BVerfGE 160, 79 - Behinderung in der Triage |
Benachteiligungsrisiken von Menschen mit Behinderung in der Triage |
1. Aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergibt sich für den Staat das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung wegen Behinderung und ein Auftrag, Menschen wirksam vor Benachteiligung wegen ihrer Behinderung auch durch Dritte zu schützen. |
2. Der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG kann sich in bestimmten Konstellationen ausgeprägter Schutzbedürftigkeit zu einer konkreten Schutzpflicht verdichten. Dazu gehören die gezielte, als Angriff auf die Menschenwürde zu wertende Ausgrenzung von Personen wegen einer Behinderung, eine mit der Benachteiligung wegen Behinderung einhergehende Gefahr für hochrangige grundrechtlich geschützte Rechtsgüter wie das Leben oder auch Situationen struktureller Ungleichheit. |
Der Schutzauftrag verdichtet sich hier, weil das Risiko der Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Zuteilung knapper, überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen besteht. |
3. Dem Gesetzgeber steht auch bei der Erfüllung einer konkreten Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Entscheidend ist, dass er hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bewirkt. |
Beschluss |
des Ersten Senats vom 16. Dezember 2021 |
– 1 BvR 1541/20 – |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn (...) und 8 weiterer Beschwerdeführender – Bevollmächtigte: (...) – gegen das Unterlassen staatlicher Maßnahmen, die Beschwerdeführenden vor Benachteiligungen wegen ihrer Behinderung im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung im Laufe der Coronavirus-Pandemie wirksam zu schützen. |
Entscheidungsformel: |
1. Der Gesetzgeber hat Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt, weil er es unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehender intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt wird. |
2. Der Gesetzgeber ist gehalten, unverzüglich geeignete Vorkehrungen zu treffen. |
3. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 9) wird verworfen. |
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) ihre notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Die Verfassungsbeschwerde zielt auf wirksamen Schutz vor Benachteiligung von Menschen mit einer Behinderung bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen, die im Laufe der Coronavirus-Pandemie nicht für alle Behandlungsbedürftigen ausreichen können, also in einem Fall einer Triage.
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Die Verfassungsbeschwerde war mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden. Der Eilantrag wurde mit Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2020 zurückgewiesen. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht konkret absehbar, dass die Plätze für eine intensivmedizinische Behandlung in den Krankenhäusern nicht ausreichen würden, um notwendige Maßnahmen für alle Behandlungsbedürftigen zu ergreifen.
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I. |
1. Menschen mit einer Behinderung sind in der Coronavirus-Pandemie spezifisch gefährdet. Sie unterliegen in Heimen und Einrichtungen und bei täglicher Unterstützung durch mehrere Dritte einem hohen Infektionsrisiko und tragen ein höheres Risiko, schwerer zu erkranken und an COVID-19 zu sterben (vgl. u.a. Zander, ZDS 1/2021; Shakespeare et al., Lancet 397 (2021) 1331; Deutsches Institut für Menschenrechte, Das Recht auf gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung in der Corona-Pandemie, 2020; grundsätzlich zu den Risiken World Health Organization, World Report on Disability, 2011, S. 55 ff.; United Nations, Report of the Special Rapporteur on the rights of persons with disabilities, 2018, A 73/161, §§ 22 ff.). Im Rahmen der Vereinten Nationen wurde im Zusammenhang mit der Pandemie auf die Gefahr hingewiesen, dass behinderte Menschen bei Anwendung von Behandlungsschemata im Fall der Triage keinen gleichwertigen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten könnten (United Nations Policy Brief: A Disability-Inclusive Response to COVID-19, May 2020, S. 5 f., 11, unter Verweis auf Truog et al., The New England Journal of Medicine 2020, 382(21):1973; dazu auch COVID-19 Disability Rights Monitor, Disability rights during the pandemic, 2020, S. 41 ff.). Daraufhin haben sich 138 Staaten und darunter auch Deutschland in einer Stellungnahme ausdrücklich für eine inklusive, also nicht wegen einer Behinderung benachteiligende Reaktion auf die Pandemie ausgesprochen (Joint Statement on the UN Secretary-General's call for a disability-inclusive response to COVID-19 – Towards a better future for all, 18 May 2020). Desgleichen haben der Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte der Menschen mit Behinderungen (Basharu/Reyes, Joint Statement: Persons with Disabilities and COVID-19 by the Chair of the United Nations Committee on the Rigths of Persons with Disabilities, on behalf of the Committee on the Rights of Persons with Disabilities and the Special Envoy of the United Nations Secretary-General on Disability and Accessibility, 2020) wie auch die Weltgesundheitsorganisation in ihren Erwägungen zum Thema Behinderung während des COVID-19 Ausbruchs (WHO, Disability considerations during the COVID-19 outbreak, WHO/2019- nCoV/Disability/2020.1, 2020) auf die besondere diskriminierungsanfällige Situation von Menschen mit Behinderung in der Pandemie hingewiesen und an die Staatengemeinschaft appelliert, insofern Schutz zu gewährleisten.
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In Deutschland haben die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in ihrer Düsseldorfer Erklärung schon im Jahr 2019 – also noch unabhängig von der Coronavirus-Pandemie – darauf hingewiesen, der Zugang zur medizinischen Versorgung müsse ohne Diskriminierung erfolgen und dies müsse auch durch Ausbildung gewährleistet werden (vgl. Behindertenbeauftragte von Bund und Ländern, Düsseldorfer Erklärung, 2019, S. 1 f., 4). Eine von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegebene Studie zu Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen hält im Ergebnis fest, die Forschung zeige derzeit, dass für Menschen mit Behinderungen weder ein chancengleicher Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems noch eine diskriminierungsfreie Diagnosestellung und Behandlung gewährleistet sei (Bartig/Kalkum/Le/Lewicki im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen, 2021, S. 50).
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2. Im Rahmen der Coronavirus-Pandemie hat das Thema der begrenzten intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern besondere Aufmerksamkeit erlangt. Das Risiko einer Triage in der Intensivmedizin war mehrfach Gegenstand der öffentlichen Diskussion. So warnte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) im Jahr 2020, es könne im Falle hoher Infektionszahlen zu Kapazitätsengpässen in der intensivmedizinischen Versorgung kommen (vgl. BVerfGE 159, 223 [303 f. Rn. 181] – Bundesnotbremse I). Nach Berichten in den Medien, wonach es in Alten- und Pflegeheimen sowie in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zu einer "Triage vor der Triage" komme, hat der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages dazu in nichtöffentlicher Sitzung am 3. März 2021 ein Fachgespräch geführt (Pressemitteilung vom 3. März 2021, heute im bundestag Nr. 279). Auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung wird angesichts der hohen Zahl der Infektionen und vor allem wegen der Zunahme von intensivmedizinisch Behandlungsbedürftigen in Krankenhäusern und der konkreten Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten die verschärfte Gefahr gesehen, dass im Laufe der Coronavirus-Pandemie eine Entscheidung über die Verteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen notwendig wird.
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3. Um in der Pandemie auftretende Knappheitssituationen in der Intensivmedizin und damit eine Triage schon von vornherein zu verhindern, wurden zahlreiche Verordnungen und Gesetze in Kraft gesetzt oder geändert. Gesetzliche Vorgaben für die Entscheidung über die Zuteilung nicht für alle ausreichender intensivmedizinischer Kapazitäten gibt es bislang aber nicht.
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Auch in der Praxis gibt es für die Triage kein international konsentiertes System und – ebenso nach den Stellungnahmen in diesem Verfahren – keine allgemein geltenden oder rechtlich verbindlichen Standards. Es finden jedoch standardisierte Entscheidungshilfen Anwendung. Für die Rettungsdienste gilt eine unter Federführung des Bundesministeriums des Innern erarbeitete Einigung der Konsensuskonferenz an der Akademie für Notfallplanung und Zivilschutz aus dem Jahr 2002 (dazu Sefrin/Weidringer/Weiss, DÄBl. 2003, A 2057). Zudem sind notärztliche "Leitplanken" der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND) e.V. und Hinweise des Deutschen Ethikrates (Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise – Ad-hoc-Empfehlung, 27. März 2020) von Bedeutung.
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Weithin wird in der Praxis auf die klinisch-ethischen Empfehlungen zu "Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie" der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) – die mit sieben weiteren Fachgesellschaften abgestimmt wurden – Bezug genommen (erste Version vom 25. März 2020, zweite Version vom 17. April 2020, dritte Version in der Vorabfassung vom 23. November 2021). Diese Empfehlungen haben den Status einer S1-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, gelten also als Handlungsempfehlung einer Expertengruppe im informellen Konsens. Solche Leitlinien sind allerdings kein Synonym für den medizinischen Standard, können aber bei dessen Präzisierung helfen (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2014 – VI ZR 382/12 –, Rn. 17; Kern/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019, § 96 Rn. 14; dazu auch BTDrucks 17/10488, S. 19). Ausdrücklich heißt es in den Empfehlungen, sie könnten eine juristische Einschätzung nicht ersetzen.
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Die Empfehlungen der DIVI behandeln allgemeine Grundsätze, Verfahren und Kriterien für die Priorisierungsentscheidungen. Ausgangspunkt ist (2.1.) der individuelle Bedarf der Behandlungsbedürftigen. Wenn die Ressourcen nicht ausreichen, müsse unausweichlich entschieden werden, welche kritisch kranken Patienten intensivmedizinisch behandelt werden und welche nicht, analog der Triage in der Katastrophenmedizin. Die Priorisierungen erfolgten (2.2.) nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten, sondern mit dem Ziel, möglichst vielen Patienten eine Teilhabe an der Versorgung zu ermöglichen. Entscheidend sei deshalb das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht. Danach werden diejenigen nicht intensivmedizinisch behandelt, bei denen nur eine sehr geringe Aussicht besteht zu überleben. Vorrangig wird demgegenüber behandelt, wer durch diese Maßnahmen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hat. Ausdrücklich stellt die zweite Version der Empfehlungen klar, dass aufgrund des Gleichheitsgebots eine Priorisierung aufgrund bestimmter Grunderkrankungen oder Behinderungen nicht zulässig sei. In der dritten Version wird betont, dass bei einer Entscheidung über knappe Ressourcen weder zwischen an COVID-19 und anderen Erkrankten noch nach dem Impfstatus zu unterscheiden sei, sondern alle kritisch Kranken einbezogen werden. In der Liste der Kriterien für Priorisierungsentscheidungen (3.2.) wird ausgeführt, dass (nach Nr. 3) Komorbiditäten und (nach Nr. 4) der Allgemeinzustand einschließlich Gebrechlichkeit, z.B. mit der "Clinical Frailty Scale", einbezogen werden sollen (zur Diskussion Heinemann, in: Festschrift für Hermann Plagemann, 2020, S. 411 ff.). Diese dienen nach 3.2.1. der Empfehlungen zur Einschätzung der individuellen Erfolgsaussicht einer Behandlung und stellen – in Abhängigkeit von ihrer Ausprägung – Indikatoren für eine schlechte Erfolgsaussicht intensivmedizinischer Maßnahmen dar. Komorbiditäten sind dies nach den Empfehlungen nur, wenn sie in ihrer Schwere oder Kombination die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer Intensivtherapie erheblich verringern; die Gebrechlichkeit ist insoweit als allgemeiner (prämorbider) Gesundheitsstatus nicht weiter qualifiziert.
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Daneben hat die Bundesärztekammer 2020 anlässlich der Coronavirus-Pandemie die Orientierungshilfe "zur Allokation medizinischer Ressourcen am Beispiel der SARS-CoV-2-Pandemie im Falle eines Kapazitätsmangels" vom 5. Mai 2020 herausgegeben (DÄBl. 2020, A 1084). Danach handeln Ärzte und Ärztinnen rechtmäßig, sofern sie sich an ihre Berufsordnung halten und den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse beachten; an den ethischen Grundsätzen des ärztlichen Berufs sei auch in der Pandemie festzuhalten. Kein Menschenleben sei mehr wert als ein anderes; es gelte der Grundsatz der Gleichbehandlung. Daher sei einzelfallbezogen und nicht schematisiert zu entscheiden. Zentrale Kriterien seien die Indikation, der Patientenwille und die klinischen Erfolgsaussichten. Das dürfe zeitlich und inhaltlich nicht so weit über den unmittelbaren Behandlungskontext hinaus ausgeweitet werden, dass sich daraus ein pauschaler Ausschluss bestimmter Patientengruppen ergebe. Auch hier wird betont, dass sich die Erfolgsaussicht nicht aus dem Vorliegen einer bestimmten Erkrankung oder Behinderung, sondern aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren ergebe. Auch nach der Orientierungshilfe der Bundesärztekammer sind Komorbiditäten und der allgemeine Gesundheitszustand/Gebrechlichkeit zu berücksichtigen (DÄBl. 2020, A 1084 [1086]). Dabei verweist die Orientierungshilfe auf aktuelle Stellungnahmen und Empfehlungen auch der DIVI. Keine von ihnen ist rechtlich verbindlich.
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II. |
1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden, dass der Gesetzgeber sie nicht vor einer Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung schütze, wenn es im Verlauf der Coronavirus-Pandemie zu einer Triage kommen sollte.
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Der Beschwerdeführer zu 1) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 29 Jahre alt. Er erlitt zwei Tage nach der Geburt einen Schlaganfall und ist an dem Moya-Moya-Syndrom erkrankt. Der Beschwerdeführer ist geistig und körperlich mehrfachbehindert. Er ist inkontinent, kann weder stehen noch gehen, nicht sprechen und ist hochgradig sehbehindert, da er auf dem rechten Auge blind ist. Zudem hat er schwere epileptische Anfälle. Er besuchte zunächst einen integrativen Kindergarten und später eine Förderschule. Mittlerweile lebt er in einer eigenen Wohnung im Haus seiner Mutter, die auch seine gesetzliche Betreuerin ist. Er besucht wochentags eine spezielle Fördergruppe und erhält Assistenz in allen Bereichen des Lebens.
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Die Beschwerdeführerin zu 2) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 33 Jahre alt. Sie ist an spinaler Muskelatrophie erkrankt, auf den Rollstuhl angewiesen und kann ihre Arme nur eingeschränkt bewegen. Die Beschwerdeführerin hat ein Hochschulstudium abgeschlossen, arbeitet seit 2018 in der Teilhabeberatung bei einem Verein und ist vielseitig ehrenamtlich aktiv. Sie wird mit einer 24-Stunden-Assistenz unterstützt.
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Die Beschwerdeführerin zu 3) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 34 Jahre alt und an spinaler Muskelatrophie erkrankt, mit einer teilweisen Lähmung der Extremitäten und einem neuromuskulären Hyperventilationssyndrom, das regelmäßig eine nächtliche achtstündige nichtinvasive Beatmungstherapie erfordert. Sie hat 2010 ein Studium abgeschlossen und arbeitet in einem Projekt, das den Anteil behinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen sucht. Sie wird im Alltag von mehreren Assistenzkräften unterstützt.
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Der Beschwerdeführer zu 4) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 27 Jahre alt. Er ist an einer Gliedergürtelmuskeldystrophie mit Ventilationsstörungen der Lunge sowie Lähmungen der Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels erkrankt. Der Beschwerdeführer sitzt seit dem 10. Lebensjahr dauerhaft im Rollstuhl, studiert seit 2017 und ist ehrenamtlich vielfach engagiert. Er lebt in seinem eigenen Haushalt und benötigt eine Rund-um-die-Uhr-Assistenz.
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Der Beschwerdeführer zu 5) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 39 Jahre alt und hat die sogenannte Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta); er ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Der Beschwerdeführer hat ein Hochschulstudium absolviert und mehrere soziale Projekte gegründet und betrieben. Er hat einen Assistenzbedarf von zwölf Stunden täglich.
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Der Beschwerdeführer zu 6) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 22 Jahre alt. Er hat einen angeborenen Herzfehler. Bei ihm liegt wegen einer Hirnschädigung beim Geburtsvorgang sowie dem Down-Syndrom eine geistige Behinderung mittleren Grades vor. Der Beschwerdeführer arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen, ist aber nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen. Er wird noch von seiner Mutter umfassend betreut und soll dann in eine betreute Einrichtung umziehen.
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Die Beschwerdeführerin zu 7) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 40 Jahre alt. Sie ist an spinaler Muskelatrophie erkrankt und kann sich seit ihrem 14. Lebensjahr nur im Rollstuhl fortbewegen. Seit 2006 ist sie als Richterin tätig und ehrenamtlich engagiert sowie im Leistungssport erfolgreich. Sie lebt in einer eigenen Wohnung und hat eine 24-Stunden-Assistenz.
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Der Beschwerdeführer zu 8) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 37 Jahre alt. Er ist an spinaler Muskelatrophie erkrankt. Seine Wirbelsäule wurde versteift. Seit seinem 10. Lebensjahr ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Der Beschwerdeführer ist ausgebildeter Fachinformatiker, hat ein duales Studium und ein Bachelorstudium abgeschlossen und ist in einer leitenden Funktion erwerbstätig. Im Alltag wird er von mehreren Assistenzkräften unterstützt.
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Der Beschwerdeführer zu 9) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde 77 Jahre alt und im Ruhestand. Er hat ausweislich eines beigefügten ärztlichen Attests eine schwere koronare Herzerkrankung, ihm wurden mehrere Stents gesetzt, und er ist an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt.
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2. Die Beschwerdeführenden rügen mit ihrer am 27. Juni 2020 eingereichten Verfassungsbeschwerde, dass der Gesetzgeber das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und auch die Anforderungen aus Artikel 25 der Behindertenrechtskonvention verletze, weil er für den Fall einer Triage im Laufe der Coronavirus-Pandemie nichts unternommen habe, um sie wirksam vor einer Benachteiligung zu schützen. Handele der Gesetzgeber nicht, drohe ihnen zudem die Verletzung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und ihrer Rechte auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG).
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Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) tragen vor, sie seien aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen und aufgrund ihres Assistenz- und Unterstützungsbedarfs durch die Coronavirus-Pandemie besonders stark gefährdet. Sie müssten befürchten, im Fall der Knappheit von medizinischen Ressourcen aufgrund ihrer Behinderung schlechtere Behandlungsmöglichkeiten zu haben oder gar von einer lebensrettenden medizinischen Behandlung ausgeschlossen zu werden. Sie wiesen spezifische Beeinträchtigungen auf, die in der medizinischen Wahrnehmung und insbesondere in den klinisch-ethischen Empfehlungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften als Komorbiditäten oder Gebrechlichkeit gesehen würden, was statistisch belegt die Erfolgsaussicht, auf die bei einer intensivmedizinischen Behandlung meist abgestellt werde, verschlechtere. Damit sei ihr Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt, denn diese Benachteiligung sei nicht zu rechtfertigen.
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Der Gesetzgeber müsse die Triage regeln. Die Regierungen in Bund und Ländern hätten zwar Maßnahmen ergriffen, um eine Ressourcenknappheit in der Medizin zu verhindern. Ob dies gelinge, sei jedoch ungewiss. Für Priorisierungsentscheidungen und zum Schutz vor Diskriminierung gebe es keine Rechtsgrundlage. Nur im Gesetzgebungsverfahren könnten Betroffene Einfluss nehmen und nur eine gesetzliche Regelung könne sicherstellen, dass nach überprüfbaren Kriterien entschieden werde, sie nicht benachteiligt würden und schlimmstenfalls wenigstens Rechtsschutz eröffnet sei.
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III. |
Die Verfassungsbeschwerde wurde unter Übersendung eines Fragenkatalogs den Beteiligten und sachkundigen Dritten zugestellt. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesministerium für Gesundheit sowie alle Landesregierungen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Als sachkundige Dritte befragt wurden der Deutsche Ethikrat, die Bundesärztekammer, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI), die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschland (BAND) e.V., das Deutsche Institut für Menschenrechte e.V. (DIMR), das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS), der Deutsche Behindertenrat, das Netzwerk Artikel 3 - Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V., der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) und der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB). Der Deutsche Behindertenrat hat erklärt, grundsätzlich keine Stellungnahmen abzugeben, weshalb ergänzend die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihrer Angehörigen e.V. (BAG Selbsthilfe), das Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband e.V., die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL), der Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD) sowie der Sozialverband VdK Deutschland e.V. zur Stellungnahme aufgefordert wurden.
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Der Bundesrat sowie die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben ebenso wie der Deutsche Ethikrat nicht Stellung genommen.
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1. Der Deutsche Bundestag hat das Protokoll des Fachgesprächs "Handlungs- und Entscheidungssituationen der Triage" vom 16. Dezember 2020 im Ausschuss für Gesundheit übersandt und die Stellungnahmen des Sachverständigen Rixen mit dem Vorschlag für eine Regelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie des Bochumer Zentrums für Disability Studies (BODYS) beigefügt.
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2. Die Bundesregierung beschreibt in ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2020 die seit Pandemiebeginn weitreichenden Vorsorge- und Schutzmaßnahmen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine Triage-Situation sei daher unwahrscheinlich. Der rechtliche Rahmen verbiete Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung; die Empfehlungen der Fachgesellschaften und des Ethikrates bekräftigten dies. Komorbiditäten spielten nur eine Rolle, soweit sie die Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich reduzierten; das sei keine Diskriminierung.
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Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Es gebe keinen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht umgrenze. Auch sei völlig offen, ob die Beschwerdeführenden während der Pandemie überhaupt einer intensivmedizinischen Behandlung bedürften und ob es dann zur Triage kommen werde. Die Verfassungsbeschwerde setze sich nicht substantiiert mit den Empfehlungen der DIVI auseinander und zeige nicht auf, dass davon eine Gefährdung des Lebens, eine Benachteiligung wegen Behinderung oder eine Verletzung der Menschenwürde ausgehen könne, die den Gesetzgeber zum Eingreifen verpflichteten. Sie beschränke sich auf eine allgemeine Befürchtung. Die Diskriminierungsverbote würden auch im Fall knapper Ressourcen gelten.
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Die Verfassungsbeschwerde sei zudem unbegründet. Eine Verletzung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sei nicht ersichtlich. Der Staat habe zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine Überlastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten auszuschließen. Dies komme auch vulnerablen Gruppen zugute. Es sei nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien. Geltendes Recht genüge, um den Schutz des Lebens auch in einer etwaigen Mangelsituation sicherzustellen; ein Abbruch einer bereits begonnenen Behandlung zugunsten anderer Behandlungsbedürftiger im Sinne einer ex post-Triage sei jedenfalls unzulässig. Das Grundgesetz verlange nicht, spezifische Regelungen für jede potentielle Gefährdung zu schaffen, sondern nur, wesentliche Fragen in einem förmlichen Gesetz zu regeln. Einzelne könnten aber keine bestimmte Regelungsdichte verlangen. Es gebe auch keinen Anspruch auf staatliches Einschreiten gegen etwaige, sich an den Empfehlungen der DIVI orientierende Behandlungsentscheidungen. Es sei nicht zu beanstanden, eine intensivmedizinische Behandlung an der Erfolgsaussicht auszurichten. Man könne den Staat nicht verpflichten, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die gerade den Schutz möglichst vieler Menschen bezweckten. Es gebe keinen Anspruch auf Erhöhung der eigenen Überlebenschancen auf Kosten der Rettung anderer.
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Eine möglicherweise aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ableitbare Schutzpflicht sei nicht verletzt. Das Kriterium der individuellen Erfolgsaussicht sei gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Es behandle alle gleich. Für die DIVI-Empfehlungen spiele es keine Rolle, aus welchem Grund ein Mensch schwer erkrankt sei oder Komorbiditäten oder einen schlechten allgemeinen Gesundheitszustand aufweise. Eine Diskriminierung sei bei sachgerechter Anwendung der Empfehlungen und Richtlinien ausgeschlossen. Es seien auch keine vorzugswürdigen Kriterien ersichtlich.
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3. Soweit die Länder Stellung genommen haben, halten sie eine gesetzliche Regelung zur Triage teils nicht für erforderlich, sehen in einer solchen Regelung aber auch den Vorteil der Rechtssicherheit. Alle Länder betonen, dass präventives Handeln die Ausbreitung des Virus unterbinde und Kapazitätsprobleme vermeide. Allerdings gebe es, so der Freistaat Sachsen, in der Pandemie für eine große Anzahl kritisch Kranker zu wenige Behandlungskapazitäten. Bekannte Vorerkrankungen spielten sicher im Einzelfall eine wichtige Rolle für die Auswahlentscheidung. Mit dem Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht verbiete sich aber jede Priorisierung, die nicht am Behandlungserfolg ausgerichtet sei. Die Vorgaben der Behindertenrechtskonvention seien selbstverständlich zu berücksichtigen. Auch nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften sei eine Auswahl aufgrund bestimmter Grunderkrankungen oder Behinderungen nicht zulässig. Berufsrechtlich sei klargestellt, dass die medizinische Indikation bestehen und die Behandlung dem Patientenwillen entsprechen müsse. Der Vorteil einer bundesgesetzlichen Regelung könne allerdings in der Rechtssicherheit für die Ärzteschaft liegen. So wird ausgeführt, es sei wichtig, dass sich die Legislative mit diesem Thema befasse und eine breite gesellschaftliche Diskussion auch im Hinblick auf alle denkbaren Diskriminierungen stattfinde.
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4. Die medizinischen Organisationen haben aus fachlicher Sicht Stellung genommen.
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a) Die Bundesärztekammer betont den Unterschied zwischen der Triage im Katastrophenfall und in der Pandemie; in der Pandemie sei Prävention wichtig. Priorisierungsentscheidungen seien zentraler Bestandteil ärztlicher Tätigkeit. Die Erfolgsaussichten einer Behandlung müssten für das Überleben und die Gesamtprognose möglichst groß sein und möglichst viele Menschenleben gerettet werden, wobei jedes Menschenleben gleich viel wert sei. Das ethische Dilemma der Zuteilung sei eine große Herausforderung für die Ärzteschaft; sie erwarte daher Rückendeckung von der Politik. Die Entscheidung über eine intensivmedizinische Therapie sei insbesondere mit Bezug auf die klinische Erfolgsaussicht sehr komplex. Sie sei an das Selbstverständnis des ärztlichen Berufs gebunden. Es könnten sich allerdings "subjektive Momente" ergeben, womit Diskriminierungsrisiken einhergehen könnten. Um auch Partikularinteressen zu neutralisieren, müssten Kriterien und Verfahren interdisziplinär und fachübergreifend nach dem Stand der Wissenschaft erarbeitet werden. Um Sorgen und Befürchtungen vulnerabler Gruppen begegnen zu können, werde deren Beteiligung bei der Erstellung und Implementierung von Kriterien und Verfahren diskutiert.
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Die Bundesärztekammer spricht sich gegen die gesetzliche Regelung der Triage aus; sie verweist auf ihre Orientierungshilfe. Die Entscheidung müsse ärztlich bleiben; gesetzliche Vorgaben seien nicht geeignet, diese angemessen zu lenken, denn sie sei im höchsten Maße einzelfallabhängig und zeitlich unaufschiebbar. Das Berufsrecht verpflichte zur gewissenhaften und am Wohl der Patientinnen und Patienten ausgerichteten Berufsausübung. Die Triage sei Gegenstand der Aus- und Weiterbildung.
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b) Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hielt in ihrer Stellungnahme vom 29. November 2020 eine Triage-Situation zu diesem Zeitpunkt für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Sie solle gesetzlich geregelt werden, denn es gehe um die Lebenschancen der Bürgerinnen und Bürger und um bundesweit konsistente und gerechte Zuteilungsentscheidungen. Bislang sei die Verteilung knapper medizinischer Güter im Pandemiefall nicht geregelt. Im klinischen Alltag komme es immer wieder zu Kapazitätsengpässen; dann werde ohne klare Kriterien vielfach ad hoc entschieden. Für die Ärzteschaft sei diese Rechtsunsicherheit unerträglich.
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In den Empfehlungen der DIVI sei das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht zentral. Es sei ethisch damit begründet, bei Knappheit an Intensivbehandlungsplätzen die meisten Menschen retten zu können. Eine Behinderung oder chronische Erkrankung sei per se kein Ausschlussgrund für eine Behandlung, könne aber relevant werden, sofern sie die klinische Erfolgsaussicht erheblich reduziere. Das sei der Fall, wenn Behandlungsbedürftige nach individueller Prognose die Behandlung auf der Intensivstation trotz aller Bemühungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben würden.
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c) Die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND) e.V. erklärt, dass der Rettungsdienst als vorgezogene Intensivbehandlung bei kritisch Erkrankten aufgefasst werden müsse. In der Frühphase der Pandemie habe die BAND daher "Leitplanken" bei der Zuteilung von Behandlungsressourcen in der Coronavirus-Pandemie (oben Rn. 7) im Sinne einer ethischen Positionsbestimmung erstellt. Danach seien, was sich aus der Stellungnahme zur Priorisierung medizinischer Leistungen der Bundesärztekammer ergebe, die Kriterien medizinische Bedürftigkeit, erwartbarer medizinischer Nutzen sowie Kosteneffektivität anwendbar. Der erwartete medizinische Nutzen der Therapie sei dann nach dem Schweregrad der Gesundheitsstörung und den verfügbaren Ressourcen zu bestimmen. Behinderungen und Vorerkrankungen spielten dabei nur als "spezifisch fehlende physiologische Ressourcen" eine Rolle. Die Erfolgsaussicht sollte nicht statistisch beurteilt werden, sondern müsste konkret evaluiert werden. Die Zuteilungsentscheidung werde zwar dokumentiert. Das bleibe aber weit entfernt von klinischen Dokumentationsstandards, weshalb eine spätere gutachterliche oder juristische Überprüfung nicht möglich sei.
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Die Triage müsse nicht geregelt werden, doch bedürfe es gesetzlicher Vorgaben zur Vermeidung von Triage-Situationen, beispielsweise zur Vorhaltung lokaler Ressourcen und einer stabilen Logistik. Benötigt würden auch Vorgaben zur Aus- und Fortbildung des gesamten medizinischen Personals und zur nachvollziehbaren Dokumentation. Demgegenüber seien Entscheidungskriterien sehr komplex und spezifisch. Deren Beschreibung in Leitlinien wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften sowie eine Überprüfung anhand wissenschaftlicher Fachgutachten seien sinnvoll.
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a) Das Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband trägt vor, dass Fragen der Triage Fundamente unserer Werteordnung berührten. Es müsse sichergestellt sein, dass dem Diskriminierungsverbot entsprochen werde. Menschen mit Beeinträchtigungen und Vorerkrankungen müssten sich darauf verlassen können, die gleiche Chance auf Behandlung zu erhalten wie alle anderen auch. Die DIVI-Empfehlungen widersprächen jedoch diametral den Wertentscheidungen des Grundgesetzes hinsichtlich der Menschenwürde und des Lebensrechts der Betroffenen. Wenn danach entschieden werde, wie das bestmögliche Ergebnis für alle auf Kosten der Einzelnen zu erreichen sei, verletze dies das Grundrecht auf Gleichheit. Es sei aber Aufgabe des Gesetzgebers, sich mit dem Thema zu befassen. Das Parlament stehe in der Verantwortung, einen Rahmen für den diskriminierungsfreien Zugang zur medizinischen Versorgung auch in Ausnahmesituationen zu garantieren.
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An der Diskussion müssten alle relevanten Personengruppen beteiligt werden, also Medizin, Pflege, Ethik, Wissenschaft, Patientenschaft, chronisch Erkrankte, Behinderte und Angehörige von Menschen, die sich nicht selbst äußern könnten. Im Gesundheitswesen müsse eine menschenrechtliche Perspektive auf Behinderung verankert werden. Es gebe immer noch eine große Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung und den Erfahrungen behinderter und chronisch erkrankter Menschen einerseits und der Medizin andererseits. Der medizinische Blick auf Behinderung sei noch stark defizit- statt teilhabeorientiert. In der Ausbildung gebe es zu wenige Berührungspunkte. Auch fehlten Qualitätsstandards für einen barrierefreien Zugang zur Gesundheitsversorgung gemäß der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Nur wenn Inklusion in der regulären Gesundheitsversorgung Standard sei, werde sie auch im Katastrophenfall berücksichtigt.
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b) Der Bundesverband des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) hält eine gesetzliche Regelung für zwingend erforderlich. Eine gesetzliche Regelung schaffe Rechtssicherheit. Der Staat müsse nicht nur einen Mangel an intensivmedizinischen Versorgungsmöglichkeiten vermeiden, sondern auch Verteilungskriterien festlegen, denn der Rückgriff auf Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften könne eine gesetzliche Regelung mangels Bindungswirkung nicht ersetzen. Auch sei dort ein gleichheitssicherndes Vorgehen fraglich.
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Ressourcen seien – auch in Mangelsituationen – diskriminierungsfrei zu verteilen. Auch wegen des Diskriminierungsverbots des Art. 3 Abs. 3 GG seien sozialer Status, Alter, Geschlecht, Nationalität, religiöse Zugehörigkeit, Versicherungsstatus, Behinderung oder abstrakte Grunderkrankungen keine legitimen Kriterien. Eine "Gebrechlichkeitsskala" sei abzulehnen, denn sie impliziere, dass Ältere und Menschen mit Behinderungen per se schlechtere Behandlungsaussichten hätten und in Triage-Situationen diskriminiert würden. Es dürfe nicht schematisch entschieden werden, sondern individuell und konkret anhand der Schwere der Erkrankung und der Erfolgsaussicht der konkret geplanten Behandlung. Der Gesetzgeber solle einen Negativkatalog vorgeben, um die Einzelfallentscheidungen bei den Behandelnden zu lassen. Das Verfahren der Zuteilung medizinischer Ressourcen müsse fair, sachlich begründet und transparent sein, Gründe müssten fortlaufend und im Einzelfall überprüfbar dokumentiert werden.
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c) Der Sozialverband VdK Deutschland, der unter anderem die Interessen von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen vertritt, betont die Bedeutung der Prävention und des Schutzes vulnerabler Gruppen. Er befürwortet eine gesetzliche Regelung zum Verfahren und zu verbotenen Kriterien bei der Zuteilung medizinischer Ressourcen, auch wenn es Grenzen der Justiziabilität gebe. Angesichts der Schwere der Konfliktsituation und ihrer tödlichen Folgen seien diese Wertenscheidungen gesamtgesellschaftlich zu diskutieren und demokratisch durch den Gesetzgeber zu treffen und zu legitimieren. Die Zuteilung von Lebenschancen könne nicht Fachgesellschaften übertragen werden. Auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sei der Gesetzgeber schon 2012 im Rahmen einer Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz hingewiesen worden. Zu regeln seien Kontrollmechanismen und gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Dies führe zu Rechtssicherheit und stärke das Vertrauen in den Entscheidungsprozess.
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6. Weitere sachkundige Dritte haben in ihren Stellungnahmen insbesondere zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen vorgetragen.
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a) Das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) hält die Empfehlungen der DIVI für rechtswidrig, denn sie diskriminierten alte und behinderte Menschen. Für solche Entscheidungen sei zum Schutz vor Benachteiligung eine gesetzliche Grundlage verfassungs- und menschenrechtlich geboten und auch sinnvoll. Aus dem Grundgesetz und der Behindertenrechtskonvention, die einen Paradigmenwechsel vom medizinischen zum menschenrechtlichen Modell von Behinderung auch in der medizinischen Versorgung fordere, leite sich eine besondere Schutzpflicht von Staaten gegenüber Menschen mit Behinderungen ab.
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Das Benachteiligungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Verbindung mit der Behindertenrechtskonvention verbiete eine unmittelbar oder mittelbar an Behinderung anknüpfende Rationierung oder Priorisierung von intensivmedizinischen Leistungen. Die Empfehlungen der DIVI seien zwar neutral formuliert, wirkten sich aber mehrheitlich typischerweise negativ auf Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen aus. Das ergebe sich aus dem Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht. Seien dafür eine aktuelle Erkrankung, Komorbidität und allgemeiner Gesundheitszustand entscheidend, hätten Behinderte und ältere Menschen durchweg ein höheres Risiko, schlechter eingestuft zu werden, denn sie seien häufiger sekundär gesundheitlich beeinträchtigt als Behandlungsbedürftige ohne Behinderung, hätten einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand und erkrankten schneller akut. Mittelbar diskriminierend sei auch das Kriterium der zu erwartenden Lebensjahre, da chronische Erkrankungen oder Behinderungen mit einer Lebenszeitverkürzung verbunden sein könnten. Damit könnten die Empfehlungen als mittelbare Benachteiligung eingestuft werden, die angesichts der potentiell tödlichen Folgen nicht rechtfertigungsfähig sei.
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Zur Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit genüge ein simples Verbot nicht. Unter Berücksichtigung der Behindertenrechtskonvention sei sicherzustellen, dass Vorurteile und Stereotype keine Rolle spielten und die medizinische Behandlung nicht wegen Behinderungen oder funktionaler gesundheitlicher Beeinträchtigung verweigert werde. Lebenswerteinstufungen wie die Nutzwertberechnung einer Behandlung nach der Quality Adjusted Life Years Scale (QALYS), also nicht nur nach der Verlängerung der Lebenszeit, sondern nach der Lebensqualität, seien diskriminierend. Kurzfristige Überlebenserwartungen und die Aussichtslosigkeit einer Behandlung dürften nur dann eine Rolle spielen, wenn für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen angemessene Vorkehrungen für eine individuelle objektiv evidenzbasierte Einschätzung vorgesehen seien. Zudem sei eine barrierefreie und effektive Kommunikation wichtig, um den Patientenwillen möglichst auch in der intensivmedizinischen Notsituation feststellen zu können.
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b) Das Netzwerk Artikel 3 unterstützt die Verfassungsbeschwerde. Der Gesetzgeber dürfe zu einer so wesentlichen Frage von Leben und Tod nicht schweigen und dies den medizinischen Fachgesellschaften überlassen. Es seien behinderte Menschen aus Selbstvertretungsorganisationen einzubeziehen. Der erklärte oder mutmaßliche Wille der Behandlungsbedürftigen müsse, eventuell unter Zuziehung der Angehörigen, Priorität haben.
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Für die Triage müsse ein diskriminierungsfreies, nachprüfbares und konsistentes Verfahren etabliert werden. Die klinische Erfolgsaussicht sei derzeit entscheidend, jedoch nicht objektivierbar. Es müsse den Prinzipien einer individualisierten Medizin gefolgt werden, nicht Skalen und Scores. Diese bezögen sich auf durchschnittliche Menschen und seien nicht für Menschen mit Behinderungen oder verschiedenen Vorerkrankungen abgeglichen worden. Das Krankenhauspersonal habe ausweislich einer empirischen Studie aus dem Jahr 2015 Defizite in der Kenntnis über Schwerbehinderungen. Fehlende Sensibilisierung führe zu Vorurteilen und Fehlern in der Behandlung. Es komme zu Fehlprognosen zulasten behinderter Menschen, und es wirkten unbewusste Denkmuster, weshalb auch neutrale Empfehlungen zum Einfallstor für mittelbare Diskriminierung würden. So seien behinderte Menschen häufig damit konfrontiert, dass nicht behinderte Personen unhinterfragt als Norm zugrunde gelegt würden (sogenannter "Ableismus"). Damit sei zu befürchten, dass sie allein aufgrund ihrer Behinderung unter dem Druck einer schnellen Entscheidungsfindung rasch "aussortiert" würden.
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c) Auch der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) schildert strukturelle Schwierigkeiten für behinderte Menschen in der gesundheitlichen Versorgung, die sich in der Pandemie verstärkt hätten. Personal sei im Umgang mit Menschen mit spezifischen Behinderungen in der Regel nicht geschult. Gerade Menschen mit geistiger Behinderung, psychischen Erkrankungen, schweren Mehrfachbehinderungen oder Sinnesbehinderungen hätten insgesamt einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsleistungen und Gesundheitsinformationen als Menschen ohne Behinderung. Sie begegneten vielfach Vorurteilen und Stigmatisierungen, was sich in einer diskriminierenden Behandlung niederschlagen könne.
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Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe berichtet, ihm sei im Jahr 2020 von Mitgliedseinrichtungen in Regionen mit extremen Infektionslagen gemeldet worden, dass Menschen mit Behinderung trotz schwerer Infektionen mit COVID-19 nicht in ein Krankenhaus aufgenommen worden seien, obwohl sie in ihren Einrichtungen nicht hinreichend versorgt werden konnten; eine Einrichtung habe daher eigene Beatmungsgeräte angeschafft. Das zeige exemplarisch, dass eine "Triage vor der Triage" stattfinde, was aber derzeit nicht mit validen Daten zu belegen sei.
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Der Gesetzgeber sei durch die Behindertenrechtskonvention verpflichtet, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Barrieren abzubauen. Dazu habe er 2016 die Behinderung sozialrechtlich neu definiert. Sein Bemühen um Umsetzung der Konvention werde aber konterkariert, wenn im Laufe der Pandemie eventuell erforderliche Triage-Entscheidungen an eine Behinderung oder chronische Krankheit anknüpften. Bund und Länder hätten versäumt, in der Pandemie stärkeren Schutz für diese besonders vulnerable Personengruppe zu konzipieren. Der Caritas Behindertenhilfe sei auch berichtet worden, dass Landesärztekammern vereinfachte Patientenverfügungen verteilt hätten, in denen Menschen oder deren gesetzliche Betreuer motiviert worden seien, lebensverlängernde Maßnahmen durch eine intensivmedizinische Behandlung abzulehnen.
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Nach Kenntnis der Caritas Behindertenhilfe gibt es im klinischen Alltag keine allgemeinen oder verbindlichen Standards zum Umgang mit Kapazitätsengpässen, die transparent zur Verfügung stünden. Damit bestehe die Gefahr, dass diskriminierende Denkmuster Einfluss auf die Behandlung nähmen. Den Empfehlungen der DIVI fehlten Verbindlichkeit, Transparenz und Überprüfung. Beim Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht sei es problematisch, Komorbiditäten und die Gebrechlichkeitsskala einzubeziehen, denn der Zusammenhang sei nicht wissenschaftlich belegt und impliziere, dass ein Leben mit bestimmten Vorerkrankungen oder Behinderungen weniger lebenswert sei. Das wirke sich mittelbar diskriminierend aus. Zudem blieben Erkenntnisse zur erhöhten Resilienz und Resistenz behinderter Menschen unberücksichtigt. Der Gesetzgeber könne dem entgegentreten.
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d) Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) weist darauf hin, dass behinderte Menschen in der Pandemie zunehmend Benachteiligungserfahrungen machten. Unzulänglichkeiten in ihrer gesundheitlichen Versorgung hätten unterschiedliche Ursachen. Dazu zählten nach wie vor Vorurteile, fehlende Erfahrung und eine unzutreffende Sicht auf die Lebensqualität von behinderten Menschen. Betroffene befürchteten nach den dem Bundesverband mitgeteilten bisherigen Erfahrungen seines Erachtens zu Recht, ohne nähere Prüfung ihrer individuellen Situation intensivmedizinisch unberücksichtigt zu bleiben.
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Das in den Empfehlungen der DIVI gebrauchte Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht sei problematisch. Laien könnten annehmen, dies erfasse auch den späteren gesundheitlichen Zustand und die spätere Lebensqualität. Die Aussage, dass Grunderkrankungen und Behinderungen bei der Triage-Entscheidung keine Rolle spielen sollten, stehe in einem Spannungsverhältnis zu der Aussage, dass Komorbiditäten die Überlebenschancen bei einer Intensivtherapie minderten. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen mit Behinderung automatisch der Gruppe ohne nennenswerte Erfolgsaussicht zugeordnet würden, denn Behinderung werde häufig fälschlich mit Komorbiditäten in Verbindung gebracht oder mit der pauschalen Annahme verbunden, behinderte Menschen würden in geringerem Umfang als andere genesen.
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Eine gesetzliche Regelung der Triage sei sinnvoll, aufgrund der Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichtend und könne für Rechtsklarheit sorgen.
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e) Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihrer Angehörigen (BAG Selbsthilfe) befürwortet eine gesetzliche Regelung von Allokationsentscheidungen in der Medizin. Es dürften keine Abstriche von der rechtlichen Festlegung gemacht werden, dass jedes menschliche Leben gleich viel wert sei. Man dürfe auch die Medizin bei einer Triage-Entscheidung nicht allein lassen. Essentiell seien prozedurale Absicherungen.
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f) Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) trägt vor, der Gesetzgeber müsse die wesentliche Frage des Zugangs zu medizinischer Versorgung auch wegen der Benachteiligungsverbote im Völkerrecht regeln. Der Verzicht auf einen gesetzlichen Rahmen verletze die Schutzpflicht gegenüber alten und behinderten Menschen. Eine unter Beteiligung der Betroffenen zu erarbeitende Regelung sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit geboten.
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Derzeit seien mehrere Kriterien der Intensivmedizin problematisch. So sei die Erfolgsaussicht ein Einfallstor für die diskriminierende Auswahl der Behandlungsbedürftigen. Die Bewertungsparameter zeigten, dass nur körperlich fitte Personen eindeutige Erfolgsaussichten hätten. Messskalen würden behinderten und alten Menschen automatisch eine negative klinische Erfolgsaussicht zuschreiben und diskriminierten die Betroffenen. Das gelte auch für die Gebrechlichkeitsskala. Hier sei zu bedenken, dass viele behinderte Menschen im Alltag auf Assistenz angewiesen seien, was oft dazu führe, sie für gebrechlich zu halten. Finde die Skala Anwendung, bestehe auch die Gefahr, dass ansonsten gesunden, aber blinden oder anderweitig behinderten Menschen bei einer schweren Lungenentzündung eine schlechte Erfolgsaussicht attestiert werde. Das Kriterium der Komorbiditäten führe in Kombination mit der Skala dazu, dass behinderte Menschen stark gefährdet seien, nicht behandelt zu werden, denn ihnen werde oft eine verkürzte Lebenserwartung prognostiziert. Dabei spiele der "Ableismus" als Orientierung an Menschen ohne eine Behinderung als Normalität eine nicht zu unterschätzende Rolle; er könne gerade in Krisenzeiten dazu führen, dass Menschen mit Behinderung von intensivmedizinischen und lebensrettenden Maßnahmen ausgeschlossen würden. Des Weiteren sei das Maximierungsgebot menschenverachtend, wonach eine Vielzahl von Menschen überleben solle. Dies führe zu einer statistischen Aufrechnung von Menschenleben gegen Menschenleben.
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7. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), die Einrichtung des Bundes zur Beobachtung der Menschenrechtssituation in Deutschland, weist darauf hin, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert habe, die Rechte von Menschen mit Behinderung und älteren Menschen auch in der Pandemie zu schützen. Die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (United Nations, Office of the High Commissioner for Human Rights, COVID-19 and the Rights of Persons with Disabilities: Guidance, 29 April 2020) habe sich dazu ebenso besorgt gezeigt wie die UN-Sonderberichterstatterin (United Nations, Office of the High Commissioner for Human Rights, COVID-19: Who is protecting the people with disabilites?, 17 March 2020).
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Die deutsche Rechtslage zu medizinischen Entscheidungen bei einer Triage sei bislang von gravierenden Rechtsunsicherheiten geprägt. Die strafrechtliche Beurteilung sei ebenso ungeklärt wie die Frage, ob Ärztinnen und Ärzte an Grund- und Menschenrechte gebunden seien. Die Empfehlungen der DIVI, der Bundesärztekammer und des Ethikrats seien potentiell diskriminierend und dürften daher nicht zur Anwendung kommen. Nach Auffassung des DIMR wirkt es sich negativ auf Menschen mit neuronalen Muskelerkrankungen, Herzerkrankungen und Mehrfachbehinderungen aus, wenn die Erfolgsaussicht einer Behandlung anhand der Kriterien Lebenszeiterwartung, Komorbiditäten und Gebrechlichkeit, und diese noch dazu nach der Gebrechlichkeitsskala, beurteilt werde.
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Die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften reflektierten nicht den grund- und menschenrechtlichen Rahmen. Dort sei der diskriminierungsfreie Lebens- und Gesundheitsschutz festgeschrieben; das gelte auch in Risikosituationen wie einer Pandemie. Insbesondere die Behindertenrechtskonvention fordere einen Paradigmenwechsel hin zu inklusiver Gleichberechtigung. Hingegen orientiere sich die medizinische Expertise bei der Behandlung behinderter Menschen nach wie vor häufig an deren vermeintlichen Defiziten. Die Erfolgsaussicht einer Behandlung müsse als Kriterium in der Triage eng im Sinne eines Überlebenserfolgs verstanden werden. In einem Negativkatalog müssten Kriterien durch diskriminierungsfreie Prinzipien ergänzt werden, um Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung zu tragen.
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Für den Gesetzgeber ergebe sich aus den Menschenrechten, aus grundrechtlichen Schutzpflichten und aus dem Sozialstaatsgebot eine Regelungspflicht. Das Diskriminierungsverbot gehöre zu den Kernbereichen des internationalen Menschenrechtsschutzes.
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B. |
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) ist zulässig. Sie richtet sich gegen gesetzgeberisches Unterlassen, was zulässiger Gegenstand eines solchen Verfahrens ist (I). Die besonderen Anforderungen an die Beschwerdebefugnis sind erfüllt (II). Auch der Grundsatz der Subsidiarität ist gewahrt, da jedenfalls keine zumutbare Möglichkeit bestand, vorrangig regulären Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (III).
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I. |
Die Beschwerdeführenden zielen auf wirksamen gesetzlichen Schutz davor, dass sie aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt werden, indem ihnen im Fall unzureichender intensivmedizinischer Ressourcen im Laufe der Coronavirus-Pandemie eine lebensrettende Behandlung vorenthalten wird. Sie rügen damit ein gesetzgeberisches Unterlassen. Dieses kann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn sich eine Handlungspflicht des Gesetzgebers aus dem Grundgesetz herleiten lässt (vgl. BVerfGE 129, 124 [176]; 139, 321 [346 Rn. 82] m.w.N.). Eine solche kommt hier aufgrund des Diskriminierungsverbotes aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Betracht. Danach kann der Gesetzgeber auch gehalten sein, wegen Behinderung drohende Diskriminierungen durch Private zu verhindern. Die Verfassungsbeschwerde zielt somit auf einen tauglichen Beschwerdegegenstand im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. auch BVerfGE 56, 54 [70 f.]; stRspr).
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II. |
Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) legen hinreichend substantiiert dar, dass die nicht nur vage Möglichkeit besteht, mangels gesetzlichen Schutzes vor Diskriminierung bei einer Verteilungsentscheidung über lebensnotwendige intensivmedizinische Ressourcen im Laufe der Coronavirus-Pandemie in einem ihrer Grundrechte verletzt zu werden. In Betracht kommt hier die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (näher unten Rn. 96 f.).
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1. Mit den Anforderungen an die Feststellung einer gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung sind spezifische Darlegungslasten verbunden.
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a) Die Beschwerdeführenden müssen darlegen, dass hinsichtlich ihrer Rügen überhaupt eine grundrechtliche Schutzpflicht bestehen kann.
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b) Weiter müssen die Beschwerdeführenden darlegen, dass diese Schutzpflicht auch verletzt sein kann. Dem Gesetzgeber ist bei der Wahrnehmung einer Schutzpflicht regelmäßig ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl. BVerfGE 77, 170 [214 f.]; 79, 174 [202]; 88, 203 [262]; 106, 166 [177]; 121, 317 [356]; 156, 224 [239 Rn. 42]; 158, 170 [190 ff. Rn. 48 ff.]). Daher kann das Bundesverfassungsgericht die Verletzung einer Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sieerheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben(zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG BVerfGE 157, 30 [114 Rn. 152] m.w.N.; zu Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG BVerfGE 158, 170 [191 Rn. 50]; stRspr). Eine mögliche Grundrechtsverletzung ergibt sich aus den Darlegungen einer Verfassungsbeschwerde dabei regelmäßig nur dann, wenn sich diese nicht in pauschalen Behauptungen und punktuell herausgegriffenen, angeblichen Unzulänglichkeiten der Rechtslage erschöpfen. Erforderlich ist vielmehr, den gesetzlichen Regelungszusammenhang insgesamt zu erfassen, wozu – je nach Fallgestaltung – zumindest gehört, dass die einschlägigen Regelungen des als unzureichend beanstandeten Normkomplexes jedenfalls in Grundzügen dargestellt werden und begründet wird, warum vom Versagen der gesetzgeberischen Konzeption auszugehen ist (vgl. BVerfGE 158, 170 [191 f. Rn. 51]). Hier muss sich die Verfassungsbeschwerde daher mit den tatsächlichen Gegebenheiten und den dazu vorliegenden Erkenntnissen sowie mit dem einschlägigen Fachrecht und anwendbaren Regelungen zum Schutz vor Benachteiligung jedenfalls in Grundzügen auseinandersetzen und begründen, warum diese zur Umsetzung des Gebots eines wirksamen Schutzes vor der Benachteiligung wegen einer Behinderung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht genügen.
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c) Da die Verfassungsbeschwerde keine allgemeine Möglichkeit eröffnet, verfassungsrechtliche Bedenken geltend zu machen, steht sie dabei nur denjenigen zur Verfügung, die selbst, unmittelbar und gegenwärtig von einer möglichen Rechtsverletzung betroffen sind. Wird die Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG durch gesetzgeberisches Unterlassen gerügt, ist eine Verfassungsbeschwerde daher nur zulässig, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, dass und inwiefern für die Beschwerdeführenden selbst und unmittelbar das Risiko besteht, aufgrund einer Behinderung benachteiligt zu werden, und welche Folgen sich für sie daraus ergeben könnten. Dabei genügt allein die vage Aussicht, dass die Beschwerdeführenden irgendwann einmal in der Zukunft betroffen sein könnten, nicht (vgl. BVerfGE 114, 258 [277]; 140, 42 [58 Rn. 59]; 159, 223 [269 Rn. 86]; 159, 355 [377 Rn. 32]).
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2. Die Verfassungsbeschwerde genügt für die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) diesen Darlegungsanforderungen.
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a) Die Beschwerdeführenden legen dar, dass sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ein Schutzauftrag ergeben kann, der den Gesetzgeber dazu verpflichtet, für den Fall der Entscheidung über die Zuteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen wirksame Vorkehrungen zu treffen, Menschen mit Behinderung vor einer Benachteiligung wegen dieser Behinderung zu schützen (näher dazu unten Rn. 97 ff.).
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b) Auch ist dargelegt, inwiefern diese Schutzpflicht verletzt sein kann. Die Beschwerdeführenden erläutern, dass mit den in der Intensivmedizin derzeit praxisrelevanten Entscheidungsvorgaben zumindest das Risiko verbunden sei, bei einer Verteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden, weil die Orientierung am Kriterium der Erfolgsaussicht einer intensivmedizinischen Behandlung ohne weitere, vor einer Benachteiligung schützende Maßgaben dazu führen könne, dass sie zugunsten anderer Behandlungsbedürftiger nachrangig oder nicht behandelt würden. Zudem wird umfänglich erläutert, dass insoweit gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz vor Diskriminierung fehlen. Die Beschwerdeführenden setzen sich mit dem einschlägigen Fachrecht auseinander und schildern, dass aus ihrer Sicht Regelungen im Sozialrecht, Zivilrecht, Strafrecht und Gefahrenabwehrrecht oder anderen Rechtsgebieten ihren Schutz nicht sicherstellen. Insbesondere legen sie dar, inwiefern Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG unter Berücksichtigung der Behindertenrechtskonvention jeder Benachteiligung aufgrund der Behinderung im Gesundheitssystem entgegenstehe und die staatliche Handlungspflicht angesichts der Gefahr einer Triage im Laufe der Pandemie verletzt sei. Sie zeigen zudem auf, dass sich ihre grundrechtliche Position durch eine gesetzgeberische Regelung verbessern ließe, auch weil ein Gesetzgebungsverfahren Beteiligungsmöglichkeiten eröffne. Da sie nicht gehalten sind, dem Gesetzgeber eine konkrete Regelung vorzuschlagen, mit der seine Handlungspflicht erfüllt wäre, genügt auch dies den Darlegungsanforderungen.
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c) Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) legen zudem dar, von der gerügten Verletzung der grundrechtlichen Schutzpflicht gegenwärtig, selbst und unmittelbar betroffen zu sein.
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aa) Die Beschwerdeführenden haben ihre gegenwärtige Betroffenheit hinreichend begründet. Sie haben belastbare Anhaltspunkte dafür genannt, dass zum Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde die konkrete Aussicht bestand, dass intensivmedizinische Kapazitäten nicht ausreichen könnten, um alle Bedürftigen lebensrettend zu versorgen. Dies belegten sie nachvollziehbar insbesondere mit Informationen zur damaligen Situation in Norditalien und mit Meldungen zu Einzelfällen in Deutschland. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich in einer Pandemie Ansteckungsgeschehen und Krankheitsverläufe und damit auch die Situation der Intensivmedizin oft schwer vorhersehbar entwickeln. Es ist im Laufe einer Pandemie mit einem leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren und lebensgefährlichen Virus nicht unrealistisch, dass Behandlungsressourcen in kurzer Zeit knapp werden können. Hier bestand daher schon zum Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde aktuell und nicht nur fernliegend potentiell (vgl. u.a. BVerfGE 114, 258 [277]) das Risiko, dass es im Fall einer Zuteilungsentscheidung über intensivmedizinische Ressourcen, die nicht für alle ausreichen, zu einer Benachteiligung der Beschwerdeführenden wegen ihrer Behinderung kommt.
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Dies ist auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Fall. Derzeit besteht erkennbar die Gefahr, dass angesichts der Entwicklung der Coronavirus-Pandemie intensivmedizinische Ressourcen nicht für alle Behandlungsbedürftigen reichen und daher über deren Zuteilung auch im Rahmen einer Triage entschieden werden muss. Weiterhin besteht auch das Risiko, mangels gesetzgeberischer Vorkehrungen nicht wirksam vor einer Benachteiligung wegen einer Behinderung geschützt zu sein. Die für eine zulässige Verfassungsbeschwerde geforderte gegenwärtige Betroffenheit ist damit gegeben.
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bb) Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) haben auch substantiiert ausgeführt, dass für sie selbst und unmittelbar das konkrete Risiko besteht, im Fall knapper intensivmedizinischer Ressourcen im Laufe der Coronavirus-Pandemie wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden. Dazu müssen sie nicht belegen, dass sie bereits benachteiligt sind oder dass es zwingend dazu kommen wird. Für die Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerde, mit der sie wirksamen Schutz vor Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erreichen wollen, genügt es, wenn sie nachvollziehbar darlegen, dass dieses Risiko einer Benachteiligung tatsächlich besteht.
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Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) legen konkret und schlüssig dar, dass sie aufgrund ihrer spezifischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen dem Schutz von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG unterfallen und aufgrund ihrer Behinderung sowie ihres Assistenz- und Unterstützungsbedarfs durch die Coronavirus-Pandemie besonders stark gefährdet sind. Das gilt für sie im Vergleich mit nicht behinderten Menschen sowohl für das Risiko einer Ansteckung, soweit sie im Alltag intensiv und körpernah unterstützt werden müssen, als auch für das Risiko eines schweren und lebensbedrohlichen Verlaufs der Krankheit, soweit bei ihnen Erkrankungen vorliegen, die ein derartiges erhöhtes Risiko mit sich bringen. Für derartige Risikoeinschätzungen ist in Deutschland das Robert Koch-Institut (RKI) als Einrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten Forschung zuständig (vgl. § 2 des Gesetzes über Nachfolgeeinrichtungen des Bundesgesundheitsamtes, BGA-Nachfolgegesetz – BGA-NachfG, vom 24. Juni 1994, BGBl I S. 1416, zuletzt geändert durch Artikel 8 Absatz 1 des Gesetzes vom 27. September 2021, BGBl I S. 4530). Das RKI betont zwar fortlaufend, dass eine generelle Zuordnung zu Risikogruppen nicht möglich sei (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Kapitel 15, Risikogruppen für schwere Verläufe, 14. Juli 2021), sondern eine individuelle Risikofaktoren-Bewertung erforderlich sei. Schwere Krankheitsverläufe würden aber beispielsweise bei Menschen mit Down-Syndrom (wie dem Beschwerdeführer zu 6) häufiger beobachtet. Zudem verweist das RKI auf die Arbeitsmedizinische Empfehlung von 2020 zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten, November 2020). Dort sind einerseits hohe oder sehr hohe Gefahren einer Ansteckung bei pflegerischen Tätigkeiten ausgewiesen, auf welche die Beschwerdeführenden mit der Assistenz durch meist mehrere Personen in unmittelbarer körperlicher Nähe angewiesen sind. Zudem sind als Risikofaktoren namentlich Erkrankungen der Atemmuskulatur genannt, die hier bei den Beschwerdeführenden zu 3) und zu 4) bestehen.
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Demgegenüber genügt die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 9) den Darlegungsanforderungen insoweit nicht; sie ist unzulässig. Er belegt zwar chronische Erkrankungen. Doch fehlen Ausführungen dazu, inwiefern dies ihn in seiner Lebensführung konkret selbst so langfristig und schwerwiegend beeinträchtigt, dass er dem Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG unterfällt.
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III. |
Die Verfassungsbeschwerde genügt dem Grundsatz der Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 BVerfGG.
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1. Auch eine Verfassungsbeschwerde, die eine gesetzgeberische Schutzpflichtverletzung rügt, ist gegenüber anderen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, eine Grundrechtsverletzung zu verhindern, grundsätzlich subsidiär. Auch hier ist zunächst fachgerichtlich zu klären, ob geltendes Recht den begehrten Schutz tatsächlich nicht vermittelt (vgl. BVerfGE 158, 170 [200f. Rn. 71 f.] m.w.N.). Soweit jedoch allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen sind, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung nicht. Auch muss der Rechtsweg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht beschritten werden, wenn dies nicht zumutbar ist (vgl. BVerfGE 150, 309 [327 f. Rn. 44 f.] m.w.N.).
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2. Hier ist nicht erkennbar, wie in zumutbarer Weise eine gerichtliche Entscheidung darüber zu erlangen wäre, in der akuten Notsituation einer im Laufe der Coronavirus-Pandemie eventuell notwendigen Triage in der Intensivmedizin nicht aufgrund einer Behinderung zurückgestellt oder aufgrund bestimmter Kriterien, die eine Behinderung einbeziehen, nicht behandelt zu werden. Unabhängig von der Frage, ob derartige Behandlungsansprüche überhaupt einklagbar wären, kämen gerichtliche Eilentscheidungen im akuten Fall zu spät. Die nachträgliche Überprüfung einer ärztlichen Entscheidung ist hier nicht zielführend. Auch vorbeugender Rechtsschutz dagegen, im Fall einer intensivmedizinischen Knappheit aufgrund einer Behinderung benachteiligt zu werden, existiert realistisch nicht.
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Jedenfalls wirft die Verfassungsbeschwerde zentrale verfassungsrechtliche Fragen auf, und es ist nicht ersichtlich, welchen Stoff die Fachgerichte in einem zumutbaren Verfahren vorher aufklären sollten. Zwar ist bislang nicht gerichtlich entschieden, ob und mit welcher Wirkung die gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung wie § 1 AGG und §§ 10, 33c Satz 1 SGB I (dazu unten Rn. 124) hier Anwendung fänden. Doch wiederholen diese inhaltlich im Wesentlichen nur die Aussage des Grundgesetzes in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Ob das hier genügt, ist eine verfassungsrechtliche, ohne weitere fachrechtliche Aufklärung zu beantwortende Frage.
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C. |
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführenden zu 1) bis 8) ist begründet.
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Nach der Verfassungsbeschwerde ist hier allein zu entscheiden, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, wirksame Vorkehrungen zu treffen, dass niemand bei einer Entscheidung über die Verteilung von pandemiebedingt knappen intensivmedizinischen Behandlungsressourcen, also in einem Fall einer Triage, aufgrund einer Behinderung benachteiligt wird. Der Gesetzgeber hat solche Vorkehrungen bislang nicht getroffen. Damit hat er die hier aus dem Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG folgende Handlungspflicht verletzt.
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I. |
Aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergibt sich für den Staat ein Auftrag, Menschen wirksam davor zu schützen, wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden (1). Aus diesem Schutzauftrag kann unter bestimmten Bedingungen eine Handlungspflicht des Gesetzgebers folgen (2). Deren Verletzung ist aufgrund des weiten Spielraums zur Ausgestaltung des Schutzes vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt überprüfbar (3). Diese grundrechtlichen Maßstäbe tragen den gemäß Art. 1 Abs. 2 GG in der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigenden völkerrechtlichen Normen insbesondere der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen Rechnung (4).
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1. Aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergibt sich ein Auftrag, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung zu schützen.
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a) Eine Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt vor, wenn eine Person in der Fähigkeit zur individuellen und selbstständigen Lebensführung längerfristig beeinträchtigt ist. Gemeint sind nicht geringfügige Beeinträchtigungen, sondern längerfristige Einschränkungen von Gewicht. Auf den Grund der Behinderung kommt es nicht an (BVerfGE 151, 1 [23 f. Rn. 54] m.w.N.). Nach diesen Maßgaben schützt das Grundrecht auch chronisch Kranke, die entsprechend längerfristig und entsprechend gewichtig beeinträchtigt sind (vgl. Eckertz-Höfer, in: AK-GG, 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 135; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 164; Langenfeld, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 112 [Aug. 2019]; vgl. auch Art. 1 Satz 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Behindertenrechtskonvention, BRK).
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b) Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung liegt vor, wenn einem Menschen wegen einer Behinderung Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten werden, die anderen offenstehen, soweit dies nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme hinlänglich kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288 [302 f.]; 99, 341 [357]; 128, 138 [156]; 151, 1 [24 Rn. 55]).
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c) Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG schützt abwehrrechtlich gegen staatliche Benachteiligung (aa). Das Grundrecht enthält zugleich einen Förderauftrag (bb). Zudem ist es als objektive Wertentscheidung in allen Rechtsgebieten zu beachten (cc). Schließlich ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ein Schutzauftrag für den Gesetzgeber (dd), der ihn in bestimmten Konstellationen zum Handeln verpflichtet (dazu 2).
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aa) Als subjektives Abwehrrecht umfasst Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung (vgl. BVerfGE 151, 1 [24 Rn. 55] m.w.N.), also von Unterscheidungen mit benachteiligender Wirkung. Diese liegt nicht nur bei Regelungen und Maßnahmen vor, die die Situation von Behinderten verschlechtern, sondern auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt, der nicht hinlänglich kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288 [303]). Eine rechtliche Schlechterstellung von behinderten Menschen ist nur dann zu rechtfertigen, wenn sie unerlässlich ist, um behindertenbezogenen Besonderheiten Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 99, 341 [357]; dazu auch BVerfGE 151, 1 [25 Rn. 57]).
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bb) Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beinhaltet außer einem Benachteiligungsverbot auch einen Förderauftrag. Er vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten (BVerfGE 151, 1 [24 f. Rn. 56] m.w.N.).
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cc) Zudem ist das Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG eine objektive Wertentscheidung. Sie muss in allen Rechtsgebieten Beachtung finden. Das Benachteiligungsverbot wirkt damit auch auf das Privatrecht ein. Es ist insbesondere von den Zivilgerichten bei der Interpretation von Generalklauseln und anderen auslegungsfähigen und wertungsbedürftigen Normen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. März 2000 – 1 BvR 1460/99 –, Rn. 20; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2016 – 1 BvR 2012/13 –, Rn. 11; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2016 – 1 BvR 742/16 –, Rn. 10; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2020 – 2 BvR 1005/18 –, Rn. 37).
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dd) Als verfassungsrechtliche Wertentscheidung bindet Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG alle staatliche Gewalt. Auch der Gesetzgeber ist aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verpflichtet, Vorkehrungen gegen Benachteiligungen behinderter Menschen zu treffen. Das Grundrecht zielt darauf, rechtliche und gesellschaftliche Ausgrenzung zu verhindern und zu überwinden (vgl. BVerfGE 96, 288 [302]; so auch BTDrucks 12/8165, S. 28). Insoweit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ein Schutzauftrag. Dieser ließe sich nicht erfüllen, wenn Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nur in Konstellationen griffe, die dem Staat unmittelbar kausal zurechenbar sind, denn der Ausschluss von behinderten Menschen ist nicht allein auf staatliches Handeln zurückzuführen. Um behinderte Menschen vor Ausgrenzung zu bewahren, begründet Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG auch einen Auftrag an den Gesetzgeber, sie vor einer Benachteiligung wegen Behinderung durch Dritte zu schützen (dazu Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 160; Kingreen, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Rn. 310 ff., 698 [Feb. 2020]; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 13 f.; Peters/König, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2. Aufl. 2013, Kap. 21 Rn. 91; Sachs, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 144; siehe auch Langenfeld, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 125 f. (Aug. 2019); Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 237 [Aug. 2021]; Nußberger, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 312; zum Landesverfassungsrecht Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 13. August 2020 – St 2/19 –, Rn. 45).
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2. Der grundrechtliche Schutzauftrag aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG kann sich unter bestimmten Bedingungen zu einer Handlungspflicht des Staates verdichten. Aus dem Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG folgt keine umfassende, auf die gesamte Lebenswirklichkeit behinderter Menschen und ihres Umfelds bezogene Handlungspflicht des Gesetzgebers. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass Private nicht wie der Staat unmittelbar an das grundrechtliche Benachteiligungsverbot gebunden sind (Art. 1 Abs. 3 GG). Der Schutzauftrag kann sich aber in bestimmten Konstellationen ausgeprägter Schutzbedürftigkeit zu einer konkreten Schutzpflicht verdichten (vgl. BVerfGE 142, 313 [338 Rn. 71]; 158, 170 [186 f. Rn. 35]). Zu solchen Konstellationen gehört die gezielte, als Angriff auf die Menschenwürde zu wertende Ausgrenzung von Personen wegen einer Behinderung (zur Verankerung des Benachteiligungsverbots in der Menschenwürde BTDrucks 12/6323, S. 12; dazu auch BVerfGE 144, 20 [207 f. Rn. 541]). Zudem kann eine Handlungspflicht bestehen, wenn mit einer Benachteiligung wegen Behinderung Gefahren für hochrangige grundrechtlich geschützte Rechtsgüter einhergehen (vgl. BVerfGE 49, 89 [142]; 88, 203 [252]). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Schutz des Lebens in Rede steht (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Darüber hinaus kann sich eine konkrete Handlungspflicht auch in Situationen struktureller Ungleichheit ergeben. Die Schutzbedürftigkeit ist gemindert, wenn die Betroffenen die zumutbare Möglichkeit haben, sich vor einer Schädigung selbst zu schützen oder ihr auszuweichen (vgl. BVerfGE 142, 313 [338 f. Rn. 73]; 158, 170 [188 Rn. 40]). Sie hängt zudem von Art, Nähe und Ausmaß der in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorfindlichen oder drohenden Benachteiligungen ab.
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3. Besteht eine konkrete Schutzpflicht, kann das Bundesverfassungsgericht deren Verletzung nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG BVerfGE 142, 313 [337 f. Rn. 70]).
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Dem Gesetzgeber steht bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 96, 56 [64]; 121, 317 [356]; 133, 59 [76 Rn. 45]; 153, 182 [268 Rn. 224]). Dessen Umfang hängt von verschiedenen Faktoren ab, im Besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 76, 1 [51 f.]; 77, 170 [214 f.]; 88, 203 [262]; 153, 182 [268 Rn. 224]). Aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht folgt in der Regel keine bestimmte Handlungsvorgabe (vgl. BVerfGE 125, 39 [78]). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers kann sich nur unter besonderen Umständen so verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme dem Schutzgebot Genüge getan werden kann (vgl. BVerfGE 56, 54 [73 ff.]; 77, 170 [214 f.]; 79, 174 [202]; 88, 203 [254 ff., 257]). Innerhalb seines Spielraums kann sich der Gesetzgeber für Regelungen des materiellen Rechts ebenso entscheiden wie für solche des Verfahrensrechts, soweit dies für einen effektiven Grundrechtsschutz erforderlich ist (vgl. BVerfGE 53, 30 [65 ff.]; 84, 34 [45 f.]; 113, 29 [57]; 147, 253 [311 Rn. 120]).
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4. Diese Maßstäbe tragen den in der Auslegung des Grundgesetzes zu beachtenden völkerrechtlichen Verpflichtungen Rechnung.
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a) Insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) entfaltet in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Wirkung auf die Grundrechte des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 [370]; 82, 106 [114]; 111, 307 [317]; 151, 1 [28 Rn. 64]; stRspr). Art. 14 EMRK untersagt die Diskriminierung aufgrund eines sonstigen Status. Der Gerichtshof geht davon aus, dass es einen europäischen und weltweiten Konsens gibt, dass Menschen mit Behinderungen vor diskriminierender Behandlung geschützt werden müssen; das verdeutlicht die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 29. Januar 2003 angenommene Empfehlung 1592 (2003) über die volle soziale Inklusion von Menschen mit Behinderungen (vgl. EGMR, Glor v. Switzerland, Urteil vom 30. April 2009, Nr. 13444/04, § 53). Danach müssen auch staatliche Leistungen diskriminierungsfrei gewährt werden (vgl. EGMR [GK], Stec et al. v. the United Kingdom, Urteil vom 12. April 2006, Nr. 65731/01 und 65900/01, § 53). Grundsätzlich berücksichtigt die Rechtsprechung auch staatliche positive Verpflichtungen, effektiven und klaren Schutz gegen Diskriminierung im Erwerbsleben bereitzustellen (vgl. EGMR, Danilenkov et al. v. Russia, Urteil vom 30. Juli 2009, Nr. 67336/01, § 136).
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b) Auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, BRK) ist bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 128, 282 [306]; 142, 313 [345 Rn. 88]; 149, 293 [329 Rn. 90]; 151, 1 [26ff. Rn. 61ff.]). Die Konvention behandelt den Anspruch auf Gleichbehandlung und das Schutzgebot gegen die Benachteiligung wegen einer Behinderung, die auch in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG enthalten sind. Das Grundgesetz lässt sich ohne weiteres entsprechend auslegen. In der Sache geht auch die Konvention über den deutschen Grundrechtsschutz nicht hinaus.
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Nach Art. 1 Abs. 1 BRK zielt die Konvention darauf, "den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern." Die Vertragsstaaten sind nach Art. 25 BRK insbesondere verpflichtet, Menschen mit Behinderung einen in jeder Hinsicht diskriminierungsfreien Zugang zu der für sie notwendigen Gesundheitsversorgung zu verschaffen (vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Allgemeine Bemerkung Nr. 6 zu Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung, UN Doc. CRPD/C/GC/6 vom 26. April 2018, Rn. 66). Das entspricht im Wesentlichen dem Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 17/12 R –, Rn. 30f., BSGE 117, 117 [125 f. Rn. 30 f.]; BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 26/15 R –, Rn. 24, unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
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Die Vertragsstaaten sind nach Art. 4 Abs. 1 BRK verpflichtet, die Verwirklichung aller Menschenrechte für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck sind nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2e BRK alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen.
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Nach Art. 10 BRK sind alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den wirksamen und gleichberechtigten Genuss des angeborenen Rechts auf Leben durch Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Das gilt nach Art. 11 BRK ausdrücklich auch in Gefahrensituationen, bei Naturkatastrophen und humanitären Notlagen; gerade dann ist dem erhöhten Risiko der Diskriminierung entgegenzutreten (dazu Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Allgemeine Bemerkung Nr. 6, UN Doc. CRPD/C/GC/6, 26. April 2018, § 43). Das verdeutlicht die Geltung des Benachteiligungsverbots auch im Laufe einer Pandemie.
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In Art. 25 BRK anerkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Gesundheitsversorgung ist nach Art. 25 Satz 3a BRK in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard wie anderen Menschen zu gewährleisten. Nach Art. 25 Satz 3d BRK erlegen die Vertragsstaaten den Angehörigen der Gesundheitsberufe die Verpflichtung auf, Menschen mit Behinderungen eine Versorgung von gleicher Qualität wie anderen Menschen angedeihen zu lassen, namentlich auf der Grundlage der freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung, indem sie unter anderem durch Schulungen und den Erlass ethischer Normen für die staatliche und private Gesundheitsversorgung das Bewusstsein für die Menschenrechte, die Würde, die Autonomie und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen schärfen. Nach Art. 25 Satz 3f BRK ist dafür zu sorgen, dass Gesundheitsleistungen nicht aufgrund von Behinderung vorenthalten werden (vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Allgemeine Bemerkung Nr. 6, UN Doc. CRPD/C/GC/6, 26. April 2018, § 66; dazu auch Ausschuss für bürgerliche und politische Rechte, Allgemeine Bemerkung Nr. 36, UN Doc. CCPR/C/GC/36, 3. September 2019, §§ 24, 61).
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c) Bei der Auslegung des Grundgesetzes sind auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR, Zivilpakt) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR, Sozialpakt) zu beachten (vgl. BVerfGE 151, 1 [29 ff. Rn. 66 ff.] m.w.N.; stRspr). Insbesondere Art. 2 Abs. 1 und 2 IPwskR und IPbpR verpflichten die Vertragsstaaten, unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln und vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen die volle Verwirklichung der in den Pakten anerkannten Rechte diskriminierungsfrei zu erreichen. Dazu gehört das Recht auf Leben (Art. 6 IPbpR) und auf Gesundheit (Art. 12 IPwskR). Zu Leistungen sind die Staaten nur je nach ihren Ressourcen verpflichtet, müssen aber das Diskriminierungsverbot stets beachten (vgl. Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Bemerkung Nr. 14, UN Doc. E/C.12/2000/4, 11. August 2000, § 30; dazu auch Allgemeine Bemerkung Nr. 5, UN Doc. E/1995/22, 9. Dezember 1994, § 34). Dabei betont der Ausschuss das Bedürfnis, sicherzustellen, dass nicht nur der öffentliche Gesundheitssektor, sondern auch private Anbieter von Gesundheitsleistungen das Prinzip der Nicht-Diskriminierung in Bezug auf Personen mit Behinderung beachten (a.a.O., § 26). Vulnerable Gruppen, zu denen Menschen mit einer Behinderung gehören, müssen zudem auch bei schwerwiegender Ressourcenknappheit geschützt werden (vgl. Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Bemerkung Nr. 3, UN Doc. E/1991/23, 14. Dezember 1990, § 12).
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II. |
Danach erweist sich die Verfassungsbeschwerde als begründet. Der allgemeine Schutzauftrag des Staates aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verdichtet sich angesichts des Risikos der Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Zuteilung knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen zu einer konkreten Handlungspflicht (1). Der Gesetzgeber hat bislang keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen, um die Beschwerdeführenden wirksam vor einer solchen Benachteiligung zu schützen (2). Es liegt im Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wie er das Schutzgebot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hier konkret erfüllt, ob er also selbst materielle Maßstäbe für die intensivmedizinische Verteilungsentscheidung vorgibt oder andere Vorkehrungen trifft, um wirksam vor Benachteiligung zu schützen (3).
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1. a) Besteht das Risiko, dass Menschen in einer Triage-Situation bei der Zuteilung intensivmedizinischer Behandlungsressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichtet sich der Schutzauftrag aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu einer konkreten Pflicht des Staates, hiergegen wirksame Vorkehrungen zu treffen. In einer Rechtsordnung, die auf eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 151, 1 [23f. Rn. 54]), kann eine Benachteiligung wegen einer Behinderung nicht hingenommen werden, der die Betroffenen nicht ausweichen können und die unmittelbar zu einer Gefährdung der nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG als überragend bedeutsam geschützten Rechtsgüter Gesundheit und Leben (vgl. BVerfGE 126, 112 [140]; stRspr) führt. Die Betroffenen können sich in einer solchen Situation zudem nicht selbst schützen.
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b) Es liegen auch Anhaltspunkte dafür vor, dass für die Beschwerdeführenden ein Risiko besteht, bei Entscheidungen über die Verteilung pandemiebedingt nicht ausreichender überlebenswichtiger Ressourcen in der Intensivmedizin und damit bei einer Entscheidung über Leben und Tod aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu werden. Aus der Gesamtschau der sachkundigen Einschätzungen und Stellungnahmen wie auch aus den fachlichen Handlungsempfehlungen ergibt sich, dass die Betroffenen vor erkennbaren Risiken für höchstrangige Rechtsgüter in einer Situation, in der sie sich selbst nicht schützen können, derzeit nicht wirksam geschützt sind.
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aa) Die Bundesärztekammer betont zwar bereits 2007, auch unter Knappheitsbedingungen seien in der Basisversorgung "die Probleme vulnerabler und benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen" und verweist ausdrücklich darauf, dass Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG jede Differenzierung auch aufgrund der Behinderung auf allen Stufen ausschließe (DÄBl. 2007, A 2750, 2752). Die "Orientierungshilfe der Bundesärztekammer zur Allokation medizinischer Ressourcen am Beispiel der SARS-CoV-2-Pandemie im Falle eines Kapazitätsmangels" von 2020 wendet sich zudem ausdrücklich gegen schematische Entscheidungen (DÄBl. 2020, A 1085; oben Rn. 10). Für die Situation pandemiebedingt knapper Behandlungsressourcen geht die Bundesärztekammer in der Stellungnahme zu diesem Verfahren (oben Rn. 34) jedoch davon aus, dass sich in der komplexen Entscheidung über eine intensivmedizinische Therapie subjektive Momente ergeben könnten, die Diskriminierungsrisiken beinhalteten.
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In diesem Verfahren haben zudem als sachkundige Dritte befragte Facheinrichtungen und Sozialverbände im Einklang mit wissenschaftlichen Studien dargelegt, dass ein Risiko besteht, in einer Situation knapper medizinischer Ressourcen aufgrund einer Behinderung benachteiligt zu werden. Das wissenschaftliche Zentrum BODYS (oben Rn. 47), dessen Stellungnahme auch der Deutsche Bundestag vorgelegt hat, führt ebenso wie der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (oben Rn. 56) und die Caritas Behindertenhilfe (oben Rn. 52) aus, dass behinderte Menschen in der Pandemie besonders gefährdet sind.
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Mehrere sachkundige Dritte haben zudem ausgeführt, dass die Lebenssituation und -qualität von Menschen mit Behinderungen oft sachlich falsch beurteilt werde (oben Rn. 52, 56, 61, 64). Die Caritas Behindertenhilfe (oben Rn. 52) legt dar, in Krankenhäusern tätiges Personal stehe meist unter hohem zeitlichen und ökonomischen Druck und sei im Umgang mit Menschen mit spezifischen Behinderungen in der Regel nicht geschult. Eine Studie zum Stand der Forschung bis 2020 fasst zusammen, dass Hinweise auf Diskriminierungsrisiken bei der Inanspruchnahme der ambulanten sowie stationären Gesundheitsversorgung vorliegen, die weiterer systematischer Forschung bedürften (Bartig/Kalkum/Le/Lewicki im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen, 2021, S. 44 ff.). Das Diskriminierungsrisiko resultiere aus mangelndem Fachwissen und einer unzureichenden Sensibilisierung des medizinischen und pflegenden Gesundheitspersonals für behinderungsspezifische Besonderheiten (a.a.O., S. 65). Desgleichen haben sachkundige Dritte dargelegt, dass eine unbewusste Stereotypisierung von behinderten Menschen diese bei medizinischen Entscheidungen benachteilige (vgl. Netzwerk Artikel 3 oben Rn. 51; dazu auch Caritas Behindertenhilfe Rn. 52; Bundesverband evangelische Behindertenhilfe Rn. 56 f.; ISL Rn. 61). Der medizinische Blick auf Behinderung sei häufig defizitorientiert (vgl. Forum im Paritätischen oben Rn. 42; DIMR Rn. 64), was in der Ausbildung bislang kaum bearbeitet werde (zur Aus-, Fort- und Weiterbildung bereits 112. Deutscher Ärztetag 2009, Beschlussprotokoll S. 33; 119. Deutscher Ärztetag 2016, Beschlussprotokoll S. 99; Düsseldorfer Erklärung der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern 2019, oben Rn. 4).
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bb) Die fachlichen Empfehlungen der DIVI für intensivmedizinische Entscheidungen bei pandemiebedingter Knappheit, auf die in diesem Zusammenhang vielfach verwiesen wird, beseitigen das Risiko einer Benachteiligung nicht.
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(1) Die Empfehlungen sind als S1-Leitlinie rechtlich nicht verbindlich, sondern eine Handlungsempfehlung einer Expertengruppe im informellen Konsens. Damit sind sie auch kein Synonym für den medizinischen Standard im Fachrecht, sondern nur ein Indiz für diesen (oben Rn. 8).
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(2) Nach den Empfehlungen ist bei der Verteilung nicht ausreichender Ressourcen in der Intensivmedizin das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht der Behandlung entscheidend (2.2.). Die Erfolgsaussicht wird in den Empfehlungen definiert als die "Wahrscheinlichkeit, die aktuelle Erkrankung durch Intensivtherapie zu überleben" (3.2.1.). Die Aussicht, die akute Erkrankung zu überleben, ist ein als solches zulässiges Auswahlkriterium für die Verteilung knapper Behandlungsressourcen. Dieses Kriterium stellt nicht auf eine Bewertung menschlichen Lebens ab, sondern allein auf die Erfolgsaussichten der nach der aktuellen Erkrankung angezeigten Intensivtherapie.
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Würde hingegen auf eine längerfristig erwartbare Überlebensdauer abgestellt, würden Menschen, die aufgrund von Behinderungen tatsächlich oder vermeintlich eine kürzere Lebenserwartung haben, regelmäßig nicht oder nachrangig behandelt, zumal die stereotype Wahrnehmung von Behinderungen zu vorschnellen Schlüssen auf eine kürzere Lebensdauer verleiten kann. Dann wäre die weitere Lebensperspektive ausschlaggebend, nicht aber die Aussicht, die aktuelle Erkrankung zu überleben. Es ginge dann gerade nicht um das Überleben der akuten Erkrankung, sondern um die Maximierung von Lebenszeit.
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(3) Trotz der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Kriteriums der klinischen Erfolgsaussicht im Sinne des Überlebens der aktuellen Erkrankung ist nicht ausgeschlossen, dass die Empfehlungen in ihrer derzeitigen Fassung zu einem Einfallstor für eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen werden können. Zwar stellen sie seit der zweiten Version unter 2.2. ausdrücklich klar, dass eine Priorisierung aufgrund von Grunderkrankungen oder Behinderungen nicht zulässig ist. Ein Risiko birgt gleichwohl, dass in den Empfehlungen schwere andere Erkrankungen im Sinne von Komorbiditäten und die Gebrechlichkeit als negative Indikatoren für schlechte Erfolgsaussichten der intensivmedizinischen Behandlung bezeichnet werden (3.2.1.). Zwar sollen vorhandene "Komorbiditäten" ausdrücklich nur dann Eingang in die Auswahlentscheidung finden, wenn sie "in ihrer Schwere oder Kombination die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer Intensivtherapie erheblich verringern" (3.2.1.). Das begegnet für sich genommen ebenfalls keinen Bedenken. Doch besteht auch hier das Risiko, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht eindeutig nur auf die aktuelle Krankheit bezogen wird. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Behinderung pauschal mit Komorbiditäten in Verbindung gebracht oder stereotyp mit schlechten Genesungsaussichten verbunden wird (vgl. Stellungnahmen der Caritas Behindertenhilfe oben Rn. 55; des Bundesverbands evangelische Behindertenhilfe Rn. 57; der ISL Rn. 61 und des DIMR Rn. 63). Außerdem fehlt beim Kriterium der "Gebrechlichkeit" eine Klarstellung wie zu den Komorbiditäten. Für die Bewertung der Gebrechlichkeit wird unter anderem auf eine Skala verwiesen, die Behinderungen nicht berücksichtigt, sondern für andere Zwecke entwickelt und evaluiert worden ist (vgl. Jung u.a., DÄBl. 2020, S. 668 [672]; dazu auch Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 2020, S. 78f.). Auch hier gilt, dass die Verwendung einer Skala nicht von vornherein unzulässig ist, auch weil sie gerade eilige Entscheidungen erleichtern und die Konsistenz von Entscheidungen sowie die Gleichbehandlung aller Betroffenen fördern kann. Doch birgt eine skalengeleitete Berücksichtigung von Gebrechlichkeit ein Risiko einer Benachteiligung, weil aus dem Umstand, dass viele behinderte Menschen im Alltag auf Assistenz angewiesen sind, vorschnell auf Gebrechlichkeit geschlossen werden kann (dazu die Caritas Behindertenhilfe oben Rn. 55; ISL Rn. 61). Damit können auch Vorstellungen von einer schlechteren Lebensqualität behinderter und assistenzbedürftiger Menschen einhergehen, was ebenfalls zu einer Benachteiligung führen kann (zur QALYS – "quality adjusted life years scale" – oben Rn. 49; dazu Hoven, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, 2021, S. 356 ff.).
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(4) Auf Risiken einer Benachteiligung wegen einer Behinderung in einer Triage-Situation deutet auch die Pressemitteilung der DIVI vom 23. April 2020 anlässlich der zweiten Version der Empfehlungen hin. Darin wird zwar zunächst klargestellt, dass die in den Empfehlungen genannten Krankheitszustände keine Ausschlusskriterien darstellten, sondern im Einzelfall nach Maßgabe der Erfolgsaussicht der Therapie entschieden werden soll. Doch wird auch ausgeführt, neben dem Schweregrad der aktuellen Erkrankung spielten relevante Begleiterkrankungen mit prognostisch eingeschränkter Lebenserwartung eine wesentliche Rolle. Das kann zu der Annahme verleiten, dass nicht nur das aktuelle Überleben, sondern auch die weitere Lebenserwartung für die Zuteilung medizinischer Ressourcen relevant sei.
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Eine weitere Pressemitteilung der DIVI vom 30. Juli 2020 stellt zwar klar, dass die in der Empfehlung genannten Kriterien "immer nur dann entscheidungsrelevant" sind, "wenn sie eine Verschlechterung der Prognoseeinschätzung – also der Wahrscheinlichkeit, DIESE Erkrankung zu überleben – darstellten"; die entscheidende Frage der Triage sei: "Welcher Patient wird jetzt und hier eher überleben?". Damit wird nochmals betont, dass sich die Empfehlungen ausdrücklich auf die Erfolgsaussicht beziehen, im Sinne einer Wahrscheinlichkeit, die aktuelle Erkrankung zu überleben (3.2.1.). Die DIVI verweist in ihrer Stellungnahme in diesem Verfahren (oben Rn. 36) jedoch selbst darauf, dass im klinischen Alltag bei Kapazitätsengpässen ohne klare Kriterien vielfach ad hoc entschieden werde, und beschreibt die damit einhergehende Unsicherheit. Ausweislich der Pressemitteilung sei die "bestehende Rechtsunsicherheit, welche Kriterien im Fall einer Pandemie bei der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen maßgeblich sein sollen", für die Ärzte "unerträglich". Desgleichen hat die Bundesärztekammer erläutert, es gebe hier subjektive Momente und damit auch Diskriminierungsrisiken (oben Rn. 34). Insofern erscheint nicht hinreichend gewährleistet, dass die Betroffenen in einer solchen Situation wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung geschützt sind.
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c) In der Gesamtschau liegen somit belastbare Anhaltspunkte dafür vor, dass für die Betroffenen ein konkretes Risiko besteht, wegen einer Behinderung bei der Verteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt zu werden. Vor diesen Risiken können sich die Beschwerdeführenden in der akuten Situation der Behandlungsbedürftigkeit nicht selbst wirksam schützen, und sie können dem auch nicht ausweichen.
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2. Der Gesetzgeber hat bislang keine Vorkehrungen getroffen, die dem Risiko einer Benachteiligung von Menschen aufgrund einer Behinderung bei der Verteilung von knappen intensivmedizinischen Behandlungsressourcen wirksam begegnen. Zwar hat sich der Gesetzgeber mehrfach mit dem Schutzgebot befasst. Insbesondere hat er mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, dem Bundesteilhabegesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234, mit Wirkung vom 1. Januar 2018), deutsches Recht an die Behindertenrechtskonvention angepasst und mit dem Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG – vom 27. April 2002, BGBl I S. 1467, zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 2. Juni 2021, BGBl I S. 1387) die Barrierefreiheit zu fördern gesucht. Jedoch fehlen hinreichend wirksame, auch nach Art. 25 BRK geforderte Vorgaben zum Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen, die in der Situation der pandemiebedingten Triage vor Benachteiligung wegen der Behinderung schützen könnten. Zwar hat der Gesetzgeber Menschen mit Behinderungen im pandemiebezogenen Impfrecht berücksichtigt (vgl. § 3 Nr. 2, § 4 Nr. 2 sowie § 2 Nr. 2 Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 [CoronaImpfV] vom 18. Dezember 2020, BAnz AT 21. Dezember 2020 V3 sowie nachfolgende Fassungen für Beschäftigte und Betreute in stationären oder teilstationären Einrichtungen oder ambulant betreuten Wohngruppen) oder in Regelungen für Tests (vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 21. September 2021). Doch sind dies keine Vorkehrungen für die Verteilungsentscheidung über knappe intensivmedizinische Ressourcen.
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Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte befinden sich im Fall einer pandemiebedingten Triage in einer extremen Entscheidungssituation. Sie müssen entscheiden, wem die nicht ausreichend zur Verfügung stehenden intensivmedizinischen Ressourcen zukommen sollen und wem nicht. In dieser Situation kann es besonders fordernd sein, auch Menschen mit einer Behinderung die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Das gelingt nur, wenn sichergestellt ist, dass allein nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit entschieden wird.
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Dafür genügt das allgemeine zivilrechtliche Benachteiligungsverbot in § 1 AGG nicht; insofern ist bereits nicht klar geregelt, ob es auf die Situation der Triage überhaupt Anwendung findet. Ebenso wenig finden sich hinreichende Vorgaben zum Benachteiligungsschutz im öffentlichen Recht. Zwar adressiert das Landesantidiskriminierungsgesetz von Berlin (LADG, vom 11. Juni 2020, GVBl 2020, S. 532), wo mehrere Beschwerdeführende leben, in § 2 LADG ausdrücklich auch chronische Erkrankungen und soll unmittelbare, mittelbare, strukturelle und institutionelle Benachteiligung erfassen (vgl. LTDrucks 18/1996, S. 18), gilt aber von vornherein nicht für die konkrete ärztliche Behandlungsentscheidung. Desgleichen vermitteln die Vorgaben im auf eine Benachteiligung wegen der Behinderung bezogenen Gleichstellungs-, Inklusions- und Teilhaberecht der Länder hier keinen wirksamen Schutz. Das gilt auch für das Sozialrecht mit dem Querschnittsgebot zur Teilhabe behinderter Menschen in § 33c Satz 1 SGB I, der allgemeinen Norm in § 10 SGB I oder der Regelung des § 2a SGB V, oder auch für das Beihilferecht. Sie alle bieten keinen Schutz vor dem Risiko einer Benachteiligung in der Triage-Situation. Auch im Landeskrankenhausrecht finden sich zwar teilweise Regelungen zugunsten der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, aber keine Vorgaben, die den hier gefragten Schutz hinreichend wirksam gewährleisteten. Die derzeit geltenden Regelungen erschöpfen sich entweder in einer Wiederholung des Benachteiligungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG oder beschränken sich darauf, dass besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen sei, was zur Erfüllung der aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG resultierenden staatlichen Handlungspflicht nicht genügt.
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Desgleichen gewährleistet das aktuelle ärztliche Berufsrecht den Schutz vor Benachteiligung nicht hinreichend wirksam. Insofern genügt es nicht, auf das sogenannte Genfer Gelöbnis zu verweisen, wonach eine Behinderung nicht zwischen die ärztlichen Pflichten und ihre Patienten treten darf. Das gilt auch, wenn es von den Ärztekammern in ihre Satzung aufgenommen worden ist. Es bleibt ganz allgemein. Für einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungsrisiken bei Entscheidungen über Leben und Tod reicht es auch nicht, dass die Musterweiterbildungsverordnung 2018 der Bundesärztekammer den Erwerb von behandlungsbezogenen Kenntnissen zu den "Besonderheiten bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung" einbezieht.
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3. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung, wie die konkrete Pflicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG im Einzelnen erfüllt werden soll, Menschen vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bei einer Entscheidung über die Zuteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen wirksam zu schützen, ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Das Risiko behinderter Menschen, bei der Zuteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt zu werden, ergibt sich nach den Feststellungen des Senats aus einer Gesamtschau verschiedener, teils ineinandergreifender Umstände (dazu oben Rn. 110 ff.). Dem Gesetzgeber stehen daher mehrere Möglichkeiten offen, diesem Risiko wirkungsvoll zu begegnen. Dass allein durch eine bestimmte Maßnahme dem Schutzgebot Genüge getan werden könnte, ist auf der Grundlage der im Verfassungsbeschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht ersichtlich.
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Geleitet und begrenzt wird der Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum durch die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und die zu beachtenden Grundrechte aller Betroffenen. Dabei hat der Gesetzgeber auch zu berücksichtigen, dass die für die Behandlung zur Verfügung stehenden begrenzten personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitswesens nicht zusätzlich in einer Weise belastet werden, dass das letztendlich angestrebte Ziel, Leben und Gesundheit von Patientinnen und Patienten mit Behinderungen wirkungsvoll zu schützen, in sein Gegenteil verkehrt würde. Gleiches gilt im Hinblick auf die durch den Gesetzgeber zu beachtenden Schutzpflichten für das Leben und die Gesundheit der anderen Patientinnen und Patienten. Hierbei hat der Gesetzgeber die Sachgesetzlichkeiten der klinischen Praxis, etwa die aus medizinischen Gründen gebotene Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen, ebenso zu achten wie die Letztverantwortung des ärztlichen Personals für die Beurteilung medizinischer Sachverhalte im konkreten Einzelfall, die in deren besonderer Fachkompetenz und klinischer Erfahrung begründet liegt.
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Innerhalb dieses Rahmens hat der Gesetzgeber selbst zu entscheiden, ob er Vorgaben zu den Kriterien von Verteilungsentscheidungen macht (vgl. zu Kriterien des Zugangs zu staatlichen Leistungen BVerfGE 134, 1 [15 f. Rn. 42]). Dass aufgrund der Achtung vor der Unantastbarkeit der Menschenwürde Leben nicht gegen Leben abgewogen werden darf (vgl. BVerfGE 115, 118 [153 ff., 158]), steht einer Regelung von Kriterien, nach denen zu entscheiden ist, wie knappe Ressourcen zur Lebensrettung verteilt werden, nicht von vornherein entgegen; ein Kriterium, das den inhaltlichen Anforderungen der Verfassung genügt, kann vom Gesetzgeber vorgegeben werden (zur Diskussion vgl. Brade/Müller, NVwZ 2020, S. 1792 [1796]; Gaede u.a., medstra 2020, S. 129 [130f.]; Hristova, DVBl. 2021, S. 224 [230]; Huster, in: Huster/Kingreen, Handbuch Infektionsschutzrecht, 2021, Kap. 8 Rn. 45 ff.; Taupitz, MedR 2020, S. 440 [442 f.]; kritisch Merkel/Augsberg, JZ 2020, S. 704 [713 f.]). Der Gesetzgeber kann auch Vorgaben zum Verfahren machen (vgl. zu staatlichen Entscheidungen BVerfGE 147, 253 [311 Rn. 120]). Sofern dies nach Einschätzung des Gesetzgebers wirksamen Grundrechtsschutz verspricht, kann er sich für ein Mehraugen-Prinzip bei Auswahlentscheidungen (so die DIVI-Empfehlungen 3.1. und 3.3.2.) oder für Vorgaben zur Dokumentation (so die Stellungnahme BAND oben Rn. 38f.) entscheiden. Denkbar sind auch Regelungen zur Unterstützung vor Ort. Dazu kommt die Möglichkeit spezifischer Vorgaben für die Aus- und Weiterbildung in der Medizin und Pflege und insbesondere des intensivmedizinischen Personals, um auf die Vermeidung von Benachteiligungen wegen Behinderung in einer Triage-Situation hinzuwirken (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2i BRK und oben Rn. 113). Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, welche Maßnahmen zweckdienlich sind (vgl. BVerfGE 142, 313 [342 Rn. 81] m.w.N.).
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D. |
Der Gesetzgeber muss zur Umsetzung der aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hier auch wegen der Bedeutung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden konkreten Schutzpflicht und im Lichte der Behindertenrechtskonvention dafür Sorge tragen, dass jede Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam verhindert wird. Der Gesetzgeber ist gehalten, seiner Handlungspflicht unverzüglich durch geeignete Vorkehrungen nachzukommen.
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E. |
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
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