BVerfGE 54, 100 - Verstrickung in ein Unrechtssystem |
Die Strafgerichte sind von Verfassungs wegen auch bei absolut angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe nicht dazu verpflichtet, im Wege der Rechtsfortbildung einen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrund der "Verstrickung in ein Unrechtssystem" zu entwickeln. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 16. April 1980 |
-- 1 BvR 505/78 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn E... -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Werner Mielke, Peter Rameken und Dr. Gerwin Sonntag, Mönckebergstraße 191, Hamburg l -- gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1978 -- 4 StR 660/77 --. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: |
A. |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Schuldangemessenheit und Verhältnismäßigkeit der gegen den Beschwerdeführer wegen Mordes verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe.
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I. |
1. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Hamburg verurteilte den Beschwerdeführer wegen Mordes an mindestens fünfzig Menschen zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; außerdem erkannte sie ihm für die Dauer von 5 Jahren die Fähigkeit ab, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.
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Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wurde der 1921 geborene Beschwerdeführer im Frühjahr 1942 -- damals Unterscharführer bei der Waffen-SS -- zu der Lagermannschaft eines Judenlagers bei Bobruisk/Weißruthenien kommandiert. Den Juden wurde im Lager ein grauenvolles Schicksal zuteil. Sie litten unter Hunger und eisiger Kälte, mußten bis zur Erschöpfung arbeiten und waren der Willkür und den Quälereien des Lagerpersonals ausgeliefert. Innerhalb von 12 bis 15 Monaten kamen fast alle 1400-1500 in das Lager eingelieferten Juden um; nur wenige robuste Männer überlebten.
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Die Oberaufsicht über das Lager übten ein Hauptsturmführer und ein Obersturmführer aus, welche der Lagermannschaft generelle Anweisungen gaben. Intern leitete der Beschwerdeführer das Lager. Er erschien für die jüdischen Häftlinge schlechthin als "der Lagerführer". Er ließ arbeitsunfähige und untaugliche Juden aus dem Lager entfernen. Die Erschießung der Kranken und Schwachen wurde in einem vom Judenlager etwas abseits liegenden Wäldchen vorgenommen. Dort hatten die Juden schon kurz nach ihrer Ankunft Massengräber ausheben müssen. Vor ihrer Exekution wurden sie zu diesem Platz geschafft, sie mußten sich entkleiden und sich mit dem Gesicht nach unten in die schon mit anderen Toten gefüllte Grube legen; wer dazu zu schwach war, wurde von Totengräbern in die Grube gebracht. Durch Schüsse des am Grubenrand stehenden Exekutionskommandos wurden die Opfer getötet. Derartige Tötungsaktionen fanden in zahlreichen Fällen statt. Der Beschwerdeführer ging wiederholt selbst mit und leitete solche Aktionen; in anderen Fällen bestimmte er den Aufsichtsführenden. In einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Fällen beteiligte er sich selbst an der Erschießung. Wie groß die Zahl seiner Opfer war, konnte das Schwurgericht nicht aufklären. Aufgrund seiner Feststellungen hielt es jedoch für erwiesen, daß der Beschwerdeführer die Tötung von mindestens 50 Juden veranlaßt oder auch selbst durchgeführt habe; mit hoher Wahrscheinlichkeit seien es wesentlich mehr Opfer gewesen.
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2. Rechtlich würdigte das Schwurgericht die Taten des Beschwerdeführers als Verbrechen des Mordes. Es sah die Mordmerkmale "grausam" und "aus niedrigen Beweggründen" (§ 211 Abs. 2 StGB) als erfüllt an. Der Beschwerdeführer sei Täter, nicht lediglich Gehilfe. Es gebe keine Umstände, welche seine Tatschuld auszuschließen vermöchten. Insbesondere könne er sich weder auf Verbotsirrtum noch auf Befehlsnotstand berufen.
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Gleichwohl erkannte das Schwurgericht nicht auf die in § 211 Abs. 1 StGB absolut angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe, billigte vielmehr dem Beschwerdeführer einen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrund wegen "Verstrickung in ein Unrechtssystem" zu. Zur Rechtfertigung eines solchen Schuldmilderungsgrundes verwies es auf die "totalitären Bedingungen", unter denen derartige Straftaten begangen worden seien. Insbesondere nannte es "den generellen -- befehlsähnlichen -- Verhaltensdruck, die Desavouierung intellektueller und emotionaler Alternativen, das Erlebnis allgemeiner Belanglosigkeit des Menschenlebens und der sichtbaren, von rauschendem Erfolg begleiteten Gewalt des Terrors, die Erkenntnis, daß sonst nirgends Widerspruch gegen den Mord sichtbar hervortrat, die berechtigte Vermutung, daß ohnehin geschehen würde, was geschehen sollte, daß die Täter durchweg als austauschbar erschienen, und zu allem eine tief eintrainierte, fraglose, dumpfe Disziplin." Diese Umstände, die eine Verwirrung des Täterbewußtseins bewirkt und der Umsetzung etwaiger besserer Einsicht in rechtliches Handeln entgegengestanden hätten, könnten zur Annahme eines fakultativen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrundes führen, der im Falle des Mordes in entsprechender Anwendung der §§ 17 Satz 2, 49 Abs. 1 und 38 Abs. 2 StGB die Herabsetzung der absolut bestimmten Strafe gestatte.
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Das Verhalten des Beschwerdeführers schließe im konkreten Fall die Strafmilderung nicht aus. Gewiß seien ihm "Exzeßhandlungen" vorzuwerfen, Verhaltensweisen, die über die Tötung als solche hinausgingen, wie all die Disziplinierungen, Strafen und Entwürdigungen, welche das Schreckensbild des Lagers geprägt hätten. Zweifellos vergrößerten sie das Maß des Unrechts. Es sei aber zu bedenken, daß ein einigermaßen normal veranlagter Mensch keineswegs imstande sei, eine derart unmenschliche Aufgabe "in anständigen Formen" zu erledigen. Demgemäß sei es überall bei den Aussiedlungen und Exekutionen der Juden grauenhaft zugegangen. Anders sei die Situation lediglich für die reinen Schreibtischtäter gewesen. Der Beschwerdeführer sei im Lager nicht der schlimmste gewesen. Er sei von schlichter Natur und habe seinen Vorgesetzten gegenüber kaum Kritikfähigkeit besessen. Bei ihm spiele seine Jugend zur Tatzeit noch eine besondere Rolle (vgl. die auszugsweise wiedergegebene Urteilsbegründung in NJW 1976, S. 1756, mit Anm. von Hanack).
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3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft verurteilte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs den Beschwerdeführer in Abänderung des schwurgerichtlichen Urteils zu lebenslanger Freiheitsstrafe, da die Unterschreitung der für Mord allein angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe unter dem Gesichtspunkt der "Schuldminderung wegen Verstrickung in ein System der Gewaltherrschaft" nicht zu rechtfertigen sei. Dagegen stehe die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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4. Nachdem dieses Urteil des Bundesgerichtshofs auf Verfassungsbeschwerde hin vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts wegen eines verfahrensrechtlichen Verfassungsverstoßes aufgehoben worden war (BVerfGE 46, 202), verurteilte der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs durch das hier angegriffene Urteil den Beschwerdeführer erneut zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Soweit die Urteilsgründe die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe betreffen, führt der Bundesgerichtshof aus:
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Die Unterschreitung der in § 211 StGB allein angedrohten Strafe aus dem Gesichtspunkt der "Schuldminderung wegen Verstrickung" sei nicht zu rechtfertigen.
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Ob die Feststellungen des Schwurgerichts überhaupt zu einer Milderung der Strafe drängten, möge dahinstehen. Immerhin habe der Beschwerdeführer eine einmalige "allgemeine Richtlinie" zum Anlaß genommen, zahlreiche Insassen des ihm unterstellten Arbeitslagers zu töten. Er habe die Opfer nach unbestimmten Maßstäben ausgewählt, sie in grausamer Weise umbringen lassen, selbst an der Grube gestanden, in die sich die Opfer auf zuvor Erschossene hätten legen müssen, und er habe auch selbst mitgeschossen. Mildernd wolle das Schwurgericht letztlich lediglich berücksichtigen, daß es dem damals noch jungen Beschwerdeführer in seiner Umgebung leicht gemacht worden sei, sich für das Unrecht zu entscheiden. Solche Erwägungen könnten indessen nicht auf die Verstrickung in das NS-Unrechtssystem beschränkt bleiben. Auch andere Angehörige von Gewalt verherrlichenden und ausübenden Gruppen könnten sich darauf berufen, daß in ihren Kreisen eine Gewalttat dieser Art gebilligt werde.
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Der eindeutige Wille des Gesetzes stehe der Annahme einer Strafmilderung aus derartigen Erwägungen entgegen. Die Strafandrohung wegen Mordes kenne keinen minder schweren Fall. Liege einer der gesetzlichen Milderungsgründe nicht vor, ermöglichten auch sonstige Strafmilderungsgründe kein Absehen von der allein angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe. Das entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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Es treffe zwar zu, daß für die außergewöhnlichen, früher unvorstellbaren Verhältnisse der NS-Zeit die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches nicht gedacht gewesen seien und daß es darum oft schwierig sei, Taten, die aus jener Verstrickung in den brutalen Machtapparat folgten, mit den Mitteln und Begriffen des geltenden Strafrechts gerecht zu werden. Die Gerichte seien aber nicht berechtigt, die Strafgesetze für Taten dieser Art in freier Rechtsschöpfung umzugestalten. Es sei daran festzuhalten, daß ein eigenständiger Strafmilderungsgrund der Verstrickung in ein System der Gewaltherrschaft nicht anerkannt werden könne. Die eingehenden Erwägungen des Schwurgerichts vermöchten demgegenüber nicht zu überzeugen. Einen derart schwerwiegenden Eingriff in das Gefüge des Strafrechts, wie ihn das Schwurgericht vertreten wolle, könne lediglich der Gesetzgeber vornehmen. Die vom Schwurgericht zur Strafmilderung herangezogenen Gesichtspunkte könnten nur im Gnadenwege berücksichtigt werden.
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II. |
Gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Gerügt wird die Verletzung der Art. 1, 2, 3, 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung wird ausgeführt:
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Der Bundesgerichtshof habe den Umfang des Grundrechtsschutzes verkannt, wie er im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) herausgearbeitet worden sei. Bei Beachtung der insoweit verfassungsrechtlich maßgeblichen Grundsätze hätte der Bundesgerichtshof die vom Schwurgericht erkannte Schuldmilderung wegen Verstrickung in staatliches Verbrechen anerkennen oder einen anderen Weg finden müssen, um zu einer schuldangemessenen Strafe zu gelangen. Denn es sei geboten, daß die angedrohte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehe und die verhängte Strafe die Schuld des Täters nicht übersteige.
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Gehe man im Falle des Beschwerdeführers von den -- seiner Ansicht nach unrichtigen -- ihn belastenden tatsächlichen Feststellungen aus, so müsse jedenfalls bedacht werden, daß die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe seine Schuld weit übersteige; diese Strafe sei unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies ergebe sich aus den eingehenden Ausführungen des Schwurgerichts zur Schuldfrage. Wenn der Bundesgerichtshof ausführe, es möge dahinstehen, ob die Feststellungen des Schwurgerichts überhaupt zu einer Milderung der Strafe drängten, so lehne er es ab, sich mit der Frage, ob die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe hier schuldangemessen sei, zu befassen. Schon dies bedeute eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers. Dem Bundesgerichtshof könne auch nicht gefolgt werden, wenn er ausführe, auch andere Angehörige von Gewalt verherrlichenden und ausübenden Gruppen könnten sich darauf berufen, daß in ihren Kreisen eine Gewalttat dieser Art gebilligt werde. Es gehe gerade nicht um die Frage nach der Auswirkung eines subkulturellen Normgefüges auf den Täter, der darin verfangen sei; einem solchen Täter sei mehr oder weniger deutlich klar, daß die Wertungen seines Milieus den Gesetzen und der Wertorientierung widersprächen, die in der staatlichen Gemeinschaft gelten. Dem Schwurgericht sei es vielmehr um die Problematik staatlichen Verbrechens gegangen. Im übrigen müsse es darauf ankommen, im Einzelfall für einen bestimmten Täter, der bestimmte Strafen begangen haben solle, eine schuldangemessene Strafe zu finden.
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Der Verhängung der schuldangemessenen Strafe im Einzelfall könne auch nicht durch Berufung auf einen vermeintlich eindeutigen Willen des Gesetzes ausgewichen werden. Die Strafgerichte müßten vielmehr in jedem Einzelfall den Straftatbestand, aber auch den allgemeinen Teil des Strafrechts so auslegen, daß eine schuldangemessene Strafe verhängt werden könne. Die Auslegung des allgemeinen Teils des Strafrechts, wie sie das Schwurgericht im Falle des Beschwerdeführers vorgenommen habe, stehe -- im Gegensatz zur Auffassung des Bundesgerichtshofs -- mit dem einfachen Recht in Einklang und sei von Verfassungs wegen geboten.
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Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verstoße im übrigen auch gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Revisionsgericht sei nicht befugt, die lebenslange Freiheitsstrafe selbst auszusprechen. Die Verhängung dieser Strafe im Einzelfall sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen von den jeweils gegebenen tatsächlichen Verhältnissen abhängig, so daß von einer absoluten Strafandrohung im Sinne des § 354 Abs. 1 StPO nicht mehr gesprochen werden könne.
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Das Urteil des Bundesgerichtshofs verletze außerdem den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. Er habe für die Reise zur Revisionshauptverhandlung nicht die erforderlichen Mittel gehabt; schon wegen der Unbestimmtheit des § 211 StGB hätte er jedoch persönlich gehört werden müssen.
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III. |
Der Bundesminister der Justiz hat sich wie folgt geäußert:
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Die Verfassungsbeschwerde sei nicht begründet. Das Bundesverfassungsgericht könne gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen überprüfen. Die Auslegung der Gesetze und deren Anwendung auf den konkreten Fall könnten nur daraufhin überprüft werden, ob das jeweilige Gericht bei seiner Entscheidung spezifisches Verfassungsrecht verletzt habe. Einen solchen Verfassungsverstoß lasse das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs nicht erkennen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, daß der Bundesgerichtshof bei der Anwendung des Mordtatbestandes auf die vom Schwurgericht festgestellten Taten des Beschwerdeführers unter Verkennung der vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187) für die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gezogenen Grenzen zu einer schuldunangemessenen Strafe gelangt wäre.
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Angesichts der Beschränkung des Mordtatbestandes auf besonders schwere und verwerfliche Tötungshandlungen bedürfe es, auch unter Berücksichtigung der im Strafgesetzbuch vorgesehenen Möglichkeiten zur Strafmilderung, nicht des vom Schwurgericht entwickelten besonderen Schuldmilderungsgrundes der Verstrickung in das NS-Unrechtssystem. Für einen solchen Schuldmilderungsgrund sei im geltenden Strafrechtssystem kein Raum. Der Gesetzgeber habe sowohl im besonderen Teil des Strafgesetzbuchs als auch vor allem im allgemeinen Teil ausreichende gesetzliche Milderungsmöglichkeiten eröffnet (z.B. Vorschriften über das Begehen durch Unterlassen, den Verbotsirrtum, die verminderte Schuldfähigkeit, den Versuch, die Beihilfe, den Notstand). Die Annahme eines eigenständigen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrundes der Verstrickung laufe demgegenüber auf eine Korrektur des Gesetzes hinaus, die der Bundesgerichtshof zu Recht nicht anerkannt habe.
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Das angegriffene Urteil verletze auch nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Revisionsgericht habe mit der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe die ihm gezogenen Grenzen keineswegs verkannt. Vielmehr seien die Voraussetzungen des § 354 Abs. 1 StPO gegeben, wonach das Revisionsgericht dann in der Sache selbst entscheiden könne, wenn ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf eine absolute Strafe zu erkennen sei. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 habe nichts daran geändert, daß § 211 Abs. 1 StGB eine absolute Strafe androhe.
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Schließlich habe der Bundesgerichtshof auch nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Diese Vorschrift garantiere kein Rechtsgespräch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens in der Revisionsverhandlung sei nur in Ausnahmefällen erforderlich. Ein derartiger Fall sei hier nicht gegeben.
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B. |
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs verstößt nicht gegen die vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte und gleichgestellten Rechte.
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I. |
Eine Verletzung des Schuldgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsgebots ist nicht erkennbar.
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1. Nach dem Schuldgrundsatz, wie er aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, müssen Tatbestand und Rechtsfolge im strafrechtlichen Bereich -- gemessen an der Idee der Gerechtigkeit -- sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 [331]; 25, 269 [286]; 27, 18 [29]; 45, 187 [259 f.]). Jede Strafe muß daher in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen; die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht übersteigen (BVerfGE 6, 389 [439]; 9, 167 [169]; 20, 323 [331]; 25, 269 [285 f.]; 50, 5 [12]). Wo die Tat verschiedene Grade des Verschuldens und der Schwere aufweisen kann, muß dem Richter grundsätzlich die Möglichkeit gelassen werden, die Strafe dem anzupassen (vgl. BVerfGE 45, 187 [260]). Der Richter darf nicht gezwungen sein, eine Strafe zu verhängen, die nach seiner aufgrund der getroffenen Feststellungen gewonnenen Überzeugung der Schuld des Täters nicht angemessen wäre.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187 [261 ff.]) ausgeführt, die absolute Androhung einer so schweren Strafe sei nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn dem Richter von Gesetzes wegen die Möglichkeit offenbleibe, bei der Subsumtion der konkreten Fälle unter die abstrakte Norm zu einer Strafe zu kommen, die mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Dies sei jedoch unter Berücksichtigung der Vorschriften des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs und im Wege einer verfassungskonformen restriktiven Auslegung des § 211 StGB möglich; in der Rechtswirklichkeit sei die Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe in den Fällen des § 211 Abs. 2 StGB weniger absolut, als es auf den ersten Blick den Anschein habe. Es sei jedoch Aufgabe der für die Auslegung der Strafrechtsnormen zuständigen Strafgerichte (hauptsächlich des Bundesgerichtshofs), darüber zu entscheiden, auf welche Weise sichergestellt werde, daß auch in Grenzfällen keine unverhältnismäßig hohe und der Schuld nicht angemessene Strafe verhängt werden müsse.
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2. Die Bemühungen um eine gerechte Bestrafung nationalsozialistischer Gewalttäter haben die Strafgerichte in den vergangenen Jahrzehnten vor erhebliche Probleme gestellt (vgl. hierzu z.B. Baumann, in: Henkys, Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, 2. Aufl., 1965, S. 267; Jäger, Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967, S. 166 ff.; Hanack, Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrecher, 1967, = JZ 1967, S. 297, S. 329; Rückerl, Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945-1978, 1979, S. 76 ff.; Schünemann, Ungelöste Rechtsprobleme bei der Bestrafung nationalsozialistischer Gewalttaten, in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, 1978, S. 223). Neben den rein tatsächlichen Schwierigkeiten (Sachverhaltsfeststellung, Beweiserhebung und Beweiswürdigung in Fällen, die sehr lange Zeit zurückliegen) war insbesondere die rechtliche Beurteilung der Taten im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale des § 211 StGB und die in dieser Strafbestimmung absolut angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe umstritten.
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Das Schwurgericht hat im vorliegenden Fall das Problem einer schuldangemessenen Bestrafung, die nach seiner Ansicht die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht rechtfertigte, dadurch zu lösen versucht, daß es im Wege der Rechtsfortbildung einen allgemeinen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrund der "Verstrickung in ein Unrechtssystem" entwickelte und auf eine zeitige Freiheitsstrafe erkannte. Dabei griff es auf einen Vorschlag zurück, der bereits ein Jahrzehnt zuvor in der wissenschaftlichen Diskussion erörtert worden war (vgl. dazu die Verhandlungen des 46. DJT, Bd. II, 1967, Abschn. C S. 7 ff.). Damals hatte Hanack (Zur Frage geminderter Schuld der vom Unrechtsstaat geprägten Täter, Verhandlungen a.a.O., Abschn. C S. 53) die Auffassung vertreten, daß im Bereich der Schuld zwischen NS-Gewaltverbrechen und normaler Kriminalität Unterschiede bestünden, die sich aus der besonderen Situation erklärten, in welcher jene Delikte begangen worden seien. Diese Auffassung blieb jedoch umstritten. Es wurde die Befürchtung geäußert, eine generelle Schuldminderung bei Handeln unter Druck werde zu einem Abbau des Rechtsbewußtseins führen (vgl. den Bericht von Friesenhahn, Verhandlungen a.a.O., Abschnitt C S. 12 [27 f.]). Das Schwurgericht hat im wesentlichen die Überlegungen von Hanack übernommen und weiterentwickelt.
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Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Bestrafung nationalsozialistischer Gewalttaten die Annahme eines eigenständigen übergesetzlichen Schuldmilderungsgrundes der "Verstrickung in ein System der Gewaltherrschaft" nicht anerkannt. Er hält es nur für möglich, eine solche Verstrickung als einen tatsächlichen Umstand im Rahmen der Voraussetzungen gesetzlicher Milderungsgründe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1969-5 StR 704/68). Diesen Überlegungen folgt auch die hier angegriffene Entscheidung.
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3. Bei dieser zwischen dem Schwurgericht und dem Bundesgerichtshof bestehenden Meinungsverschiedenheit geht es um eine Frage der Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts, deren Beantwortung in erster Linie Sache der dafür zuständigen Strafgerichte ist. Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Verfassungsbeschwerde hin nur zu prüfen, ob die gegen den Beschwerdeführer verhängte lebenslange Freiheitsstrafe schuldangemessen und verhältnismäßig ist. Im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Prüfung ist die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung nicht zu beanstanden.
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Das Bundesverfassungsgericht hat -- wie oben dargelegt -- in dem Urteil über die lebenslange Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) beispielhaft die möglichen Auslegungswege beschrieben, die auch dort, wo die lebenslange Freiheitsstrafe absolut angedroht ist, im Einzelfäll zu einer schuldangemessenen Bestrafung führen können. Dabei muß keineswegs bei der Frage der Auslegung und Fortentwicklung strafrechtlicher Schuldmilderungsgründe angesetzt werden. Von Verfassungs wegen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die es zwingend gebieten würden, zur Verwirklichung des Schuldgrundsatzes und zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgebots das Strafrechtssystem im Wege der Rechtsfortbildung durch einen generellen Schuldmilderungsgrund "der Verstrickung in ein Unrechtssystem" zu ergänzen. Das Bundesverfassungsgericht hat stets anerkannt, daß den obersten Gerichtshöfen des Bundes auf den ihnen zugewiesenen Fachgebieten die Aufgabe und die Befugnis zur Weiterbildung des Rechts zukommt (vgl. BVerfGE 34, 269 [287 f.] -- Soraya -- m.w.N.). Den Großen Senaten der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat der Gesetzgeber selbst die Aufgabe der "Fortbildung des Rechts" ausdrücklich übertragen (so z.B. § 137 GVG). Ihnen steht daher die letzte Entscheidung darüber zu, ob und gegebenenfalls in welcher Weise auf dem ihnen zugewiesenen Sektor das Recht fortzubilden ist. Wenn der Bundesgerichtshof aus vertretbaren Gründen, die strafrechtlicher Natur sind, die Rechtsmeinung des Schwurgerichts zur Schuldminderung nicht zu billigen vermag und die Anerkennung eines allgemeinen übergesetzlichen Schuldminderungsgrundes der "Verstrickung in ein Unrechtssystem" ablehnt, so ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegenzutreten.
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4. Hat somit ein strafrechtlicher Schuldminderungsgrund der "Verstrickung" außer Betracht zu bleiben, so konnte der Bundesgerichtshof bei der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 211 StGB in vollem Umfang als erfüllt ansehen. Bei einer Auslegung, wie sie der Rechtsprechung zu den Mordmerkmalen "grausam" und "aus niedrigen Beweggründen" zugrunde liegt, kann im Regelfall von einer besonderen Verwerflichkeit der Tat ausgegangen werden, die grundsätzlich die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als schuldangemessen und verhältnismäßig erscheinen läßt. Das Schwurgericht hat im Fall des Beschwerdeführers mit verfassungsrechtlich unbedenklichen Überlegungen diese Mordmerkmale bejaht. Auch die Ausführungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers, zu seinem Unrechtsbewußtsein und zur Verneinung gesetzlicher Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe lassen keinen Verfassungsverstoß erkennen.
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Der Beschwerdeführer rügt jedoch als Verfassungsverstoß, der Bundesgerichtshof habe ausdrücklich offengelassen, ob die lebenslange Freiheitsstrafe seiner Schuld angemessen sei, und die Auffassung vertreten, der eindeutige Wille des Gesetzes stehe der Annahme einer Strafmilderung entgegen.
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Diese Bedenken greifen nicht durch. Der Bundesgerichtshof führt zwar aus, es könne dahinstehen, ob die Feststellungen des Schwurgerichts überhaupt zu einer Milderung der Strafe drängten. Im Gesamtzusammenhang ist dieser Satz aber dahin zu verstehen, daß selbst dann, wenn es entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs einen Schuldminderungsgrund der Verstrickung gäbe, zweifelhaft sei, ob der Beschwerdeführer dessen Voraussetzungen erfülle. Aus den anschließenden Darlegungen ergibt sich, daß der Bundesgerichtshof von der Schuldangemessenheit der lebenslangen Freiheitsstrafe auch in diesem konkreten Fall überzeugt gewesen ist. Es wird im einzelnen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer in besonders erschwerender Weise und aufgrund weitgehend selbständiger Entschließung seine Tathandlungen begangen habe; damit wird zum Ausdruck gebracht, daß seine Schuld als hoch, jedenfalls als nicht besonders gemildert zu bewerten ist. Der Bundesgerichtshof geht im konkreten Fall ersichtlich von einer "Regelschuld" des Beschwerdeführers aus. Das zeigt sich darin, daß er sich nicht mit der Frage der Schuldmilderung, sondern der Strafmilderung befaßt und diese ablehnt. Er erörtert die Problematik -- anders als das Schwurgericht -- lediglich auf der Ebene der Strafzumessung; für besondere Strafzumessungserwägungen aus dem Gesichtspunkt der Verstrickung in ein Unrechtssystem bleibt aber in der Tat angesichts der gesetzlichen Festlegung der bei Mord zu verhängenden absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe kein Raum. Argumentiert der Bundesgerichtshof aber nur im Bereich der Strafdrohung und Strafzumessung, so kann dies nur damit erklärt werden, daß ihm die Schuldfrage als solche nicht problematisch erschien, daß er vielmehr von einer dem Regelfall des § 211 StGB entsprechenden Schuld des Beschwerdeführers ausging, also Gründe, eine dem Grade nach geringere Schuld des Beschwerdeführers anzunehmen, letztlich nicht als gegeben erachtete.
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Der Strafrichter hat bei der Prüfung der Schuldangemessenheit der gesetzlich angedrohten Strafe für den Täter und dessen konkrete Tat von den grundlegenden Wertungen des Gesetzgebers auszugehen. Hat sich dieser -- in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise -- dafür entschieden, für eine bestimmte Tatschuld, wie etwa die des Mordes nach Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB, eine bestimmte Strafe anzudrohen, so muß der Strafrichter diese Wertung anerkennen und für den Fall des Mordes die lebenslange Freiheitsstrafe auch als schuldangemessen erachten, wenn nicht ganz außergewöhnliche Umstände, die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt hat, eine andere Beurteilung gebieten. Während das Schwurgericht solche besonderen Umstände als gegeben ansah, hat der Bundesgerichtshof dies ersichtlich anders gewürdigt und keinen Anlaß gesehen, die Einzeltatschuld des Beschwerdeführers entgegen der Wertung des Gesetzgebers geringer einzustufen.
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Faßt man alle Überlegungen des Bundesgerichtshofs zusammen, so mögen zwar einzelne Ausführungen zur Frage der Strafmilderung zu Mißverständnissen Anlaß geben; es muß jedoch im Ergebnis davon ausgegangen werden, daß der Bundesgerichtshof keine von ihm als nicht schuldangemessen gewertete Strafe verhängt hat. Ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz liegt nicht vor.
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5. Die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot.
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Daß die lebenslange Freiheitsstrafe trotz der Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen nicht schlechthin als übermäßig belastend und als persönlichkeitszerstörend gewertet werden kann und nicht schon deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, ist im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) dargelegt worden. Es bleibt daher nur die Prüfung im Einzelfall, ob die strafrechtliche Sanktion in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld des Täters und zur Schwere der Tat steht. Dabei fällt der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung, z.B. die Zahl der Opfer, die Intensität ihrer Leiden und ähnliche Tatumstände, ins Gewicht. Wo der Gesetzgeber, wie in § 211 Abs. 1 StGB, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für eine Straftat eine absolute Strafe angedroht hat, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stets dann gewahrt, wenn die absolute Strafe für eine Tat verhängt wird, die vom Regelfall nicht wesentlich abweicht. Die lebenslange Freiheitsstrafe im Fall des § 211 Abs. 1 StGB kann, wenn keine gesetzlich vorgesehenen Schuldminderungsgründe vorliegen, nur dann im verfassungsrechtlichen Sinne unverhältnismäßig sein, wenn eine Gesamtwürdigung des konkreten Falls infolge ganz außergewöhnlicher Umstände zu der Schlußfolgerung drängt, daß die Einzeltatschuld deutlich milder zu beurteilen ist als die Schuld des Mörders im Durchschnittsfall.
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So liegt es hier jedoch nicht. Der Beschwerdeführer entschied selbstherrlich und willkürlich über Leben und Tod vieler Menschen. Er ließ seine Opfer grausam umbringen, stand selbst an der Grube, in die sich die Opfer auf zuvor Erschossene legen mußten, und schoß eigenhändig mit. Das "Exzeßverhalten, all die Disziplinierungen, Strafen, Entwürdigungen prägten das Schreckensbild des Lagers", wie das Schwurgericht in seinem Urteil feststellt. Dies alles vertieft das Unrecht, das in den Tötungen an sich schon lag. Angesichts eines solchen Gesamtverhaltens hat die Schuld des Beschwerdeführers -- auch unter Berücksichtigung seines damaligen Alters und schicksalhafter Verstrickungen -- nicht jenes Maß verloren, welches die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als verhältnismäßig erscheinen läßt.
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II. |
Es liegt kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor.
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Das Revisionsgericht hat die lebenslange Freiheitsstrafe ohne Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz aufgrund des § 354 Abs. 1 StPO selbst verhängt. Diese Verfahrensweise ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Zwar kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dann verletzt sein, wenn ein an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebundenes Revisionsgericht eine nach dem Stand des Verfahrens gebotene Zurückverweisung an das Tatsachengericht zwecks weiterer Sachaufklärung unterläßt (vgl. BVerfGE 3, 255 [256]; 3, 359 [363 f.]; 31, 145 [165]). Die Verkennung der dem Revisionsgericht gezogenen Grenzen verstößt jedoch nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist (vgl. BVerfGE 29, 45 [48]; 31, 145 [165]). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein.
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Auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187) ergibt sich keine andere verfassungsrechtliche Beurteilung. Zwar muß, wenn die in § 211 Abs. 1 StGB absolut angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, stets auch im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob sie mit dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsgebot in Einklang steht. Dabei handelt es sich jedoch um eine Beurteilung, welche keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erfordert.
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III. |
Ein Verfassungsverstoß liegt auch nicht darin, daß der Bundesgerichtshof die lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hat, obwohl der Beschwerdeführer in der Revisionsverhandlung nicht persönlich anwesend war, sondern durch einen Pflichtverteidiger vertreten wurde.
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Die Regelung des § 350 Abs. 1 und 2 StPO, die davon ausgeht, daß die Anwesenheit des Angeklagten in der Revisionsverhandlung grundsätzlich möglich, aber nicht notwendig ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar kann sich aus Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht auf ein faires Verfahren, das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten ist (vgl. BVerfGE 40, 95 [99]; 46, 202 [210]), die Befugnis eines Angeklagten ergeben, bei der Hauptverhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen (vgl. BVerfGE 41, 246 [249]). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt für die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht. Da das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen und Würdigungen der Vorinstanz gebunden ist und eigene tatsächliche Feststellungen nicht treffen darf, kann es hier nur um die Erörterung von Rechtsfragen gehen. Auf ein mündliches Rechtsgespräch unter seiner Beteiligung hat ein Angeklagter jedoch keinen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch (vgl. BVerfGE 31, 364 [370]). Allerdings muß auch in dieser Hauptverhandlung die Verteidigung des Angeklagten gewährleistet sein. Nachdem der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers zu seinem Pflichtverteidiger in der Revisionsinstanz bestellt wurde und dieser in der Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof die Verteidigung auch wahrnahm, war den Anforderungen an die Gewährung des rechtlichen Gehörs für den Beschwerdeführer und auf ein faires Verfahren Genüge getan.
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(gez.) Dr. Benda Dr. Böhmer Dr. Simon Dr. Faller Dr. Hesse Dr. Katzenstein Dr. Niemeyer Dr. Heußner |