BVerfGE 101, 158 - Finanzausgleich III |
1. Die Finanzverfassung verpflichtet den Gesetzgeber, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen. |
2. Mit auf langfristige Geltung angelegten, fortschreibungsfähigen Maßstäben stellt der Gesetzgeber sicher, daß der Bund und alle Länder die verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren, ihnen dieselben Indikatoren zugrunde legen, die haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und Voraussehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Grundlagen gewährleisten und die Mittelverteilung transparent machen. |
3. Die Finanzverfassung verlangt eine gesetzliche Maßstabgebung, die den rechtsstaatlichen Auftrag eines gesetzlichen Vorgriffs in die Zukunft in der Weise erfüllt, daß die Maßstäbe der Steuerzuteilung und des Finanzausgleichs bereits gebildet sind, bevor deren spätere Wirkungen konkret bekannt werden. |
Urteil |
des Zweiten Senats vom 11. November 1999 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. und 23. September 1999 |
-- 2 BvF 2, 3/98, 1, 2/99 -- |
in den Verfahren über die Anträge festzustellen, 1. daß § 1 Abs. 2 und 3, § 2 Abs. 1 und 2, §§ 4 bis 10, § 11 Abs. 1, 2, 3, 5, 7 und 8, §§ 12 bis 15 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -- FAG --) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 977), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1290) mit Art. 107 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes unvereinbar sind -- Antragsteller: Regierung des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Richard-Wagner-Straße 15, Stuttgart -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde und Dr. Andrea Vetter, Heilbronner Straße 156, Stuttgart -- 2 BvF 2/98 --; |
2. daß § 1 Abs. 2 und 3, § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 3, § 9 Abs. 2 und 3, § 10, § 11 Abs. 2, 3 und 5 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -- FAG --) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1290) mit dem Grundgesetz, insbesondere dessen Art. 107, unvereinbar sind -- Antragsteller: Bayerische Staatsregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Franz-Josef-Strauß-Ring 1, München -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Klaus Vogel, Ottostraße 36, Starnberg -- 2 BvF 3/98 --; |
3. daß § 1 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3, § 9 Abs. 2 und 3, § 10, § 11 Abs. 2, 3 und 5 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -- FAG --) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1290) mit dem Grundgesetz, insbesondere Art. 107 und Art. 20 Abs. 1 GG, unvereinbar sind -- Antragsteller: Hessische Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Bierstadter Straße 2, Wiesbaden -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Werner Heun, Bürgerstraße 5, Göttingen -- 2 BvF 1/99 --; |
4. daß § 1 Abs. 2 und 3, § 2 Abs. 1 und 2, §§ 4 bis 10, § 11 Abs. 1, 2, 3, 5, 7 und 8 und §§ 12 bis 15 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -- FAG --) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 977), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1290) mit dem Grundgesetz vereinbar sind -- Antragsteller: 1. Senat der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten, Rathausplatz, Bremen, 2. Niedersächsische Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Planckstraße 2, Hannover, 3. Landesregierung Schleswig-Holstein, vertreten durch die Ministerpräsidentin, Düsternbrooker Weg 70 (Landeshaus), Kiel -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Joachim Wieland, Johann-Strauß-Straße 17, Bielefeld -- 2 BvF 2/99 --. |
Entscheidungsformel: |
Das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 23. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt I Seite 944 [977]), zuletzt geändert durch Artikel 1 Drittes Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 17. Juni 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 1382), gilt in seiner gegenwärtigen Fassung als Übergangsrecht fort, längstens bis zum 31. Dezember 2004, und bis zu diesem Zeitpunkt nur dann, wenn der Gesetzgeber rechtzeitig - spätestens bis zum 31. Dezember 2002 - die nach Maßgabe der Gründe notwendigen verfassungskonkretisierenden und verfassungsergänzenden allgemeinen Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens und für den Finanzausgleich einschließlich der Bundesergänzungszuweisungen (Artikel 106, 107 des Grundgesetzes) bestimmt. |
Gründe: |
A. |
Die Antragsteller zu 1. bis 3. wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen das Finanzausgleichsgesetz i.d.F. vom 23. Juni 1993 - FAG - (BGBl. I S. 944), zuletzt - nach Eingang der Anträge - geändert durch Art. 1 Drittes Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1382).
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Die Landesregierung Baden-Württemberg hält die Vorschriften der § 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 2 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 4 bis 10, § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5, Abs. 7 und Abs. 8, §§ 12 bis 15 dieses Gesetzes für mit Art. 107 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Bayerische Staatsregierung wendet sich gegen § 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 3, § 9 Abs. 2 und Abs. 3, § 10 sowie § 11 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 FAG. Die Regierung des Landes Hessen beanstandet § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3, § 9 Abs. 2 und Abs. 3, § 11 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 FAG. Diese Regelungen seien für sich genommen wie auch in ihrer Kombination mit § 1 Abs. 3 und § 10 FAG als Gesamtheit mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 107 Abs. 2 und Art. 20 GG, nicht vereinbar.
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Die Antragsteller zu 4., der Senat der Freien Hansestadt Bremen, die Niedersächsische Landesregierung und die Landesregierung Schleswig-Holstein, begehren dagegen die Feststellung, daß die Vorschriften der § 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 2 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 4 bis 10, § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5, Abs. 7 und Abs. 8, §§ 12 bis 15 FAG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
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Die vier Normenkontrollanträge sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
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I. |
Das Grundgesetz beauftragt den Bundesgesetzgeber, die verfassungsrechtlich konstante Zuweisung von Finanzmitteln durch flexible, den jeweiligen Bedürfnissen der Gegenwart genügende Maßstäbe zu konkretisieren und zu ergänzen.
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Das Finanzausgleichsgesetz bestimmt zunächst die Anteile von Bund und Ländergesamtheit an der Umsatzsteuer (§ 1 FAG), verteilt sodann den Länderanteil an der Umsatzsteuer und an der Gewerbesteuerumlage auf die Länder (§§ 2 und 3 FAG), regelt auf dieser Grundlage den horizontalen Finanzausgleich unter den Ländern (§§ 4 bis 10 FAG) und entscheidet über die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (§ 11 FAG). Außerdem enthält es technische Vorschriften über Vollzug und Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs (§§ 12 bis 16 FAG).
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1. § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG weist dem Bund vorab einen bestimmten Anteil an der Umsatzsteuer (1998: 3,64 v.H. und ab 1999 5,63 v.H.) zur Finanzierung eines Bundeszuschusses an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zu und berücksichtigt damit einen konkreten Bedarf für einen bestimmten Zweck.
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§ 1 Abs. 1 Satz 2 FAG setzt die Neuregelung des Art. 106 Abs. 5a GG um, die eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer vorsieht.
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§ 1 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 FAG regelt die vertikale Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländergesamtheit. Zuletzt sah das Finanzausgleichsgesetz eine Verteilung von 56:44 v.H. zwischen Bund und Ländern vor. Die steuerliche Lösung des Familienleistungsausgleichs (§§ 31 und 32 EStG) verminderte dann das Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer auch für Länder und Gemeinden. Aus diesem Grund wurden in Art. 106 Abs. 3 GG die Sätze 5 und 6 ergänzt, die ausdrücklich erlauben, bei der Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen der Länder einzubeziehen, die aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Als Ausgleich für die Länder wurde der Länderanteil an der Umsatzsteuer um 5,5 v.H. erhöht, so daß die Verteilungsquote nunmehr 50,5 v.H. für den Bund und 49,5 v.H. für die Länder beträgt (§ 1 Abs. 1 Satz 3 FAG). § 1 Abs. 1 Sätze 5 und 6 FAG enthält eine Gleitklausel, welche das Verhältnis von 74:26 Prozentpunkten zwischen Bund und Ländern bei der Finanzierung der Belastungen aus dem Familienleistungsausgleich erhalten soll. Diese spezielle Revisionsklausel läßt darüber hinaus die Möglichkeit einer allgemeinen Revision der Quote gemäß Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG unberührt.
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2. § 1 Abs. 2 FAG regelt die Finanzierung des Schuldendienstes für den Fonds "Deutsche Einheit", der durch Art. 31 des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik eingerichtet worden ist (- StaatsVG -, BGBl. II 1990 S. 518 [533]; vgl. BTDrucks 11/7350, S. 51). Nach § 6 Abs. 5 des Gesetzes über den Fonds "Deutsche Einheit" erstatten die alten Länder dem Bund 50 v.H. seiner Zuschüsse. Abrechnungstechnisch werden die Länder zu diesen Zahlungspflichten durch Abtretung von Beträgen aus den nach der jeweiligen gesetzlichen Regelung den Ländern zustehenden Umsatzsteueranteilen an den Bund herangezogen. Der von der Gesamtheit der alten Länder zu erbringende Beitrag wird jeweils zur Hälfte nach ihrer Einwohnerzahl und zur Hälfte nach dem Verhältnis ihrer Finanzkraft nach dem Länderfinanzausgleich erbracht. Das Land Berlin wird nur im ehemaligen westlichen Teil der Stadt - nach der Einwohnerzahl - belastet (§ 1 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. FAG), die neuen Länder sind von der Mitfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" ausgenommen (§ 1 Abs. 2 Satz 4 FAG). Da mithin 50 v.H. der Länderbeiträge (ohne Westberlin) zum Fonds "Deutsche Einheit" von der Finanzkraft nach dem Länderfinanzausgleich abhängig sind, hat die Berechnung der Finanzkraft über ihre unmittelbaren Folgen im Länderfinanzausgleich hinaus auch Auswirkungen auf den Umfang, mit dem ein Land am Schuldendienst für den Fonds "Deutsche Einheit" beteiligt wird.
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§ 1 Abs. 2a FAG senkt die Annuitäten für den Fonds "Deutsche Einheit" in den Jahren 1998 bis 2000 (vgl. BTDrucks 13/10023, S. 4). Die Regelung wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1290).
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§ 1 Abs. 3 FAG bemißt die nach Abs. 2 Satz 2 festgestellten Länderbeiträge zum Schuldendienst für den Fonds "Deutsche Einheit" zugunsten der finanzschwachen und zu Lasten der finanzstarken alten Länder neu. Hierdurch sollen übergangsweise die überproportionalen Belastungen der finanzschwachen alten Länder im Länderfinanzausgleich für das wiedervereinigte Deutschland gemildert werden. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 FAG genannten Beträge für die einzelnen Länder werden gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 FAG stufenweise bis zum Jahr 2005 abgeschmolzen. Zudem erhalten die hier begünstigten Länder gemäß § 11 Abs. 5 FAG weitere finanzielle Unterstützung in Form der sog. Übergangs-Bundesergänzungszuweisungen.
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3. Nach § 2 Abs. 1 FAG werden 75 v.H. des Länderanteils an der Umsatzsteuer unter den Ländern im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl und 25 v.H. nach einem in Abs. 2 enthaltenen Schlüssel verteilt. Damit macht der Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG Gebrauch, demzufolge die Umsatzsteuer grundsätzlich nach Maßgabe der Einwohnerzahl zu verteilen ist, für einen Teil - höchstens ein Viertel des gesamten Länderanteils - jedoch Ergänzungsanteile für diejenigen Länder erlaubt sind, deren Einnahmen aus den Landessteuern und aus der Einkommen- und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder liegen.
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§ 2 Abs. 2 FAG regelt die Verteilung dieses Viertels. Ziel ist es, diejenigen Länder, die nach Verteilung der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuerumlage und den aus § 7 Abs. 1 FAG ermittelten Landessteuern noch unter 92 v.H. des Länderdurchschnitts liegen, durch Ergänzungsanteile an der Umsatzsteuer auf 92 v.H. heranzuführen. Soweit dies erreicht wird, wird nach § 2 Abs. 2 Satz 2 FAG der noch verbleibende Länderanteil an der Umsatzsteuer nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen auf alle Länder verteilt. Soweit die zur Erreichung einer Quote von 92 v.H. erforderlichen Ergänzungsanteile insgesamt das zur Verfügung stehende Viertel des Gesamtanteils an der Umsatzsteuer übersteigen würden, werden sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 FAG entsprechend gekürzt.
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4. Die Gewerbesteuer steht nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG grundsätzlich den Gemeinden zu. An diesem Aufkommen können Bund und Länder durch eine Umlage beteiligt werden (Art. 106 Abs. 6 Satz 4 GG). Die Gewerbesteuerumlage wird durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Gemeindefinanzreformgesetz (GFRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995 (BGBl. I S. 189) auf Bund und Länder verteilt. § 3 FAG regelt in Übereinstimmung hiermit die horizontale Verteilung der Gewerbesteuerumlage unter den Ländern nach dem Prinzip des örtlichen Aufkommens (Art. 107 Abs. 1 Satz 1 GG).
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5. § 4 FAG macht deutlich, daß es sich beim horizontalen Finanzausgleich um Zuweisungen der Länder untereinander, also der ausgleichspflichtigen (finanzstarken) an die ausgleichsberechtigten (finanzschwachen) Länder handelt. Der Ausgleich der Finanzkraftunterschiede der Länder setzt den Vergleich ihrer Finanzkraft und die Feststellung ihrer Unterschiede voraus. Die Ausgleichsberechnung stützt sich auf eine Finanzkraftmeßzahl und eine Ausgleichsmeßzahl. Ausgleichspflichtig sind nach diesem Maßstab diejenigen Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Rechnungsjahr, für das der Ausgleich durchgeführt wird, ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt. Umgekehrt sind ausgleichsberechtigt diejenigen Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmeßzahl nicht erreicht.
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Nach § 6 Abs. 1 FAG ergibt sich die Finanzkraftmeßzahl eines Landes aus der Summe der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe nach § 7 FAG sowie der Steuereinnahmen der Gemeinden nach § 8 FAG. Damit bezeichnet die Finanzkraftmeßzahl die tatsächliche Einnahmekraft eines Landes als Ist-Größe und absoluten Summenwert in D-Mark.
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Demgegenüber stellt die Ausgleichsmeßzahl eine Sollgröße dar. Sie wird dadurch ermittelt, daß die auszugleichenden Einnahmen je Einwohner im Bundesdurchschnitt mit der Einwohnerzahl des Landes vervielfacht werden. Dabei sind in zwei Rechenschritten getrennte Zahlen für das Land - als gliedstaatliche Ausgleichsmeßzahl - und für die Kommunen des Landes - als kommunale Ausgleichsmeßzahl - zu bestimmen. Dazu sind die Einwohnerzahlen nach § 9 FAG zu gewichten und für Land und Gemeinden jeweils getrennt zugrunde zu legen.
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§ 7 FAG bestimmt die gliedstaatliche Finanzkraft des einzelnen Landes. Die von der Vorschrift erfaßten - vereinnahmten - und um bestimmte Lasten korrigierten Steuereinnahmen und nichtsteuerlichen Einnahmen nach Abs. 2 bilden sowohl die erste Komponente der Finanzkraftmeßzahl eines Landes als auch die gliedstaatliche Teilkomponente der Ausgleichsmeßzahl. § 7 Abs. 1 FAG erfaßt abschließend alle ausgleichserheblichen Steueranteile und Landessteuern, die den Ländern zustehen. Hierzu rechnen im einzelnen: der Landesanteil am Länderanteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, der Landesanteil am Länderanteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes, die in § 7 Abs. 1 Nr. 3 FAG im einzelnen aufgeführten Landessteuern und der Landesanteil am Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer.
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Derzeit beträgt der Länderanteil am Aufkommen der Einkommensteuer 42,5 v.H. Dies ergibt sich daraus, daß nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG das Aufkommen der Einkommensteuer nach Abzug des den Gemeinden gemäß Abs. 5 zugewiesenen Anteils hälftig auf Bund und Länder zu verteilen ist. Gemäß § 1 GFRG stehen den Gemeinden 15 v.H. des Aufkommens aus der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer zu. Zieht man diese 15 v.H. zunächst vom Gesamtaufkommen ab, so verbleiben 85 v.H., für Bund und Länder also jeweils 42,5 v.H.
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Das gliedstaatliche Aufkommen an der von den Gemeinden abzuführenden Gewerbesteuerumlage stärkt die Finanzkraft des jeweiligen Landes. Deshalb wird es in dessen Finanzkraft einbezogen. Die Umsatzsteueranteile, einschließlich der Ergänzungsanteile gemäß § 2 Abs. 2 FAG, gehören zu den originären Steuereinnahmen der Länder und sind deshalb zu berücksichtigen. Die Umsatzsteueranteile der Länder bedürfen allerdings wegen der Festsetzung der Ergänzungsanteile einer gesonderten Feststellung durch das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 12 FAG.
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§ 7 Abs. 1 Satz 3 FAG nimmt die Sonderregelungen zur Finanzierung des Schuldendienstes am Fonds "Deutsche Einheit" aus der Berechnung der Steuereinnahmen aus. Dies bedeutet, daß bei der Ermittlung der Finanzkraft der Länder so gerechnet wird, als ob diese aus ihren Umsatzsteueranteilen keine Zahlungen an den Fonds "Deutsche Einheit" leisten müßten. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß der den alten Ländern bei der Finanzierung der Wiedervereinigung jeweils zugedachte Anteil von diesen in voller Höhe erbracht wird.
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§ 7 Abs. 2 FAG sieht vor, daß die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe (vgl. § 31 Bundesberggesetz) in die Berechnung einzustellen sind (vgl. BVerfGE 72, 330 [410 f.]).
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6. Nach § 7 Abs. 3 FAG werden die gliedstaatlichen Ist-Einnahmen um bestimmte gesetzlich festgelegte Pauschbeträge gekürzt, mit denen Belastungen einiger betroffener Länder für die Unterhaltung und Erneuerung ihrer Seehäfen ausgeglichen werden sollen.
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7.a) Gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GG sind beim Länderfinanzausgleich die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände zu berücksichtigen. Grund für diese Regelung war, daß im Bundesstaat des Grundgesetzes und insbesondere in der Finanzverfassung die Gemeinden den Ländern zugerechnet werden (vgl. BVerfGE 86, 148 [215]).
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b) § 8 FAG bringt die Steuereinnahmen der Gemeinden in die Finanzkraftmeßzahl der Länder und in die kommunale Ausgleichsmeßzahl ein. § 8 Abs. 1 FAG bestimmt dazu zunächst das Volumen: ausgleichserheblich sind die Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer und an der Einkommensteuer sowie die Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer). Für die Einkommensteuer ist das tatsächliche Aufkommen auf der Basis des Art. 106 Abs. 5 Satz 2 GG i.V.m. § 1 GFRG maßgeblich. Das von den kommunalen Hebesätzen abhängige Aufkommen aus der Grundsteuer und der Gewerbesteuer wird in Durchschnittswerten (Soll-Erträgen) ermittelt, die sich nach § 8 Abs. 2 und Abs. 5 FAG näher bestimmen. Bezugspunkt ist dabei nach § 8 Abs. 2 Satz 2 FAG jeweils das Aufkommen des dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahres.
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c) Beim Gewerbesteueraufkommen ist zu berücksichtigen, daß die an die Länder geleistete und dort anzusetzende Gewerbesteuerumlage bei den Gemeinden abgezogen werden muß, da sie bei diesen nicht finanzkraftverstärkend anfällt. Hieraus erklärt sich die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG, nach der die geleistete Umlage bei der Ermittlung des finanzausgleichserheblichen kommunalen Finanzaufkommens nicht einberechnet wird.
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d) Da die Kommunen unterschiedliche Hebesätze bei den Realsteuern festlegen können, bedarf es eines vereinheitlichenden Maßstabs. Hierzu bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 2 FAG, daß das Realsteueraufkommen durch die in dem entsprechenden Kalenderjahr in Geltung gewesenen Hebesätze geteilt wird. Von diesem Grundbetrag werden gemäß § 8 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FAG die Steuerkraftzahlen ermittelt, indem die Grundbeträge nur zu einem im Gesetz näher bestimmten Bruchteil gewertet werden. Durch diese Bruchteilsbeträge wird ein fiktiver bundeseinheitlicher Hebesatz geschaffen, der die unterschiedlichen Hebesätze vergleichbar macht.
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e) § 8 Abs. 5 Satz 1 FAG führt dazu, daß als Realsteuereinnahmen der Gemeinden ein fiktives Sollaufkommen gilt, welches sich daraus ergibt, daß die Summe der Grundbeträge der Gemeinden eines Landes mit der Hälfte des bundesdurchschnittlichen Hebesatzes vervielfältigt wird (vgl. dazu Zabel, Die Gemeindesteuern im Länderfinanzausgleich, ZKF 1989, Teil II, S. 173 [174 ff.]; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, 1999, S. 425 ff.; BVerfGE 86, 148 [229 f.]).
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f) § 8 Abs. 5 Satz 2 FAG sieht eine hälftige Kürzung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer sowie eine hälftige Kürzung der Gewerbesteuerumlage vor.
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8. Die Ermittlung der Finanzkraftunterschiede der einzelnen Länder setzt eine Vergleichsgröße voraus. Diese hält § 9 Abs. 1 FAG im Tatbestand des Einwohners bereit. Hierdurch wird das disparate gliedstaatliche Finanzaufkommen vergleichbar gemacht und für den Vergleich ein abstraktes Bedarfskriterium gewonnen, dem die Vermutung zugrunde liegt, daß der Einwohner einen lastenverursachenden Grundtatbestand bildet und bei typisierender Betrachtung der Bedarf pro Einwohner gleich ist. Dieses Bedarfskriterium wird allerdings durch § 9 Abs. 2 und Abs. 3 FAG wesentlich modifiziert.
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a) Nach § 9 Abs. 2 FAG werden bei der Ermittlung der Ausgleichsmeßzahl die Einwohner der drei Stadtstaaten im Unterschied zu den Flächenstaaten mit 135 v.H. gewertet.
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b) § 9 Abs. 3 FAG regelt eine besondere kommunale Einwohnerwertung. Den kommunalen Finanzbedarf hat der Gesetzgeber außerdem bereits durch die nur hälftige Berücksichtigung der Finanzkraft der Kommunen in das Regelungskonzept aufgenommen.
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c) Durch § 9 Abs. 4 FAG werden mit den Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz und den Samtgemeinden in Niedersachsen auch gemeindeähnliche Finanzsubjekte in die gemeindliche Einwohnerwertung einbezogen. Durch diese Berücksichtigung ausgewählter Finanzsubjekte in einzelnen Ländern erhöht sich deren Veredelungsfaktor gemäß § 9 Abs. 3 FAG.
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9. § 10 FAG regelt das Ausgleichsverfahren. Ausgleichszuweisungen i.S. von § 10 Abs. 1 FAG sind Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder aus Beiträgen der ausgleichspflichtigen Länder (vgl. § 4 FAG). Ausgleichspflichtig sind nach § 5 Abs. 1 FAG diejenigen Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt. Ausgleichsberechtigt sind nach § 5 Abs. 2 FAG die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmeßzahl nicht erreicht. § 10 FAG entspricht dieser Struktur: In § 10 Abs. 1 FAG werden die Ausgleichszuweisungen der ausgleichsberechtigten Länder und in § 10 Abs. 2 FAG die Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder ermittelt.
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Die Regelung in § 10 Abs. 1 FAG führt dazu, daß die Finanzkraft eines ausgleichsberechtigten Landes in zwei Stufen auf mindestens 95 v.H. seiner Ausgleichsmeßzahl aufgestockt wird: Fehlbeträge, die unter 92 v.H. des Durchschnitts liegen, werden in voller Höhe ergänzt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FAG), Fehlbeträge, die zwischen 92 v.H. und 100 v.H. des Durchschnitts liegen, zu 37,5 v.H. (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FAG).
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§ 10 Abs. 2 FAG regelt die Finanzierung der nach Abs. 1 aufzubringenden Summe der Ausgleichszuweisungen. Zum Verständnis der Regelung und der Terminologie sind zwei Rechenschritte zu unterscheiden. Zunächst werden in einem ersten Schritt sog. ausgleichspflichtige Beträge errechnet, also die Beträge, um welche die Finanzkraftmeßzahl der ausgleichspflichtigen Länder ihre Ausgleichsmeßzahl überschreitet.
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Die Beträge werden allerdings nicht in voller Höhe angesetzt, sondern nach einem Tarifschlüssel, der progressiv mit der Höhe des übersteigenden Betrages steigt. Von der Finanzkraft, die zwischen 100 v.H. und 101 v.H. der Ausgleichsmeßzahl liegt, stehen nur 15 v.H., von der Finanzkraft, die zwischen 101 v.H. und 110 v.H. der Ausgleichsmeßzahl liegt, stehen 66 v.H. und von der Finanzkraft, die über 110 v.H. der Ausgleichsmeßzahl liegt, stehen 80 v.H. für den Ausgleich zur Verfügung.
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Die so ermittelten Beträge, die im folgenden als quotenbestimmende Beträge bezeichnet werden, können allerdings die Höhe der Ausgleichszuweisungen über- oder unterschreiten, weil sich ihre Berechnung ausschließlich an der Leistungsfähigkeit der ausgleichspflichtigen Länder orientiert. Die quotenbestimmenden Beträge müssen deshalb der auf der Basis von § 10 Abs. 1 FAG errechneten Summe der Ausgleichszuweisungen angepaßt werden: In welchem Umfang die ausgleichspflichtigen Beträge tatsächlich abgeschöpft werden, hängt davon ab, in welcher Höhe Ausgleichszuweisungen nach § 10 Abs. 1 FAG finanziert werden müssen.
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Auf der Basis der Regelung in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 FAG werden die Ausgleichszuweisungen immer voll erbracht, Korrekturen zum Schutz der Zahlerländer vor einer übermäßigen Inanspruchnahme folgen erst auf der Stufe der Garantieklauseln (§ 10 Abs. 3 bis Abs. 5 FAG). Übersteigt die Summe der Ausgleichszuweisungen die der quotenbestimmenden Beträge, so können höhere Ausgleichsbeiträge als die zunächst ermittelten quotenbestimmenden Beträge erforderlich werden, um die Zuweisungen bedienen zu können. In diesem Fall kann die nach § 10 Abs. 2 Satz 3 FAG zu bestimmende Abschöpfungsquote über 100 v.H. liegen (1998: 108,5 v.H., Tabelle, S. 48, Zeile 284).
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§ 10 Abs. 2 FAG teilt außerdem den Gesamtbetrag der Ausgleichszuweisungen nach dem Verhältnis der die Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraftmeßzahl auf die ausgleichspflichtigen Länder auf. Die Vorschrift gleicht damit die Volumina von Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeiträgen über die "Abschöpfungsquote" einander an und verteilt zugleich die Ausgleichszuweisungen auf die Zahlerländer.
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10. Die sog. "Garantieklauseln" aus § 10 Abs. 3 bis Abs. 5 FAG suchen sodann zum Abschluß dieses Beitragssystems in Detailkorrekturen Grundstrukturen der Finanzausstattung zu wahren. § 10 Abs. 3 FAG gewährleistet ein bestimmtes gliedstaatliches Finanzkraftniveau, § 10 Abs. 4 und Abs. 5 FAG verhindert eine Nivellierung der Geberländer.
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a) § 10 Abs. 3 Satz 1 FAG garantiert den ausgleichsberechtigten Ländern als Mindestausgleich eine bestimmte Finanzkraft; diese Finanzkraftgarantie blendet die gemeindliche Finanzkraft aus. Mit der Anordnung, daß die Hälfte des bis auf 95 v.H. der durchschnittlichen Einnahmen nach Maßgabe von § 7 FAG noch erforderlichen Fehlbetrages durch Ausgleichszuweisungen zu erhöhen ist, führt die Vorschrift im Ergebnis zu einer sog. "Ländersteuergarantie".
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§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 FAG sieht eine vergleichbare Ländersteuergarantie zugunsten der finanzstarken Länder vor.
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b) § 10 Abs. 4 FAG ergänzt die allgemeinen Garantieklauseln durch zwei spezielle Entlastungsgarantien, mit denen eine übermäßige Abschöpfung der ausgleichspflichtigen Länder verhindert werden soll, die durch die bisherige Vorgehensweise nicht auszuschließen ist. Die Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 1 FAG bewirkt, daß ein ausgleichspflichtiges Land grundsätzlich nur bis zu einer Quote von 15 v.H. der Finanzkraft, die zwischen 100 v.H. und 101 v.H. der Ausgleichsmeßzahl liegt, und von 80 v.H. der 101 v.H. der Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraft herangezogen werden kann. Hierdurch wird die Abschöpfungsobergrenze festgelegt. Der darüber hinausreichende Betrag ist auszugleichen. Dies geschieht zu 50 v.H. durch die übrigen ausgleichspflichtigen Länder im Verhältnis und höchstens im Umfang ihrer ausgleichspflichtigen Beträge (§ 10 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe a FAG) und zu 50 v.H. durch alle ausgleichspflichtigen Länder - einschließlich des begünstigten Landes - im Verhältnis und im Umfang ihrer verbleibenden Überschüsse nach Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 (§ 10 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe b FAG).
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§ 10 Abs. 4 Satz 3 FAG regelt außerdem eine Ausgleichsdeckelung. Übersteigt die Summe der Ausgleichszuweisungen nach Abs. 1 und Abs. 3 die Grenzen von 15 v.H. der Finanzkraft, die zwischen 100 v.H. und 101 v.H. der Ausgleichsmeßzahl liegt, sowie 80 v.H. der diese Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraft der ausgleichspflichtigen Länder, so ist dieser Fehlbetrag in voller Höhe von der Ländergesamtheit im Verhältnis ihrer endgültig festgestellten Finanzkraft unter Berücksichtigung der Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeiträge nach Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 4 Sätze 1 und 2 FAG aufzubringen.
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c) § 10 Abs. 5 FAG soll die ursprüngliche Finanzkraftreihenfolge unter den ausgleichspflichtigen Ländern bei von ihnen zu leistenden Ausgleichsbeiträgen i.S. von § 10 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 FAG sichern. Dazu bestimmt die Vorschrift, daß die Finanzkraftrelation eines Landes, dessen Rang in der Finanzkraftreihenfolge sich verbessert hat, und die des nächststärkeren Landes festzustellen ist. Die Finanzkraft des begünstigten Landes ist dann soweit abzuschöpfen, daß es die Finanzkraftrelation des nächststärkeren Landes erreicht. Der abgeschöpfte Betrag wird anteilig auf alle übrigen Länder verteilt, so daß auch das als Maßstab dienende nächststärkere Land wieder vor dem begünstigten Land liegt, nachdem es einen Anteil aus dem abgeschöpften Betrag erhalten hat.
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11. Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG ermächtigt den Finanzausgleichsgesetzgeber, leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs aus Bundesmitteln zu gewähren. Von dieser Ermächtigung macht § 11 FAG Gebrauch. § 11 Abs. 2 FAG sieht Fehlbetragszuweisungen zur ergänzenden Deckung eines allgemeinen Finanzbedarfs vor, § 11 Abs. 3 FAG Sonderbedarfszuweisungen zum Ausgleich überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung und der zentralen Verwaltung, § 11 Abs. 4 FAG zum Abbau teilungsbedingter Sonderbelastungen und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft, § 11 Abs. 5 FAG zum Ausgleich überproportionaler Belastungen durch die mit der Wiedervereinigung verbundenen Finanzkraftverschiebungen und § 11 Abs. 6 FAG zum Zwecke der Haushaltssanierung.
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a) Der Bund gewährt auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 FAG leistungsschwachen Ländern unbefristete Fehlbetragszuweisungen. Der rechtfertigende Grund für diese Zuweisungen wird in § 11 Abs. 2 FAG durch wörtliche Wiederholung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG benannt ("Zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs" erhalten "leistungsschwache Länder" Zuweisungen). Ein Fehlbetrag im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die Summe aus der individuellen Finanzkraftmeßzahl eines Landes und seiner im Länderfinanzausgleich empfangenen Ausgleichsleistungen hinter der Ausgleichsmeßzahl als Sollgröße zurückbleibt. Der jeweilige Fehlbetrag wird zu 90 v.H. ausgeglichen, so daß nach Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen jedes ausgleichsberechtigte Land über mindestens 99,5 v.H. des Bundesdurchschnitts der Finanzkraft aller Länder verfügt.
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b) Auf der Grundlage von § 11 Abs. 3 FAG erhalten neun Länder Sonderbedarfszuweisungen für die Kosten ihrer politischen Führung. Die Regelung geht zurück auf eine Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1986, in der die Kosten politischer Führung, die für Länder mit geringer Einwohnerzahl überdurchschnittlich hoch sein können, als berücksichtigungsfähig bezeichnet werden (vgl. BVerfGE 72, 330 [405]).
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c) Der Bund gewährt den neuen Ländern nach § 11 Abs. 4 FAG Sonderbedarfszuweisungen zum Abbau teilungsbedingter Sonderbelastungen sowie zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft in einer Höhe zwischen 3,6 Milliarden DM (Sachsen) und 1,4 Milliarden DM (Mecklenburg-Vorpommern). Diese Sonderbedarfszuweisungen sind - mit einem Überprüfungsauftrag für das Jahr 1999 - bis zum Jahr 2004 festgeschrieben.
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d) Nach § 11 Abs. 5 FAG gewährt der Bund finanzschwachen alten Ländern zum Ausgleich ihrer überproportionalen Belastungen durch die Wiedervereinigung sog. Übergangs-Bundesergänzungszuweisungen. Das Volumen ist für 1995 im Gesetz festgelegt. Es vermindert sich nach § 11 Abs. 5 Satz 2 FAG linear um jährlich 10 v.H., so daß die Zuweisungen im Jahr 2004 auslaufen. Diese Bundesergänzungszuweisungen sollen dazu dienen, wiedervereinigungsbedingte Ausgleichsverluste der bisher im Länderfinanzausgleich relativ stärker begünstigten (alten finanzschwachen) Länder abzumildern.
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e) Auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 FAG gewährt der Bund den Ländern Bremen und Saarland Sonderbedarfszuweisungen wegen einer Haushaltsnotlage, die nach der letzten Änderung des Finanzausgleichsgesetzes bis zum Jahr 2004 abgeschmolzen werden (vgl. BGBl. I 1999 S. 1382).
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12. Während des laufenden Ausgleichsjahres wird der Finanzausgleich auf der Grundlage vorläufiger Berechnungen vollzogen (§ 13 FAG). Nach Ablauf des Ausgleichsjahres stellt das Bundesministerium der Finanzen die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer nach § 2 FAG sowie die endgültige Höhe der Ausgleichszuweisungen und der Ausgleichsbeiträge nach § 10 FAG durch eine Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf (§ 12 FAG).
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13. Für die Verfahren sind folgende Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes maßgeblich:
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Erster Abschnitt
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Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern sowie unter den Ländern
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§ 1
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Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer
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(1) Vom Aufkommen der Umsatzsteuer stehen dem Bund 1998 vorab 3,64 vom Hundert und ab 1999 5,63 vom Hundert des Umsatzsteueraufkommens als Ausgleich für die Belastungen aufgrund eines zusätzlichen Bundeszuschusses an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zu; bei einer Steuersatzerhöhung oder Steuersatzsenkung wird im Jahr ihres Wirksamwerdens der ab 1999 geltende Vomhundertsatz in dem der Erhöhung oder Senkung entsprechenden Umfang verringert oder erhöht. Vom verbleibenden Aufkommen der Umsatzsteuer stehen den Gemeinden ab 1998 2,2 vom Hundert zu. Vom danach verbleibenden Aufkommen der Umsatzsteuer stehen dem Bund 50,5 vom Hundert und den Ländern 49,5 vom Hundert zu. In den Umsatzsteueranteilen der Länder ist jeweils ein Anteil von 5,5 vom Hundert-Punkten für Umschichtungen zugunsten der Länder zum Ausgleich ihrer zusätzlichen Belastungen aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs enthalten. Dieser Anteil wird ab 1998 auf der Grundlage der Geschäftsstatistik des Bundesamtes für Finanzen so an die Entwicklung der Leistungen nach den §§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes in der jeweils geltenden Fassung angepaßt, daß diese zu 74 vom Hundert vom Bund und zu 26 vom Hundert von den Ländern getragen werden. Diese Aufteilung der Umsatzsteuer gilt jeweils für alle Beträge, die während der Geltungsdauer des Beteiligungsverhältnisses vereinnahmt oder erstattet werden.
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(2) Aus dem Anteil der Länder an der Umsatzsteuer erhält der Bund zusätzlich einen Betrag in Höhe von 50 vom Hundert der Bundeszuschüsse nach § 6 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Fonds "Deutsche Einheit" zuzüglich eines Betrages von 2,1 Milliarden DM jährlich. Der Beitrag der Länder wird auf die einzelnen Länder zu 50 vom Hundert nach der Einwohnerzahl am 30. Juni des jeweiligen Jahres und zu 50 vom Hundert im Verhältnis ihrer Finanzkraft nach Länderfinanzausgleich verteilt; der Anteil des Landes Berlin am Beitrag der Länder wird vorab nach der Einwohnerzahl ohne Berücksichtigung der Einwohnerzahl des Teils des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt, berechnet. Er wird in Monatsbeträgen mit den Einfuhrumsatzsteuerzahlungen des Bundes nach § 14 Abs. 2 vorläufig berechnet. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
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(2a) Die Beiträge der Länder nach Absatz 2 Satz 1 vermindern sich gemäß § 6 Abs. 6 des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" in den Jahren 1998 um 1 824 Mio. DM, 1999 um 1 672 Mio. DM und 2000 um 1 520 Mio. DM. Für die Aufteilung des Länderanteiles an den jeweiligen Fehlbeträgen nach § 6 Abs. 2a Satz 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" gilt Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
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(3) Übergangsweise werden überproportionale Belastungen finanzschwacher Länder in dem bisherigen Bundesgebiet auf Grund der Einbeziehung der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den Länderfinanzausgleich teilweise ausgeglichen. Die Anteile am Beitrag der Länder nach Absatz 2 werden daher für 1995 um folgende Beträge erhöht oder ermäßigt:
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Baden-Württemberg +183 000 000 DM, Bayern +210 000 000 DM, Bremen -55 000 000 DM, Hamburg +30 000 000 DM, Hessen +108 000 000 DM, Niedersachsen -532 000 000 DM, Nordrhein-Westfalen +317 000 000 DM, Rheinland-Pfalz -53 000 000 DM, Saarland -77 000 000 DM, Schleswig-Holstein -131 000 000 DM. |
§ 2
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Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern
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(1) Der Länderanteil an der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Satz 3 wird zu 75 vom Hundert im Verhältnis der Einwohnerzahl der Länder und zu 25 vom Hundert nach den Vorschriften des Absatzes 2 verteilt.
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(2) Die Länder, deren Einnahmen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuerumlage und aus den nach § 7 Abs. 1 ermittelten Landessteuern je Einwohner unter 92 vom Hundert des Länderdurchschnitts liegen, erhalten aus dem Länderanteil an der Umsatzsteuer Ergänzungsanteile in Höhe der Beträge, die an 92 vom Hundert des Länderdurchschnitts fehlen. Der restliche Länderanteil an der Umsatzsteuer wird nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen der Länder verteilt. Betragen die Ergänzungsanteile nach Satz 1 insgesamt mehr als ein Viertel des Gesamtanteils an der Umsatzsteuer, so sind die Ergänzungsanteile entsprechend herabzusetzen.
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(3) Für die Berechnung der Anteile der einzelnen Länder an der Umsatzsteuer ist die Einwohnerzahl maßgebend, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Rechnungsjahres festgestellt hat.
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§ 3
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Verteilung der Gewerbesteuerumlage unter den Ländern
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Die Gewerbesteuerumlage steht den Ländern insoweit zu, als die Gewerbesteuer in dem Gebiet des einzelnen Landes vereinnahmt wird.
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2. Abschnitt
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Finanzausgleich unter den Ländern
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§ 4
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Ausgleichsleistungen
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Zur Durchführung des Finanzausgleichs unter den Ländern werden aus Beiträgen der ausgleichspflichtigen Länder (Ausgleichsbeiträge) Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder (Ausgleichszuweisungen) geleistet.
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§ 5
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Ausgleichspflichtige und ausgleichsberechtigte Länder
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(1) Ausgleichspflichtig sind die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl in dem Rechnungsjahr, für das der Ausgleich durchgeführt wird (Ausgleichsjahr), ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt.
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(2) Ausgleichsberechtigt sind die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmeßzahl nicht erreicht.
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Finanzkraftmeßzahl, Ausgleichsmeßzahl
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(1) Die Finanzkraftmeßzahl eines Landes ist die Summe der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe des Landes nach § 7 und der Steuereinnahmen seiner Gemeinden nach § 8.
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(2) Die Ausgleichsmeßzahl eines Landes ist die Summe der beiden Meßzahlen, die zum Ausgleich der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder (§ 7) und zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden (§ 8) getrennt festgestellt werden. Die Meßzahlen ergeben sich aus den auszugleichenden Einnahmen je Einwohner im Bundesdurchschnitt, vervielfacht mit der Einwohnerzahl des Landes; hierbei sind die nach § 9 gewerteten Einwohnerzahlen zugrunde zu legen.
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§ 7
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Einnahmen der Länder aus Steuern und Förderabgabe
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(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen
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1. aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer;
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2. aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes;
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3. aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Biersteuer, der Rennwett- und Lotteriesteuer mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe.
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Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die nach § 2 für das Ausgleichsjahr festgestellten Anteile an der Umsatzsteuer. Die aus § 1 Abs. 3 resultierenden Mehr- und Mindereinnahmen bleiben dabei ebenso wie der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 nach der Einwohnerzahl zu verteilende Beitrag der Länder unberücksichtigt.
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(2) Den Einnahmen der Länder nach Absatz 1 wird das Aufkommen aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.
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(3) Zur Abgeltung der Sonderbelastungen, die den Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen aus der Unterhaltung und Erneuerung der Seehäfen Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Rostock und Emden erwachsen, werden von den Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2
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des Landes Bremen 90 000 000 DM, des Landes Hamburg 142 000 000 DM, des Landes Mecklenburg-Vorpommern 50 000 000 DM, des Landes Niedersachsen 18 000 000 DM |
abgesetzt.
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Steuereinnahmen der Gemeinden
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(1) Als Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes gelten unter Kürzung nach den Vorschriften des Absatzes 5
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1. die Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer und an der Einkommensteuer im Ausgleichsjahr,
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2. die Steuerkraftzahlen der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, die für das Kalenderjahr ermittelt sind, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht, vermindert um die im Ausgleichsjahr geleistete Gewerbesteuerumlage.
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Für die Anteile der Gemeinden an der Einkommensteuer und für die von den Gemeinden geleistete Gewerbesteuerumlage sind die Feststellungen der Länder maßgebend.
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(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt
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1. die Grundbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben mit 180 vom Hundert;
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2. von den Grundbeträgen der Grundsteuer von den Grundstücken
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die ersten 100 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 180 vom Hundert,
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die weiteren 200 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 200 vom Hundert,
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die weiteren 500 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 225 vom Hundert,
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die 800 000 Deutsche Mark übersteigenden Beträge einer Gemeinde mit 250 vom Hundert;
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3. die Grundbeträge der Gewerbesteuer mit 250 vom Hundert.
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Als Grundbetrag gilt das Aufkommen in dem Kalenderjahr, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht, geteilt durch die in diesem Kalenderjahr in Geltung gewesenen Hebesätze.
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(3) Für die Errechnung der Realsteuerkraft eines Landes ist die Summe der Grundbeträge maßgebend, die das Statistische Bundesamt nach dem Ergebnis der Gemeindefinanzstatistik festgestellt hat. Bei der Grundsteuer von den Grundstücken gilt für alle Gemeinden einer Gemeindegruppe einheitlich der im Durchschnitt auf eine Gemeinde entfallende Grundbetrag. Maßgebend sind die folgenden Gemeindegruppen:
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Gemeinden bis 10.000 Einwohner, Gemeinden über 10.000 bis 20.000 Einwohner, Gemeinden über 20.000 bis 50.000 Einwohner, Gemeinden über 50.000 bis 100.000 Einwohner, Gemeinden über 100.000 bis 200.000 Einwohner, Gemeinden über 200.000 bis 500.000 Einwohner, Gemeinden über 500.000 Einwohner. |
1. bei der Errechnung der Steuerkraftzahlen Ungleichheiten ausgeglichen werden, die sich aus einer verschiedenen Einheitsbewertung des Grundbesitzes im Bundesgebiet ergeben;
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2. die in Absatz 2 genannten Hundertsätze geändert werden, soweit die Entwicklung der durchschnittlichen Realsteuerhebesätze eine Anpassung der Hundertsätze erforderlich macht.
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(5) Die nach den Absätzen 2 bis 4 errechneten Steuerkraftzahlen der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, der Grundsteuer von den Grundstücken und der Gewerbesteuer werden je für sich nach einem für alle Länder einheitlichen Hundertsatz auf die Hälfte des Betrages herabgesetzt, den die Gemeinden aus der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, aus der Grundsteuer von den Grundstücken sowie aus der Gewerbesteuer im Ausgleichsjahr eingenommen haben. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer und an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuerumlage werden auf die Hälfte der Beträge herabgesetzt, die für das Ausgleichsjahr festgestellt sind.
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§ 9
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Einwohnerzahl
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(1) Der Ausgleichsmeßzahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.
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(2) Bei der Ermittlung der Meßzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Länder werden die Einwohnerzahlen der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit 135 vom Hundert und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 vom Hundert gewertet.
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(3) Bei der Ermittlung der Meßzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden werden die Einwohnerzahlen der Gemeinden eines Landes mit folgenden Ansätzen je Einwohner gewertet:
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die ersten 5 000 Einwohner einer Gemeinde mit 100 vom Hundert,
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die weiteren 15 000 Einwohner einer Gemeinde mit 110 vom Hundert,
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die weiteren 80 000 Einwohner einer Gemeinde mit 115 vom Hundert,
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die weiteren 400 000 Einwohner einer Gemeinde mit 120 vom Hundert,
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die weiteren 500 000 Einwohner einer Gemeinde mit 125 vom Hundert,
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die weiteren Einwohner einer Gemeinde mit 130 vom Hundert.
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Für Gemeinden mit mehr als 500 000 Einwohner werden dem Land darüber hinaus
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bei einer Dichte von 1 500 bis 2 000 Einwohnern je Quadratkilometer 2 vom Hundert der Einwohnerzahl,
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bei einer Dichte von 2 000 bis 3 000 Einwohnern je Quadratkilometer 4 vom Hundert der Einwohnerzahl,
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hinzugerechnet.
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(4) Als Gemeinden im Sinne des Absatzes 3 gelten auch die Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz und die Samtgemeinden in Niedersachsen.
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§ 10
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Bemessung der Ausgleichszuweisungen und der Ausgleichsbeiträge
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(1) Die Ausgleichszuweisungen der ausgleichsberechtigten Länder werden mit gestaffelten Hundertsätzen von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl hinter ihrer Ausgleichsmeßzahl zurückbleibt. Hierbei werden als Ausgleichszuweisungen festgesetzt:
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1. 100 vom Hundert des Betrages, der an 92 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt;
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2. 37,5 vom Hundert des Betrages, der von 92 bis 100 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt.
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(2) Die Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder werden nach Maßgabe der Sätze 2 und 3 von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt (ausgleichspflichtige Beträge). Hierbei wird die Finanzkraft,
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1. die zwischen 100 und 101 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, mit 15 vom Hundert,
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2. die zwischen 101 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, mit 66 vom Hundert,
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3. die über 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, mit 80 vom Hundert
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angesetzt. Die nach Satz 2 ermittelten Beträge werden mit dem Vomhundertsatz zur Aufbringung der Ausgleichszuweisungen herangezogen, der erforderlich ist, damit die Summe der Ausgleichsbeiträge mit der Summe der Ausgleichszuweisungen übereinstimmt.
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(3) Wenn die nach Maßgabe von § 7 ermittelten Einnahmen eines ausgleichsberechtigten Landes einschließlich der nach Absatz 1 ermittelten Ausgleichszuweisungen je Einwohner gemäß § 9 Abs. 2 unter 95 vom Hundert der durchschnittlichen Einnahmen nach Maßgabe von § 7 liegen, so sind die Ausgleichszuweisungen an dieses Land um den hälftigen Fehlbetrag zu erhöhen und die Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder im Sinne des § 5 Abs. 1 im Verhältnis und höchstens im Umfang ihrer ausgleichspflichtigen Beträge unter Berücksichtigung des Ausgleichs nach Absatz 2 zu berichtigen. Wenn die nach Maßgabe von § 7 ermittelten Einnahmen eines ausgleichspflichtigen Landes nach Abzug der von ihm zu leistenden Ausgleichsbeiträge nach Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 je Einwohner gemäß § 9 Abs. 2 unter den nach Maßgabe von § 7 ermittelten durchschnittlichen Einnahmen der Länder liegen, so ist der Fehlbetrag dieses Landes zu einem Viertel, höchstens bis zur Höhe seiner Ausgleichsleistungen nach Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 auszugleichen. Die nach Satz 2 erforderlichen Ausgleichsbeiträge sind von allen ausgleichspflichtigen Ländern im Verhältnis und höchstens im Umfang ihrer ausgleichspflichtigen Beträge unter Berücksichtigung des Ausgleichs nach Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 und 2 zu übernehmen.
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(4) Übersteigt der Ausgleichsbeitrag eines ausgleichspflichtigen Landes nach den Absätzen 2 und 3 15 vom Hundert der Finanzkraft, die zwischen 100 und 101 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, sowie vier Fünftel der 101 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraft, so ist der übersteigende Betrag auszugleichen. Der nach Satz 1 erforderliche Ausgleich ist vorbehaltlich Satz 3 je zur Hälfte zu übernehmen
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a) von den übrigen ausgleichspflichtigen Ländern im Verhältnis und höchstens im Umfang ihrer ausgleichspflichtigen Beträge unter Berücksichtigung des Ausgleichs nach den Absätzen 2 und 3,
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b) von allen ausgleichspflichtigen Ländern im Verhältnis und höchstens im Umfang ihrer ausgleichspflichtigen Beträge unter Berücksichtigung des Ausgleichs nach den Absätzen 2 und 3 und des Hebungsbetrages nach Absatz 4 Satz 1.
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Übersteigt die Summe der Ausgleichszuweisungen nach Absatz 1 und Absatz 3 Satz 1 15 vom Hundert der Finanzkraft, die zwischen 100 und 101 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, sowie vier Fünftel der 101 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraft der ausgleichspflichtigen Länder, so ist der Fehlbetrag von allen Ländern im Verhältnis ihrer Finanzkraft unter Berücksichtigung der Ausgleichsbeiträge und Ausgleichszuweisungen nach den Absätzen 1 bis 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 aufzubringen.
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(5) Wenn nach Anwendung der Absätze 2 bis 4 die davor bestehende Finanzkraftreihenfolge der ausgleichspflichtigen Länder nicht gewahrt ist, ist die nach den Absätzen 2 bis 4 ermittelte Ausgleichsverpflichtung des jeweils begünstigten Landes zu erhöhen. Maßstab dafür ist die nach Anwendung der Absätze 2 bis 4 erreichte Finanzkraftrelation des Landes, das vor Anwendung der Absätze 2 bis 4 gegenüber dem jeweils begünstigten Land den nächsthöheren Rang innehatte. Im Falle der Anwendung der Sätze 1 und 2 werden die Ausgleichsbeiträge der übrigen ausgleichspflichtigen Länder im Verhältnis ihrer ausgleichspflichtigen Beträge unter Berücksichtigung des Ausgleichs nach den Absätzen 2 bis 4 herabgesetzt.
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§ 11
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Bundesergänzungszuweisungen
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(1) Der Bund gewährt ab 1995 aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs sowie zum Ausgleich von Sonderlasten (Bundesergänzungszuweisungen) nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6.
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(2) Zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs erhalten leistungsschwache Länder Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 90 vom Hundert ihrer nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs verbleibenden Fehlbeträge der Finanzkraftmeßzahlen gegenüber den Ausgleichsmeßzahlen des Ausgleichsjahres.
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(3) Wegen überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung und der zentralen Verwaltung erhalten nachstehende Länder jährlich folgende Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen:
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Berlin 219 000 000 DM, Brandenburg 164 000 000 DM, Bremen 126 000 000 DM, Mecklenburg-Vorpommern 164 000 000 DM, Rheinland-Pfalz 219 000 000 DM, Saarland 153 000 000 DM, Sachsen-Anhalt 164 000 000 DM, Schleswig-Holstein 164 000 000 DM, Thüringen 164 000 000 DM. |
(4) Zum Abbau teilungsbedingter Sonderbelastungen sowie zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft erhalten nachstehende Länder in den Jahren 1995 bis 2004 zusätzlich folgende Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen:
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Berlin 2 662 000 000 DM, Brandenburg 1 985 000 000 DM, Mecklenburg-Vorpommern 1 479 000 000 DM, Sachsen 3 658 000 000 DM, Sachsen-Anhalt 2 208 000 000 DM, Thüringen 2 008 000 000 DM. |
Die Zuweisungen nach Satz 1 werden im Jahre 1999 im Falle einer wesentlichen Abweichung von den zugrunde gelegten Erwartungen von Bund und Ländern gemeinsam überprüft.
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(5) Zum Ausgleich überproportionaler Belastungen erhalten nachstehende Länder im Jahre 1995 zusätzlich folgende Übergangs-Bundesergänzungszuweisungen:
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Bremen 80 000 000 DM, Niedersachsen 507 000 000 DM, Rheinland-Pfalz 451 000 000 DM, Saarland 80 000 000 DM, Schleswig-Holstein 227 000 000 DM. |
Die Zuweisungen nach Satz 1 vermindern sich ab dem Jahre 1996 linear um jährlich 10 vom Hundert der Ausgangsbeträge.
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(6) Zum Zwecke der Haushaltssanierung erhalten in den Jahren 1999 bis 2004 nachfolgende Länder zusätzlich folgende Sonder-Bundesergänzungszuweisungen:
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Saarland im Jahr 1999 1 200 000 000 DM, im Jahr 2000 1 050 000 000 DM, im Jahr 2001 900 000 000 DM, im Jahr 2002 750 000 000 DM, im Jahr 2003 600 000 000 DM, und im Jahr 2004 500 000 000 DM. |
Diese Zuweisungen werden mit folgenden Maßgaben gewährt:
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1. Sie sind unmittelbar zur Schuldentilgung zu verwenden. Bremen und das Saarland werden eine restriktive Haushaltspolitik einhalten. Diese kommt darin zum Ausdruck, daß das Wachstum der bereinigten Ausgaben unterhalb der allgemeinen Ausgabenzuwachsempfehlung des Finanzplanungsrates gehalten wird. Dies gilt in verstärktem Maße für die konsumtiven Ausgaben.
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2. Die durch die Schuldentilgung nach Nummer 1 entstehenden Finanzierungsspielräume aus Zinsersparnissen auf Grund der Gewährung der Sonder-Bundesergänzungszuweisungen werden zur Verminderung der Verschuldung der Länder genutzt. Das Saarland kann seinen entstehenden Finanzierungsspielraum auch für wirtschaftskraftfördernde Investitionen verwenden.
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3. Dem Bundesministerium der Finanzen sowie den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ist über die Verwendung der Sonder-Bundesergänzungszuweisungen, über die Nutzung der durch sie entstehenden Finanzierungsspielräume sowie über die bei der haushaltswirtschaftlichen Sanierung erzielten Fortschritte jährlich bis Mai des folgenden Jahres zu berichten.
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(7) Die Zuweisungen nach den Absätzen 3 bis 6 sind mit je einem Viertel ihres Betrages am 15. März, 15. Juni, 15. September und 15. Dezember fällig. Auf die Zuweisungen nach Abs. 2 werden zu diesen Stichtagen Abschlagszahlungen nach Maßgabe der Finanzkraftverhältnisse des jeweils vorhergehenden Kalendervierteljahres entrichtet. Gleichzeitig werden die mit der Abschlagszahlung des vorausgegangenen Zahlungstermins zuviel oder zuwenig gezahlten Beträge verrechnet. Das Bundesministerium der Finanzen stellt zu Beginn des jeweiligen Kalendervierteljahres durch Übersendung der Berechnungsgrundlagen an die Länder die Beteiligung der einzelnen Länder an den zu gewährenden Zuweisungen fest.
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3. Abschnitt
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Vollzug und Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs
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§ 12
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Feststellung der Ausgleichszahlungen
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Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer nach § 2 und die endgültige Höhe der Ausgleichszuweisungen und der Ausgleichsbeiträge nach § 10 durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dabei sind die Regelungen dieses Gesetzes in der am 31. Dezember des jeweiligen Ausgleichsjahres geltenden Fassung zugrunde zu legen.
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§ 13
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Vollzug des Finanzausgleichs während des Ausgleichsjahres
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Der Finanzausgleich wird während des Ausgleichsjahres aufgrund vorläufiger Bemessungsgrundlagen vollzogen. Die vorläufigen Ergänzungsanteile werden nach § 2, die vorläufigen Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeiträge werden nach den §§ 4 bis 10 ermittelt; jedoch werden zugrunde gelegt
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1. die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder (§ 7) sowie die Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer und an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuerumlage (§ 3) in dem Jahreszeitraum, der am 30. September des vorausgegangenen Jahres endet;
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2. die Realsteuerkraft der Gemeinden (§ 8 Abs. 1 Satz 1) nach den Grundbeträgen, die das Statistische Bundesamt zuletzt festgestellt hat;
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3. die Einwohnerzahlen (§ 9 Abs. 1), die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Jahres festgestellt hat, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht; sind diese nicht rechtzeitig verfügbar, die vom Statistischen Bundesamt zuletzt festgestellten Einwohnerzahlen.
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§ 14
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Zahlungsverkehr zum Vollzug des Finanzausgleichs während des Ausgleichsjahres
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(1) Der Zahlungsverkehr wird während des Ausgleichsjahres in der Weise abgewickelt, daß die Ablieferung des Bundesanteils an der durch Landesfinanzbehörden verwalteten Umsatzsteuer um die Beträge erhöht oder ermäßigt wird, die nach der vorläufigen Bemessung der Länderanteile an der Umsatzsteuer (§ 2) und nach der vorläufigen Bemessung der Ausgleichsbeiträge und der Ausgleichszuweisungen im Finanzausgleich (§ 10) unter den Ländern zu verrechnen sind. Soweit der Anspruch eines Landes aus diesen Verrechnungen durch den Bundesanteil an der Umsatzsteuer nicht voll gedeckt wird, überweist das Bundesministerium der Finanzen diesem Land den nicht gedeckten Teil des vorläufigen Ausgleichsanspruchs in monatlichen Teilbeträgen. Soweit die Verpflichtung eines Landes aus diesen Verrechnungen über dem Aufkommen der von Landesfinanzbehörden verwalteten Umsatzsteuer liegt, ist der darüber liegende Teil von dem Land dem Bundesministerium der Finanzen in monatlichen Teilbeträgen zu überweisen.
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(2) Der Länderanteil an der durch Bundesfinanzbehörden verwalteten Einfuhrumsatzsteuer wird auf die Länder nach der Einwohnerzahl verteilt und in monatlichen Teilbeträgen überwiesen.
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(3) Das Nähere bestimmt das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrats bedarf.
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§ 15
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Endgültige Abrechnung
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Unterschiede zwischen den vorläufigen und den endgültigen Ausgleichszahlungen werden durch Überweisung ausgeglichen, die mit dem Inkrafttreten der in § 12 vorgesehenen Rechtsverordnung fällig werden. Das Bundesministerium der Finanzen trifft die für den Überweisungsverkehr erforderlichen Anordnungen.
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§ 15a
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Vollzug der Verteilung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer
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(1) Die Höhe des Gemeindeanteils am Aufkommen der durch Bundesfinanzbehörden und Landesfinanzbehörden verwalteten Umsatzsteuer und seine Verteilung nach Ländern nach den §§ 5a und 5b des Gemeindefinanzreformgesetzes werden beim Bundesministerium der Finanzen jeweils nach Ablauf eines Monats berechnet. Der Gemeindeanteil an der durch Bundesfinanzbehörden verwalteten Einfuhrumsatzsteuer wird den Ländern zusammen mit dem Länderanteil an der Einfuhrumsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 in monatlichen Teilbeträgen überwiesen. Dabei wird er dergestalt länderweise verteilt, daß bei dem einzelnen Land zusammen mit dem Gemeindeanteil an der durch Landesfinanzbehörden verwalteten Umsatzsteuer der insgesamt seinen Gemeinden zustehende Anteil erreicht wird. Ist der Gemeindeanteil an der durch Landesfinanzbehörden verwalteten Umsatzsteuer bei dem einzelnen Land höher als der seinen Gemeinden insgesamt zustehende Anteil an der Umsatzsteuer, wird der darüber hinausgehende Betrag mit dem Anteil des Landes an der Einfuhrumsatzsteuer verrechnet.
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14. Zur sachverständigen Darstellung der die Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes bestimmenden Rechenwerke hat sich der Senat der Hilfe des Instituts für Angewandte Mathematik der Universität Karlsruhe (Prof. Dr. W. Krämer und Dipl. Math. oec W. Hofschuster) bedient. Das Institut hat die Daten der vorläufigen Abrechnung des Bundesministeriums der Finanzen für die Verteilung der Umsatzsteuer, den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen für das Jahr 1998 zugrunde gelegt. Die Ergebnisse sind mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmt (s. Tabellen S. 186-194, in der DFR-Edition nicht mit aufgenommen).
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II. |
1. Die antragstellenden Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen tragen zur Zulässigkeit ihrer Anträge vor, daß zwar einige der angegriffenen Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes 1993 inhaltlich identisch mit Vorschriften des früheren Finanzausgleichsgesetzes 1988 seien, die vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 27. Mai 1992 überprüft worden sind. Dennoch handele es sich bei dem Finanzausgleichsgesetz 1993 um eine Neukonzeption und damit um ein neues Gesetz. Darüber hinaus habe sich die Sachlage grundlegend verändert, vor allem weil die neuen Länder in den Länderfinanzausgleich einbezogen worden seien.
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Die übrigen antragstellenden sowie die äußerungsberechtigten Länder halten die Anträge zu 1. bis 3. dagegen überwiegend für unzulässig. Ihnen stehe die Rechtskraft und Bindungswirkung der früheren Entscheidung entgegen.
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2. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen halten den Antrag zu 4. für unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 76 BVerfGG nicht vorlägen. Die Antragsteller dieses Antrags hingegen leiten die Zulässigkeit aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG ab, wonach das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz entscheidet. Meinungsverschiedenheiten setzten unterschiedliche Auffassungen der Antragsberechtigten voraus, die unabhängig vom jeweiligen Standpunkt die gleichen prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten als Antragsberechtigte haben müßten.
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III. |
Die Antragsteller Baden-Württemberg, Bayern und Hessen halten einen wesentlichen Teil des Finanzausgleichsgesetzes für mit dem Grundgesetz unvereinbar.
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1. Bei der Verpflichtung zu Zahlungen an den Fonds "Deutsche Einheit" handele es sich materiell um eine Bestimmung, die den Umsatzsteuerausgleich nach Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG und den Länderfinanzausgleich des Art. 107 Abs. 2 GG regele. Die Zahlungen unterlägen damit den Grundsätzen für das Länderfinanzausgleichssystem und insbesondere dem Gebot der Angemessenheit.
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§ 1 Abs. 3 FAG verwirkliche "übergangsweise" bis zum Jahre 2005 zwischen den Ländern einen zusätzlichen Finanzausgleich mit abnehmender Intensität, der die Regelung des § 1 Abs. 2 FAG in erheblichem Maße überlagere. Dieser Finanzausgleich diene vor allem dem Zweck, den alten finanzschwachen Ländern den bisherigen Besitzstand vor der Wiedervereinigung jedenfalls für eine Übergangszeit und unter zunehmender Abschwächung zu wahren. Selbst wenn man anerkenne, daß es Gründe für die Mäßigung eines allzu abrupten Übergangs in der Finanzausstattung einzelner Länder gegeben habe, so befriedige die Regelung des § 1 Abs. 3 FAG in Kombination mit den Übergangszuweisungen gemäß § 11 Abs. 5 FAG ein im Ansatz gegebenes Ausgleichsbedürfnis jedenfalls in weit überzogenem Maße. In ihrem Zusammenwirken mit anderen Regelungen des Finanzausgleichs werde die unterschiedliche Finanzkraft der alten Länder hierdurch nochmals zusätzlich eingeebnet und in einer teilweisen Umkehrung der Finanzkraftreihenfolge sogar übernivelliert.
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2. Die Berücksichtigung der Hafenlasten bedürfe einer erneuten Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, da sie den Aussagen dieses Gerichts zur Berücksichtigung von Sonderbedarfen im allgemeinen widerspreche. Im Hinblick auf das föderale Gleichbehandlungsgebot werfe die Berücksichtigung eines Sonderbedarfs die Frage nach der Berücksichtigung anderer Sonderbedarfe auf, die im wesentlichen gleiche externe Effekte aufwiesen. Es sei nicht erkennbar, wodurch sich Seehäfen von anderen Infrastruktureinrichtungen unterschieden. So könne man aus der Sicht des Landes Hessen insbesondere fragen, ob die besonderen Finanzlasten zum Erhalt, Ausbau und Betrieb des Flughafens Frankfurt am Main ebenfalls ausgleichsbedürftig und berücksichtigungsfähig sein müßten.
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Darüber hinaus sei der gesamtstaatliche Nutzen der deutschen Seehäfen wegen des Binnenmarkts in der Europäischen Union zweifelhaft geworden. Der Verkehr über die niederländischen Häfen sowie über Genua und Marseille erlange zunehmend wirtschaftliche Bedeutung. Des weiteren stünden den Finanzierungslasten erhebliche Vorteile gegenüber. Schließlich fehle auch eine nachvollziehbare Begründung für die Höhe der Hafenlasten.
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3.a) Die Verfassungswidrigkeit der Einwohnerveredelung für die Stadtstaaten Bremen und Hamburg habe das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 24. Juni 1986 und vom 27. Mai 1992 zwar noch verneint. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Erwägungen könnten aber für eine heute grundlegend veränderte Ausgangslage nicht mehr gelten.
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Ein wesentlicher Unterschied sei schon darin zu sehen, daß inzwischen neben Bremen und Hamburg mit Berlin ein weiterer Stadtstaat hinzugekommen sei, dessen historische wie ökonomische Situation völlig andersartig sei als die der Hansestädte Bremen und Hamburg. Die Zahl der "veredelten" Einwohner werde hierdurch mehr als verdoppelt. Die Anwendung des Veredelungsfaktors auf das Land Berlin beruhe zudem nicht auf verläßlichen und objektivierbaren Indikatoren. Sie sei finanzwirtschaftlich nie geprüft worden.
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Die Einwohnerveredelung der Stadtstaaten gemäß § 6 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 FAG sei insgesamt verfassungswidrig, weil sie einen Bedarf berücksichtige und damit dem aufkommensorientierten verfassungsrechtlichen Begriff der Finanzkraft widerspreche. Im übrigen lasse sich ein entsprechender Mehrbedarf auch sachlich nicht begründen. Die Einwohnerveredelung werde mit der Vermutung des Brecht/Popitzschen Gesetzes von der "progressiven Parallelität zwischen Ausgaben und Bevölkerungsmassierung" begründet. Danach hätten einwohnerreiche Städte und Gemeinden in der Regel höhere Pro-Kopf-Ausgaben als solche mit einer kleineren Einwohnerzahl. Diese Vermutung sei jedoch weder theoretisch noch empirisch abgesichert und werde von Sachverständigen nachhaltig in Zweifel gezogen. Damit sei eine Ausnahme von der Regel, daß jeder Einwohner eines jeden Landes gleich zu bewerten sei und daß die Finanzkraft sich auf den realen Einwohner beziehe, nicht zu begründen und zu rechtfertigen.
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Die strukturelle Andersartigkeit der Stadtstaaten betreffe zudem nur die Nachbarländer, nicht alle Glieder des Bundes. Die kompensationsbedürftigen Spill-over-Effekte träten ausschließlich im unmittelbaren Umland der Stadtstaaten auf, jedoch nicht in den anderen Ländern ohne gemeinsame Grenzen mit den Stadtstaaten. Das Gebot der föderalen Gleichbehandlung erlaube Ausgleichsleistungen allenfalls zu Lasten der Länder, die aus den Einrichtungen und Leistungen der Stadtstaaten Vorteile ziehen könnten. Außerdem stehe den sog. externen Effekten zugunsten des Umlandes regelmäßig ein externer Nutzen für die Stadtstaaten durch die Leistungen der Anrainerregionen für die Bewohner der Stadtstaaten gegenüber, der diese externen Effekte zumindest zum Teil ausgleiche.
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Im übrigen sei die Einwohnerwertung von 135 v.H. nach der Wiedervereinigung auch deshalb zweifelhaft geworden, weil die Höhe dieser Wertung der schon damals geltenden Begünstigung der Stadtstaaten Hamburg und Bremen entspreche, aber wegen anderer Verhältnisse nicht ohne weiteres auf das nunmehr miteinbezogene Berlin übertragen werden könne.
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b) Die Einwohnerwertung des § 9 Abs. 3 FAG gehe auf eine im Jahr 1932 entwickelte Hypothese zurück, derzufolge mit steigender Größe einer Gemeinde der Finanzbedarf zunehme. Diese Annahme sei schon seinerzeit empirisch nicht konkret belegbar gewesen und bis heute empirisch-statistisch nicht hinreichend nachgewiesen worden.
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Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in seiner Entscheidung von 1992 nachhaltige Bedenken gegen die Einwohnerveredelung nach § 9 Abs. 3 FAG geäußert und die Regelung nur als "derzeit mit dem Grundgesetz vereinbar" bezeichnet. Eine Gesetzesvorschrift, an deren verfassungsrechtlicher Zulässigkeit das Bundesverfassungsgericht so entschiedene Zweifel geäußert und zu deren Überprüfung es den Gesetzgeber ausdrücklich verpflichtet habe, könne nicht durch reine Untätigkeit des Gesetzgebers zeitlich unbegrenzt aufrecht erhalten werden. Es sei an der Zeit, ihre Verfassungswidrigkeit auszusprechen.
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4. § 10 Abs. 2 und Abs. 4 FAG widerspreche dem angemessenen Ausgleich, weil er eine Abschöpfung der überdurchschnittlichen Finanzkraft in Höhe von mehr als der Hälfte des die durchschnittliche Finanzkraft übersteigenden Betrages zulasse.
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a) Mit einer gewissen historischen Berechtigung könne die Bewahrung der historischen Individualität der verschiedenen Länder und der regionalen Pluralität Deutschlands als wichtiges Ziel der bundesstaatlichen Ordnung gelten. Voraussetzung sei allerdings ein Maß an Finanzautonomie, das auch durch die Ausgestaltung des Finanzausgleichs erhalten bleiben müsse. Die vom Bundesstaatsprinzip intendierte bessere Aufgabenerfüllung durch dezentrales und sachnäheres Entscheiden sowie das vom Bundesstaatsprinzip gesicherte Maß an Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern setzten den Erhalt der finanziellen Grundlagen eines solchen begrenzten Wettbewerbs voraus. Eine völlige Einebnung der Finanzkraftunterschiede, wie sie vom geltenden Finanzausgleichsgesetz bewirkt werde, widerspreche diesem Grundgedanken.
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Eine wesentliche Legitimationsgrundlage des Föderalismus liege in der innovationsfördernden Funktion des politischen Wettbewerbs der Länder untereinander und gegenüber dem Bund. Dieses dem Bundesstaatsprinzip zu entnehmende Gebot des föderalen Wettbewerbs bestimme auch die finanzverfassungsrechtlich vorgegebene Verteilung der Finanzmittel auf die Länder. Besonderen Ausdruck finde dies in der grundsätzlich vorrangigen Verteilung nach örtlichem Aufkommen. Die einzelnen Länder würden hierdurch an den Steuereinnahmen beteiligt, die in ihrem Gebiet erwirtschaftet worden seien. Auch das Zerlegungsgesetz habe die Aufgabe, das Steueraufkommen den Ländern zuzuweisen, in denen es erwirtschaftet worden sei.
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b) Ein Widerspruch zu dem im Prinzip des örtlichen Aufkommens vorgegebenen und in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG abgesicherten Prinzip des föderalen Wettbewerbs ergebe sich daraus, daß das Ausgleichsniveau insgesamt zu hoch sei. Unter Einbeziehung der Bundesergänzungszuweisungen liege das Ausgleichsergebnis für alle Länder in der Nähe von 100 v.H. der Ausgleichsmeßzahl. Damit verlören sowohl die ausgleichsberechtigten als auch die ausgleichsverpflichteten Länder das finanzielle Interesse an der Pflege und Ausschöpfung der eigenen Steuerkraft sowie an der gleichmäßigen Durchsetzung der Besteuerung.
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c) Die Solidaritätspflicht des Bundes und der übrigen Länder sei nicht unbegrenzt. Das Grundgesetz sehe in Art. 29 die Möglichkeit einer Neugliederung des Bundesgebietes vor, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen könnten. Geringe Einwohnerzahl und dadurch verursachte überdurchschnittliche Kosten politischer Führung seien das typische Resultat einer unterbliebenen Länderneugliederung.
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d) Die Grenze des angemessenen Ausgleichs sei nach dem Grundsatz der "hälftigen Teilung" zu bestimmen. Wie dem Staatsbürger die Hälfte seines nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Ertrages zu verbleiben habe, so müsse auch die Abgabepflicht aus dem Eigenen eines Geberlandes auf die Hälfte seiner überdurchschnittlichen Finanzkraft beschränkt bleiben.
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Auch wenn eine unmittelbare Übertragung der Rechtsprechung zum Steuerrecht auf den Länderfinanzausgleich nicht in Betracht komme, könne sich immerhin im Finanzausgleich für die finanzstarken Länder eine dem Steuerzahler vergleichbare "Gefahrenlage" ergeben. Da die finanzschwachen Länder in den von ihnen beherrschten Gesetzgebungsverfahren "übermächtig" seien, könnten deren Vertreter in Bundesrat und Bundestag der Versuchung unterliegen, Eigeninteressen den Vorzug vor einer angemessenen Abwägung zu geben. Insofern seien die finanzstarken Länder in vergleichbarer Weise "schutzbedürftig" wie der Steuerzahler.
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Bei der Auslegung von Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG stünden sich zwei gegenläufige Verfassungsprinzipien gegenüber: die Autonomie der Länder auch auf finanziellem Gebiet und ihre Verpflichtung, bundesstaatlich füreinander einzustehen. Allerdings seien diese beiden Prinzipien in ihrer Formulierung unbestimmt. Das Bundesverfassungsgericht müsse dies in Zahlenwerten konkretisieren, also quantifizieren. Diese Quantifizierung des durch Auslegung ermittelten Bereiches müsse plausibel sein; dabei sei in der Regel der einfachere Zahlenwert der plausiblere. Für jede andere vorzuschlagende Quantifizierung müsse dargetan werden, daß sie für sich eine größere Plausibilität beanspruchen könne. Dies sei kein deduktives, aber ein rationales Verfahren, das den Länderfinanzausgleich auf eine hälftige Teilung der Finanzkraftüberschüsse begrenze.
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5. Die Fehlbetragszuweisungen nach § 11 Abs. 2 FAG nähmen den Ländern den Anreiz, eigene Einnahmen zu erzielen, weil sie in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Unterschiedes gegenüber dem Länderdurchschnitt gewährt würden. Das verfassungsrechtliche Nivellierungsverbot verbiete nicht nur eine Regelung, die allen Ländern exakt 100 v.H. der durchschnittlichen Finanzkraft gewähre. Das Nivellierungsverbot mache vielmehr nur Sinn, wenn darüber hinaus ein Abstand von deutlich mehr als 1 v.H. eingehalten werde. Die Regelung des § 11 Abs. 2 FAG mißachte dies und sei daher mit dem Grundgesetz unvereinbar.
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Da die Fehlbetragszuweisungen materiell eine Umverteilung vornähmen, seien sie am Verbot der Veränderung der Finanzkraftreihenfolge zu messen. Dies sei jedoch nicht beachtet, denn Baden-Württemberg sei im Jahr 1997 nach dem horizontalen Finanzausgleich unter den Durchschnitt der Finanzkraft je realem Einwohner gefallen, obwohl seine Finanzkraft vor dem Ausgleich überdurchschnittlich gewesen sei.
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6. Die Bundesergänzungszuweisungen für Kosten politischer Führung erfüllten weder dem Grunde noch der Höhe nach die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Sonderbedarfszuweisungen. Schon die Tatsache, daß neun von sechzehn Ländern entsprechende Zuweisungen erhielten, spreche dagegen, daß es sich um einen echten Sonderbedarf handele. Der Sache nach gehe es vielmehr um Fehlbetragszuweisungen, die dem Gebot des angemessenen Ausgleichs genügen müßten.
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Das föderative Gleichbehandlungsgebot sei nicht beachtet, weil entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Begründung für die Sonderbelastung fehle. Bislang sei weder belegt, daß kleinere Länder durch die Kosten der politischen Führung überhaupt stärker belastet seien, noch sei der Umfang der geltend gemachten Kosten in irgendeiner Weise nachgewiesen. Auch sei die gewählte Grenze der Kleinheit nicht nachvollziehbar. Die Bundesregierung habe daher im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verteilungskriterien erhoben, die zu Unrecht nicht beachtet worden seien. Die Sonderbedarfszuweisungen wegen überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung hätten durch die Neuregelung des Finanzausgleichsgesetzes zudem eine geradezu exponentielle Steigerung erfahren. Von 1987 bis 1991 hätten sie jährlich 220 Mio. DM, von 1992 bis 1994 im Zuge einer leichten Erhöhung jährlich 270 Mio. DM, seit 1995 aber 1.537 Mio. DM betragen. Diese Steigerung sei durch nichts zu rechtfertigen.
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Setze man die Kosten für die politische Führung in den einzelnen Ländern in Relation zu ihrer Einwohnerzahl, so ergäben sich erstaunliche Unterschiede. Es sei kaum vorstellbar, daß diese Differenzen ausschließlich durch die "Kleinheit" verursacht würden und nicht auf autonomen politischen Entscheidungen der Länder beruhten, die nicht über Sonderbedarfszuweisungen ausgeglichen werden dürften.
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Schließlich fehle es an einer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Angemessenheit der Zuweisungen und an einer Befristung oder Revisionsklausel.
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7. Die Übergangszuweisungen verstießen gegen Art. 107 Abs. 2 GG. Der Sache nach handele es sich um Fehlbetragszuweisungen, die mit dem auf sie anwendbaren Gebot des angemessenen Ausgleichs nicht vereinbar seien. Durch eine veränderte finanzielle Gesamtsituation im Bundesstaat insgesamt könne kein Sonderbedarf einzelner Länder begründet werden. Die veränderte Stellung der betroffenen westdeutschen Länder im Finanzausgleich sei vielmehr eine Ausprägung der bundesstaatlichen Solidarpflicht. Da mithin kein Sonderbedarf ausgeglichen werde, verstießen die Übergangszuweisungen gegen das Gleichbehandlungsgebot.
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Die Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 5 FAG verletzten auch das Nivellierungsverbot, weil sie im Ergebnis nichts anderes seien als verdeckte Fehlbedarfsergänzungszuweisungen, die den Empfängerländern auf der Grundlage des schon vorher erreichten hohen Ausgleichsniveaus eine überdurchschnittliche Finanzkraft vermittelten.
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Die Übergangszuweisungen seien im übrigen selbst dann verfassungswidrig, wenn sie als Sonderbedarfszuweisungen eingestuft werden könnten. Sie genügten nicht der Benennungs- und Begründungspflicht. Weder der Gesetzestext noch die Materialien gäben über Gegenstand, Grund oder Höhe des berücksichtigten Bedarfs Aufschluß. Ein konkreter Mehrbedarf, der beziffert werden könne, werde nicht angegeben. Die Übergangszuweisungen dienten in Wahrheit dazu, den Wegfall von bisherigen Fehlbetragszuweisungen auszugleichen.
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8. Das antragstellende Land Hessen äußert Bedenken gegen die Bundesergänzungszuweisungen zum Zwecke der Haushaltssanierung. Obwohl Bundesergänzungszuweisungen nicht dazu bestimmt seien, finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare oder voraussehbare Folge eigener politischer Entscheidungen des Landes bildeten, habe das Bundesverfassungsgericht es 1992 für richtig erachtet, Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel zuzulassen, wenn bei einer Haushaltsnotsituation eines Landes eine Abhilfe auf andere Weise nicht möglich sei. Diese Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes sei im Ansatz zweifelhaft und werde in der Literatur zu Recht kritisiert. In Beachtung der Entscheidung aus dem Jahr 1992 würden die Zuweisungen zum Zwecke der Haushaltssanierung aber nicht angefochten.
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9. Ungeachtet der Tatsache, daß das Grundgesetz den angemessenen Ausgleich nur in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG erwähne, unterliege das gesamte System des Finanzausgleichs - ohne Berücksichtigung von echten Sonderleistungen - dem Gebot des "angemessenen" Ausgleichs.
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Das Ergebnis des Gesamtsystems des Länderfinanzausgleichs verstoße gegen das Nivellierungsverbot, da sich nach Durchführung sämtlicher Stufen des Ausgleichssystems die Finanzkraft des Landes Baden-Württemberg je realem Einwohner in der Relation zum Länderdurchschnitt von 110,7 v.H. vor dem Finanzausgleich auf 97,3 v.H. nach der letzten Stufe des Finanzausgleichssystems verringert habe und die Finanzkraft des Landes damit im Jahr 1997 unter den Bundesdurchschnitt gesenkt worden sei. Insgesamt habe das Ausgleichssystem 1997 zur Folge gehabt, daß die durchschnittliche Finanzkraft der finanzstarken Flächenländer (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein) nach dem Ausgleich niedriger gewesen sei als die durchschnittliche Finanzkraft der finanzschwachen Flächenländer (Niedersachsen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland).
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10. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Planungssicherheit im Haushaltswesen werde nur die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Bestimmungen und die Festsetzung eines Zeitpunkts für ihr Außerkrafttreten beantragt, nicht aber eine Nichtigerklärung.
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IV. |
Die Antragsteller Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Bundesregierung sowie ein Teil der äußerungsberechtigten Länder halten die Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes überwiegend für verfassungsmäßig. Die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen gehen dagegen von der Verfassungswidrigkeit einzelner Regelungen aus und halten das Gesetz insgesamt für unverständlich und undurchschaubar.
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Die Bundesregierung hebt zunächst hervor, daß der Bund bei der Neuregelung des Finanzausgleichs zur Einbeziehung der neuen Länder versucht habe, ein modernes, auf Finanzkraftänderung der Länder flexibler reagierendes Finanzausgleichssystem zu schaffen. Demgegenüber habe sich der Gesetzentwurf der Länder durchgesetzt, der die Grundstrukturen des Finanzausgleichsgesetzes 1988 übernommen und bewahrt habe. Der Anteil der Länder am Umsatzsteueraufkommen sei im Rahmen des Solidarpakt-Kompromisses um 7 v.H. zu Lasten des Bundes aufgestockt worden, um dadurch die Auswirkungen des Vorwegausgleichs für die alten Länder zu kompensieren.
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Eine mehrjährige Finanzplanung sei bisher noch nie Grundlage der vertikalen Umsatzsteuerverteilung gewesen. Insoweit vertreten die Antragsteller zu 4. ebenso wie ein Teil der äußerungsberechtigten Länder die Ansicht, daß dieses Erfordernis in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG großzügig ausgelegt werden müsse.
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1. Die Erstattungen der alten Länder zur Finanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" ordnet die Bundesregierung ebenso wie ein Teil der äußerungsberechtigten Länder nicht dem Länderfinanzausgleich zu. Obwohl sie im Finanzausgleichsgesetz geregelt seien, unterlägen sie nicht dem aus Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Gebot eines angemessenen Ausgleichs unterschiedlicher Finanzkraft. Die alten Länder seien vielmehr im Rahmen des Schuldendienstes des Bundes nach § 6 des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" zu Erstattungen an den Bund für die vom Fonds getätigte Kreditaufnahme verpflichtet. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Regelung über die Beiträge der Länder zum Fonds "Deutsche Einheit" nach Einbeziehung der neuen Länder in den Finanzausgleich neu geregelt worden sei, um zu gewährleisten, daß ausschließlich die alten Länder mit der Finanzierung des Fonds belastet werden.
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2. Die Antragsteller zu 4. machen geltend, daß die Berücksichtigung der Hafenlasten nicht lediglich historisch gerechtfertigt werde, sondern auch dadurch, daß die aus der Unterhaltung und Erneuerung von Seehäfen folgenden Ausgabelasten dem Grunde nach auf geographischen Gegebenheiten beruhten, die nur bei den Küstenländern gegeben seien. Es handele sich um einen konkreten Sonderbedarf, der auf Faktoren beruhe, welche den politischen Entscheidungen der Länder entzogen seien, aber zu einer positiven Gesamtleistung für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt führe. Auch die äußerungsberechtigten Länder Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt vertreten die Ansicht, daß es sich bei den Hafenlasten um einen Sonderbedarf handele, der durch frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich anerkannt worden sei. Heute sei der Ausgleich insbesondere aus Gründen der allokativen Effizienz geboten. Damit sei zwar noch nicht gesagt, ob und an welcher Stelle in den Rechenschritten des Länderfinanzausgleichs dieser Ausgleich stattfinden solle. Insoweit gebe es gute Gründe, den Pauschalabzug von den Finanzkraftmeßzahlen nicht als optimale Problemlösung zu verstehen. Seine Auswirkungen auf das Gesamtergebnis des Finanzausgleichs seien unsicher. Kaum zu bemessen seien die tatsächlichen Belastungen der Küstenländer durch die Seehäfen. Ein hälftiger Abschlag von den Nettokosten sei - als grobe Schätzung der tatsächlich den Küstenländern entstehenden Aufwendungen - ein grundsätzlich geeigneter Anhaltspunkt für die Bedarfsberücksichtigung. Mit der Absetzung von der Finanzkraftzahl verliere die Rechnung aber an Plausibilität.
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Die Bundesregierung hält die Regelung des § 7 Abs. 3 FAG zwar für verzichtbar, aber nach Maßgabe der früheren Urteile des Bundesverfassungsgerichts für verfassungsgemäß.
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Demgegenüber gehen die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen davon aus, daß die zu den Urteilen des Senats dargestellten Gegenargumente ein solches Gewicht hätten, daß in einer auf Systemstimmigkeit zielenden Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs die Hafenlasten nicht länger eine besondere Berücksichtigung erfahren dürften. Selbst wenn insoweit eine "60jährige Tradition" bestanden habe, könne diese heute keinen Bestandsschutz mehr beanspruchen. Zudem seien die Seehäfen keineswegs die einzigen Einrichtungen, denen - wenn überhaupt - ausgleichswürdige Spill-over-Effekte zukämen.
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3.a) Die Einwohnerwertung zugunsten der Stadtstaaten berücksichtigt nach Ansicht der Antragsteller zu 4. und eines Teils der äußerungsberechtigten Länder die Andersartigkeit der Stadtstaaten gegenüber den Flächenstaaten. Erstere seien isolierte Wirtschaftszentren mit überdurchschnittlich hoher Produktivität und Wirtschaftskraft, bei denen die im Vergleich mit den Flächenländern strukturell höhere Wirtschaftskraft je Einwohner mit der zu ihrem Erhalt und Ausbau erforderlichen Finanzkraft gekoppelt sei. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI) habe in einem Gutachten für die Freie und Hansestadt Hamburg darauf hingewiesen, daß es sich bei der Stadtstaatenproblematik im Kern nicht um eine Frage partieller Bedarfsunterschiede oder von Sonderbedarfen oder Sonderlasten handele, sondern um ein Problem mangelnder Eignung der Einwohnerzahl als abstraktem Bedarfsmaßstab infolge der strukturellen Besonderheiten der Stadtstaaten. Die ökonomisch begründete und belegbare strukturelle Andersartigkeit sei normativ im Grundgesetz vorausgesetzt und anerkannt. Sie bestehe gegenüber allen Flächenländern, so daß sie im Finanzausgleich insgesamt und nicht nur im Hinblick auf die Nachbarländer berücksichtigt werden müsse. Das Kernproblem der Stadtstaaten liege in der Überzeichnung ihrer Finanzkraft im Länderfinanzausgleich. Außerdem rechtfertige sich die höhere Einwohnerwertung durch die höhere Einnahmen- und Ausgabenstruktur im Vergleich zu den Flächenländern, für Berlin zudem aus seiner Funktion als Bundeshauptstadt.
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Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt stellen das Kriterium der tatsächlichen Einwohnerzahl dort in Frage, wo aus unverfügbar vorgegebener struktureller Eigenart einzelner Länder von vornherein die Angemessenheit fehle. Das vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erstellte Gutachten zur Frage der angemessenen Höhe der Einwohnerwertung habe ergeben, daß die in § 9 Abs. 2 FAG vorgesehene Wertung von 135 v.H. im Rahmen dessen liege, was sich aus strukturellen Besonderheiten der Stadtstaaten ableiten lasse. Insgesamt sei die Stadtstaatenregelung wegen der Bedarfsorientierung des Länderfinanzausgleichs zulässig, sie sei sogar verfassungsrechtlich geboten, solange der Bundesgesetzgeber nicht eine andere angemessene Ausgleichsregelung schaffe.
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Zur Einbeziehung Berlins in die Stadtstaatenregelung weist das äußerungsberechtigte Land Hamburg darauf hin, daß Berlin in historischer Perspektive nicht zu den gewachsenen Stadtstaaten gehöre. Berlin sei allerdings die größte und wichtigste Stadt Preußens gewesen und habe eine lange zurückreichende Hauptstadttradition. Diese Hauptstadtfunktion Berlins werde bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs zu beachten sein. Es handele sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe, die entsprechend finanziert werden müsse. Auch die äußerungsberechtigten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt heben die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt hervor, die weit über das benachbarte Land Brandenburg hinausreiche. Das föderative Gleichbehandlungsgebot fordere die Einbeziehung Berlins in die Regelung des § 9 Abs. 2 FAG, da es sich bei Berlin ebenso um einen Stadtstaat handele wie bei Bremen und Hamburg.
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Berlin führt aus, daß eine Vergleichbarkeit mit den Hansestädten gegeben sei. Alle vom Bundesverfassungsgericht genannten Sonderfaktoren träfen auch auf Berlin zu, das zudem sogar zeitweise Hansestadt gewesen sei. Die Umland-Problematik lasse sich nicht auf das Land Brandenburg beschränken. Entscheidend sei außerdem, daß diese zu einem höheren Grundbedarf Berlins führe; wem dieser zugute komme, sei unerheblich. Ohne die Einwohnerveredelung wären die Stadtstaaten und insbesondere Berlin nicht in der Lage, ihre verfassungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen.
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Auch nach Meinung der Bundesregierung ist § 9 Abs. 2 FAG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, daß sich die Einwohnerveredelung mit 135 v.H. für Hamburg und Bremen im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten Entscheidungsraumes bewege. Die Stadtstaaten seien ohne Umland, hätten also nicht die Möglichkeit, ihre Metropole aus der Fläche zu finanzieren. Die strukturelle Besonderheit der Stadt Berlin habe innerhalb des Bundesstaates dieselbe Qualität wie die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Diesen Ausführungen hat sich Berlin angeschlossen.
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Demgegenüber unterstützen die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen die Kritik der Antragsteller zu 1. bis 3. an der Stadtstaatenregelung. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar die Einwohnerwertung zugunsten der Stadtstaaten dem Grunde nach für zulässig angesehen, weil die Stadtstaaten Staaten ohne Umland seien. Von dieser den "begrenzten" Stadtstaaten zukommenden "Umlandversorgungsfunktion" profitierten jedoch nicht alle, sondern nur angrenzende Länder.
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b) Nach Auffassung der Antragsteller zu 4. kann aus der Nichtbeachtung des Auftrags zur Überprüfung der Einwohnerwertung des § 9 Abs. 3 FAG nicht geschlossen werden, daß die zu prüfende Norm mit dem Grundgesetz nun nicht mehr vereinbar sei. Mit dem ausdrücklichen Gebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GG, den gemeindlichen Finanzbedarf zu berücksichtigen, anerkenne das Grundgesetz, daß im gemeindlichen Bereich ein gleicher Finanzbedarf je Einwohner nicht zwingend unterstellt werden dürfe. Die Möglichkeit strukturell vorgegebener Unterschiede lasse den Maßstab des realen Einwohners unangemessen erscheinen. Mangels anderer verläßlicher Indikatoren für den abstrakten Bedarf überschreite der Finanzausgleichsgesetzgeber nicht den von der Verfassung zugestandenen Entscheidungsraum.
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Auch die Bundesregierung vertritt die Ansicht, es sei nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber den Prüfungsauftrag anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bislang nicht erfüllt habe. Da die Auswirkungen der Gemeindegebietsreform in den neuen Ländern noch nicht absehbar seien, sei der Gesetzgeber bislang gehindert gewesen, dem vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Prüfauftrag nachzukommen.
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c) Die äußerungsberechtigten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt führen die Nichterfüllung des Prüfauftrags zumindest zum Teil auch darauf zurück, daß die Finanzwissenschaft bislang keine gesicherten Erkenntnisse über verläßliche abstrakte Bedarfskriterien gewonnen habe. Der gesamtdeutsche Finanzausgleich mache eine neue problematische Seite der Einwohnerveredelung bewußt, die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 noch keine Rolle gespielt habe. Die östlichen Länder seien generell dünner besiedelt als die westlichen. Unter den Flächenländern habe Mecklenburg-Vorpommern die geringste Bevölkerungsdichte. Die Agglomerationsprämie des § 9 Abs. 3 FAG begünstige deshalb die westlichen Länder, obwohl es gerade die Kommunen im Osten seien, die erhebliche infrastrukturelle Nachholbedarfe hätten.
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Auch die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen gehen davon aus, daß der aus der "alten" Bundesrepublik übernommene Maßstab des bundesstaatlichen Finanzausgleichs im wiedervereinigten Deutschland nicht weiter angewendet werden könne, weil er eine generelle und ungerechtfertigte Privilegierung der alten Länder gegenüber den neuen Ländern zur Folge habe. Im Länderfinanzausgleich, in dem es auf die Gesamtheit des Finanzbedarfs der Kommunen ankomme, dürften die unterschiedlichen kommunalen Siedlungsstrukturen keine Rolle spielen.
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Demgegenüber macht Berlin geltend, es treffe nicht zu, daß es keine Unterschiede im Bedarf zwischen Stadt und Land gebe und alle Bürger gleichermaßen Anspruch auf staatliche Leistungen hätten. Ansonsten müßten Museen und Opernhäuser, die lediglich in großen Städten vorhanden seien, geschlossen werden.
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4. Die Antragsteller zu 4. halten die Regelung des § 10 FAG für verfassungsgemäß. Die ausgleichspflichtigen Länder würden bei der Bestimmung des Ausgleichsumfangs nur insoweit belastet, als ihre Leistungsfähigkeit nicht entscheidend geschwächt und auch keine Nivellierung der Länderfinanzen herbeigeführt werde.
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Die Antragsteller zu 4. und die äußerungsberechtigten Länder machen geltend, daß sich der aus Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG abgeleitete Grundsatz der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand nicht auf den Länderfinanzausgleich übertragen lasse. Eine solche Grenze könne auch nicht aus der "richtigen Mitte" im Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und bündischem Einstehen füreinander abgeleitet werden, weil sich hieraus keine quantifizierbaren Folgerungen ergäben. Die "richtige Mitte" sei keine "rechnerische Mitte". Vielmehr bestimme der Finanzausgleichsgesetzgeber, welche Mitte die "richtige" sei.
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Die Bundesregierung geht ebenfalls davon aus, daß § 10 FAG verfassungsgemäß ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab der Angemessenheit im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG das Nivellierungsverbot und das Verbot der Veränderung der Finanzkraftreihenfolge der ausgleichspflichtigen Länder. Hiermit sei die gesetzliche Regelung vereinbar. Eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge unter den ausgleichspflichtigen Ländern werde durch die in § 10 FAG angelegte Abschöpfung der Finanzkraft bei den Geberländern ausgeschlossen. Einer möglicherweise aus der Ländersteuergarantie nach § 10 Abs. 3 FAG resultierenden Veränderung der Finanzkraftreihenfolge der Nehmerländer komme keine verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Solange der horizontale Finanzausgleich nicht die gesamte, 100 v.H. der Ausgleichsmeßzahl übersteigende, Finanzkraft für die Ausgleichszuweisungen heranziehe, sei die Abschöpfung zulässig. Es liege in der Tradition des bündischen Einstehens der Länder untereinander, daß die Leistungspflichten der Zahlerländer im Finanzausgleich durch die Ausgleichsansprüche der Nehmerländer bestimmt würden.
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5. Die Antragsteller zu 4. sowie die äußerungsberechtigten Länder halten die Fehlbetragszuweisungen des § 11 Abs. 2 FAG für verfassungskonform. Eine Angleichung auf 99,5 v.H. des Länderdurchschnitts schließe einen Verstoß gegen das Nivellierungsverbot aus. Die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen weisen darauf hin, daß das Absinken der Geberländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg nach den Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen unter die Durchschnittsmarke seine Ursache ersichtlich in der Einwohnerwertung habe, welche die Finanzkraft der Stadtstaaten überproportional erhöhe und dadurch auch das Durchschnittsniveau der Finanzkraft bestimme.
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6. Die Antragsteller zu 4. sowie der überwiegende Teil der äußerungsberechtigten Länder und die Bundesregierung halten auch die Regelung des § 11 Abs. 3 FAG für verfassungskonform, da sie der Besonderheit Rechnung trage, daß der Umfang der für die politische Führung zu erbringenden Leistungen weitgehend unabhängig von der Zahl der Leistungsempfänger sei. Hierdurch ergäben sich höhere Pro-Kopf-Ausgaben für diese Aufgaben in den kleineren Ländern.
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Nach Auffassung der Bundesregierung führt die konkrete Regelung jedoch dazu, daß nicht die kleinen Länder mit geringer Einwohnerzahl und dementsprechend überdurchschnittlich hohen Kosten politischer Führung die größten Beträge erhielten, sondern die proportional weniger belasteten großen Länder. Zudem gehe die Höhe der Zahlung auf Berechnungen der Länder zurück, so daß fraglich sei, ob es dem Gesetzgeber gelungen sei, sich - wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt habe - ein eigenes Urteil zu bilden. Weiterhin erscheine fraglich, ob eine Einbeziehung der Verwaltungskosten der Länder in die Bemessung der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen verfassungsrechtlich zulässig sei.
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7. Die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen setzen sich mit Stimmen in der Literatur auseinander, die eine Finanzierung des "Nachholbedarfs" der neuen Länder durch Bundesergänzungszuweisungen (§ 11 Abs. 4 FAG) gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG für unzulässig halten. Die teilungsbedingten Bundesergänzungszuweisungen seien und blieben jedoch ein temporärer Ausnahmefall und kein normales Element des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Daß die Berücksichtigung dieser Ausnahmesituation auch im Kontext des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ihren legitimen Platz finden könne, habe das Bundesverfassungsgericht in ausführlichen Erwägungen für den Fall einer Haushaltsnotlage dargelegt.
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8. Die Antragsteller zu 4. und der überwiegende Teil der äußerungsberechtigten Länder sehen eine Rechtfertigung für die Übergangs-Bundesergänzungszuweisungen (§ 11 Abs. 5 FAG) darin, daß die Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich zu einer erhöhten Belastung der finanzschwächeren alten Länder geführt habe. Notwendigkeit und Rechtfertigung eines solchen schonenden Übergangs ergäben sich aus dem Prinzip der Rechtssicherheit. Übergangsregelungen seien insoweit ein adäquates Mittel, um Veränderungen des Rechtszustands für die Betroffenen erträglich auszugestalten.
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Auch die Bundesregierung macht geltend, daß diese Übergangsregelung den finanzschwachen alten Ländern die Umstellung auf den gesamtdeutschen Finanzausgleich erleichtern solle. Aufgrund ihrer Funktion als Übergangshilfe könnten die Zahlungen somit in Art, Umfang und Höhe als berücksichtigungsfähiger Sonderbedarf hinreichend abgegrenzt und begründet werden. Es handele sich nicht um Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen. Aus diesem Grund unterlägen die genannten Zahlungen weder dem Nivellierungsverbot noch dem Verbot der Veränderung der Finanzkraftreihenfolge.
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9. Im übrigen hält der überwiegende Teil der äußerungsberechtigten Länder die nur hälftige Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft für verfassungswidrig. Eine erneute Prüfung der Regelung in § 8 Abs. 5 FAG sei auch deshalb angezeigt, weil sich das System der Gemeindefinanzen gegenüber dem Jahr 1992 entscheidend geändert habe. Das "Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform" vom 29. Oktober 1997 habe die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft, die Gewerbesteuerumlage erhöht und die Gemeinden zum Ausgleich für ihre Mindereinnahmen aus dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer mit einem Anteil von 2,2 v.H. am Aufkommen der Umsatzsteuer beteiligt (§ 1 Abs. 1 FAG). Diese veränderten finanziellen Grundlagen der Gemeinden ließen es zweifelhaft erscheinen, ob sich in ihren Steuereinnahmen gemeindeautonome Entscheidungen spiegelten. Die neue Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden verstetige einerseits zwar die gemeindlichen Steuereinnahmen, andererseits löse sie aber die Verbindung von Äquivalenzprinzip und gemeindlichen Steuern.
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Ein Wegfall des § 8 Abs. 5 FAG würde die Transparenz und Berechenbarkeit des Länderfinanzausgleichs erhöhen. Wenn der Gesetzgeber ungeachtet dieser Bedenken aus politischen Gründen an der Regelung festhalten wolle, so könne dies verfassungsrechtlich nur hingenommen werden, wenn zugleich der hohe Ausgleichsgrad im Länderfinanzausgleich insgesamt erhalten bleibe.
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Die äußerungsberechtigten Länder Sachsen und Thüringen weisen darauf hin, daß auch der abstrakte kommunale Finanzbedarf aufgrund der Einwohnerzahl ermittelt werde. Der zweite Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Nr. 1 GG gewinne eine darüber hinausgehende Bedeutung nur dann, wenn es Kriterien für einen generellen Mehrbedarf bei der Aufgabenerfüllung der Kommunen gebe. Solche seien jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere sei die Siedlungsdichte bereits Gegenstand des § 9 Abs. 3 FAG, der wiederum in seiner Tragfähigkeit und Sachangemessenheit vom Bundesverfassungsgericht als fragwürdig eingestuft worden sei. Eine Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, die sich der größtmöglichen Rationalität, Transparenz und Widerspruchsfreiheit verpflichtet wisse, müsse deshalb § 8 Abs. 5 FAG streichen.
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Demgegenüber vertritt Berlin die Ansicht, daß die Regelung des § 8 Abs. 5 FAG weiterhin auf der Grundlage der Verfassungsrechtsprechung gerechtfertigt sei, zumal hinreichende und verläßliche Faktoren für den kommunalen Bedarf immer noch fehlten.
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Die äußerungsberechtigten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt halten es für verfassungsrechtlich geboten, die Konzessionsabgaben als Teil der Finanzkraft der Kommunen in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen. Die Ausgleichserheblichkeit der Konzessionsabgaben habe deutlich zugenommen. Ihre Nichtberücksichtigung begünstige die Länder, deren Kommunen überdurchschnittlich hohe Einnahmen aus den Konzessionsabgaben erzielten.
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B. -- I. |
Die Normenkontrollanträge zu 1. bis 3. sind zulässig.
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Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz auf Antrag einer Landesregierung. Gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG sind die Anträge der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zulässig, weil die Antragsteller das Finanzausgleichsgesetz für mit dem Grundgesetz unvereinbar halten.
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1. Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht entgegen, daß die Antragsteller dem gegenwärtigen Finanzausgleichsgesetz im Bundesrat zugestimmt haben (Bundesrat, StenBer, 657. Sitzung vom 28. Mai 1993, S. 221). Der objektive Charakter des abstrakten Normenkontrollverfahrens (BVerfGE 83, 37 [49]) macht die Antragsteller zu Garanten der verfassungsgemäßen Rechtsordnung, die sich nicht schon vor ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat schlüssig werden müssen, ob sie später - insbesondere aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Vollzug des Bundesrechts - einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle stellen werden. Das Normenkontrollverfahren des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 BVerfGG dient der gerichtlichen Überprüfung einer in Kraft getretenen Norm, nicht einer schon während des Normentstehensverfahrens eingeleiteten Kontrollentschließung.
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Im übrigen kann sich die tatsächliche Bedeutung des Finanzausgleichsgesetzes in den vergangenen Jahren verändert haben. Zudem wird die Nichterfüllung ausdrücklicher Regelungs- und Prüfungsaufträge des Bundesverfassungsgerichts gerügt.
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2. Die Normenkontrollanträge zielen ausdrücklich oder mittelbar aufgrund des Umfangs der beanstandeten Vorschriften auf eine Prüfung des Gesamtsystems des Finanzausgleichsgesetzes unter den veränderten Bedingungen einer Ausgleichsteilhabe auch der neuen Länder. Auch der Gesetzgeber war zunächst von der Notwendigkeit einer grundlegenden Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes ab dem 1. Januar 1995 ausgegangen (vgl. Art. 31 [§ 2 Abs. 2 FondsG] StaatsVG).
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II. |
Die Länder Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein beantragen, das Finanzausgleichsgesetz für verfassungsgemäß zu erklären. Ob dieser Normenkontrollantrag gegenüber einem Gesetz, dessen Beachtung und Vollzug nicht in Frage gestellt wird, zulässig ist (vgl. BVerfGE 96, 133 [137 f.]), kann offen bleiben, weil seine Zulässigkeit keine Auswirkung auf den Ablauf und den Prüfungsumfang des vorliegenden Verfahrens hat.
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C. |
Das Finanzausgleichsgesetz bestimmt die in Art. 106 und Art. 107 GG für die gesetzliche Ausgestaltung der Finanzverfassung vorgegebenen Maßstäbe nicht mit hinreichender Deutlichkeit und ist deshalb nur noch als Übergangsrecht anwendbar.
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I. |
1. Die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat wird durch die Finanzverfassung des Grundgesetzes in ihren Grundlinien festgelegt. Daraus ergibt sich ein verfassungsrechtlich normiertes Gefüge, das in sich durchaus beweglich und anpassungsfähig ist, dessen einzelne Stufen aber nicht beliebig ausgewechselt oder übersprungen werden können (BVerfGE 72, 330 [383]). Das Grundgesetz beauftragt den Gesetzgeber, die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zu konkretisieren und zu ergänzen. Dies gilt insbesondere für die Maßstäbe bei der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG), die Kriterien für die Gewährung von Umsatzsteuerergänzungsanteilen (Art. 107 Abs. 1 Satz 4, 2. Hs. GG), die Voraussetzungen für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten sowie die Maßstäbe für deren Höhe (Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG) und schließlich für die Benennung und Begründung der Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG).
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Die Finanzverfassung enthält somit keine unmittelbar vollziehbaren Maßstäbe, sondern verpflichtet den Gesetzgeber, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem entsprechend den vorgefundenen finanzwirtschaftlichen Verhältnissen und finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen. Der Gesetzgeber muß - unabhängig von wechselnden Ausgleichsbedürfnissen und von konkreten Zuteilungs- und Ausgleichssummen - langfristig anwendbare Maßstäbe bestimmen, aus denen dann die konkreten, in Zahlen gefaßten Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen abgeleitet werden können.
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Dieser Regelungsauftrag an den Gesetzgeber wird auch in der Revisionsklausel des Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG deutlich. Diese Verfassungsnorm setzt einen gesetzlich festgelegten Maßstab für die Bestimmung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder voraus, nach denen die Umsatzsteueranteile von Bund und Ländergesamtheit zu berechnen sind. Ohne einen solchen langfristig angelegten gesetzlichen Maßstab läßt sich nicht feststellen, ob sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt hat.
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a) Der Auftrag zur Umsatzsteuerverteilung ist erst vollziehbar, nachdem der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich vorgegebenen "Grundsätze" des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 und 2 GG inhaltlich verdeutlicht und insbesondere den Tatbestand der "laufenden Einnahmen" und der "notwendigen Ausgaben" so bestimmt und berechenbar geformt hat, daß daraus Verteilungsschlüssel abgeleitet werden können. Auf der zweiten Stufe ist der Gesetzgeber ermächtigt, die Unterdurchschnittlichkeit der Einnahmen gemäß Art. 107 Abs. 1 Satz 4, 2. Hs. GG berechenbar zu definieren und das Gesamtvolumen der Ergänzungsanteile näher zu bestimmen. Die dritte Stufe, der horizontale Finanzausgleich, verlangt vom Gesetzgeber ebenfalls zunächst eine Maßstabgebung, aus der dann die konkreten Ansprüche und Verbindlichkeiten abgeleitet werden können. Nach Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG genügt es nicht, daß das Finanzausgleichsgesetz die Ausgleichsansprüche und die Ausgleichsverbindlichkeiten regelt, vielmehr sind die "Voraussetzungen" für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten sowie die "Maßstäbe" für die Höhe der Ausgleichsleistungen im Gesetz zu bestimmen. Auf der vierten Stufe schließlich wird der Gesetzgeber ermächtigt, für benannte und begründete Sonderlasten (vgl. BVerfGE 72, 330 [404 ff.]) Ergänzungszuweisungen vorzusehen.
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Das Gesetz ermöglicht eine Unterscheidung zwischen laufenden und sonstigen Einnahmen sowie zwischen notwendigen und sonstigen Ausgaben, macht eine wesentlich veränderte Entwicklung des Verhältnisses zwischen Einnahmen und Ausgaben (Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG) anhand eines diese Entwicklung begleitenden Maßstabs feststellbar und entfaltet die zentrale Größe der durchschnittlichen Finanzkraft (Art. 107 Abs. 1 Satz 4, 2. Hs., Art. 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) als einen entwicklungsbestimmenden Tatbestand und nicht nur als Jahresereignis. Außerdem hat der Gesetzgeber die nur allgemein vorgezeichneten Ziele der Umsatzsteuerverteilung ("billiger Ausgleich", Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG) und des horizontalen Finanzausgleichs ("angemessener Ausgleich", Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG) durch die Verpflichtung zur Maßstabbildung und zur Begründung finanzwirtschaftlich handhabbar, nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.
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b) Der Gesetzgeber hat somit bei der Regelung des Finanzausgleichs einen doppelten Auftrag: Zunächst hat er die verfassungsrechtlichen Grundsätze inhaltlich zu verdeutlichen und seine verfassungskonkretisierenden Maßstäbe der Zuteilung und des Ausgleichs tatbestandlich zu benennen. Sodann hat er aus diesen Maßstäben die konkreten finanzrechtlichen Folgerungen für die jeweilige Ertragshoheit, Zuweisungsbefugnis und Empfangsberechtigung, Ausgleichsberechtigung und Ausgleichsverpflichtung zu ziehen.
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Das variable Steuerzuweisungs- und Ausgleichssystem stützt sich also in seiner Konkretheit wie in seiner Zeitwirkung auf drei aufeinander aufbauende Rechtserkenntnisquellen: Das Grundgesetz gibt in der Stetigkeit des Verfassungsrechts die allgemeinen Prinzipien für die gesetzliche Steuerzuteilung und den gesetzlichen Finanzausgleich vor; der Gesetzgeber leitet daraus langfristige, im Rahmen kontinuierlicher Planung fortzuschreibende Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäbe ab; in Anwendung dieses den Gesetzgeber selbst bindenden maßstabgebenden Gesetzes (Maßstäbegesetz) entwickelt das Finanzausgleichsgesetz sodann kurzfristige, auf periodische Überprüfung angelegte Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen.
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Mit der auf langfristige Geltung angelegten, fortschreibungsfähigen Maßstabbildung stellt der Gesetzgeber zunächst sicher, daß Bund und Länder die verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren, ihnen gemeinsam dieselben Indikatoren zugrunde legen und damit einen Vergleich der Deckungsbedürfnisse ermöglichen.
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c) Dem Verfassungsauftrag zur langfristigen gesetzlichen Maßstabbildung und deren gegenwartsnaher Anwendung in den konkreten Finanzfolgen liegt eine Zeitenfolge zugrunde, die eine rein interessenbestimmte Verständigung über Geldsummen ausschließt oder zumindest erschwert. Die Finanzverfassung verlangt in Art. 106 Abs. 3 und 4 sowie Art. 107 Abs. 2 GG eine gesetzliche Maßstabgebung, die den rechtsstaatlichen Auftrag eines gesetzlichen Vorgriffs in die Zukunft (vgl. G. Husserl, Recht und Zeit. Fünf rechtsphilosophische Essays, 1955, S. 27 ff.) in der Weise erfüllt, daß die Maßstäbe der Steuerzuteilung und des Finanzausgleichs bereits gebildet sind, bevor deren spätere Wirkungen konkret bekannt werden.
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In dem Erfordernis eines auf Planung aufbauenden Gesetzes (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG) ist die Bildung langfristiger Maßstäbe angelegt, die dem Gesetz wieder seine herkömmliche rechtsstaatliche Funktion zuweisen: Das Gesetz gestaltet in seiner formellen Allgemeinheit rational-planmäßig die Zukunft, setzt eine gewisse Dauerhaftigkeit der Regel voraus, erstreckt ihre Anwendung auf eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle, verwirklicht damit Distanz zu den Betroffenen, wendet die Aufmerksamkeit des regelnden Organs dem auch für die Zukunft verpflichtenden Maß zu und wahrt [quasi-amtliche Sammlung: "verwirklicht"] die Erstzuständigkeit des Gesetzgebers bei der Verfassungsinterpretation.
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Diese Offenheit für die allgemeine, in die Zukunft vorausgreifende Regel bleibt erhalten, wenn der Gesetzgeber das Maßstäbegesetz beschließt, bevor ihm die Finanzierungsinteressen des Bundes und der einzelnen Länder in den jährlich sich verändernden Aufkommen und Finanzbedürfnissen bekannt sind. Deshalb muß dieses maßstabgebende Gesetz in zeitlichem Abstand vor seiner konkreten Anwendung im Finanzausgleichsgesetz beschlossen und sodann in Kontinuitätsverpflichtungen gebunden werden, die seine Maßstäbe und Indikatoren gegen aktuelle Finanzierungsinteressen, Besitzstände und Privilegien abschirmen. Auch wenn sich nicht ein allgemeiner "Schleier des Nichtwissens" (J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1. Aufl., 1975, S. 29 ff., 159 ff.) über die Entscheidungen der Abgeordneten breiten läßt, kann die Vorherigkeit des Maßstäbegesetzes eine institutionelle Verfassungsorientierung gewährleisten, die einen Maßstab entwickelt, ohne dabei den konkreten Anwendungsfall schon voraussehen zu können. Die klassische Zeitwirkung von Vor-Rang und Vor-Behalt des Gesetzes ist auch in den bundesstaatlichen Gesetzesvorbehalten erneut zur Wirkung zu bringen.
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d) Handlungsmittel für die Verdeutlichung und Vervollständigung des finanzverfassungsrechtlichen Zuteilungs- und Ausgleichssystems ist das Gesetz. Die Regelung des Finanzausgleichs darf nicht dem freien Spiel der politischen Kräfte überlassen bleiben. Das Grundgesetz stellt seine behutsam aufeinander abgestimmten Regeln über Steueraufkommen und Finanzausgleich nicht am Ende eines abgestuften und aufeinander bezogenen Regelungssystems zur Disposition der betroffenen Körperschaften. Es beauftragt vielmehr den Gesetzgeber, die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben in Fortbildung der bundesstaatlichen Verfassungsprinzipien so auszuformen, daß die Finanzverfassung in zeitgerechten Maßstäben verdeutlicht wird und die Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen jeweils gegenwartsgerecht bemessen und periodisch überprüft werden können.
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Eine nur vertragliche Verständigung über Tatbestände und Rechtsfolgen des Finanzausgleichsgesetzes ist auch deshalb ausgeschlossen, weil damit jedes Land, das zum Vertragsschluß nicht bereit wäre, sich seinen Ausgleichspflichten entziehen könnte. Andererseits rechtfertigt auch die bloße parlamentarische Mehrheit noch nicht den beschlossenen Finanzausgleich. Der Gesetzgeber hat gegenläufige Interessen festzustellen, zu bewerten und auszugleichen. Er darf aber nicht allein in der Rechtfertigung eines Mehrheitswillens zu Lasten einer Minderheit auf fremde Haushalte zugreifen oder Ausgleichsansprüche vereiteln. Damit begegnet eine Gesetzgebungspraxis, die das Finanzausgleichsgesetz faktisch in die Verantwortlichkeit des Bundesrates verschiebt, verfassungsrechtlichen Einwänden.
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e) Mit dem Maßstäbegesetz erfüllt der parlamentarische Gesetzgeber den Auftrag, die verfassungsrechtlichen Zuteilungs- und Ausgleichsprinzipien zu konkretisieren und zu ergänzen. Der Bundestag nimmt - mit Zustimmung des Bundesrates - mit der Maßstabgebung die ihm vom Grundgesetz übertragene Verantwortung für diese Verfassungskonkretisierung wahr und bindet sich selbst in diesen Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäben (vgl. auch BVerfGE 79, 311 [356 f.]). Eine Maßstäbegesetzgebung schafft abstrakte Kriterien für konkrete Finanzfolgen, in denen der Gesetzgeber sich selbst und der Öffentlichkeit Rechenschaft gibt, die rechtsstaatliche Transparenz der Mittelverteilung sichert und die haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und Voraussehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Autonomiegrundlagen für den Bund und jedes Land gewährleistet.
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2. Die Finanzverfassung bindet das Maßstäbegesetz und das darauf aufbauende Finanzausgleichsgesetz auf den vier Stufen der Finanzverteilung insbesondere an folgende Maximen:
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a) Auf der ersten Stufe, der Verteilung der Ertragshoheit über das Steueraufkommen zwischen Bund und Ländern, ist die variable vertikale Verteilung des Umsatzsteueraufkommens zwischen Bund und Ländergesamtheit nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG an verfassungsrechtlich vorgegebene Grundsätze gebunden. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben Bund und Länder gleichmäßigen Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Der Umfang der notwendigen Ausgaben ist unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung, also in finanzwirtschaftlicher Rationalität und geplanter Kontinuität zu ermitteln. Die Deckungsbedürfnisse sind im Sinne eines "billigen" Ausgleichs aufeinander abzustimmen, der eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermeidet und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse wahrt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die "notwendigen" von den im Haushalt veranschlagten Ausgaben zu unterscheiden, also in einer Erforderlichkeits- und Dringlichkeitsbewertung von Ausgabestrukturen der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern eine Grenze des Finanzierbaren vorzugeben. Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft, nicht in ihrer Finanzwirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. Dementsprechend ist die Garantie der Haushaltsautonomie in Art. 109 Abs. 1 GG den Bestimmungen der Art. 105 bis 107 GG über die Steuerzuteilung und den Finanzausgleich nachgeordnet. Bund und Länder müssen die in diesen Vorschriften ausgesprochenen Einschränkungen ihrer Finanzhoheit hinnehmen (vgl. BVerfGE 1, 117 [131]). Ein Deckungsquotenverfahren, das allein nach den in den jeweiligen Haushalten veranschlagten Einnahmen und Ausgaben bemessen ist, genügt diesen Erfordernissen nicht.
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Der Umfang der notwendigen Ausgaben stützt sich nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 Satz 2 GG auf eine Planungsgrundlage, die sicherstellt, daß Bund und Länder bei der Ermittlung der notwendigen Ausgaben und der laufenden Einnahmen jeweils dieselben Indikatoren zugrunde legen, deren Entwicklung in finanzwirtschaftlicher Rationalität über Jahre hin beobachten, aufeinander abstimmen und fortschreiben, auf dieser Grundlage dem Haushaltsgesetzgeber jeweils in Bund und Ländern dauerhafte Grundlagen für seine Planungen geben und in dem kontinuierlich fortgeschriebenen Kriterium der Notwendigkeit zugleich gewährleisten, daß nicht eine großzügige Ausgabenpolitik sich bei der Umsatzsteuerzuteilung refinanzieren könnte, eine sparsame Ausgabenpolitik hingegen verminderte Umsatzsteueranteile zur Folge hätte.
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Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG befriedigt der Anspruch auf Deckung der notwendigen Ausgaben nicht den tatsächlichen Bedarf, sondern fordert eine Abstimmung der Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder. Dieser Auftrag zum Wägen und Gewichten der jeweiligen Deckungsbedürfnisse zielt auf einen billigen Ausgleich, der eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermeidet und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet wahrt.
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b) Auf der Grundlage der Ertragsaufteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit gemäß Art. 106 GG bestimmt Art. 107 Abs. 1 GG auf einer zweiten Stufe, der horizontalen Ertragsaufteilung unter den Ländern, was den einzelnen Ländern als eigene Finanzausstattung zusteht. Maßstab für diese horizontale Steuerertragsaufteilung ist das - im Zerlegungsgesetz verdeutlichte - "örtliche Aufkommen", also das Entstehen von Steuerkraft im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Landes. Im Rahmen dieser Ausstattung der Länder mit Eigenmitteln ermächtigt Art. 107 Abs. 1 Satz 4, 2. Hs. GG den Gesetzgeber, in diese primäre Finanzausstattung einen ausgleichenden Verteilungsmaßstab zugunsten einzelner Länder einzufügen. Grundsätzlich wird die Umsatzsteuer nach Maßgabe der Einwohnerzahl zugeteilt, die das örtliche Aufkommen aus dieser Endverbrauchersteuer besser ausdrückt als die formale Anknüpfung einer Steuererhebung beim Unternehmer und damit zugleich einen abstrakten Bedarfsmaßstab - die gleichmäßige Pro-Kopf-Versorgung - benennt. Davon abweichend kann der Länderanteil am Umsatzsteueraufkommen bis zu einem Viertel unterdurchschnittlich mit Steuererträgen ausgestatteten Ländern zugewiesen werden. Nach Zuteilung dieser Ergänzungsanteile steht die eigene Finanzausstattung der einzelnen Länder fest (vgl. BVerfGE 72, 330 [384 ff.]).
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c) Diese Ergebnisse der primären Steuerzuteilung unter den Ländern werden dann auf einer dritten Stufe, dem horizontalen Finanzausgleich des Art. 107 Abs. 2 GG, nochmals korrigiert. Während Art. 106 und Art. 107 Abs. 1 GG - einschließlich der variablen Umsatzsteuerverteilung nach Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG - die eigene, Bund und Ländern originär zustehende Finanzausstattung bestimmen (vgl. BVerfGE 72, 330 [385]), fordert Art. 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG eine subsidiäre Korrektur dieser von der Verfassung grundsätzlich gewollten Ertragsaufteilung, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft unangemessen ist. Dieser Finanzausgleich soll die Finanzkraftunterschiede unter den Ländern verringern, aber nicht beseitigen (vgl. BVerfGE 1, 117 [132]; 72, 330 [386]; 86, 148 [215]). Er hat die richtige Mitte zu finden zwischen der Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Bewahrung der Individualität der Länder auf der einen und der solidargemeinschaftlichen Mitverantwortung für die Existenz und Eigenständigkeit der Bundesgenossen auf der anderen Seite (vgl. BVerfGE 72, 330 [398]). Er ist kein Mittel, um das Ergebnis der in Art. 107 Abs. 1 GG geregelten primären Steuerverteilung durch ein neues System zu ersetzen, das etwa allein vom Gedanken der finanziellen Gleichheit der Länder geprägt wird, ihre Eigenstaatlichkeit und Eigenverantwortung jedoch nicht mehr berücksichtigt. Die Ausgleichspflicht des Art. 107 Abs. 2 GG fordert deshalb nicht eine finanzielle Gleichstellung der Länder, sondern eine ihren Aufgaben entsprechende hinreichende Annäherung ihrer Finanzkraft (vgl. BVerfGE 86, 148 [215]).
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Die Balance zwischen Eigenstaatlichkeit der Länder und bundesstaatlicher Solidargemeinschaft wäre insbesondere verfehlt, wenn die Maßstäbe des horizontalen Finanzausgleichs oder ihre Befolgung die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder entscheidend schwächen oder zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führen würden (vgl. BVerfGE 1, 117 [131]; 72, 330 [398]). Das Gebot, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder nur angemessen und ohne Nivellierung auszugleichen, verbietet außerdem eine Verkehrung der Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs (vgl. BVerfGE 72, 330 [418 f.]; 86, 148 [250]). Der annähernde, nicht gleichstellende Finanzausgleich hat zur Folge, daß der horizontale Finanzausgleich die Abstände zwischen allen 16 - ausgleichspflichtigen wie ausgleichsberechtigten - Ländern verringern, nicht aber aufheben oder gar ins Gegenteil verkehren darf. Eine Solidarität unter Bundesstaaten mindert Unterschiede, ebnet sie nicht ein.
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aa) Vergleichsgegenstand des angemessenen Ausgleichs ist gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG die Finanzkraft der Länder. Diese umfaßt grundsätzlich alle Finanzmittel, die ein Land zu haushaltspolitischen Gestaltungen befähigen, beschränkt sich also nicht auf das Steueraufkommen, sondern bezieht auch sonstige Finanzmittel ein.
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Allerdings kann die Steuerkraft als Indikator für die Finanzkraft herangezogen werden, soweit die sonstigen Abgaben und Einnahmen den haushaltswirtschaftlichen Gestaltungsraum eines Landes kaum erweitern. Bei der Ermittlung der Finanzkraft können demgemäß Einnahmen unberücksichtigt bleiben, wenn ihr Volumen nicht ausgleichserheblich ist, wenn sie in allen Ländern verhältnismäßig pro Kopf gleich anfallen, wenn sie als Entgelte oder entgeltähnliche Abgaben lediglich Leistungen des Landes ausgleichen oder wenn der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zur möglichen Ausgleichswirkung außer Verhältnis steht. Diese Vorgaben hat der maßstabgebende Gesetzgeber näher auszugestalten und abzugrenzen (vgl. schon BVerfGE 72, 330 [400]; 86, 148 [216]). Dabei muß er verläßliche, das Volumen der Finanzkraft zuverlässig erfassende Tatbestände bilden, die für alle mit der Gestaltung und der Kontrolle des Finanzausgleichs beauftragten Organe in Bund und Ländern verständlich und nachvollziehbar sind (vgl. BVerfG, a.a.O.).
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bb) Der Vergleichsgegenstand der Finanzkraft bezeichnet primär das Finanzaufkommen, nicht eine Relation von Aufkommen und besonderen Aufgabenlasten. Allerdings muß dieses Finanzaufkommen für die jeweiligen Länder in unterschiedlicher Größe und mit dementsprechend unterschiedlichen Haushaltsvolumina vergleichbar gemacht werden. Deshalb ist die Bemessungsgrundlage der Finanzkraft auf objektive, von politischen Bedarfs- und Dringlichkeitsentscheidungen unabhängige Finanzaufgaben zu beziehen; geboten ist ein abstraktes Bedarfskriterium. Als solches bietet sich die jeweilige Einwohnerzahl der Länder an, in der die Finanzierungsaufgaben des demokratischen Rechtsstaates sachgerecht zum Ausdruck kommen. Die Einwohnerzahl bietet die Grundlage eines Finanzkraftvergleichs, die von ländereigenen Prioritäts- oder Dringlichkeitsentscheidungen unabhängig ist und eine allen Ländern gleichermaßen vorgegebene Bezugsgröße für die ihnen zugewiesenen Aufgaben enthält (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 ff.]).
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d) Auf einer vierten Stufe schließlich ermächtigt das Grundgesetz den Bund, aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs zu gewähren. Der Begriff der Leistungsschwäche in Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG fordert - anders als der Begriff der Finanzkraft in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG - nicht einen bloßen Aufkommensvergleich, sondern die Bewertung des Verhältnisses von Finanzaufkommen und Ausgabenlasten der Länder. Deshalb dürfen die Bundesergänzungszuweisungen nicht lediglich den horizontalen Finanzausgleich mit Bundesmitteln fortsetzen. Sie erlauben vielmehr eine finanzwirtschaftliche Bundesintervention, die Sonderlasten einzelner Länder berücksichtigt und grundsätzlich darin ihre Rechtfertigung, aber auch nach Höhe und Dauer ihre Grenze findet.
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aa) Entschließt sich der Gesetzgeber, mit Hilfe der Bundesergänzungszuweisungen die Finanzkraft der - für die Ergänzungszuweisungen in ihren Voraussetzungen gesondert bestimmten - leistungsschwachen Länder allgemein anzuheben, ist er an die Maßstäbe des horizontalen Finanzausgleichs gebunden. Deshalb können nur solche Länder Empfänger dieser Bundesergänzungszuweisungen sein, die nach den Ergebnissen des horizontalen Länderfinanzausgleichs in einem Maße unter dem Länderdurchschnitt geblieben sind, das unangemessen erscheint, aber aus Landesmitteln nicht ausgeglichen werden kann. Diese Ergänzungszuweisungen haben das Nivellierungsverbot zu beachten, dürfen die Finanzkraftreihenfolge unter den 16 Ländern nicht verändern und sind darüber hinaus zur Gleichbehandlung aller Länder verpflichtet. Der Bund darf die Ergänzungszuweisungen insbesondere nicht dazu benutzen, leistungsschwachen Ländern eine überdurchschnittliche Finanzkraft zu verschaffen (vgl. BVerfGE 72, 330 [404]).
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Eine derartige allgemeine Anhebung der Finanzkraft leistungsschwacher Länder kommt gegenwärtig insbesondere in Betracht, wenn die Finanzkraft der neuen Länder im wiedervereinigten Deutschland so weit vom Finanzkraftdurchschnitt entfernt ist, daß eine angemessene Annäherung aus den Finanzmitteln der alten Länder nicht erreicht werden kann, ohne daß deren Leistungsfähigkeit entscheidend geschwächt würde.
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bb) Entschließt sich der Gesetzgeber, Sonderlasten einzelner Länder durch Bundesergänzungszuweisungen mitzufinanzieren, so dürfen diese Zuweisungen den leistungsschwachen Ländern eine überdurchschnittliche Finanzkraft verschaffen, wenn und solange außergewöhnliche Gegebenheiten vorliegen. Diese unterliegen einer besonderen, den Ausnahmecharakter ausweisenden Begründungspflicht. In Ausnahmefällen kann eine derartige Bundesintervention deshalb auch dazu führen, daß die Finanzkraft des begünstigten Landes die durchschnittliche Finanzkraft nach dem horizontalen Finanzausgleich übersteigt (vgl. BVerfGE 72, 330 [404 f.]).
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Bundesergänzungszuweisungen dienen nicht dazu, augenblicksbedingte finanzielle Notstände zu beheben, aktuelle Projekte zu finanzieren oder finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare und voraussehbare Folge von politischen Entscheidungen eines Landes bilden. Eigenständigkeit und politische Autonomie bringen es mit sich, daß die Länder grundsätzlich für die haushaltspolitischen Folgen autonomer Entscheidungen selbst einzustehen und eine kurzfristige Finanzschwäche selbst zu überbrücken haben (BVerfG, a.a.O.).
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Berücksichtigt der Gesetzgeber Sonderlasten, so verpflichtet ihn das föderative Gleichbehandlungsgebot wiederum, diese Sonderlasten zu benennen und zu begründen. Durch den tatbestandlichen Ausweis der Sonderlasten im Maßstäbegesetz wird sichergestellt, daß die ausgewiesenen und benannten Sonderlasten bei allen lastenbetroffenen Ländern berücksichtigt werden, daß die berücksichtigten Sonderlasten in angemessenen Abständen auf ihren Fortbestand überprüft werden und daß die Kontrolle durch Gerichtsbarkeit und Öffentlichkeit einen deutlich greifbaren Anknüpfungspunkt gewinnt (vgl. bereits BVerfG, a.a.O., S. 405 f.).
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e) Außerhalb dieses Steuerzuweisungs- und Finanzausgleichssystems der Art. 106 und Art. 107 GG entfaltet auch die Bundesfinanzierung von bundesmitbestimmten Länderaufgaben Ausgleichswirkungen. Die Mitfinanzierung von Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und Art. 91b GG, die Bundesfinanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden nach Art. 104a Abs. 4 GG, die anteilige Übernahme von Ausgaben für den Vollzug von Bundesgeldleistungsgesetzen nach Art. 104a Abs. 3 GG und der Bundesausgleich für bundesveranlaßte besondere Einrichtungen von Ländern und Gemeinden (Art. 106 Abs. 8 GG) bieten ebenfalls Bundesfinanzierungsinstrumente, die Ausgabenlasten der Länder mindern und ihnen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erleichtern.
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Die Verteilungswirkungen dieser Bundesfinanzleistungen betreffen jedoch besondere Lasten und Bedarfe, die im Länderfinanzausgleich und bei den Bundesergänzungszuweisungen unberücksichtigt bleiben. Sie stehen daher im Maßstab wie in der Rechtsfolge außerhalb dieses Verteilungssystems.
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II. |
Nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Maßstäbe der Finanzverteilung nach Art. 106 und Art. 107 GG in einem Gesetz zu konkretisieren und zu ergänzen. Diese Pflicht folgt aus den Regelungen des Grundgesetzes zur Finanzverfassung, deren allgemeine Maßstäbe gesetzlich festgelegt und auf die Änderungen der finanzwirtschaftlichen Verhältnisse und der finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse abgestimmt werden müssen (C.I.1.). Auch die Erfahrungen mit der praktischen Handhabung des Länderfinanzausgleichs belegen, daß die Regelungen der Verfassung einer gesetzlichen Konkretisierung und Ergänzung bedürfen, die die Maßstäbe für ein Finanzausgleichsgesetz vorgängig und verbindlich bestimmen. Überdies sind einige Prüfaufträge des Bundesverfassungsgerichts vom Gesetzgeber noch nicht erfüllt worden.
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Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG wird der Gesetzgeber zunächst die Maßstäbe für die Umsatzsteuerverteilung zu verdeutlichen und sodann seinen daraus abgeleiteten Verteilungsregeln zugrunde zu legen haben (zu 1.). Auch für den horizontalen Finanzausgleich wird der Gesetzgeber eine Maßstabsgewißheit herstellen müssen, so daß die jeweiligen Ausgleichsansprüche und Ausgleichspflichten konkret, planbar und kontrollierbar aus verfassungskonkretisierenden und verfassungsergänzenden Maßstäben entwickelt werden können (zu 2.). Ebenso haben Bestimmungen über Bundesergänzungszuweisungen auf Dauer nur Bestand, wenn sie einsichtig und kontrollierbar konkretisierenden Gesetzesregeln genügen (zu 3.). Die Abwicklung des Sonderfonds "Deutsche Einheit" kann gegenwärtig fortgeführt werden (zu 5.).
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a) Bund und Länder haben in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß die Umsatzsteuer bisher nicht - wie verfassungsrechtlich vorgesehen - auf der Grundlage einer mehrjährigen Finanzplanung verteilt worden ist. Außerdem sind keine Gesetzestatbestände entwickelt worden, die "laufende" von sonstigen Einnahmen abgrenzen und innerhalb der veranschlagten die "notwendigen" Ausgaben tatbestandlich bestimmen. Damit fehlt dem Verfassungsauftrag zur Abstimmung der Deckungsbedürfnisse von Bund und Ländern im Dienst eines billigen Ausgleichs (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG) die gesetzliche Konkretisierung und Ergänzung.
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b) Entsprechend dem verfassungsrechtlichen Auftrag sind in einem maßstabgebenden Gesetz Kriterien herauszuarbeiten und festzulegen, die unter dem Gesichtspunkt bundesstaatlicher Gleichheit für Bund und Länder gleichermaßen gelten (vgl. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 488). Der Gesetzgeber wird sich, dem Gebot der Durchschaubarkeit und Ausgewogenheit folgend, der Aufgabe stellen müssen, Konkretisierungen vorzunehmen, die dazu beitragen, daß politische Kompromisse in den Grenzen festgelegter Kriterien und Verfahrensregeln gefunden werden. So wird er insbesondere zu entscheiden haben, welche Ausgaben - über die durch die Verfassung dem Bund und den Ländern zur Pflicht gemachten hinaus - künftig als "notwendige" in das Deckungsquotenverfahren einzustellen sind.
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c) Ohne eine gesetzliche Konkretisierung und Vervollständigung der durch Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG vorgegebenen Grundsätze, die der Umsatzsteuerverteilung erkennbar zugrunde gelegt werden, kann die Erfüllung des in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG normierten Verfassungsauftrages weder gewährleistet noch kontrolliert werden. Die Beurteilung, ob durch ein bestimmtes Ergebnis der Umsatzsteuerverteilung ein "billiger Ausgleich" erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird, ist nur auf der Grundlage offen ausgewiesener, von Bund und Ländern einheitlich angewandter und den Anforderungen des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG genügender gesetzlicher Vorgaben für die Berechnung der Deckungsquoten möglich.
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aa) Die bisher nicht geleistete Konkretisierung des Maßstabs wird an § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG erkennbar, der dem Bund 1998 vorab 3,64 v.H. und ab 1999 5,63 v.H. des Umsatzsteueraufkommens als Ausgleich für die Belastungen aufgrund eines zusätzlichen Bundeszuschusses an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zuweist. So wirft der Vorabausgleich des § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG wegen eines speziellen Bedarfs insbesondere die Frage auf, ob die nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG maßgeblichen Deckungsbedürfnisse überhaupt eine Berücksichtigung konkreter Bedarfe gestatten.
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bb) Die Notwendigkeit, die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG zu konkretisieren, wird auch durch das 43. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 3. November 1995 (BGBl. I S. 1492) bestätigt, das durch Einfügung des Art. 106 Abs. 3 Sätze 5 und 6 GG die derzeitige kinderbezogene Minderung des Einkommensteueraufkommens der Länder in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile einbezieht. Auch derartige Mindereinnahmen sind grundsätzlich im Tatbestand der Deckungsbedürfnisse aufzunehmen, zu bewerten und zu gewichten, bedürften deshalb keiner besonderen Regelung im Grundgesetz.
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2. Auch die verfassungsrechtlichen Grundsätze des horizontalen Finanzausgleichs bedürfen der Bildung gesetzlicher Maßstäbe.
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a) Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG beauftragt den Gesetzgeber, die unterschiedliche "Finanzkraft" angemessen auszugleichen. Der Begriff der "Finanzkraft" in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG ist näher auszuformen. Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er hat praktikable und ökonomisch rationale Indikatoren zu finden, die die Einnahmen der Länder vergleichbar machen. Die Bestimmung des Begriffes muß - im Hinblick auf dessen Sinn und den Gehalt - vertretbar sein (vgl. BVerfGE 72, 330 [399]).
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Die Finanzkraft wird durch das Finanzaufkommen bestimmt, nicht durch eine Relation von Aufkommen und besonderen Aufgabenlasten (vgl. BVerfGE 72, 330 [400]). Um das Finanzaufkommen der Länder im Hinblick auf die Erfüllung der diesen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben angemessen vergleichbar zu machen, hat das Grundgesetz als Bezugspunkt das abstrakte Kriterium der Einwohnerzahl vorgegeben, das zugleich einen abstrakten Bedarfsmaßstab bildet (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 f.]). Deshalb bleiben bei der Ermittlung der Finanzkraft Sonderbedarfe einzelner Länder unberücksichtigt (vgl. BVerfGE 72, 330 [400]; 86, 148 [238]).
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Soweit in § 7 Abs. 3 FAG Sonderbelastungen berücksichtigt werden, die aus der Unterhaltung und Erneuerung von Seehäfen erwachsen, bedarf dieses einer Rechtfertigung. Eine solche läßt das Finanzausgleichsgesetz nicht erkennen. Sollte durch diese Regelung einem abstrakten Mehrbedarf Rechnung getragen werden können, der wegen der geographischen Lage nur Küstenländer belastet, so hat der Gesetzgeber zu prüfen, ob ähnliche Mehrbedarfe existieren, die dann ebenfalls berücksichtigt werden müßten.
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b) Auch bei der Ermittlung der Finanzkraft der Gemeinden ist es Aufgabe des Gesetzgebers, allgemeine Maßstäbe auszuformen und festzulegen, um dann entscheiden zu können, welche der kommunalen Einnahmen bei der Ermittlung der kommunalen Finanzkraft außer Betracht bleiben dürfen. Der bereits im Urteil vom 27. Mai 1992 (vgl. BVerfGE 86, 148 [227 ff.]) enthaltene Prüfungsauftrag und die dort dargelegten Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung des Aufkommens aus den Konzessionsabgaben veranschaulichen exemplarisch die Bedeutung allgemeiner Maßstäbe für die Bestimmung der Finanzkraft. Für diese Abgaben macht es keinen Unterschied, ob die jeweiligen Einnahmen aufgrund von öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen erhoben oder vertraglich vereinbart werden (vgl. BVerfGE 72, 330 [412 f.]; 86, 148 [216]).
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aa) Die kommunale Finanzkraft bemißt sich nach der Ausgleichserheblichkeit der Einnahmen. Der Gesetzgeber kann eine Einnahme bei der Ermittlung der Finanzkraft dann unberücksichtigt lassen, wenn sie ihrem Volumen nach unerheblich ist, wenn sie in allen Ländern verhältnismäßig gleich anfällt oder wenn der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zu dem möglichen Ausgleichseffekt außer Verhältnis steht (vgl. BVerfGE 72, 330 [399 f.]; 86, 148 [216]). Für die Ausgleichserheblichkeit von Einnahmen, die autonomen Entscheidungen unterliegen, ist nach Maßgabe des Urteils vom 27. Mai 1992 (BVerfGE 86, 148 [230 f.]) eine sachgerechte Regelung zu treffen.
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bb) Bei der Ausformung der Begriffe Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden wird der Gesetzgeber auch zu entscheiden haben, in welcher Höhe die zu berücksichtigenden gemeindlichen Steuereinnahmen in die Berechnung der Finanzkraft einzustellen sind. Eine hälftige Kürzung der Steuereinnahmen (§ 8 Abs. 5 FAG) wurde im Urteil vom 27. Mai 1992 (vgl. BVerfGE 86, 148 [231 ff.]) als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen, allerdings mit einem Prüfauftrag an den Gesetzgeber verbunden. Dieser Auftrag ist noch nicht erfüllt. Bei der Regelung der verfassungskonkretisierenden Maßstäbe wird zusätzlich zu berücksichtigen sein, daß das Grundgesetz die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen nunmehr ausdrücklich anerkennt (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) und den Gemeinden einen eigenen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 GG) und an der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5a GG) garantiert. Diese gestärkte finanzwirtschaftliche Unabhängigkeit und Verselbständigung der Kommunen modifiziert die bisherige Zweistufigkeit der Finanzverfassung.
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c) Überprüfungsbedürftig ist auch die Einwohnergewichtung. Dabei hat das Maßstäbegesetz eine Gleichbehandlung aller Länder sicherzustellen. Umfang und Höhe eines Mehrbedarfs sowie die Art seiner Berücksichtigung dürfen vom Gesetzgeber nicht frei gegriffen werden. Sie müssen sich nach Maßgabe verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen (vgl. BVerfGE 72, 330 [415 f.]; 86, 148 [239]).
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aa) Die Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich macht es erforderlich, die Finanzkraft der Stadtstaaten der Finanzkraft dünn besiedelter Flächenstaaten gegenüberzustellen und zu prüfen, ob eine Ballung der Bevölkerung in einem Land oder eine unterdurchschnittliche Bevölkerungszahl einen abstrakten Mehrbedarf pro Einwohner rechtfertigen kann.
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bb) Bereits das Urteil des Senats vom 27. Mai 1992 (BVerfGE 86, 148 [236]) hat den Gesetzgeber mit der umfassenden Prüfung der Kriterien beauftragt, die einen abstrakten Mehrbedarf größerer Gemeinden bei der Erledigung kommunaler Aufgaben stützen sollen (§ 9 Abs. 3 FAG). Soweit der Einwohnermaßstab auch in Zukunft modifiziert werden soll, wird dieser Prüfungsauftrag umso dringlicher, als der Bedarf der neuen Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen durch die gegenwärtige Einwohnerwertung weniger Gewicht erhält (vgl. Tabelle, S. 45, Zeile 116), die Kosten vieler öffentlicher Leistungen in dünn besiedelten Gebieten deutlich höher liegen können als in den Städten, zudem die Gemeinkosten auf eine geringere Kopfzahl umgelegt werden müssen (vgl. Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich im Verfassungsstaat, 1994, S. 87).
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Die Dichteklausel des § 9 Abs. 3 Satz 2 FAG läßt nicht erkennen, ob sie ein empirisch nachweisbares Bedarfsindiz erfaßt oder erfassen könnte. Die allein von der Anzahl der Einwohner pro Quadratkilometer eines Gemeindegebietes abhängige Einwohnerwertung modifiziert den Einwohnermaßstab durch frei gegriffene Größen und ist auch deshalb überprüfungsbedürftig (vgl. BVerfGE 72, 330 [415]).
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Bei einer Neuregelung wird der Gesetzgeber wiederum entschieden auf eine Vereinfachung und verbesserte Verständlichkeit der Einzelregelungen hinzuwirken haben.
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d) Bei der Bestimmung der Voraussetzungen für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten (Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG) in einem verfassungskonkretisierenden Maßstäbegesetz ist der Gesetzgeber aufgefordert, eine Ausgleichskonzeption zu entwickeln, die anhand einheitlicher Maßstäbe die Angemessenheit des Ausgleichs grundsätzlich systemimmanent sichert. Wechsel der Maßstäbe bedürfen eines besonderen Grundes und dürfen nicht Ergebnisse hervorrufen, die zu den selbstgesetzten Maßstäben und Ausgleichsschritten in Widerspruch stehen (vgl. BVerfGE 86, 148 [251 f.]).
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Diese Grundsätze sind auch im Hinblick auf den gebotenen Erhalt der Finanzkraftreihenfolge unter allen 16 Ländern sowie in bezug auf eine eventuell vom Gesetzgeber für angemessen erachtete Ländersteuergarantie zu beachten.
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aa) Wenn der Ausgleichsmechanismus des § 10 Abs. 1 und Abs. 2 FAG in zwei Stufen die Finanzkraft der finanzschwachen Länder auf 95 v.H. der durchschnittlichen Länderfinanzkraft auffüllt, so stellt er damit für den horizontalen Finanzausgleich eine vertretbare Balance zwischen Landesautonomie und bundesstaatlicher Solidargemeinschaft her. Er nähert die Finanzkraft an, ohne zu nivellieren, erhält die Finanzkraftreihenfolge und vermeidet grundsätzlich übermäßige Abschöpfungen.
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bb) Die Regelung des § 10 Abs. 3 FAG steht demgegenüber in Widerspruch zu selbstgesetzten Maßstäben. § 10 Abs. 3 Satz 1 FAG berücksichtigt bei der Ermittlung der Ist-Größe die nach § 10 Abs. 1 FAG ermittelten Zuweisungen, erfaßt also die Ländereinnahmen einschließlich der kommunalen Finanzkraft. Bei der Soll-Größe wird dagegen in Übereinstimmung mit dem Gesamtansatz einer Ländersteuergarantie nur die Finanzkraft des Landes in Ansatz gebracht. Der mehrfache Maßstabswechsel - grundsätzliche Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft nach § 10 Abs. 1 FAG, ausnahmsweise Garantie allein der Landesfinanzkraft ohne Berücksichtigung des kommunalen Aufkommens nach § 10 Abs. 3 FAG, diese aber unter teilweiser Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft bei der Ermittlung der Ist-Größe - genügt nicht den Anforderungen des Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG, die "Voraussetzungen" für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten im Gesetz zu bestimmen und sie damit voraussehbar und überprüfbar zu machen.
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cc) Dem Erfordernis einer systemprägenden Maßstabbildung ist nicht genügt, wenn - wie in § 10 Abs. 3 bis Abs. 5 FAG - dieser Maßstab lediglich zu einer Randkorrektur herabgestuft wird, die zudem in ihren finanzwirtschaftlichen Auswirkungen im Bereich des Unerheblichen verbleibt (vgl. Tabelle, S. 48 ff., Zeilen 308, 328, 364 und 404). Gleiches gilt für das Prinzip der Finanzkraftreihenfolge (vgl. BVerfGE 86, 148 [255]).
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3.a) Die Ermächtigung zu Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) erlaubt einen abschließenden ergänzenden Ausgleich aus Bundesmitteln, der weder den horizontalen Finanzausgleich noch die vertikale Steuerertragsverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit ersetzen oder überlagern darf. Die Bundesergänzungszuweisungen sollen ergänzende Korrekturen ermöglichen, wenn die Steuerverteilung innerhalb der Ländergesamtheit und auch der angemessene Ausgleich unter den Ländern zu einer Finanzausstattung führen, die nach dem bundesstaatlichen Prinzip solidarischen Einstehens füreinander noch als änderungsbedürftig erscheint. Dieser Zweck begrenzt auch den Umfang im Verhältnis zum Volumen des horizontalen Finanzausgleichs (vgl. BVerfGE 86, 148 [261]).
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Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG kann es jedoch erfordern, nicht zuletzt wegen der hier möglichen Berücksichtigung von Sonderlasten einzelner Länder, Bundesergänzungszuweisungen in einer Höhe bereitzustellen, die im Verhältnis zum horizontalen Finanzausgleich nicht nur geringfügig ist. Falls sich der Gesetzgeber zur Berücksichtigung von Sonderlasten der Länder entschließt, kann die Folge sein, daß die Bundesergänzungszuweisungen insgesamt im Verhältnis zum horizontalen Finanzausgleich ein beträchtliches Volumen erreichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [403, 419 f.]).
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Im Jahr 1998 betrug das Volumen des Finanzausgleichs etwa 13,52 Milliarden DM (Tabelle, S. 50, Zeile 410), das der Bundesergänzungszuweisungen 25,65 Milliarden DM (Tabelle, S. 51, Zeile 465). Dieses Verhältnis ist mit Rücksicht auf den Sonderbedarf der neuen Länder - das Volumen der Sonderergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 4 FAG macht allein 14 Milliarden DM aus - als wiedervereinigungsbedingte Ausgleichsregelung vorübergehend zu rechtfertigen. Angesichts der Ergänzungsfunktion von Bundeszuweisungen bedarf diese Entwicklung jedoch auf längere Sicht auch im Hinblick auf die neuen Länder der Korrektur.
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Zukünftig hat der maßstabgebende Gesetzgeber nachvollziehbare und widerspruchsfreie Regelungen vorzusehen (vgl. BVerfGE 72, 330 [388 f., 395 ff.]; 86, 148 [211 f., 250 ff.]). Insbesondere wird er zu prüfen haben, wie das Tatbestandsmerkmal der Leistungsschwäche in Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG näher bestimmt und wie der Funktion der Bundesergänzungszuweisungen als abschließendem vertikalem, dem horizontalen Finanzausgleich nachgeschalteten Ausgleichselement Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerfGE 86, 148 [261]).
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b) Die Bundesergänzungszuweisungen dürfen im Tatbestand der "leistungsschwachen Länder" nicht lediglich an das Ergebnis des horizontalen Finanzausgleichs anknüpfen und diesen aus Bundesmitteln ergänzen, sondern setzen eine eigenständige, vom horizontalen Finanzausgleich abgehobene Bestimmung der Leistungsschwäche voraus (vgl. oben zu C.I.2.d). Wenn § 11 Abs. 2 FAG für die Fehlbetragsergänzungszuweisungen nur den Text des Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG wiederholt, werden die Maßstäbe für den horizontalen Finanzausgleich einerseits und die Bundesergänzungszuweisungen andererseits tatbestandlich weder hinreichend voneinander abgehoben, noch benannt und begründet. Im übrigen wird das Maßstäbegesetz sicherstellen, daß das nachrangige Instrument der Bundesergänzungszuweisungen nur als Ergänzung, nicht als Ersatz des horizontalen Finanzausgleichs angelegt ist (vgl. BVerfGE 72, 330 [402]; 86, 148 [261]).
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Entschließt sich der Gesetzgeber, mit Hilfe der Bundesergänzungszuweisungen die Finanzkraft der leistungsschwachen Länder allgemein anzuheben, darf er die Zuweisungen nur so bemessen, daß die Finanzkraft jedes einzelnen Empfängerlandes die durchschnittliche Finanzkraft nicht übersteigt. Aufgrund des Nivellierungsverbotes können deswegen nur solche Länder Empfänger von allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen sein, die nach den Ergebnissen des horizontalen Finanzausgleichs unter diesem Länderdurchschnitt geblieben sind (BVerfGE 72, 330 [404]).
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c) Berücksichtigt der Gesetzgeber bei der Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen dagegen Sonderlasten einzelner Länder, ist nicht ausgeschlossen, situationsabhängig und insoweit zeitlich begrenzt Zuweisungen auch solchen Ländern zu gewähren, deren Finanzkraft nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs den Länderdurchschnitt erreicht oder überschritten hat (BVerfGE 72, 330 [404 f.]). Demzufolge können Bundesergänzungszuweisungen, die gerade der Berücksichtigung von Sonderbedarfen dienen, zeitweise zu Veränderungen der Finanzkraftreihenfolge führen; das Nivellierungsverbot greift insoweit nicht. Allerdings müssen für die Berücksichtigung von Sonderlasten außergewöhnliche Gegebenheiten vorliegen, die einer besonderen, den Ausnahmecharakter ausweisenden Begründungspflicht unterliegen. Im Regelfall darf die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen auch bei der Berücksichtigung von Sonderlasten nicht dazu führen, daß die Finanzkraft des begünstigten Landes die durchschnittliche Finanzkraft der Länder nach dem horizontalen Finanzausgleich übersteigt. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber aus dem föderativen Gleichbehandlungsgebot auch verpflichtet, die Sonderlasten zu benennen und zu begründen (BVerfGE 72, 330 [405 f.]).
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aa) Soweit der Gesetzgeber Bundesergänzungszuweisungen zum Ausgleich hoher Kosten der politischen Führung gewähren will, muß er dem Begründungs- und Benennungsgebot genügen. In jedem Fall müßte das Maßstäbegesetz gewährleisten, daß eine Bundesmitfinanzierung nur ergänzende Korrekturen anbringt und den Rechtfertigungsgrund bundesstaatsgerecht definiert. Auch ist die gegenwärtige Bemessung der Zuweisungen nicht nachvollziehbar. Dem Gesetz läßt sich ein hinreichend einsichtiger Maßstab nicht entnehmen.
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bb) § 11 Abs. 6 FAG gewährt den Ländern Bremen und Saarland zum Zwecke der Haushaltssanierung Sonder-Bundesergänzungszuweisungen, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 (BVerfGE 86, 148 [258 ff.]) als vorübergehende Hilfe zur Selbsthilfe zulässig sind. Diese Sonderzuweisungen werden nunmehr - durch Änderung des § 11 Abs. 6 FAG gemäß Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1382) - in den Jahren 1999 bis 2004 kontinuierlich abgeschmolzen. Die degressive Bemessung stellt sicher, daß diese Zuweisungen spätestens im Jahr 2004 auslaufen. Die beiden begünstigten Länder sind damit auf den Wegfall dieser Zuweisungen vorbereitet, andere können auf das Auslaufen dieser Übergangs-Bundesergänzungszuweisungen bauen. Unter diesen Voraussetzungen ist § 11 Abs. 6 FAG nicht zu beanstanden.
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4. Im Ergebnis genügt dem Gesetzgebungsauftrag der Art. 106 Abs. 3 und Art. 107 Abs. 2 GG nur ein Gesetz, das sich nicht auf die Regelung von Verteilungs- und Ausgleichsfolgen beschränkt, vielmehr Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäbe benennt, die den rechtfertigenden Grund für diese Verfassungskonkretisierung und Verfassungsergänzung erkennen lassen. Vom Gesetzgeber als dem Erstinterpreten des Grundgesetzes wird also erwartet, daß er die bestehenden Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes zunächst auf den Prüfstand stellt und dann entscheidet, welche Maßstäbe dem neuen Finanzausgleichsgesetz zugrunde zu legen sind. Diese abstrakten, auf Dauer wirksamen Maßstäbe haben die Verteilungsprinzipien verständlich zu machen, die jeweiligen Verteilungsfolgen zu rechtfertigen, damit auch Maßstäbe der Selbstbindung und der Kontrolle zur Verfügung zu stellen.
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5. Die Regelungen zur Abwicklung des Fonds "Deutsche Einheit" unterlagen zur Zeit ihrer Entstehung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 107 Abs. 2 GG.
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a) Der Fonds "Deutsche Einheit" ist im Jahr 1990 auf der Grundlage des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (BGBl. II S. 537) gebildet worden, um aus diesem Sondervermögen des Bundes Finanzzuweisungen an die Deutsche Demokratische Republik "zum Haushaltsausgleich" zu finanzieren (Art. 31 StaatsVG). Dabei wurde der deutsche Einigungsprozeß als eine gesamtstaatliche Aufgabe verstanden, deren Lasten von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden müssen (vgl. Begründung zu Art. 31 des Entwurfs des StaatsVG, BTDrucks 11/7171, S. 49). Der Fonds, der überwiegend aus Krediten finanziert werden sollte, war als vorläufige Finanzierungsgrundlage gedacht. Er erhielt Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt; die alten Länder wurden verpflichtet (Art. 31 [§ 6 Abs. 5 FondsG] StaatsVG), dem Bund 50 v.H. dieser Zuschüsse nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 FAG zu erstatten.
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Auch nach der Wiedervereinigung wurde der Fonds "Deutsche Einheit" beibehalten. Art. 7 Abs. 5 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 - EV - (BGBl. II S. 889) gab ihm jedoch eine völlig neue Aufgabe: Der Fonds sollte jährliche Leistungen anfangs zu 85 v.H., später zu 100 v.H. zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der neuen Länder erbringen (Art. 7 Abs. 5 EV; Art. 5 Haushaltsbegleitgesetz 1991 vom 24. Juni 1991 [BGBl. I S. 1314 [1316]). Auf dieser Grundlage und im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 EV sowie der Ausnahmeregel des Art. 143 Abs. 2 GG wurde bis zum 31. Dezember 1994 auf einen gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich verzichtet.
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b) Mit der Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich sind die Leistungen des Fonds an diese Länder entfallen. Der Fonds hat vor Ablauf der Frist des Art. 143 Abs. 2 GG seine Zahlungen eingestellt und dient seitdem nur noch der Abwicklung früher entstandener Kredite. Die Verteilung der Abwicklungslasten auf Bund und Länder behält jedoch die früheren Maßstäbe bei: Die in Art. 31 (§ 6 Abs. 5 FondsG) StaatsVG i.V.m. § 1 Abs. 2 FAG vorgesehenen Beiträge der alten Länder an den Bund wirken als Übergangsverpflichtungen fort und bleiben Bestandteil eines vor Einschlägigkeit der Finanzverfassung errichteten Fonds, der mit der Wiedervereinigung auf der Grundlage des Art. 143 Abs. 2 GG die Funktion eines - für diese Sonderlage zulässigen - Nebenfinanzausgleichs erhalten hat. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2004 wird der Gesetzgeber bei der zukünftigen Ausgestaltung des Grundsatzes föderativer Gleichbehandlung auch die bestehenden Belastungen aus dem Fonds "Deutsche Einheit" berücksichtigen müssen - sei es durch Integration in den allgemeinen Finanzausgleich, sei es durch Abstimmung dieses Finanzausgleichs mit den bestehenden Belastungen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verpflichtet den Bundesgesetzgeber, bei der Lastenverteilung alle Länder nach sachgerechten Kriterien heranzuziehen. Die Einwohnerzahl oder die absolute Höhe des Finanzaufkommens bilden keine sachgerechten Verteilungsmaßstäbe, da sie weder auf die Finanzkraft noch auf die Leistungsstärke eines Landes bezogen sind.
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Gleiches gilt für die Bundesergänzungszuweisungen des § 11 Abs. 5 FAG, die alte - jedoch nur die finanzschwachen - Länder gegen wiedervereinigungsbedingte Finanzkraftverschiebungen vorübergehend (§ 11 Abs. 5 Satz 2 FAG) schützen soll.
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D. |
Die verfassungsrechtliche Würdigung des Finanzausgleichsgesetzes hat ergeben, daß die unverzichtbare Ordnungsfunktion der Finanzverfassung (vgl. BVerfGE 72, 330 [388 ff.]) nur durch eine maßstabgebende Konkretisierung und Ergänzung der offenen Tatbestände des Grundgesetzes gewahrt werden kann.
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Eine abschließende Würdigung einzelner Regelungen oder des Gesamtsystems des Finanzausgleichsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht kommt derzeit nicht in Betracht. Die verfassungsgerechte Ausformung finanzausgleichsrechtlicher Maßstäbe ist dem Gesetzgeber zugewiesen. Dies gebieten die Offenheit der verfassungsgesetzlichen Verteilungsregeln, deren komplexe gegenseitige Zuordnung innerhalb des gestuften finanzausgleichsrechtlichen Normengefüges sowie die erheblichen Unsicherheiten bei der notwendigen Einschätzung gegenwärtiger und zukünftiger wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen.
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Die Mängel der Maßstabbildung lassen eine zeitlich unbeschränkte Fortgeltung des Finanzausgleichsgesetzes nicht zu. Dessen schon vom Gesetzgeber selbst beabsichtigte Teilrevision für den Geltungszeitraum ab dem Jahr 2005 (vgl. § 11 Abs. 4 und Abs. 6 FAG) markiert einen auch verfassungsrechtlich erheblichen Zeitpunkt: Bis zum 31. Dezember 2004 gilt das Finanzausgleichsgesetz unter den im Tenor näher genannten Voraussetzungen fort. Soweit das Maßstäbegesetz nicht bis zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, wird das Finanzausgleichsgesetz mit diesem Tag verfassungswidrig und nichtig. Nach Erlaß des Maßstäbegesetzes muß der Gesetzgeber auf dessen Grundlage das Finanzausgleichsgesetz bis zum 31. Dezember 2004 neu regeln. Sofern eine solche Neuregelung nicht am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, wird das Finanzausgleichsgesetz mit diesem Tag verfassungswidrig und nichtig.
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E. |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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Limbach, Kirchhof, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh |