 1 Ziff. 7a StG/LU.
Die vorgenommenen Besteuerungen verstossen somit gegen das verfassungsmässige Doppelbesteuerungsverbot. Wie die Abgrenzung vorzunehmen ist, wenn ein beteiligter Kanton für solche Kapitalleistungen (kumulativ) die Besteuerung sowohl mit der Erbschafts- wie auch mit der Einkommenssteuer vorsieht, kann hier offen gelassen werden, weil die Kantone Aargau und Luzern die fraglichen Vermögensanfälle ausschliesslich entweder mit der Erbschafts- oder der Einkommenssteuer, nicht aber mit beiden Steuern zusammen erfassen.
5. Das Bundesgericht hat sich letztmals in BGE 99 Ia 232 mit der doppelbesteuerungsrechtlichen Zuteilung von Vorsorge- bzw. Versicherungsleistungen befasst. Es hat in diesem Urteil ausgeführt, dass "Leistungen aus dem privaten und öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, namentlich Alterskapitalien und Todesfallentschädigungen, (...) als verdient zu betrachten und aus diesem Grund als Ersatzeinkommen oder fortgesetztes Diensteinkommen wie Erwerbseinkommen zu besteuern [sind], ebenso Leistungen aus Personalfürsorge und Personalversicherung". Das Bundesgericht hat diese Leistungen kollisionsrechtlich dem Kanton zugewiesen, der die Einkünfte mit der Einkommenssteuer erfasst, und weiter festgehalten, es sei "eher ungewöhnlich, die genannten Leistungen mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erfassen. (...) Kapitalabfindungen der hier in Frage stehenden Art [fielen] nicht vorerst in die Erbmasse, sondern direkt in das Vermögen der anspruchsberechtigten Erben, so dass sie vom Erbgang unabhängig sind. Anderseits ist es abwegig, die Leistungen als Schenkung zu betrachten" (BGE 99 Ia 232 E. 3 S. 235).
Seit diesem Entscheid im Jahr 1973 ist die berufliche Vorsorge im Rahmen der Dreisäulenkonzeption (neu) gesetzlich geregelt worden. Auch sind inzwischen steuerharmonisierungsrechtliche

BGE 130 I 205 (212):

Bestimmungen erlassen worden, die es den Kantonen nicht mehr frei stellen, Vorsorge- und Versicherungsleistungen wahlweise mit der Einkommens- oder der Erbschaftssteuer zu erfassen.
Es rechtfertigt sich deshalb, die kollisionsrechtliche Zuteilung dieser Leistungen erneut zu überprüfen.
 
Erwägung 7
7.1 Die berufliche Vorsorge wurde - gestützt auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen aus dem Jahr 1972 - gesetzlich mit dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 (BVG) geregelt, das grundsätzlich am 1. Januar 1985 in Kraft trat. Wegen der zweijährigen

BGE 130 I 205 (213):

Veranlagung mit Vergangenheitsbemessung, wie sie damals beim Bund (Art. 41 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer [BdBSt; BS 6, 350; nachfolgend: Bundessteuerbeschluss 1940]) und den meisten Kantonen für die natürlichen Personen zur Anwendung kam, wurden die entsprechenden steuerrechtlichen Bestimmungen (Art. 81 Abs. 2 und 3, Art. 82 und 83 BVG) erst per 1. Januar 1987 in Kraft gesetzt (vgl. Art. 98 BVG).
Im Steuerrecht erfolgte die Anpassung auf Bundesebene, insbesondere die Abzugsfähigkeit von Beiträgen an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und die Besteuerung der entsprechenden Leistungen, durch das Bundesgesetz vom 22. März 1985 zur Anpassung des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer an das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (in Kraft seit 1. Januar 1987; BBl 1985 I 839 ff., publ. in: ASA 53 S. 624 ff.).
7.2 Bis Ende 1986 konnten Beiträge an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge steuerlich nur beschränkt zum Abzug gebracht werden (Art. 22 Abs. 1 lit. g und h BdBSt, in der bis Ende 1986 gültigen Fassung), und die Vorsorgeleistungen wurden je nach Umfang ihrer Finanzierung durch den Vorsorgenehmer zu 60, 80 oder 100 Prozent besteuert (vgl. Art. 21bis Abs. 1 BdBSt; BBl 1984 II 725, S. 729 f.). Die Besteuerung von einmaligen Vorsorgeleistungen erfolgte zusammen mit dem übrigen Einkommen zum sog. Rentensatz, d.h. für diese Leistungen war "die Steuer unter Mitberücksichtigung des sonstigen Einkommens zu dem Satze zu berechnen, der anwendbar wäre, wenn an Stelle der Kapitalabfindung oder Ersatzleistung wiederkehrende Leistungen ausgerichtet würden" (Art. 40 Abs. 2 BdBSt, in der bis Ende 1986 geltenden Fassung).


BGE 130 I 205 (214):

Die Leistungen aus der beruflichen Vorsorge waren grundsätzlich voll als Einkommen zu besteuern (Art. 21bis Abs. 4 BdBSt). Die von 1987 bis Ende 1994 geltende Regelung unterwarf Kapitalleistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Art. 21bis Abs. 4 BdBSt) einer besonderen Jahressteuer. Sozialabzüge wurden nicht gewährt, aber die Steuer weiterhin zum Rentensatz berechnet, d.h. die gesonderte Besteuerung erfolgte zum Satz, der anwendbar wäre, wenn an Stelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde (neue Fassung von Art. 40 Abs. 3 BdBSt; vgl. MASSHARDT, Kommentar, a.a.O., N. 13 zu Art. 40 BdBSt; Kreisschreiben Nr. 1 vom 30. Januar 1986 der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend Bundesgesetz zur Anpassung des BdBSt an das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge, Ziff. IV, publiziert in: ASA 54 S. 501; HEINZ MASSHARDT, Die neue steuerrechtliche Behandlung der beruflichen Vorsorge und der individuellen Selbstvorsorge [Beilage zu: Kommentar zur direkten Bundessteuer], Zürich 1986, S. 21 ff.; GOTTHARD STEINMANN, Die steuerliche Behandlung der drei Säulen im neuen Recht der direkten Bundessteuern im Vergleich zum bisherigen Recht, StR 46/1991 S. 591-604, 597 f.; DANIELLE YERSIN, L'évolution du droit fiscal en matière de prévoyance professionnelle, ASA 62 S. 129-148, 137).
Vorbehalten blieb die Übergangsregelung gemäss Art. 155 BdBSt, wonach Renten und Kapitalabfindungen aus beruflicher Vorsorge, die vor dem 1. Januar 1987 zu laufen begannen oder fällig wurden oder die vor dem 1. Januar 2001 zu laufen begannen oder fällig wurden und auf einem Vorsorgeverhältnis beruhten, das am 31. Dezember 1986 bereits bestanden hatte, in Abstufungen je nach Finanzierung zu 60, 80 oder 100 Prozent besteuert wurden (vgl. Art. 155 Abs. 1 BdBSt).
7.4 Mit der Einführung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14; in Kraft seit 1. Januar 1993; nachfolgend: Steuerharmonisierungsgesetz) und der Ablösung des Bundessteuerbeschlusses 1940 durch das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11; in Kraft seit 1. Januar 1995; nachfolgend: Bundessteuergesetz) wurde die steuerliche Behandlung der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge in der bisherigen Ordnung grundsätzlich weitergeführt (STEINMANN, a.a.O., S. 598; YERSIN, a.a.O., S. 137).

BGE 130 I 205 (215):

Die Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von vertraglichen Ansprüchen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge können vom Einkommen abgezogen werden (Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG; Art. 9 Abs. 2 lit. d StHG), und die Leistungen werden vollständig besteuert (Art. 22 Abs. 1 und 2 DBG; Art. 7 Abs. 1 StHG). Auch die Übergangsregelung von Art. 155 BdBSt wurde ins neue Recht übernommen (vgl. Art. 204 und 205 DBG).
Geändert wurde hingegen namentlich der Steuersatz (vgl. Art. 38 DBG; Art. 11 Abs. 3 StHG): Die Besteuerung zum Rentensatz wurde zu Gunsten einer Vollbesteuerung zu einem Fünftel der ordentlichen Tarife nach Art. 36 DBG aufgegeben (vgl. Art. 17 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 und 2 DBG; STEINMANN, a.a.O., S. 598 ff.; YERSIN, a.a.O., S. 137 f.).
Für die kantonalen Steuern sieht Art. 11 Abs. 3 StHG vor, dass Kapitalleistungen aus Vorsorgeeinrichtungen sowie Zahlungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile für sich allein besteuert werden. Sie unterliegen stets einer vollen Jahressteuer. Harmonisierungsrechtlich bleibt aber die Bestimmung der Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge Sache der Kantone (Art. 1 Abs. 3 StHG).
Demnach werden die gebundene Vorsorgeversicherung bei Versicherungseinrichtungen und die gebundene Vorsorgevereinbarung mit Bankstiftungen als Vorsorgeformen im Sinne von Art. 82 BVG anerkannt (Art. 1 Abs. 1 BVV 3). Bankstiftungen, deren Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der Vorsorge im Sinne der Verordnung dienen, sind für die Steuerpflicht den Vorsorgeeinrichtungen nach Art. 80 BVG gleichgestellt (Art. 6 BVV 3).
Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von vertraglichen Ansprüchen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge im Sinn und im Umfang von Art. 82 BVG sind für Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende, die der AHV-Pflicht unterstehen, seit Beginn der Berechnungsperiode für die Veranlagungsperiode 1987/88,

BGE 130 I 205 (216):

also seit Anfang 1985, steuerlich vom Einkommen abziehbar (Art. 22 Abs. 1 lit. i BdBSt bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG; Art. 9 Abs. 2 lit. e StHG).
Quantitativ wird die Säule 3a in Art. 7 Abs. 1 BVV 3 umschrieben: Steuerpflichtige, die einer Vorsorgeeinrichtung nach Art. 80 BVG angehören, können jährlich bis 8 Prozent des oberen Grenzbetrages nach Art. 8 Abs. 1 BVG abziehen (Art. 7 Abs. 1 lit. a BVV 3; sog. kleine Säule 3a). Für Steuerpflichtige, die keiner solchen Vorsorgeeinrichtung angehören, sind es jährlich bis 20 Prozent des Erwerbseinkommens, jedoch höchstens bis 40 Prozent des oberen Grenzbetrages nach Art. 8 Abs. 1 BVG (Art. 7 Abs. 1 lit. b BVV 3; sog. grosse Säule 3a).
Im Gegenzug zu dieser steuerlichen Beitragsprivilegierung werden die aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge bezogenen Leistungen nach Art. 22 Abs. 1 lit. i BdBSt bzw. Art. 22 Abs. 1 DBG und Art. 7 Abs. 1 StHG vollumfänglich besteuert.
Die Übergangsregelung von Art. 155 BdBSt bzw. Art. 204 und 205 DBG gilt nur für die zweite Säule, nicht aber für die Säule 3a, da diese vor 1985 nicht existierte (vgl. STEINMANN, a.a.O., Ziff. 2.1.2 S. 601).
 
Erwägung 7.6


BGE 130 I 205 (217):

Steuerfrei ist hingegen der Vermögensanfall aus rückkaufsfähiger privater Kapitalversicherung, d.h. die in diesem Fall zur Auszahlung gelangende Versicherungssumme, weil der Gesetzgeber durch einen besonderen Anreiz für den Sparer die private Vorsorge fördern wollte (vgl. Art. 21bis Abs. 3 BdBSt, Art. 24 lit. b DBG, Art. 7 Abs. 4 lit. d StHG; LOCHER, Kommentar, a.a.O., N. 21 zu Art. 24 DBG; PETER AGNER / BEAT JUNG / GOTTHARD STEINMANN, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, N. 3 zu Art. 24 DBG; BGE 107 Ib 315 E. 3a S. 320 und E. 3b S. 321 f.; kritisch: Expertenkommission Steuerlücken, a.a.O., S. 105 ff., insbes. S. 111 ff.). Davon ausgenommen - und damit steuerbar - sind Leistungen aus Freizügigkeitspolicen und privaten Kapitalversicherungen mit Einmalprämie, letztere soweit sie nicht der Vorsorge dienen (vgl. Art. 24 lit. b in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. d in Verbindung mit Abs. 1ter StHG; GLADYS LAFFELY MAILLARD, Les assurances sur la vie, notamment les assurances de capitaux à prime unique, et leur traitement fiscal, ASA 66 S. 593-631, 618 ff.).
Die nicht rückkaufsfähigen privaten Kapitalversicherungen sind - wie unter der Geltung des Bundessteuerbeschlusses 1940 - steuerbar. Allerdings werden sie seit 1995 nicht mehr zum Rentensatz besteuert, sondern, weil es sich durchwegs um Kapitalleistungen aus Todesfall und Invaliditätsversicherungen handelt, nach Art. 38 DBG mit einer gesonderten Jahressteuer zu einem Fünftel der ordentlichen Tarife (vgl. vorne E. 7.4; AGNER/JUNG/STEINMANN, a.a.O., N. 3 zu Art. 24 DBG).
Rückkaufsfähig ist eine Versicherung, wenn der Eintritt des versicherten Ereignisses gewiss ist (Art. 90 Abs. 2 VVG). Bei der (reinen) Risikoversicherung wird der Versicherer überhaupt nicht leistungspflichtig, wenn sich das versicherte Risiko während der Vertragsdauer nicht verwirklicht (ALFRED MAURER, Schweizerisches

BGE 130 I 205 (218):

Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., Bern 1995, S. 434). Es gibt deshalb in der Regel keinen Rückkauf bei Risikoversicherungen, sondern nur bei Versicherungen, die mit einem Sparvorgang verbunden sind und daher ein Deckungskapital ansammeln (MAURER, a.a.O., S. 444).
Die Personenversicherung deckt Gefahren oder Tatbestände ab, die mit Leben und Gesundheit eng zusammenhängen, d.h. Krankheit, Unfall, Invalidität und Tod. Die Personenversicherung umfasst jedoch auch die Vorsorge für das Alter. Innerhalb der Personenversicherung kann zwischen Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Lebensversicherungen unterschieden werden (MAURER, a.a.O., S. 430; KUHN/ MÜLLER-STUDER/ECKERT, a.a.O., S. 110 f.; WEBER, a.a.O., N. 4.47; VIRET, a.a.O., S. 158).
Bei Lebensversicherungen ist der Versicherungsfall regelmässig mit der Dauer des menschlichen Lebens verbunden: der Versicherer verspricht dem Versicherungsnehmer gegen Prämienzahlung, im Todesfall oder bei Erreichen eines bestimmten Alters (Erlebensfall) eine vereinbarte Summe oder eine Rente zu bezahlen. Je nach Art des Versicherungsfalles werden verschiedene Formen unterschieden (vgl. MAURER, a.a.O., S. 434 ff.; KUHN/MÜLLER-STUDER/ ECKERT, a.a.O., S. 112; WEBER, a.a.O., N. 4.49 f.).
In der Todesfallversicherung muss der Versicherer die vereinbarte Leistung erbringen, wenn die Person stirbt (lebenslängliche Vertragsdauer) bzw. vor Ablauf der zum voraus begrenzten Versicherungsdauer stirbt (sog. temporäre Lebensversicherung). Bei lebenslänglicher Vertragsdauer tritt das versicherte Ereignis gewiss ein; die Versicherung ist deshalb rückkaufsfähig (vgl. MAURER, a.a.O., S. 435; VIRET, a.a.O., S. 192; KUHN/MÜLLER-STUDER/ECKERT, a.a.O., S. 214 f.).


BGE 130 I 205 (219):

Bei der Erlebensfallversicherung hat der Versicherer nur zu leisten, wenn der Versicherte einen bestimmten Termin erlebt. Der Vertrag kann als reine Risikoversicherung ausgestaltet sein. Wird jedoch Prämienrückgewähr vereinbart, bezahlt der Versicherer im Falle des vorzeitigen Ablebens des Versicherten die einbezahlten Prämien (ohne Zins, aber mit Überschüssen) zurück. In diesem Fall tritt das versicherte Ereignis sicher ein. Unsicher ist nur der Zeitpunkt. Die Erlebensfallversicherung wird dadurch zu einer rückkaufsfähigen Lebensversicherung gemäss Art. 90 Abs. 2 VVG (Expertenkommission Steuerlücken, a.a.O., S. 95; vgl. MAURER, a.a.O., 435 f.; MORITZ KUHN, in: Honsell/Vogt/Schnyder [Hrsg.], Basler Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag [VVG], Basel/Genf/München 2001, N. 22 zu Art. 73 VVG).
Werden Erlebensfall- und Todesfallversicherung kombiniert, entsteht die so genannte gemischte Versicherung, d.h. der Versicherer hat in jedem Fall eine Leistung zu erbringen, sei es, dass eine Person einen bestimmten Termin erlebt oder vorher stirbt (MAURER, a.a.O., S. 436; KUHN/MÜLLER-STUDER/ECKERT, a.a.O., S. 112, 214 f.). Die Leistungspflicht des Versicherers ist damit gewiss und die gemischte Versicherung rückkaufsfähig (KUHN, a.a.O., N. 21 zu Art. 73 VVG).
Auf der Grundlage der gemischten Versicherung wurden und werden verschiedene weitere Produkte kombiniert und entwickelt (MAURER, a.a.O., S. 436; vgl. die Vielfalt der Produkte bei DANIEL JUNGO/WOLFGANG MAUTE, Lebensversicherungen und Steuern, Muri/ Bern 2003, S. 79 ff. bzw. 105 ff.), deren steuerliche Qualifizierung im Einzelfall zu prüfen ist.
Versicherungsleistungen bestehen teilweise aus durch Prämien einbezahltem Kapital, das zurückerstattet wird. Der

BGE 130 I 205 (220):

Kapitalrückzahlungskomponente wird bei Leibrenten mit der reduzierten Besteuerung der Zahlungen Rechnung getragen (zu 40 % seit dem 1. Januar 2001, vgl. Art. 22 Abs. 3 DBG in der Fassung vom 19. März 1999; LOCHER, Kommentar, a.a.O., N. 52 zu Art. 22 DBG). Bei rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen ist die gesamte Leistung steuerfrei, obwohl nur ein Teil davon auf einer Kapitalrückerstattung beruht.
Auch wenn die Gründe für die unterschiedliche Privilegierung der Einkünfte aus Versicherungen nicht leicht ersichtlich sind (BGE 107 Ib 315 E. 3a S. 320), ja die Gesetzessystematik "in sich unlogisch" sein mag (Expertenkommission Steuerlücken, a.a.O., S. 121), darf die vom Gesetzgeber gewollte, weitergehende Privilegierung der rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine als Ganze rückkaufsfähige Versicherungspolice in ihre rückkaufsfähigen und nicht rückkaufsfähigen Einzelteile zerlegt und dann entsprechend besteuert wird. Vorbehalten bleibt die Prüfung einer Steuerumgehung (vgl. ASA 62 S. 705, 2A.361/1991 [i.S. Skandia Leben AG], E. 8e).
Begünstigt der Erblasser durch eine Lebensversicherung auf seinen eigenen Tod einen Dritten, ist der Rückkaufswert der Versicherung und nicht die tatsächlich ausbezahlte Summe zur Berechnungsmasse hinzuzuzählen (vgl. Art. 476 und 529 ZGB). Gesetzlich geregelt

BGE 130 I 205 (221):

ist nur die erbrechtliche Behandlung der reinen Todesfallversicherung. Ein Grundsatz, ob und in welchem Umfang Leistungen aus Lebensversicherungen an Dritte im Allgemeinen zum Nachlass hinzuzuzählen sind, fehlt im Gesetz, und die Frage ist in der Literatur umstritten (vgl. die Hinweise in BGE 129 III 305 E. 2.2 S. 307 f.; DANIEL STAEHELIN, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, N. 1 und 23 ff. zu Art. 476 ZGB).
Die Frage, ob eine Begünstigung vorliegt, ist zivilrechtlich von Bedeutung für die Beurteilung, ob ein Anspruch in den Nachlass fällt (vgl. STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 476 ZGB). Nicht zum Nachlass hinzuzuzählen sind zivilrechtliche Versicherungsansprüche, welche begünstigte Erben oder Dritte durch den Tod des Erblassers erwerben. Die Begünstigten erwerben mit dem Tod des Erblassers ein eigenes Forderungsrecht gegen den Versicherer. Die Begünstigung bewirkt, dass der Versicherungsanspruch beim Tod des Versicherungsnehmers nicht in dessen Nachlass fällt (STAEHELIN, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 476 ZGB).
 
Erwägung 9


BGE 130 I 205 (222):

9.3 Bei der kollisionsrechtlichen Zuteilung der Leistungen aus Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungen ist zu berücksichtigen, dass sich das Verständnis und die Ausgestaltung der Vorsorge seit dem Entscheid BGE 99 Ia 232 geändert haben. War die Vorsorge damals zu einem grossen Teil der privaten Initiative überlassen, wird sie heute grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Einkommenserwerb gebildet. Sie hat sich wesentlich aus dem privaten, steuerlich nicht abzugsberechtigten Bereich hin zur beruflichen und steuerlich privilegierten (Selbst-)Vorsorge entwickelt. Die Beiträge an diese Vorsorgeformen können seit der Einführung des BVG steuerlich vom Einkommen abgezogen werden, und die Leistungen sind entsprechend bei der Auszahlung als Einkommen steuerbar. Demgegenüber sind die Einzahlungen an rückkaufsfähige private Kapitalversicherungen faktisch (fast) nicht abzugsfähig (vgl. E. 7.6.1), die Kapitalauszahlungen im Gegenzug aber von der Einkommenssteuer befreit (Art. 24 lit. b DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. d StHG).
9.4 Ausgehend vom genannten Grundsatz der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Steuerbarkeit der Leistungen ist die Zuteilung der Besteuerungskompetenz an die Kantone danach vorzunehmen, wie die Leistungen beim Empfänger - unabhängig davon, ob das der Versicherungsnehmer, der Versicherte oder ein begünstigter Dritter ist - nach den Steuererlassen des Bundes erfasst werden: Die als Einkommen steuerbaren Leistungen sind im Wohnsitzkanton des Leistungsempfängers steuerbar, die von der Einkommenssteuer befreiten Leistungen (Art. 24 lit. b DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. d StHG) werden dem Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers zur Besteuerung zugewiesen. Damit kann auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) Rechnung getragen werden, der bei der rein zivilrechtlichen Bestimmung des Nachlasses keine Rolle spielt.
Hingegen ist bei rückkaufsfähigen privaten Kapitalversicherungen, die von der Einkommenssteuer befreit sind (Art. 24 DBG; Art. 7 Abs. 4 StHG), doppelbesteuerungsrechtlich nicht massgebend, ob

BGE 130 I 205 (223):

sie mit einer Begünstigungsklausel versehen sind. Diese Leistungen sind kollisionsrechtlich immer dem Nachlass zuzurechnen und dementsprechend dem Kanton am letzten Wohnsitz des Erblassers zur Besteuerung zuzuweisen.
9.6 Mit den interkantonalen Zuteilungsregeln verbunden ist auch die Frage der Schuldenverlegung: Die Nachlassschulden werden proportional zu den beweglichen und den unbeweglichen Nachlassaktiven verlegt (KURT LOCHER/PETER LOCHER, Die Praxis der Bundessteuern, III. Teil, Interkantonale Doppelbesteuerung, § 9 I B Nr. 5; PETER LOCHER, Einführung in das interkantonale Steuerrecht, 2. Aufl., Bern 2003, S. 141; HÖHN/MÄUSLI, Interkantonales Steuerrecht, 4. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2000, § 24 N. 3 ff.; MAUTE/ STEINER/RUFENER, a.a.O., S. 290). Nach Auffassungen in der Lehre sollen nur Versicherungsansprüche, die zum Nachlassvermögen gehören, an der Passivenverteilung teilnehmen und die Direktansprüche Dritter davon ausgeschlossen bleiben (LOCHER, Einführung, a.a.O., S. 142; HÖHN/MÄUSLI, a.a.O., § 24 N. 5).
Beim Nachlassvermögen handelt es sich im vorliegenden Zusammenhang um einen Begriff des kantonalen Rechts: Jeder Kanton kann für sein Erbschaftssteuerrecht den Nachlass selbständig definieren und dabei insbesondere frei bestimmen, ob auf den Tod des Erblassers gestellte private Kapitalversicherungen dazu gehören.
Wegen den kantonal verschiedenen Definitionen kann das Kollisionsrecht nicht auf diese unterschiedlichen Bestimmungen des Nachlassvermögens abstellen, sondern hat selbst festzulegen, welche Aktiven doppelbesteuerungsrechtlich dem steuerlichen Nachlass zuzurechnen sind.
Soweit Vorsorge- und Versicherungsleistungen mit der Einkommenssteuer erfasst werden, fallen sie für die Schuldenverlegung im Verhältnis der Nachlassaktiven ausser Betracht. Die von der Einkommenssteuer befreiten Versicherungsleistungen stehen hingegen den Kantonen zur Besteuerung mit der Erbschaftssteuer offen. Doppelbesteuerungsrechtlich werden sie deshalb dem Kanton, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, zur Besteuerung zugewiesen. Soweit ein Kanton damit die Möglichkeit erhält, diese Versicherungsleistungen zu besteuern, ist es folgerichtig, ihn auch anteilmässig an den Schulden partizipieren zu lassen. Ob der Kanton von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht oder Versicherungsleistungen erbschaftssteuerfrei lässt, ist dabei unerheblich.

BGE 130 I 205 (224):

Massgebend ist, dass der Kanton, der das Besteuerungsrecht erhält, auch die entsprechenden Lasten (Schuldanteile) trägt. Macht ein Kanton von seinem Besteuerungsrecht der Versicherungsleistungen keinen Gebrauch, ist hinzunehmen, dass der Steuerpflichtige allenfalls nicht sämtliche diesem Kanton zugewiesenen Schulden von dem dort steuerbaren Nachlass abziehen kann (sog. unechter Ausscheidungsverlust).
Die von der Einkommenssteuer befreiten Versicherungsleistungen sind demnach doppelbesteuerungsrechtlich dem steuerlichen Nachlass im Kanton, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, als Aktiven zuzurechnen und die Schulden proportional dazu zu verlegen.
Ob der Erblasser bei der Äufnung der Versicherung zu hohe Abzüge erwirkte, wie dies die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, ändert nichts an der Qualifizierung der Leistungen als Einkommen. Das kann zwar für die Steuerberechnung - Gewährung oder Ausschluss des Privilegs nach Art. 38 DBG - eine Rolle spielen, ist aber doppelbesteuerungsrechtlich nicht massgebend und hier auch nicht zu prüfen.
Als reine Risikoversicherungen unterliegen die Versicherungssummen von Fr. 58'245.- bzw. Fr. 64'174.- sowie der Bonus von Fr. 13'481.50 bei den Begünstigten der Einkommenssteuer. Das Besteuerungsrecht für den Anteil der Beschwerdeführerin aus den Risikopolicen 4... und 3... ist deshalb dem Kanton Luzern zuzuweisen.
 
Erwägung 11
Bei der Zusatzpolice 5... handelt es sich um eine rückkaufsfähige private Kapitalversicherung, die von der Einkommenssteuer befreit und kollisionsrechtlich dem Kanton Aargau, wo der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, zur Besteuerung mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer zuzuweisen ist.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb teilweise dahin gutzuheissen, dass das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 3. Dezember 2001 sowie die Veranlagung der

BGE 130 I 205 (226):

Erbschaftssteuer des Steueramtes des Kantons Aargau vom 20. Januar 1998 aufzuheben und die Versicherungsleistungen den beteiligten Kantonen gemäss den oben stehenden Ausführungen zur Besteuerung zuzuweisen sind.