BVerfGE 39, 128 - Soldatenentlassung
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 22. Januar 1975
– 2 BvL 51/71 und 10, 14/73 –
in den verbundenen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 4 Satz 1 des Soldatengesetzes in der Fassung des Sechsten Änderungsgesetzes vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 56) – a) Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 3. November 1971 – III A 389/70 –, b) Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 17. Mai 1973 – III A 227/72 –, c) Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts München vom 28. Juni 1973 – XII – 4248/69.
 
Entscheidungsformel:
§ 46 Absatz 4 Satz 1 des Soldatengesetzes in der Fassung von Artikel 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes vom 10. Januar 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 56) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
Gründe:
 
A. – I.
1. Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 114) – im folgenden: SG (Fassung 1956) = SG (F. 1956) – konnte ein Berufssoldat jederzeit seine Entlassung verlangen. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes vom 20. März 1960 (BGBl. I S. 206) – 3. ÄndGSG – erhielt § 46 Abs. 3 Satz 1 SG folgende, noch heute geltende Fassung:
    Der Berufssoldat kann jederzeit seine Entlassung verlangen, der Berufsoffizier bis zum Ende des sechsten Dienstjahres als Offizier jedoch nur, wenn das Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde.
Berufssoldat ist, wer sich freiwillig verpflichtet hat, auf Lebenszeit Wehrdienst zu leisten (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SG).
2. a) Für den Fall der Entlassung auf eigenen Antrag bestimmte § 46 Abs. 4 SG (F. 1956):
    Ein Berufssoldat, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf eigenen Antrag vor Beendigung einer Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung entlassen wird, muß die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung ersetzen.
Durch Artikel 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 56) – 6. ÄndGSG – erhielt § 46 Abs. 4 SG folgende Fassung (F. 1968):
    Ein Berufssoldat, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunder war und der auf eigenen Antrag vor Beendigung einer Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung entlassen wird, muß die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten. Auf die Erstattung der Kosten kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde.
§ 46 Abs. 4 SG (F. 1968) trat aufgrund von Artikel 2 des 6. ÄndGSG am 14. Januar 1968 in Kraft.
b) In der Begründung des Entwurfes des 6. ÄndGSG (BTDrucks. V/1713) wurde u. a. dargelegt: Die Regelung von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) habe nicht verhindern können, daß allein im Jahre 1966 14 Jet-Piloten, deren dreijährige Spezialausbildung rund 25 Millionen DM gekostet habe, zu Fluggesellschaften abgewandert seien. Schon dieser der Zahl nach geringe Abgang an qualifiziertem fliegerischem Personal vermindere die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe. Wegen des steigenden Personalbedarfs der Fluggesellschaften sei mit einer noch zunehmenden Abwanderung zu rechnen. Auch auf anderen Spezialgebieten führe das vorzeitige Ausscheiden der Soldaten zu einer spürbaren Verschärfung der ohnehin angespannten Personallage der Bundeswehr. Der hohen Bezahlung in der freien Wirtschaft könne die Bundeswehr nichts Gleichwertiges entgegensetzen.
Im Schriftlichen Bericht des Verteidigungsausschusses zum 6. ÄndGSG (BTDrucks. V/2214) wurde ausgeführt:
Der Verteidigungsausschuß habe im Einvernehmen mit dem Innenausschuß dem Regierungsentwurf zugestimmt. Dafür sei einmal maßgebend gewesen, daß die Haushaltslage eine sparsame Verwendung der Haushaltsmittel auch bei den Kosten der militärischen Ausbildung erfordere. Ferner sei zu vermeiden, daß die Personallage und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine in ihrer Tendenz steigende Zahl von abwandernden Fachkräften weiter beeinträchtigt werde. Die Bestimmung solle also in erster Linie vorbeugend die Abwanderung solcher Kräfte verhindern und erst in zweiter Linie die Rückforderung der Ausbildungskosten ermöglichen.
II.
1. a) Der am 14. Januar 1936 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 51/71, K ..., war vom 1. Oktober 1958 bis zum 31. Juli 1970 Soldat der Bundeswehr, seit dem 1. Oktober 1960 als Berufsoffizier. Während der Zeit vom 1. Oktober 1959 bis zum 31. Oktober 1962 besuchte er die Höhere Technische Schule der Luftwaffe in Neubiberg. Am 27. Oktober 1962 bestand er die Ingenieurprüfung in der Fachrichtung Fernmelde-, Funk- und Radartechnik. Ihm wurde die Berechtigung verliehen, die Bezeichnung "Ingenieur (grad.)" zu führen. Auf seine Anträge vom 27. Mai 1970 und 26. Juni 1970 wurde er mit Wirkung vom 31. Juli 1970 aus der Bundeswehr entlassen.
Eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung im Sinn von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) hatte er bereits am 30. November 1965 abgeleistet (3 Jahre und 1 Monat), also vor Inkrafttreten von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968). Eine Dienstzeit von dreifacher Dauer im Sinn von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) wäre erst am 31. Januar 1972 vollendet worden.
Durch Festsetzungsbescheid vom 15. Oktober 1970 setzte der Bundesminister der Verteidigung aufgrund von § 46 Abs. 4 SG (F. 1968) die vom Kläger zu erstattenden Kosten des Ingenieurstudiums auf 9001.- DM fest und führte zur Begründung aus: Die Gesamtkosten für das Studium des Klägers beliefen sich aufgrund einer Kostenermittlung auf 57 877.- DM. Darin seien auf den Kläger anteilig umgelegte allgemeine Ausbildungskosten in Höhe von 56 076. DM und persönliche Nebenausgaben in Höhe von 1 801.- DM enthalten. Da dieser Betrag die Kosten übersteige, die ein Angehöriger der Bundeswehr erstatten müsse, der unter Gewährung einer Studienbeihilfe an einer Ingenieurschule außerhalb der Bundeswehr ausgebildet worden sei, erscheine es gerechtfertigt, auch vom Kläger nur einen Betrag in Höhe der Studienbeihilfen für Nachwuchskräfte der Bundeswehr und der ihm persönlich gewährten Sonderleistungen zurückzufordern. Das seien insgesamt 9 001.- DM.
Gegen diesen ihm am 20. Oktober 1970 zugestellten Festsetzungsbescheid hat der Kläger am 20. November 1970 Klage zum Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe sich an der Schule in Neubiberg unter der Voraussetzung ausbilden lassen, daß er nach einer Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums jederzeit seine Entlassung begehren könne, ohne zur Erstattung von Ausbildungskosten verpflichtet zu sein. Diese Voraussetzung erfülle er seit dem 30. November 1965. Bereits damals sei seine – potentielle – Verpflichtung zur Erstattung von Ausbildungskosten nach § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) erloschen. Diese Rechtsposition könne ihm durch § 46 Abs. 4 SG (F. 1968) nicht rückwirkend entzogen werden.
Die Bundesrepublik Deutschland – Bundesminister der Verteidigung – tritt der Klage entgegen.
b) Durch Beschluß vom 3. November 1971 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
ob § 46 Abs. 4 SG i.d.F. des 6. ÄndGSG vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 56) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift auch Berufssoldaten erfaßt, die bei Inkrafttreten des 6. ÄndGSG bereits nach dem Studium eine Dienstzeit von gleicher Dauer abgeleistet hatten. Das Verwaltungsgericht Oldenburg begründet die Vorlage wie folgt: Der Rechtsstreit sei entscheidungsreif. Wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) auch für diejenigen Berufssoldaten gelte, die bei Inkrafttreten des 6. ÄndGSG bereits eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums abgeleistet hatten, müsse die Klage abgewiesen werden, andernfalls sei ihr stattzugeben.
In die Berechnung der Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die des Studiums im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) könne die vor dem Studium abgeleistete Dienstzeit nicht eingerechnet werden, da der Sinn von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) eine durch die Ausbildung qualifizierte Dienstzeit erfordere. Auch die während des Studiums abgeleistete Dienstzeit könne nicht angerechnet werden. § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) verdreifache die nach § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) ursprünglich erforderliche Dienstzeit von einfacher Dauer. § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) wäre keine sinnvolle Vorschrift gewesen, wenn auf die Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums die während des Studiums zurückgelegte Dienstzeit angerechnet worden wäre. Daran habe durch § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) nichts geändert werden sollen.
Mit der Härteklausel von § 46 Abs. 4 Satz 2 SG (F. 1968) (= Satz 3 Fassung – F. 1970) könne dem Kläger nicht geholfen werden. Die Härteklausel sei dazu bestimmt, besondere, d. h. individuelle Härten auszugleichen, z.B. wenn im Einzelfall die Erstattung die wirtschaftliche Existenz des entlassenen Soldaten gefährde oder wenn es unverhältnismäßig wäre, die gesamten Kosten der Ausbildung zurückzufordern, weil die Dienstzeit von dreifacher Dauer bei der Entlassung kurz vor ihrer Vollendung stehe. Solche Gründe, insbesondere eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz, habe der Kläger nicht vorgetragen. § 46 Abs. 4 Satz 2 SG (F. 1968) sei aber keine Rechtsgrundlage dafür, die gesamte Gruppe der von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) rückwirkend betroffenen Berufssoldaten unterschiedslos und ganz von der Erstattung freizustellen, weil es insofern an einer besonderen Härte im Sinn des Gesetzes fehle.
§ 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) verletze infolge unzulässiger Rückwirkung das Rechtsstaatsprinzip insoweit, als die Vorschrift Geltung auch für diejenigen entlassenen Berufssoldaten beanspruche, die noch unter der Geltung von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums abgeleistet hätten. Der Kläger habe, als er in die Bundeswehr eingetreten sei, als er Berufssoldat geworden sei, als er die Ausbildung begonnen habe und als er sie abgeschlossen habe, damit rechnen können, daß er zu einer Erstattung nicht herangezogen werden dürfe, wenn er eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums ableiste. Nach Vollendung dieser Dienstzeit habe er darauf vertrauen dürfen, daß eine etwaige künftige Entlassung finanzielle Folgen wegen der erhaltenen Fachausbildung nicht mehr mit sich bringen werde. Es verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn der Kläger jetzt einer anderen Behandlung unterworfen werde.
Es könne offenbleiben, ob eine echte oder unechte Rückwirkung vorliege. Wenn man nur eine unechte Rückwirkung annehme, weil der Erstattungstatbestand nicht schon mit Vollendung der Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums am 30. November 1965, sondern erst mit der nach Inkrafttreten von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) am 14. Januar 1968 ausgesprochenen Entlassung zum 31. Juli 1970 vollendet werde, müsse das öffentliche Interesse an der Rückwirkung gegen das private Interesse des Bürgers an der Fortgeltung des bisherigen Rechtszustandes und sein Vertrauen darauf gegeneinander abgewogen werden. Das öffentliche Interesse an der Rückwirkung sei nicht nur fiskalischer Natur. Der Gesetzgeber habe mit der Verschärfung der Bestimmungen über die Erstattungspflicht erreichen wollen, daß Berufssoldaten, die auf Kosten der Allgemeinheit in den Genuß einer qualifizierten Ausbildung gekommen seien, der Bundeswehr für einen längeren Zeitraum als bisher zur Verfügung stünden. Dieses Interesse der Allgemeinheit, der Bundeswehr qualifizierte Kräfte zu erhalten, sei anzuerkennen. Ihm werde jedoch weithin auch dann entsprochen, wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) nur für künftige Fälle gelte. Demgegenüber sei das Interesse des Klägers, von einer nicht mehr zu erwartenden Erstattungspflicht verschont zu bleiben, sehr gewichtig und schutzwürdiger als das öffentliche Interesse daran, auch den durch Rückwirkung betroffenen Personenkreis mittelbar zu einer längeren Dienstzeit anzuhalten.
Ein Ausschluß der unzulässigen Rückwirkung durch verfassungskonforme Auslegung von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) sei nicht möglich. Die Vorschrift beanspruche nach ihrem eindeutigen Wortlaut Geltung für jeden Berufssoldaten, der nach ihrem Inkrafttreten "entlassen wird".
2. a) Der 1940 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 10/73, E..., war vom 1. April 1960 bis zum 31. Oktober 1970 Soldat der Bundeswehr, zuletzt Berufssoldat im Rang eines Kapitänleutnants. Auf seinen Antrag wurde er zum 31. Oktober 1970 aus der Bundeswehr entlassen. Während seiner Dienstzeit wurde er in mehreren Lehrgängen zum Flugzeugführer ausgebildet. Diese Fachausbildung dauerte insgesamt 1 Jahr 11 Monate und 5 Tage. Sie war am 19. August 1965 beendet. Eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die der Fachausbildung im Sinn von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1956) vollendete er am 25. Juli 1967. Eine Dienstzeit von dreifacher Dauer im Sinn von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) hätte er erst am 4. Juni 1971 abgeleistet gehabt. Nach der Entlassung trat der Kläger als Fluglehrer in den Dienst der Deutschen Lufthansa. Nach seinen Angaben soll er dort später als Linienflugzeugführer verwendet werden.
Nach einer Kostenermittlung des Bundesministers der Verteidigung hat die Fachausbildung des Klägers zum Flugzeugführer 283 091.– DM zuzüglich 98.– DM persönlicher Nebenkosten gekostet. Durch Leistungsbescheid vom 30. März 1972 – zugestellt am 3. Mai 1972 – forderte der Bundesminister der Verteidigung den Kläger aufgrund von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) zunächst auf, 90 486.– DM zu erstatten. Nachdem der Kläger hiergegen am 30. Mai 1972 Klage zum Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben hatte, ermäßigte er den Erstattungsbetrag durch Änderungsbescheid vom 27. Juli 1972 auf 34650.– DM. Zur Begründung führte er aus: Der Kläger habe 89,8 Prozent der erforderlichen Dienstzeit von dreifacher Dauer der Fachausbildung abgeleistet. Unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der abgeleisteten Dienstzeit werde gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 SG (F. 1968) (= Satz 3 F. 1970) auf eine Erstattung von 87,76 Prozent der Ausbildungskosten verzichtet, so daß er den Betrag von 34 650.– DM zu erstatten habe. Die Klage richtet sich jetzt gegen diesen Änderungsbescheid. Der Kläger bestreitet jegliche Erstattungspflicht nach Grund und Höhe. Er macht insbesondere geltend, daß § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) auf ihn nicht rückwirkend angewendet werden dürfe.
b) Durch Beschluß vom 17. Mai 1973 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
ob § 46 Abs. 4 SG i.d.F. des 6. ÄndGSG vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 56) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift auch Berufssoldaten erfaßt, die bei Inkrafttreten des 6. ÄndGSG bereits nach dem Studium eine Dienstzeit von gleicher Dauer abgeleistet hatten. Das Verwaltungsgericht legt dar, daß die Klage – vorbehaltlich der Nachprüfung einiger bestrittener Einzelpositionen der Ausbildungskosten im weiteren Verfahren – im wesentlichen unbegründet ist, wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) anzuwenden ist, daß ihr dagegen stattgegeben werden muß, wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) unzulässig zurückwirkt und deshalb insoweit nichtig ist. Dabei hält es an der von ihm im Vorlagebeschluß vom 3. November 1971 (2 BvL 51/71) begründeten Auffassung fest, daß § 46 Abs. 1 Satz 1 SG (F. 1968) unzulässig zurückwirkt und insoweit nichtig ist.
3. a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 14/73, T..., war vom 1. April 1959 bis zum 31. Oktober 1968 Soldat der Bundeswehr. Mit Urkunde vom 13. März 1961 wurde er zum Berufssoldaten ernannt und gleichzeitig zum Leutnant befördert. Sein letzter militärischer Dienstgrad war Hauptmann. Während des Wehrdienstes nahm er sechs Semester lang an höheren technischen Lehrgängen der Pionierschule München teil und absolvierte ein Praktikum beim Straßenbauamt München. Am 26. März 1956 bestand er an der Pionierschule München die Ingenieurprüfung im Fach Ingenieurbau. Insgesamt dauerte die Fachausbildung 2 Jahre 9 Monate und 13 Tage. Sie war am 31. März 1965 beendet. Eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die der Fachausbildung im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1956) hatte der Kläger am 13. Januar 1968 abgeleistet. Auf seinen Antrag vom 31. Juli 1968 wurde er am 31. Oktober 1968 aus der Bundeswehr entlassen. Eine Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die Fachausbildung hätte er erst am 9. August 1973 vollendet. Nach der Entlassung aus der Bundeswehr wandte sich der Kläger dem Studium der Wirtschaftswissenschaft zu.
Durch Festsetzungsbescheid vom 4. Dezember 1968 setzte der Bundesminister der Verteidigung die vom Kläger zu erstattenden Kosten der Fachausbildung auf 49 864.– DM fest. Auf den Widerspruch des Klägers ermäßigte er den Erstattungsbetrag durch Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1969 auf 13 968.– DM. Zur Begründung führte er aus: Obwohl der Bundeswehr durch die Fachausbildung tatsächlich Kosten in Höhe von 49 864.– DM entstanden seien, solle der Kläger nur noch in Höhe eines Teilbetrages von 13 968.– DM in Anspruch genommen werden. Diesen Betrag hätte der Kläger an Lebensunterhalt und Studienkosten mindestens aufwenden müssen, wenn er die Fachausbildung zum Ingenieur außerhalb der Bundeswehr mit eigenen Mitteln oder mit Studienbeihilfen der Bundeswehr finanziert hätte. Mit der schon vor Erlaß des Widerspruchsbescheids am 13. Dezember 1969 zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage wendet sich der Kläger nunmehr gegen den Widerspruchsbescheid. Er bestreitet jegliche Erstattungspflicht und macht geltend, daß § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) unzulässig zurückwirke, wenn zur Vermeidung einer Erstattungspflicht eine Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die der Fachausbildung auch von denjenigen Berufssoldaten gefordert werde, die den Anforderungen von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) bereits genügt hätten. Das verletze auch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.
Die Bundesrepublik Deutschland – Bundesminister der Verteidigung – tritt der Klage entgegen.
b) Durch Beschluß vom 28. Juni 1973 hat das Verwaltungsgericht München das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
ob § 46 Abs. 4 SG i.d.F. des 6. ÄndGSG vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 56) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift auch Berufssoldaten erfaßt, die bei Inkrafttreten des 6. ÄndGSG bereits nach dem Studium eine Dienstzeit von gleicher Dauer abgeleistet hatten. Das Verwaltungsgericht legt dar, daß der Klage stattgegeben werden muß, wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) unzulässig zurückwirkt und deshalb – soweit der Kläger davon betroffen wird – nichtig ist, daß die Klage aber andernfalls abgewiesen werden muß. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts handelt es sich um eine unechte Rückwirkung. Des näheren führt das Verwaltungsgericht aus: § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) regle die Rechtsfolgen der Entlassung eines Berufssoldaten. Da das Gesetz nur solche Soldaten betreffe, die nach seinem Inkrafttreten entlassen würden, liege keine echte, sondern nur eine unechte Rückwirkung vor. § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) entwerte nachträglich die Rechtsstellung der betroffenen Soldaten, weil diese in erheblich größerem Umfang als bisher mit einer möglichen Erstattungspflicht belastet würden. Bei der Abwägung des Vertrauens auf den Fortbestand der bisherigen Regelung mit den Belangen der Allgemeinheit ergebe sich folgendes: Das öffentliche Interesse sei nicht nur fiskalischer Natur. Der Gesetzgeber habe mit der Verschärfung der Bestimmungen über die Kostenerstattungspflicht vor allem erreichen wollen, daß Berufssoldaten, die auf Kosten der Allgemeinheit in den Genuß einer qualifizierenden Ausbildung gekommen seien, der Bundeswehr für einen längeren Zeitraum als bisher zur Verfügung stünden. Dieses Interesse der Allgemeinheit sei anzuerkennen. Ihm könne auch dann weitgehend entsprochen werden, wenn der Kreis der Berufssoldaten, die vor dem Inkrafttreten von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) ihre Fachausbildung abgeschlossen hatten, von der Geltung der Neuregelung ausgenommen würde. Auf der anderen Seite sei das Vertrauen darauf, daß die Dauer der Dienstzeit, mit der sich der Berufssoldat eine von der Bundeswehr finanzierte Ausbildung "erkaufen" müsse, nicht verlängert werde, besonders schutzwürdig. Das Interesse des Klägers, sich nicht plötzlich einem nicht voraussehbarem, umfangreichen Erstattungsanspruch ausgesetzt zu sehen, sei sehr erheblich und nach Auffassung des vorlegenden Gerichts schutzwürdiger als das Gesamtinteresse daran, den Kläger für eine Dienstzeit von dreifacher Dauer der Bundeswehr zu erhalten. Dagegen vermöge das Verwaltungsgericht in § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu erblicken.
III.
1. Für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Verteidigung folgendes ausgeführt:
§ 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die in § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) normierte Kostenerstattungspflicht sei schon in der Urfassung des Soldatengesetzes vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 114) statuiert worden und stelle somit einen Grundsatz des Soldatenrechts dar. Die Rechtfertigung für diese Regelung müsse darin gesehen werden, daß Berufssoldaten sich zum Dienst auf Lebenszeit in der Bundeswehr verpflichtet hätten. Bei allen Planungen hinsichtlich des dienstlichen Werdegangs eines Berufssoldaten könne daher sein Dienstherr davon ausgehen, daß ihm der Soldat entsprechend seiner Verpflichtung auf Lebenszeit zur Verfügung stehe. Es sei deshalb gerechtfertigt, an ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst besondere Bedingungen zu knüpfen.
Anlaß für die in § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) hinsichtlich der Dienstzeitvoraussetzung getroffene Neuregelung seien die Schwierigkeiten gewesen, die sich für die Bundeswehr aus Abwerbung von fliegendem Personal ergeben hätten. Auch seien die Kosten für qualifizierte Ausbildungsgänge immer weiter angewachsen. Allein im Jahre 1966 hätten 14 Jet-Piloten, deren dreijährige Spezialausbildung rund 25 Millionen DM gekostet hatte, ihre Entlassung aus der Bundeswehr beantragt, in vielen Fällen unmittelbar nach Ableistung der in § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) vorgeschriebenen Mindestdienstzeit. Wegen des damals steigenden Personalbedarfs besonders der Fluggesellschaften und der allgemein attraktiveren Bezahlung in der freien Wirtschaft sei mit weiter zunehmenden Abwanderungen gerechnet worden. Die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sei dadurch erheblich gefährdet gewesen. Die mit der Gesetzesänderung angestrebte Verbesserung der angespannten Personalsituation wäre von zweifelhaftem Erfolg gewesen, wenn die bereits ausgebildeten Berufssoldaten von der Neuregelung nicht erfaßt worden wären. Die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte verlange, daß stets eine ausreichende Zahl ausgebildeter und besonders erfahrener Berufssoldaten zur Verfügung stehe.
Demgegenüber sei eine Verletzung des Vertrauensschutzes nicht erkennbar. Die Betroffenen könnten allenfalls in ihrer Erwartung enttäuscht sein, während der Dienstzeit ein Studium oder eine Fachausbildung auf Kosten des Steuerzahlers zu erhalten und die so erworbenen Kenntnisse und Berechtigungen nach kurzer Zeit in einer Tätigkeit außerhalb der Bundeswehr verwerten zu können. Ein solches Vertrauen sei auch nach Erfüllung der Wartefrist nur bedingt schutzwürdig. Es müsse hinter dem Gesamtinteresse an der Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft zurückstehen. Die Neuregelung entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie weniger einschneidend wirke als eine denkbare generelle Entlassungssperre. Wenn im Einzelfall vorrangig schutzwürdige Belange des Soldaten geltend gemacht würden, könne ihnen durch Anwendung der mit der Neuregelung in das Gesetz aufgenommenen Härteklausel von § 46 Abs. 4 Satz 2 SG (F. 1968) (= Satz 3 F. 1970) Rechnung getragen werden.
2. Der im Ausgangsverfahren zu 2 BvL 51/71 beteiligte Kläger K... tragt vor: Für ihn würde die Anwendung von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) eine echte Rückwirkung darstellen, weil er die Dienstzeit von gleicher Dauer wie das Studium im Sinn von § 46 Abs. 4 (F. 1956) bereits vor Inkrafttreten von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) am 14. Januar 1968 vollständig abgeleistet gehabt habe. Damit sei die Verpflichtung zur Ableistung einer Mindestdienstzeit erfüllt gewesen und könne nicht nachträglich unter erschwerten Voraussetzungen Wiederaufleben.
 
B. – I.
Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Vorlagen des Verwaltungsgerichts Oldenburg und des Verwaltungsgerichts München sind zulässig. Die vorlegenden Gerichte haben dargelegt, daß die zu ihnen erhobenen Klagen abgewiesen werden müssen, wenn § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) anzuwenden ist, daß die Klagen dagegen begründet sind, wenn für die Kläger noch § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) gilt. Vertretbar ist insbesondere ihre auch vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 29. Mai 1973 – II C 6.72 – BVerwGE 42, 233 [234 ff.]) gebilligte Rechtsauffassung, daß die geforderte Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung erst nach Vollendung der Ausbildung abgeleistet werden kann, die frühere Dienstzeit und die Zeit der Fachausbildung oder des Studiums also nicht anzurechnen ist.
II.
§ 46 Abs. 4 Satz 1 SG in der Fassung von Art. 1 des 6. ÄndGSG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) verletzt nicht das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht, einen gewählten Beruf frei zu beenden (BVerfGE 7, 377 [401]; 9, 338 [344]; 17, 269 [276]; 21, 173 [183]). Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG stellt denjenigen, der seinen Beruf wechselt, nicht von der Erfüllung der Pflichten frei, die durch die Beendigung des bisherigen beruflichen Rechtsverhältnisses aufgrund eines verfassungsmäßigen Gesetzes entstehen und seiner geordneten Abwicklung dienen. Ein solches Gesetz ist § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968). Die Vorschrift gehört zum Dienstrecht der Berufssoldaten (Art. 33 Abs. 5, 73 Nr. 8, 87a Abs. 1 Satz 1 GG). Sie statuiert und regelt besondere Pflichten eines auf eigenen Antrag vorzeitig entlassenen Berufssoldaten. Da das Berufssoldatenverhältnis auf Lebenszeit angelegt ist, kann der Dienstherr, der einem Berufssoldaten im dienstlichen Interesse eine für ihn mit hohen Kosten verbundene Fachausbildung oder ein Studium gewährt, grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm der Berufssoldat die erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten auf Dauer zur Verfügung stellen wird. Wenn der Berufssoldat später von dem Recht, die Entlassung zu begehren, Gebrauch macht, stellen für ihn die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und -fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung zum Teil vergeblich aufgewandt hat. Diese Lage fordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber nach seinem Ermessen in § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) durch die Normierung eines zeitlich begrenzten Erstattungsanspruchs verwirklicht hat. Die Vorschrift berücksichtigt die Belange des Dienstherrn und des entlassenen Soldaten in einem ausgewogenen Verhältnis. Sie wahrt auch dem auf Kosten des Dienstherrn ausgebildeten Berufssoldaten das Recht, unter den Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Satz 1 SG (F. 1960) die Entlassung begehren zu können, verfügt also keine zeitweise Entlassungssperre. Sie verpflichtet ihn dafür aber zur Erstattung der Ausbildungskosten, wenn er nach der Ausbildung eine Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung noch nicht abgeleistet hat. Die Erstattungspflicht wirkt sich lediglich faktisch als eine wirtschaftliche Einengung der Möglichkeit aus, jederzeit die Entlassung aus dem Berufssoldatenverhältnis beantragen zu können, und soll auch gerade bewirken, daß ausgebildete Berufssoldaten die Mindestdienstzeit von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) ableisten, ehe sie ihre Entlassung begehren. Das ist durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt.
Die Länge der zur Vermeidung des Erstattungsanspruchs abzuleistenden Dienstzeit kann der Gesetzgeber nach seinem freien Ermessen regeln. Die Anforderung, daß eine Dienstzeit von dreifacher Dauer der Ausbildungszeit abgeleistet werden muß, ist jedenfalls nicht unverhältnismäßig. Wenn die Ausbildung drei Jahre gedauert hat, ist die Dienstzeitvoraussetzung von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) in der Regel zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr erfüllt. In diesem Lebensalter bereitet ein beruflicher Neuanfang außerhalb der Bundeswehr mit den dort erworbenen Spezialkenntnissen und -fähigkeiten keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Eine kürzere Dienstzeitanforderung als sie § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) normiert, würde angesichts der hohen Kosten, die durch die Ausbildung entstehen, die Belange des Dienstherrn nicht mehr ausreichend wahren.
Die Höhe der zu erstattenden Ausbildungskosten läßt sich – jedenfalls durch eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Kostenanalyse – hinreichend genau bestimmen. Die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Mai 1973 – II C 6.72 – BVerwGE 42, 233 [237]) aufgestellte Anforderung, daß zwischen der Ausbildung und den zu erstattenden Kosten ein adäquater Zusammenhang bestehen muß, sichert den entlassenen Berufssoldaten ausreichend gegen eine Umlegung von allgemeinen Unkosten der Bundeswehr auf die Ausbildungskosten. Die konkrete Kostenbegrenzung ist Sache des Einzelfalls.
Besondere Härten, die sich durch die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs im Einzelfall ergeben, können aufgrund von § 46 Abs. 4 Satz 2 SG (F. 1968) (= Satz 3 F. 1970) behoben oder gemildert werden. Eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel ermöglicht es insbesondere, die Erstattungspflicht der sozialen Lage und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des auf eigenen Antrag entlassenen Berufssoldaten anzupassen, wenn und solange ihn die Forderung des vollen Erstattungsbetrages in existentielle Bedrängnis bringen würde.
2. § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) verstößt nicht dadurch gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), daß die verlängerte Dienstzeitanforderung auch für die bei Inkrafttreten der Vorschrift bereits ausgebildeten Berufssoldaten gilt.
a) Belastende Gesetze, die in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und dadurch eine echte – retroaktive – Rückwirkung entfalten, sind wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig (BVerfGE 30, 392 [401]; st. Rspr.). Unechte – retrospektive – Rückwirkung entfaltet eine Norm, wenn sie zwar nicht auf vergangene, aber auch nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet (BVerfGE 30, 392 [402]; st. Rspr.). Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber hier je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfGE 30, 392 [402]; st. Rspr.).
§ 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) wirkt nicht retroaktiv, sondern nur retrospektiv zurück, indem eine gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehung für die Betroffenen ungünstiger als bisher geregelt und dadurch die aufgrund von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) erlangte Rechtsposition verschlechtert – jedoch nicht völlig entwertet – wird. Das gilt nicht nur für diejenigen Berufssoldaten, die die nach der alten Regelung geforderte Dienstzeit bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes 1968 noch nicht abgeleistet haben, sondern auch für diejenigen Berufssoldaten, die ihre Dienstzeit nach altem Recht schon hinter sich gebracht hatten, aber bis zum Inkrafttreten der Neufassung nicht ausgeschieden sind. Denn es kommt nicht auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt, sondern auf die Fortdauer des zugrundeliegenden Berufssoldatenverhältnisses an. Dieses aber gilt über das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes hinaus.
Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) entsteht der Erstattungsanspruch als Rechtsfolge einer auf eigenen Antrag nach dem 14. Januar 1968 ausgesprochenen Entlassung aus dem Berufssoldatenverhältnis. § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) regelt also nur Rechtsbeziehungen zwischen einem bei Inkrafttreten dieser Fassung noch nicht entlassenen Berufssoldaten und seinem Dienstherrn. Für die schon entlassenen Berufssoldaten beansprucht die Vorschrift keine Geltung. Alle von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) Betroffenen wußten mithin im Zeitpunkt der Entlassung, daß zur Vermeidung des Erstattungsanspruchs eine Dienstzeit von dreifacher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung gefordert wurde. Es war und ist gerade der Zweck der Vorschrift, sie dadurch von einem unzeitigen Entlassungsantrag abzuhalten.
b) Die retrospektive Gesetzesänderung tangiert die aufgrund von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) am 14. Januar 1968 vorhandene Rechtsposition der Betroffenen mit unterschiedlicher Intensität:
Für Berufssoldaten, die am 14. Januar 1968 bereits eine Dienstzeit von gleicher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung abgeleistet hatten, war die "Erstattungslage", aus der bei Entlassung der Erstattungsanspruch hätte entstehen können, aufgehoben. Hätten sie von ihrem Recht, die Entlassung zu begehren, noch vor dem 14. Januar 1968 – wie andere vergleichbare Berufssoldaten – Gebrauch gemacht, so wären sie von den erschwerten Voraussetzungen der Entlassung, die § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 196"8) normiert hat, verschont geblieben. Nachdem die "Erstattungslage" für sie durch die positive Erfüllung der Anforderungen von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) entfallen war, konnten sie ihren Dienst fortsetzen, ohne bei einer künftigen Entlassung noch einen Erstattungsanspruch gewärtigen zu müssen. Diese Rechtsposition ist durch die nachträgliche Verdreifachung der zur Vermeidung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Dienstzeit erheblich beeinträchtigt worden.
Für Berufssoldaten, die am 14. Januar 1968 zwar die Ausbildung beendet, aber eine Dienstzeit von einfacher Dauer wie die des Studiums oder der Fachausbildung im Sinn von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) noch nicht voll abgeleistet hatten, war die "Erstattungslage" noch nicht aufgehoben, eine gefestigte Rechtsposition also noch nicht entstanden. Immerhin konnten sie erwarten, nach künftiger Erfüllung der Voraussetzungen von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) den Dienst quittieren zu können, ohne Ausbildungskosten erstatten zu müssen.
Für Soldaten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) noch in der Ausbildung waren, lag die positive Erfüllung der Voraussetzungen von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) noch in so weiter Ferne, daß daran konkrete Erwartungen und Planungen nicht geknüpft werden durften. Ihre Position ist unter rückwirkungsrechtlichen Gesichtspunkten von vornherein nicht schutzwürdig.
c) Auf Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips kann sich der Staatsbürger nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Hierfür ist einerseits das Ausmaß des Vertrauensschadens, andererseits die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit maßgeblich. Sie sind gegeneinander abzuwägen (BVerfGE 14, 288 [301]; 22, 241 [249]; 24, 220 [230]; 25, 142 [154]; 25, 269 [291]; 31, 222 [228 f.]).
Im Rahmen dieser Güterabwägung ist nicht zu erkennen, daß das Interesse der Betroffenen, ihre Entlassung auch nach dem 14. Januar 1968 unter den günstigeren Dienstzeitvoraussetzungen von § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) begehren zu können, generell schutzwürdiger ist als das öffentliche Interesse daran, sie künftig der Neuregelung von § 46 Abs. 4 Satz 1 SG (F. 1968) zu unterstellen.
Zweck der Neuregelung war und ist es, der Bundeswehr den von ihr selbst ausgebildeten Stamm von qualifizierten und spezialisierten Berufssoldaten, insbesondere Berufsoffizieren, für eine angemessene Zeit zu erhalten. Hierbei hat die Zeit auch zu den Kosten der Ausbildung in einer vertretbaren Relation zu stehen. Unter der Geltung des § 46 Abs. 4 SG (F. 1956) hatte die – teilweise durch Abwerbungen geförderte – Abwanderung von qualifizierten Führungskräften, insbesondere im Bereich des fliegenden Personals, zu Mißständen geführt, die letztlich die jederzeitige Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr hätten gefährden müssen, wenn der Abwanderung nicht ein Riegel vorgeschoben worden wäre. Dabei war es zur Aufrechterhaltung der jederzeitigen Verteidigungsbereitschaft nicht ausreichend, die Abwanderung allmählich zu verringern. Es kam vielmehr gerade darauf an, die weitere Abwanderung der bereits ausgebildeten, also einsatzfähigen Soldaten auf ein mit den Anforderungen der jederzeitigen Einsatzbereitschaft vereinbares Mindestmaß zu reduzieren. Wäre es für diese – durch eine Übergangsregelung – bei der alten Rechtslage geblieben, so hätte sich die Neuregelung erst nach Jahren stabilisierend auswirken können. In der Zwischenzeit hätte eine mit den Anforderungen der jederzeitigen Einsatzbereitschaft unvereinbare Sicherheitslücke – vor allem im Bereich des fliegenden Personals – auftreten können. Das öffentliche Interesse daran, dem rechtzeitig entgegenzuwirken, hat erhebliches Gewicht. Denn die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte muß jederzeit gewährleistet bleiben.
Demgegenüber ist das Interesse der Betroffenen an der Aufrechterhaltung des alten Rechtszustandes im allgemeinen in geringerem Maße schutzwürdig. Berufssoldaten müssen stets damit rechnen, daß ihnen die Entlassung nur unter Wahrung der im Zeitpunkt der Entlassung zu berücksichtigenden Belange des Dienstherrn gewährt werden kann. Sie müssen notfalls sogar hinnehmen, daß der Gesetzgeber eine mehrjährige Entlassungssperre einführt.
Allerdings können zwingende Gründe im persönlichen und familiären Bereich dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der jederzeitigen Verteidigungsbereitschaft ausnahmsweise vorgehen mit der Folge, daß von dem zu Entlassenden die Erstattung der Ausbildungskosten nicht gefordert werden kann. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er gleichzeitig mit der Verlängerung der Dienstzeit in § 46 Abs. 4 Satz 1 SG die Härteklausel in § 46 Abs. 4 Satz 2 SG eingeführt hat.
III.
Diese Entscheidung ist mit 7 Stimmen gegen 1 Stimme ergangen.
(gez.) Seuffert Dr. v. Schlabrendorff Dr. Rupp Dr. Geiger Hirsch Der Richter Dr. Rinck ist an der Unterschrift verhindert. Seuffert Der Richter Dr. Rottmann ist an der Unterschrift verhindert. Seuffert Wand