BVerfGE 73, 118 - 4. Rundfunkentscheidung


BVerfGE 73, 118 (118):

1. a) In der dualen Ordnung des Rundfunks, wie sie sich gegenwärtig in der Mehrzahl der deutschen Länder auf der Grundlage der neuen Mediengesetze herausbildet, ist die unerläßliche "Grundversorgung" Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, deren terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und die zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik. Darin finden der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine besondere Eigenart ihre Rechtfertigung. Die Aufgaben, welche ihm insoweit gestellt sind, machen es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen.
b) Solange und soweit die Wahrnehmung der genannten Aufgaben durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam gesichert ist, erscheint es gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Vorkehrungen, welche der Gesetzgeber zu treffen hat, müssen aber bestimmt und geeignet sein, ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu erreichen und zu sichern. Für die Kontrolle durch die zur Sicherung der Vielfalt geschaffenen (externen) Gremien und die Gerichte maßgebend ist ein Grundstandard, der die wesentlichen Voraussetzungen von Meinungsvielfalt umfaßt: die Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen - auch diejenige von Minderheiten -, im privaten Rundfunk zum Ausdruck zu gelangen, und den Ausschluß einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einflusses einzelner Veranstalter oder Programme auf die Bildung der öffentlichen Meinung, namentlich die Verhinderung des Entstehens vorherrschender Meinungsmacht. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, die strikte Durchsetzung dieses Grundstandards durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen sicherzustellen.


BVerfGE 73, 118 (119):

2. Grundsätzlich genügt diesen und den übrigen Anforderungen der Rundfunkfreiheit eine Konzeption der Ordnung privaten, durch Werbeeinnahmen finanzierten Rundfunks, welche neben allgemeinen Mindestanforderungen die Voraussetzungen der gebotenen Sicherung von Vielfalt und Ausgewogenheit der Programme klar bestimmt, die Sorge für deren Einhaltung sowie alle für den Inhalt der Programme bedeutsamen Entscheidungen einem externen, vom Staat unabhängigen, unter dem Einfluß der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte und Richtungen stehende Organ überträgt und wirksame gesetzliche Vorkehrungen gegen eine Konzentration von Meinungsmacht trifft.
3. Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz vom 23. Mai 1984 ist in seinen Grundlinien mit dem Grundgesetz vereinbar. Doch vermag eine Reihe seiner Vorschriften die Freiheit des Rundfunks nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise zu gewährleisten; diese Vorschriften sind mit dem Grundgesetz ganz oder zum Teil unvereinbar. Darüber hinaus bedarf es zur Sicherung der Rundfunkfreiheit ergänzender gesetzlicher Regelungen.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 4. November 1986 augrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 1986
-- 1 BvF 1/84 --
in dem Verfahren über den Antrag zu prüfen, ob das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz vom 23. Mai 1984 (GVBl. S. 147) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, - Antragsteller: Dr. Hans-Jochen Vogel, MdB, und weitere 200 Mitglieder des Deutschen Bundestages - Bevollmächtigter: Professor Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Kätnerweg 24, Hamburg 65 -.
Entscheidungsformel:
I. 1. § 3 Absatz 3 Satz 4 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 23. Mai 1984 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsbl. S. 147) ist mit Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. § 3 Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes wird damit gegenstandslos.


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2. Mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig sind ferner
a) § 3 Absatz 1 und Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Absatz 4 sowie § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, soweit danach für die Prüfung und Entscheidung die staatliche Erlaubnisbehörde zuständig ist,
b) § 6 Absatz 3 Satz 4 des Niedersächsischen landesrundfunkgesetzes, soweit danach für die Zuweisung von Sendezeiten die Erlaubnisbehörde zuständig ist,
c) § 28 Absatz 2 Satz 2 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, soweit er in Niedersachsen veranstaltete Programme betrifft.
3. Mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes unvereinbar sind
a) § 5 Absatz 2 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, soweit die in der Vorschrift getroffene Regelung auf die im Lande veranstalteten Vollprogramme beschränkt ist,
b) § 15 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, soweit er keine nähere Bestimmung der Voraussetzungen enthält, unter denen die Ausgewogenheit der nach § 2 zugelassenen Programme in Verbindung mit anderen Programmen gewährleistet ist,
c) § 44 Absatz 3 Satz 1 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, soweit er für die Programme nach Absatz 1 keine Verpflichtung zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information begründet.
4. § 44 Absatz 3 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit er keine Sicherung des Rechts auf Gegendarstellung bei ausländischen, in Niedersachsen verbreiteten Sendungen vorsieht.
II. Im übrigen sind § 2, § 3 Absatz 1, 3 und 4, § 5, § 6, §§ 8 bis 10, § 13, § 15, §§ 23 bis 26, § 27 Absatz 1, § 28 Absatz 1 bis 4 und Absatz 5 Satz 1, § 44 Absatz 1 bis 4 und Absatz 5 Satz 1 sowie § 46 Absatz 2 und 3 des Niedersächsischen Landesrund

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funkgesetzes - § 6 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 und § 23 in der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung - mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Gesetzgeber hat jedoch zur Verhinderung der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht im Rundfunk nach Maßgabe der Gründe für ergänzende Regelungen Sorge zu tragen.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der Vereinbarkeit des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 23. Mai 1984 (LRG) mit dem Grundgesetz.
I.
1. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen war in der Bundesrepublik Deutschland bis vor kurzer Zeit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorbehalten. Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Rundfunksystems ergaben sich weitgehend aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von 1961, 1971 und 1981 (BVerfGE 12, 205 - Deutschland-Fernsehen; 31, 314 - Umsatzsteuer; 57, 295 - Privatfunk im Saarland). In diesen Entscheidungen hat das Gericht der "Sondersituation" des Rundfunks im Vergleich zur Presse Bedeutung beigemessen, die sich aus der Knappheit der verfügbaren Frequenzen und dem außergewöhnlich hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunksendungen ergab. Diese Situation ist in neuerer Zeit nicht entfallen; sie hat sich jedoch verändert. Kennzeichnend erscheinen namentlich folgende Umstände:
a) Die technischen Voraussetzungen der Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen haben sich durch die Entwicklung der "Neuen Medien" verbessert und werden dies weiterhin tun. Im Bereich der terrestrischen Frequenzen besteht allerdings die bisherige Knappheit wenig verändert fort: Für Fernsehsendungen kann mit zusätzlichen Kanälen nur im lokalen

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Bereich gerechnet werden; für den Hörfunk steht zusätzlich der UKW-Bereich von 100 bis 108 MHz zur Verfügung; davon werden indessen die Frequenzen über 104 MHz erst in einigen Jahren nutzbar sein. Wesentlich erhöht werden kann die Zahl der empfangbaren Fernseh- und UKW-Hörfunkprogramme mit Hilfe von Breitbandkabelnetzen. Während bisher daran gedacht war, ein flächendeckendes Kabelnetz zu schaffen, strebt die Deutsche Bundespost nur noch eine großflächige Verkabelung des Bundesgebietes mit einem Versorgungsgrad von höchstens 80 vom Hundert an. Am 31. Dezember 1985 bestand in der Bundesrepublik für 4,7 Mio. Haushalte - das sind 18 vom Hundert - die Möglichkeit, sich an ein Kabelnetz anschließen zu lassen. Hiervon haben etwas mehr als ein Drittel aller Haushalte Gebrauch gemacht. Die Deutsche Bundespost ist bestrebt, das Kabelnetz zügig auszubauen, um die wirtschaftliche Eintrittsschwelle in den Medienmarkt zu erreichen, die bei etwa 4,4 Mio. tatsächlich angeschlossener Haushalte angenommen wird. Eine vollständige Behebung der Frequenzknappheit auf diesem Wege kann jedoch bis auf weiteres nicht erwartet werden; es wird nur eine im Lauf der Zeit wachsende Anzahl von Kabelinseln und einzelnen Flächennetzen geben. Die Schwierigkeiten einer vollen Belegung aller Kanäle, der Weiterführung in den vorhandenen Haus- oder Gemeinschaftsantennenanlagen und der Nutzung des Kabelnetzes mit älteren Empfangsgeräten dürften sich auf die Dauer beheben lassen. Ungewiß ist hingegen, in welchem Umfang von der Möglichkeit, sich an die vorhandenen Breitbandkabel anzuschließen, tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Auch wenn es nicht bei dem gegenwärtigen Drittel der anschließbaren Haushalte bleibt, kann eine volle Anschlußdichte nicht als sicher angesehen werden.
Wesentliche Bedeutung kommt weiterhin der Satellitentechnik zu. Eine wachsende Zahl von Fernmeldesatelliten ermöglicht es, Programme an die Rundfunkempfangsstellen der Kabelnetze heranzuführen. Demgegenüber erfüllen Rundfunksatelliten dieselbe Funktion wie terrestrische Rundfunksender: Sie dienen der

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Ausstrahlung von Programmen, die von jedermann empfangen werden können. Für die Bundesrepublik wird voraussichtlich ab Sommer 1987 der deutsche TV-Sat zur Verfügung stehen; es werden vier, bei Einsatz eines geplanten weiteren Satelliten fünf Fernsehkanäle gleichzeitig betrieben werden können mit der Möglichkeit, auf einem Fernsehkanal 16 Hörfunkprogramme unterzubringen.
Der Empfangsbereich dieser Programme läßt sich nicht auf einzelne Länder beschränken: er reicht über das Gebiet der Bundesrepublik hinaus. Wegen der erheblichen Kosten für den Empfang durch den einzelnen Teilnehmer ist mit einem längeren Zeitraum zu rechnen, innerhalb dessen nur ein Teil der Haushalte von dieser Empfangsmöglichkeit Gebrauch machen wird.
Im Ergebnis wird daher die Zahl der für alle Teilnehmer im Bereich eines Bundeslandes, im regionalen sowie im lokalen Bereich empfangbaren Programme noch längere Zeit hindurch auf terrestrische Programme beschränkt bleiben.
b) Wenn sich damit die technischen Voraussetzungen der Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunksendungen verbessert haben oder verbessern werden, kann Gleiches nicht für die ökonomischen Bedingungen gelten. Namentlich im Fernsehbereich führen Anfangsinvestitionen und Betrieb sowie erhebliche Aufwendungen für die Verbreitung der Programme zu hohen Kosten, während die Finanzierungsmöglichkeiten im wesentlichen auf Werbeeinnahmen beschränkt sein werden. Nach verbreiteter Ansicht werden sich zwei, höchstens drei bundesweite private, auf Werbeeinnahmen angewiesene Anbieter von Vollprogrammen behaupten können. Im Hörfunkbereich ist die Kostensituation zwar günstiger. Aber auch hier stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit durch Wirtschaftswerbung. Im ganzen gesehen bleibt es mithin nach wie vor dabei, daß zumindest die Verbreitung von Fernsehvollprogrammen einen außergewöhnlich hohen finanziellen Aufwand erfordert. Die Teilnehmer werden ihrerseits über die Rundfunkgebühr hinaus mit den Kosten für die Anschließung an ein Kabelnetz, den Kosten für die Installation der Kabel

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anlage zwischen Übergabepunkt und Empfangsgerät oder die Nutzung einer kabeltauglichen Hausverteilanlage sowie den laufenden Kosten der Kabel- und Programmnutzung belastet oder müssen für den direkten Satellitenempfang Investitionen in Höhe von mehreren Tausend DM vornehmen.
c) Neu gegenüber der bisherigen Lage sind schließlich Anzeichen für die Entstehung eines europäischen, wenn nicht über Europa hinausreichenden Rundfunkmarktes. Die Neuen Medien, namentlich die Satellitentechnik, ermöglichen eine weiträumige Verbreitung von Programmen; der Wirkungsbereich von Satelliten reicht über die Staatsgrenzen hinaus. Damit wird in erhöhtem Maße der Empfang aus dem Ausland gesendeter Fernseh-, aber auch Hörfunkprogramme in der gesamten Bundesrepublik ebenso möglich wie der Empfang deutscher durch Satellit und Kabel verbreiteter Programme im benachbarten Ausland. Hindernisse einer solchen, der europäischen Integration förderlichen Entwicklung abzubauen oder auszuschließen ist das Bestreben sowohl des Europarates als auch des Parlaments und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften; in die gleiche Richtung weisen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (vgl. insbes. Slg. 1974, S. 409, und 1980, S. 833). Unter dem 29. April dieses Jahres hat die Kommission dem Rat der Europäischen Gemeinschaften den Vorschlag einer Richtlinie über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit vorgelegt (Kom (386) 146 endg.). Rechtlich werden diese Bestrebungen auf einzelne Bestimmungen des EWG-Vertrages sowie auf Art. 10 EMRK gestützt.
2. In dieser Lage hat die Mehrzahl der deutschen Bundesländer eine Neugestaltung ihrer Rundfunkordnung in Angriff genommen. Die neuen Mediengesetze eröffnen privaten Interessenten den Zugang zum Rundfunk und suchen dabei den Anforderungen der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Rundfunkfreiheit, wie sie in der Verfassungsrechtsprechung herausgearbeitet worden sind, Rechnung zu tragen. Dazu gehört vor allem die

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Aufgabe sicherzustellen, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Die Vorschriften, welche dieser Aufgabe dienen, weichen im einzelnen voneinander ab. In den Grundlinien bestehen hingegen mehr oder minder weitgehende Übereinstimmungen, so namentlich in der Bildung vom Staate unabhängiger Aufsichtsgremien in der Rechtsform einer selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Werden die neuen Gesetze neben die überkommenen Rundfunkgesetze und -staatsverträge gestellt, so werden die Umrisse eines dualen Rundfunksystems sichtbar: Es umfaßt die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, welche ihren bisherigen Auftrag wahrnehmen und die gesamte Bevölkerung versorgen können, die in ihrer Organisation und Programmgestaltung durchweg einem "binnenpluralen" Modell folgen und deren Tätigkeit überwiegend aus Gebühren finanziert wird. Hinzu treten private Veranstalter, die anders organisiert sind, bei denen Meinungsvielfalt in wesentlichen Teilen auf anderem Wege als dem einer binnenpluralen Programmgestaltung sichergestellt werden soll, die ihre Tätigkeit in der Hauptsache aus den Erträgen von Wirtschaftswerbung finanzieren und die in höherem Maße als die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Gesetzlichkeiten des Marktes unterliegen.
Bisher suchen namentlich Presseverlage die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Bundesweit bestehen zwei deutschsprachige Fernsehprogramme, die über Fernmeldesatellit abgestrahlt und in neun Bundesländern in die Kabelnetze eingespeist werden. Eines dieser Programme wird in Luxemburg nach dortigem Recht unter deutscher Beteiligung veranstaltet. Weitere Interessenten für bundesweite Programme sind bislang nicht aufgetreten. Vereinzelt und auf Regionen mit relativ hoher Verkabelungsdichte beschränkt werden lokale Fernsehprogramme angeboten. Bei allen Veranstaltern besteht ein großes Interesse an terrestrischen Frequenzen, die kurzfristig und kostengünstig eine wesentliche Erhöhung der Zuschauerzahlen ermöglichen.


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Private Hörfunkprogramme werden derzeit in Bayern (lokal), Rheinland-Pfalz (überregional) und Schleswig-Holstein (landesweit) ausgestrahlt. In Niedersachsen hat eine Verlegergruppe die Sendeerlaubnis für ein 24stündiges landesweites Vollprogramm erhalten.
3. Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz vom 23. Mai 1984 gehört zu den ersten der neuen Landesmediengesetze. Seine Aufgabe besteht nach der Begründung des Regierungsentwurfs darin, einen umfassenden Ordnungsrahmen für den Rundfunk in privater Trägerschaft zu schaffen, der absehbare Fehlentwicklungen und Wildwuchs ausschließen soll. Danach sollen die materiellen, organisatorischen und Verfahrensregelungen des Gesetzes die Entwicklung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopol zu einer Vielfalt der Informationsanbieter und -angebote einleiten und fördern. Hierzu sieht das Gesetz eine Übergangsform vor, die eine kontinuierliche und geordnete Entwicklung des Rundfunks in privater Trägerschaft schrittweise von der Veranstaltung einer geringen Zahl von Rundfunkprogrammen bis hin zu einem Zustand ermöglichen soll, bei dem sich auf Dauer eine externe - außenplurale - Vielfalt eingestellt hat. Wird zunächst nur ein einziges Programm veranstaltet, so ist in ihm selbst die Ausgewogenheit des Programmangebots herzustellen. Werden mehrere Veranstalter zugelassen, so bezieht sich dieses Kriterium seinem Sinn nach auf das Gesamtprogramm, d. h. die Summe aller privaten Programme, wozu auch die Programme gehören, die zwar nicht in Niedersachsen, aber sonst innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes zugelassen sind und in Niedersachsen verbreitet werden (LTDrucks. 10/1120, S. 25 f., 28 f.).
Die wichtigsten Regelungen, welche das Landesrundfunkgesetz hierzu trifft, bestehen in folgendem:
Zur Veranstaltung von Hörfunk oder Fernsehen bedarf es einer Erlaubnis (§ 2), die auf schriftlichen Antrag von der zuständigen obersten Landesbehörde erteilt wird (§ 3 Abs. 1). Die Voraussetzungen der Erteilung regelt § 5 des Gesetzes. Danach dürfen nur die in Abs. 1 genannten Personen oder Vereinigungen,

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nicht aber im öffentlichen Dienst Beschäftigte (Nr. 4) oder politische Parteien und von ihnen abhängige Unternehmen (Satz 2) eine Erlaubnis erhalten. Ferner dürfen Veranstalter von Vollprogrammen von dieser Programmart nicht mehr als ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm veranstalten; Gleiches gilt für verbundene Unternehmen im Sinne der §§ 17 und 18 Aktiengesetz (Abs. 2). Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller bei der Veranstaltung gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen wird (Abs. 4).
Für die Auswahl der Bewerber legt § 6 Auswahlgrundsätze fest. Vorrangig sollen je zwei Hörfunk- und Fernsehvollprogramme zugelassen werden. Insoweit soll ein Antragsteller unter anderem erwarten lassen, daß er in der Lage ist, ein Programm zu veranstalten, das professionellen Ansprüchen genügt (Abs. 1). Für den Fall, daß mehrere Antragsteller die besonderen Anforderungen für Vollprogramme erfüllen, ist die Auswahl unter ihnen nach den in Abs. 2 genannten Kriterien (Inanspruchnahme der nutzbaren Sendezeit; Vielfalt und Ausgewogenheit; lokale oder regionale Programmbezüge) vorzunehmen. Für weitere Programme wird der Sendeumfang im Falle nicht zureichender Übertragungsmöglichkeiten anteilig zugemessen. Die Zuweisung von Sendezeiten erfolgt in diesem Fall nach Maßgabe einer Vereinbarung der Antragsteller. Kommt diese Vereinbarung nicht zustande, so weist die Erlaubnisbehörde die Sendezeiten im wöchentlichen Wechsel zu (Abs. 3). Die Auswahl der bevorzugten Vollprogramme trifft der Landesrundfunkausschuß auf Vorschlag der Erlaubnisbehörde binnen drei Monaten. Diese Frist kann von der Erlaubnisbehörde verlängert werden. Trifft der Landesrundfunkausschuß bis zu ihrem Ablauf keine Auswahlentscheidung, so gilt sie als entsprechend dem Vorschlag der Erlaubnisbehörde getroffen (§ 3 Abs. 3). Unter näher bestimmten Voraussetzungen wird die Erlaubnis zurückgenommen (§ 8) oder widerrufen (§ 9).


BVerfGE 73, 118 (128):

Die Vorschriften über den Inhalt der Programme suchen sicherzustellen, daß die Programme nicht bestimmten Grundsätzen - wie der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und der Verpflichtung, zur Verwirklichung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen - zuwiderlaufen (§ 11), sachlich und umfassend unterrichten (§ 13) und dem Jugendschutz Rechnung tragen (§ 14). Die Programme müssen ihrem Inhalt nach auf eine mindestens landesweite Verbreitung ausgerichtet sein, was eine zeitweilige Auseinanderschaltung zu regionalen oder lokalen Sendungen nicht ausschließt (§ 12); derartige Sendungen dürfen nach § 23 nicht zu mehr als der Hälfte von einem Verlagsunternehmen zugeliefert werden, dem im Bereich der Sendung bei periodisch erscheinenden Druckwerken eine beherrschende Stellung zukommt. Von zentraler Bedeutung ist die Bestimmung des § 15. Danach müssen die im Lande veranstalteten und verbreiteten Programme - letztere nur, soweit sie im Geltungsbereich des Grundgesetzes zugelassen sind und nicht ortsüblich empfangen werden können - in ihrer Gesamtheit die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen angemessen zu Wort kommen lassen (Satz 1). Die Gesamtheit dieser Programme darf nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen (Satz 2). Jedes zugelassene Programm muß als einzelnes diesen Anforderungen genügen, es sei denn, die Ausgewogenheit ist in Verbindung mit den anderen Programmen gewährleistet (Satz 3).
Mit der Finanzierung der Programme befassen sich die §§ 24 ff. Als mögliche Formen sind die Finanzierung aus eigenen Mitteln des Veranstalters, durch Entgelte der Teilnehmer, durch Spenden und durch Werbung vorgesehen. Für die Werbung werden in § 26 nähere Bestimmungen getroffen. Insbesondere ist Werbung nur als Blockwerbung zulässig; eine Sendung darf nur bei einer Länge von mehr als 100 Minuten durch Werbung unterbrochen werden (Abs. 1). Insgesamt darf die Werbung 20 vom Hundert des wöchentlichen Sendeumfangs nicht übersteigen.


BVerfGE 73, 118 (129):

Zur Kontrolle der Programme und zur Erledigung weiterer Aufgaben wird der Landesrundfunkausschuß als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet (§ 27). Organe sind die Versammlung und der Vorstand (§ 29). Die Versammlung besteht aus mindestens 26 Mitgliedern, die von den politischen Parteien und gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen entsandt werden (§ 30); der Vorstand wird aus der Mitte der Versammlung für die Dauer von fünf Jahren gewählt (§ 37). Unter den Aufgaben der Versammlung steht nach § 28 die Programmkontrolle im Vordergrund. Die Versammlung ist namentlich das Organ, durch das der Landesrundfunkausschuß die Einhaltung der Vorschriften über den Inhalt der Programme überwacht (Abs. 1). Er kann feststellen, daß ein Programm oder eine Sendung gegen das Landesrundfunkgesetz oder gegen die Bestimmungen der Erlaubnis verstößt, und den Veranstalter sowie die für den Inhalt des Programms Verantwortlichen anweisen, den Verstoß zu unterlassen (Abs. 2 Satz 1). Ein Programm kann nach § 15 Satz 3 nur beanstandet werden, wenn die Ausgewogenheit durch andere Programme nicht gewährleistet ist (Abs. 2 Satz 2). Ist eine Anweisung nach dieser Vorschrift, die einen schwerwiegenden Verstoß zum Gegenstand hat, vollziehbar und wird erneut gegen Vorschriften nach Abs. 1 verstoßen, obgleich in der Anweisung der Widerruf angedroht war, kann der Landesrundfunkausschuß den Widerruf der Erlaubnis veranlassen (Abs. 4). Darüber hinaus obliegt der obersten Landesbehörde eine Aufsicht über die Veranstalter, die sich indessen nicht auf die in § 28 Abs. 1 genannten Vorschriften, die Bestimmungen über den Datenschutz und diejenigen Bestimmungen der Erlaubnis bezieht, welche den Inhalt des Programms betreffen (§ 43).
Zu den Kernbestimmungen des Gesetzes gehört schließlich der dritte Teil, der die Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen regelt, die außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes veranstaltet werden (§ 44). Bei diesen beschränkt es sich auf die Festlegung bestimmter inhaltlicher Anforderungen an das Programm. Hörfunk- und Fernsehprogramme, die außerhalb des

BVerfGE 73, 118 (130):

Geltungsbereichs des Gesetzes in rechtlich zulässiger Weise veranstaltet werden, dürfen durch technische Übertragungseinrichtungen unverändert in Niedersachsen verbreitet werden (Abs. 1). Einer besonderen Zulassung bedarf es nicht; vielmehr genügt grundsätzlich eine Anzeige an die Erlaubnisbehörde (Abs. 2). Die Programme dürfen nicht die Würde des Menschen verletzen und nicht gegen die Verbote pornographischer Sendungen, von Sendungen, die Gewalttätigkeit schildern oder zum Rassenhaß aufstacheln, sowie gegen die Anforderungen des Jugendschutzes verstoßen. Für anzeigepflichtige Programme aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gelten darüber hinaus die Anforderungen des § 15 (Ausgewogenheit). Die Werbung in diesen Programmen muß den Erfordernissen des § 26 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 entsprechen; grundsätzlich ist also nur Blockwerbung und diese vorerst nur mit landesweitem Bezug zulässig (Abs. 3). Nicht auf die Verbreitung von Programmen erstreckt sind die in §§ 16 ff. geregelten Pflichten des Veranstalters, insbesondere zur Aufzeichnung von Sendungen (§ 17) und zur Verbreitung etwaiger Gegendarstellungen (§ 18). Die verbreiteten Programme unterliegen der Kontrolle des Landesrundfunkausschusses, der bei Verstößen Maßnahmen der Erlaubnisbehörde herbeiführt (Abs. 4).
Die übrigen Regelungen des Landesrundfunkgesetzes betreffen die erwähnten Pflichten des Veranstalters, den Zugang zu den technischen Übertragungseinrichtungen und deren Verwendung (§§ 45 f.), den Datenschutz (§§ 47 f.), die Rechtsaufsicht über den Landesrundfunkausschuß (§ 49) und Abgaben (§§ 50 f.).
Die für das Normenkontrollverfahren wesentlichen Vorschriften (vgl. unten B II) lauten:
    "§ 2 Erlaubnisvorbehalt
    Wer Hörfunk oder Fernsehen veranstalten will, bedarf hierzu der Erlaubnis.


    BVerfGE 73, 118 (131):

    § 3 Erlaubnisverfahren
    (1) Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag von der zuständigen obersten Landesbehörde (Erlaubnisbehörde) erteilt.
    (2) ...
    (3) In den Fällen des § 6 Abs. 1 legt die Erlaubnisbehörde die Anträge, die die Erlaubnisvoraussetzungen des § 5 erfüllen, dem Landesrundfunkausschuß mit einem Vorschlag, der den Anforderungen und Auswahlgrundsätzen nach § 6 Rechnung trägt, zur Entscheidung über die Auswahl vor. Der Landesrundfunkausschuß trifft die Auswahl binnen drei Monaten. Die Erlaubnisbehörde kann die Frist bis zu insgesamt fünf Monaten verlängern. Wenn der Landesrundfunkausschuß bis zum Ablauf der Frist keine Auswahlentscheidung trifft, gilt sie als entsprechend dem Vorschlag getroffen.
    (4) In allen übrigen Fällen hört die Erlaubnisbehörde den Landesrundfunkausschuß vor der Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis an.
    § 5 Erlaubnisvoraussetzungen
    (1) Die Erlaubnis darf nur erteilt werden
    1. einer juristischen Person des Privatrechts,
    2. einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft oder öffentlich-rechtlichen Weltanschauungsgemeinschaft,
    3. einer nicht rechtsfähigen Vereinigung des Privatrechts, die auf Dauer angelegt ist,
    4. einer unbeschränkt geschäftsfähigen natürlichen Person. Diese darf nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sein; eine ehrenamtliche Tätigkeit bleibt außer Betracht.
    Politischen Parteien und von ihnen abhängigen Unternehmen, Personen und Vereinigungen darf die Erlaubnis nicht erteilt werden.
    (2) Veranstalter im Sinne des § 1 Abs. 1, die der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung dienende Programme (Vollprogramme) veranstalten, dürfen von dieser Programmart nicht mehr als je ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm veranstalten. Eine Ausdehnung der Sendezeit auf der vom Veranstalter bereits genutzten Übertragungsmöglichkeit darf zugelassen werden. Ist ein Antragsteller ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen oder ein Konzernunternehmen im Sinne des Aktienrechts, so sind ihm die Vollprogramme zuzurechnen, die von den mit ihm verbundenen anderen Unternehmen nach diesem Gesetz veranstaltet werden;

    BVerfGE 73, 118 (132):

    wirken mehrere Unternehmen auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise derart zusammen, daß sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf ein Unternehmen ausüben können, so gilt jedes von ihnen als herrschendes Unternehmen.
    (3) Der Veranstalter muß seinen Sitz oder Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland haben und gerichtlich unbeschränkt verfolgt werden können. Veranstalter darf nicht sein, wer durch Richterspruch die Fähigkeit verloren hat, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, oder durch Richterspruch das Recht nicht besitzt, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, oder wer ein Grundrecht verwirkt hat.
    (4) Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller bei der Veranstaltung gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen wird.
    (5) Die Erlaubnis muß für mindestens ein Jahr beantragt werden. Der Antragsteller muß erwarten lassen, daß er wirtschaftlich in der Lage ist, die Veranstaltung entsprechend dem Antrag durchzuführen.
    (6) Der Antragsteller hat Angaben über die nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 3 erheblichen Beziehungen zu machen. Die Erlaubnisbehörde kann von dem Antragsteller verlangen, daß er durch das Anmeldeverfahren beim Bundeskartellamt nachweist, daß Vorschriften der Zusammenschlußkontrolle dem Vorhaben nicht entgegenstehen.
    (7) Der Veranstalter hat der Erlaubnisbehörde jede Änderung der Erlaubnisvoraussetzungen unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
    § 6 Auswahlgrundsätze, Zuweisungsregeln
    (1) Für die Veranstaltung von Hörfunkvollprogrammen und Fernsehvollprogrammen sind je zwei Übertragungsmöglichkeiten vorrangig zu verwenden. Insoweit gelten zusätzlich die folgenden Anforderungen:
    1. Die Erlaubnis muß für die höchstzulässige Erlaubniszeit beantragt werden.
    2. Die Programme müssen auch die Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in Niedersachsen darstellen.
    3. Der Antragsteller soll erwarten lassen, daß er in der Lage ist, ein Programm zu veranstalten, das professionellen Ansprüchen genügt.


    BVerfGE 73, 118 (133):

    (2) Wenn mehrere Antragsteller für Vollprogramme die Anforderungen nach Absatz 1 erfüllen, findet eine Auswahl zwischen denjenigen Antragstellern statt, deren Programme die auf der Übertragungsmöglichkeit zur Verfügung stehende nutzbare Sendezeit möglichst weitgehend in Anspruch nehmen werden. Derjenige Antragsteller hat den Vorrang, dessen Programm voraussichtlich am meisten dazu beitragen wird, daß die Gesamtheit der Programme von Veranstaltern im Sinne des § 1 Abs. 1 politische, weltanschauliche oder gesellschaftliche Gruppen oder Richtungen nicht einseitig begünstigt. Bei gleicher oder nur geringfügig unterschiedlicher Erfüllung der Auswahlgesichtspunkte nach den Sätzen 1 und 2 hat derjenige Antragsteller den Vorrang, dessen Programm die Verbreitung von Sendungen nach § 12 Satz 2 mit lokalem oder regionalem Bezug vorsieht. Juristische Personen des Privatrechts haben zur Beurteilung des Auswahlgesichtspunktes nach Satz 2 ihre kapitalmäßige Zusammensetzung offenzulegen.
    (3) Sollen Übertragungsmöglichkeiten zur Veranstaltung von Vollprogrammen über die Programme nach Absatz 1 hinaus oder von sonstigen Programmen verwendet werden, so wird der Sendeumfang anteilig zugemessen, soweit die dem Erlaubnisverfahren zugrunde liegenden Übertragungsmöglichkeiten jeweils nicht zur Veranstaltung aller Programme ausreichen. Die Antragsteller haben die Verteilung von Sendezeiten im einzelnen zu vereinbaren und unterrichten schriftlich die Erlaubnisbehörde. Die Zuweisung von Sendezeiten erfolgt nach Maßgabe der Vereinbarung. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so weist die Erlaubnisbehörde die Sendezeiten im wöchentlichen Wechsel zu.
    § 8 Rücknahme der Erlaubnis
    (1) Die Erlaubnis wird zurückgenommen, wenn
    1. der Veranstalter die Erlaubnis durch Täuschung, Drohung oder sonstige rechtswidrige Mittel erlangt hat,
    2. eine Erlaubnisvoraussetzung nach § 5 von Anfang an nicht vorgelegen hat und auch nach Aufforderung nicht erfüllt wird.
    Im übrigen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
    (2) Die Erlaubnisbehörde hört den Landesrundfunkausschuß vor der Entscheidung über die Rücknahme der Erlaubnis an.


    BVerfGE 73, 118 (134):

    § 9 Widerruf der Erlaubnis
    (1) Die Erlaubnis wird widerrufen, wenn
    1. eine Erlaubnisvoraussetzung nach § 5 nachträglich entfällt und auch nach Aufforderung nicht erfüllt wird,
    2. der Veranstalter die erforderliche Mitwirkung für die Errichtung oder die Inbetriebnahme von technischen Übertragungseinrichtungen nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist vorgenommen hat,
    3. die Veranstaltung des Programms nicht innerhalb der hierfür gesetzten Frist in dem zugewiesenen Umfang aufgenommen worden ist oder fortgesetzt wird,
    4. die Veranstaltung des Programms aus Gründen, die der Veranstalter zu vertreten hat, länger als sechs Monate ruht,
    5. der Veranstalter einer vollziehbaren Anweisung der zuständigen obersten Landesbehörde nach § 43, die einen erneuten schwerwiegenden Verstoß zum Gegenstand hat, nicht Folge geleistet hat, obgleich in der Anweisung der Widerruf angedroht worden ist,
    6. ein Ersuchen nach § 28 Absatz 4 vorliegt.
    (2) Für einen Vermögensnachteil ist der Veranstalter nicht zu entschädigen. Im übrigen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
    (3) Die Erlaubnisbehörde hört den Landesrundfunkausschuß in den Fällen des Absatzes 1 Nrn. 1 bis 5 vor der Entscheidung über den Widerruf der Erlaubnis an.
    § 10 Veranstaltung ohne Erlaubnis
    Wird Hörfunk oder Fernsehen ohne Erlaubnis nach § 2 veranstaltet, so ordnet die Erlaubnisbehörde die Einstellung der Veranstaltung an und untersagt dem Träger der technischen Übertragungseinrichtung die Verbreitung.
    § 13 Programmgestaltung
    (1) Jeder Veranstalter ist in seinen Sendungen zur Wahrheit verpflichtet.
    (2) Jeder Veranstalter hat sicherzustellen, daß in seiner Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairneß zu entsprechen. Ziel aller Informationssendun

    BVerfGE 73, 118 (135):

    gen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger beizutragen.
    (3) Alle Sendungen mit Bedeutung für die Information und Meinungsbildung sind gründlich und gewissenhaft zu recherchieren. Tatsachenbehauptungen sind zu überprüfen. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
    § 15 Ausgewogenheit
    Die Programme von Veranstaltern im Sinne des § 1 Abs. 1 sowie die nach § 44 anzeigepflichtigen Programme von Veranstaltern privaten Rechts, die innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, müssen in ihrer Gesamtheit die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen angemessen zu Wort kommen lassen. Die Gesamtheit dieser Programme darf nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen. Jedes nach § 2 zugelassene Programm muß als einzelnes den Anforderungen der Sätze 1 und 2 genügen, es sei denn, die Ausgewogenheit ist in Verbindung mit den anderen Programmen gewährleistet.
    § 23 Zulieferung von Beiträgen zu lokalen und regionalen Sendungen
    Werden in einem Programm Sendungen nach § 12 Satz 2 mit lokalem oder regionalem Bezug verbreitet, so dürfen diese nicht zu mehr als der Hälfte von einem Unternehmen zugeliefert werden, das für den Bereich der Sendungen bestimmte periodisch erscheinende Druckwerke mit einem Anteil von mehr als 20 vom Hundert der Gesamtauflage aller für den Bereich bestimmten periodisch erscheinenden Druckwerke verlegt. Dieselbe Beschränkung gilt auch für ein Unternehmen, das zu einem Unternehmen nach Satz 1 im Verhältnis eines abhängigen oder herrschenden Unternehmens oder eines Konzernunternehmens im Sinne des Aktienrechts steht; wirken mehrere Unternehmen auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise derart zusammen, daß sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf ein Unternehmen nach Satz 1 ausüben können, so gilt jedes von ihnen als herrschendes Unternehmen.


    BVerfGE 73, 118 (136):

    § 24 Formen der Finanzierung
    Die Programme können aus dem eigenen Finanzaufkommen des Veranstalters, durch beim Teilnehmer zu erhebende Entgelte, durch Spenden und durch Werbung finanziert werden.
    § 25 Ankündigung des Entgelts
    Werden für Programme oder Sendungen beim Teilnehmer Entgelte erhoben, so ist dem Teilnehmer vor dem Empfang des Programms oder dem Beginn der Sendung die Höhe des Entgelts anzukündigen.
    § 26 Werbung
    (1) Die Werbung ist vom übrigen Programm deutlich zu trennen. Sie darf nur in Blöcken verbreitet werden. Eine Sendung darf zu einer im voraus angegebenen Zeit einmal durch Werbung unterbrochen werden, wenn die Dauer der Sendung 100 Minuten übersteigt.
    (2) Die Werbung darf 20 vom Hundert des wöchentlichen Sendeumfangs, bei Programmen nach § 1 Abs. 2 20 vom Hundert des Umfangs der einzelnen Sendung nicht übersteigen.
    (3) Werden Sendungen von einem Dritten finanziert, so sind sie Werbung, wenn ihr Inhalt den Interessen des Dritten dient. In diesen Fällen muß der Dritte am Anfang und am Ende der Sendung genannt werden. Bei anderen von einem Dritten finanzierten Sendungen ist die Nennung des Dritten zulässig. Seine Nennung ist Werbung.
    (4) Der Einfluß von Werbungtreibenden, Werbeagenturen oder Werbemittlern auf das übrige Programm sowie von Dritten auf Sendungen nach Absatz 3 Satz 3 ist nicht zulässig.
    (5) Werbung, die nicht im gesamten Verbreitungsgebiet eines zugelassenen Programms nach § 22 verbreitet wird, ist nicht zulässig. Solange das Programm nicht von mehr als 2,5 Millionen Einwohnern in Niedersachsen empfangen werden kann, ist nur eine Werbung zulässig, die Tatsachen, Ereignisse und Angebote mit mindestens landesweitem Bezug zum Gegenstand hat.
    (6) Ist Werbung in Programmen oder Sendungen enthalten, für die beim Teilnehmer Entgelte erhoben werden, so ist dies dem Teilnehmer vor dem Empfang des Programms oder dem Beginn der

    BVerfGE 73, 118 (137):

    Sendung anzukündigen. Diese Ankündigung ist mit derjenigen nach § 25 zu verbinden.
    § 27 Landesrundfunkausschuß
    (1) Zur Kontrolle der Programme und zur Erledigung der weiteren ihm durch dieses Gesetz übertragenen Aufgaben wird der Landesrundfunkausschuß als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Der Landesrundfunkausschuß übt seine Tätigkeit innerhalb der gesetzlichen Schranken unabhängig und in eigener Verantwortung aus. Er besitzt Dienstherrnfähigkeit und führt ein Dienstsiegel. Staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung dürfen dem Landesrundfunkausschuß nicht übertragen werden.
    (2) - (4) ...
    § 28 Programmkontrolle
    (1) Im Rahmen der Kontrolle der Programme überwacht der Landesrundfunkausschuß die Einhaltung der Vorschriften der §§ 11 bis 15, 21 und 26 sowie der den Inhalt des Programms betreffenden Bestimmungen der Erlaubnis.
    (2) Der Landesrundfunkausschuß kann feststellen, daß ein Programm oder eine Sendung gegen dieses Gesetz oder die Bestimmungen der Erlaubnis verstößt, und den Veranstalter sowie die für den Inhalt des Programms Verantwortlichen anweisen, den Verstoß zu unterlassen. Ein Programm kann nach § 15 Satz 3 nur beanstandet werden, wenn die Ausgewogenheit durch andere Programme nicht gewährleistet ist.
    (3) Gegen Feststellungen und Anweisungen nach Absatz 2 kann unmittelbar die verwaltungsgerichtliche Klage erhoben werden.
    (4) Wird nach einer vollziehbaren Anweisung nach Absatz 2, die einen schwerwiegenden Verstoß zum Gegenstand hatte, erneut schwerwiegend gegen Vorschriften oder Bestimmungen nach Absatz 1 verstoßen, obgleich in der Anweisung der Widerruf angedroht worden war, so kann der Landesrundfunkausschuß den Widerruf der Erlaubnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 veranlassen.
    (5) Der Veranstalter und die für den Inhalt des Programms Verantwortlichen haben dem Landesrundfunkausschuß die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen vorzulegen. ...


    BVerfGE 73, 118 (138):

    § 44 Zulässigkeit der Verbreitung
    (1) Hörfunk- und Fernsehprogramme, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in rechtlich zulässiger Weise veranstaltet werden, dürfen durch technische Übertragungseinrichtungen inhaltlich unverändert in Niedersachsen verbreitet werden. Eine zeitversetzte Verbreitung ist zulässig.
    (2) Wer Programme nach Absatz 1 verbreiten will, hat dies der Erlaubnisbehörde einen Monat vor Beginn der Maßnahme anzuzeigen. Ausgenommen ist die unveränderte Verbreitung eines Programms in Gemeinden oder Samtgemeinden, in deren Gebiet dieses Programm bereits mit durchschnittlichem Antennenaufwand empfangen werden kann.
    (3) Die Programme nach Absatz 1 einschließlich der Werbung dürfen nicht die Würde des Menschen verletzen und nicht gegen die Verbote des § 11 Abs. 3 und die Anforderungen des § 14 verstoßen. Für anzeigepflichtige Programme, die innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland veranstaltet werden, gelten darüber hinaus die Anforderungen des § 15. Die Werbung in anzeigepflichtigen deutschsprachigen Programmen muß den Anforderungen des § 26 Abs. 1 und 5 Satz 2 entsprechen.
    (4) Die Erlaubnisbehörde untersagt die Verbreitung eines Programms, wenn dieses wiederholt gegen die in Absatz 3 genannten Bestimmungen oder gegen sonstige Vorschriften der allgemeinen Gesetze verstößt. Beschränken sich die Verstöße auf die Werbung, so ist nur diese zu untersagen. Die Untersagung muß vorher schriftlich angedroht worden sein. Die Verbreitung des Programms oder der Werbung wird vor ihrem Beginn untersagt, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Verstöße nach Satz 1 zu erwarten sind. Die Maßnahmen der Erlaubnisbehörde erfolgen auf Ersuchen des Landesrundfunkausschusses. § 28 Abs. 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
    (5) Die für die Verbreitung von Programmen nach Absatz 1 Verantwortlichen haben der Erlaubnisbehörde und dem Landesrundfunkausschuß die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen vorzulegen....
    (6) ...
    § 46 Verwendung der technischen Übertragungseinrichtungen
    (1) ...
    (2) Solange und soweit die für nach § 2 zuzulassende Programme

    BVerfGE 73, 118 (139):

    vorgesehene Übertragungskapazität nicht benötigt wird, kann sie für die Verbreitung von Programmen nach § 44 verwendet werden.
    (3) Bei der Auswahl von Programmen für eine Verbreitung nach § 44 Abs. 1 ist den mehrheitlichen Wünschen der Teilnehmer Rechnung zu tragen. Diese sind über die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen der in Betracht kommenden Programme zu unterrichten. In Streitfällen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet auf Antrag eines Beteiligten der Landesrundfunkausschuß. Die Erlaubnisbehörde trifft auf Ersuchen des Landesrundfunkausschusses die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung der Entscheidung.
    (4) ..."
II.
201 Mitglieder des Deutschen Bundestages, die der SPD angehören, haben nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 Nr. 1 BVerfGG beantragt, das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz für nichtig zu erklären. Nach ihrer Ansicht verstoßen die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Art. 5 Abs. 1 GG; dies habe die Verfassungswidrigkeit des ganzen Gesetzes zur Folge. Zur Begründung führen die Antragsteller im wesentlichen aus:
1. Das Gesetz habe die verfassungsrechtlich gebotene gegenständliche und inhaltliche Vielfalt unzureichend geregelt und diese - namentlich im Zusammenhang der Anforderungen an die Träger von Rundfunkprogrammen, der Kontrolle im Programmbereich und der Regelung der Finanzierung - nicht wirksam gesichert. Unzureichend seien auch die Vorkehrungen gegen die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht, die sich sowohl aus einer Konzentration im Bereich des privaten Rundfunks als auch aus einer Medienverflechtung ergeben könnte.
a) Das Gesetz enthalte keine Regelung über den erforderlichen Umfang der einzelnen Programmsparten. Von den bevorzugten Vollprogrammen im Hörfunk- und Fernsehbereich (§ 6 Abs. 1 LRG) habe sich der Gesetzgeber zwar die Abdeckung einer breiten Programmpalette versprochen; er könne jedoch nicht verhindern, daß dieses Programmangebot zugunsten von Sparten- und Zielgruppenprogrammen entfalle, wenn sich für Vollprogramme keine Interessenten fänden. Auch der Mindestumfang für Voll

BVerfGE 73, 118 (140):

programme sei nicht vorgeschrieben. Daß derartige Regelungen entbehrlich seien, weil gegenständliche Vielfalt sich in einem marktwirtschaftlich orientierten Rundfunk von selbst einstellen werde, könne wegen der medienökonomischen Besonderheit des Rundfunks nicht erwartet werden.
b) Auch die inhaltliche Programmvielfalt werde nicht hinreichend gewährleistet. Die Mindestpflichten der Programmgestaltung in § 13 LRG reichten nicht aus, da diese Vorschrift auf Informationssendungen beschränkt sei. Dem Ausgewogenheitsgebot des § 15 LRG liege ausschließlich die Veranstalterperspektive zugrunde; diejenige des Rundfunkteilnehmers werde vernachlässigt. Nicht einmal dieses unzureichende Maß an Ausgewogenheit vermöge § 15 LRG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu sichern. Da die Vorschrift in Satz 1 und 2 keine Veranstalterpflichten normiere, könne die Ausgewogenheits- und Vielfaltskontrolle durch den Landesrundfunkausschuß nur an § 15 Satz 3 LRG anknüpfen. Eine wirksame Kontrolle sei indessen ausgeschlossen, da das Gesetz die Schnittstelle des Übergangs vom binnenpluralen zum außenpluralen Rundfunkmodell nicht hinreichend bestimmt bezeichne. Dies müsse bei den Veranstaltern zu erheblichen Unsicherheiten führen. Unklar sei, wer Adressat der Ausgewogenheitsverpflichtung sei. Diese Schwierigkeit könne auf Grund der in § 15 Satz 3 LRG enthaltenen Beweislastregelung zwar in dem Sinne behoben werden, daß jeder einzelne Veranstalter im Zweifel zur Ausgewogenheit verpflichtet sei; eine solche Regelung laufe jedoch leer, weil § 28 Abs. 2 Satz 2 LRG für die Sanktionierung von Verstößen eine umgekehrte Beweislastregelung aufstelle, indem er dem Landesrundfunkausschuß den Negativbeweis fehlender Ausgewogenheit des Gesamtprogramms aufbürde. Der Landesrundfunkausschuß sei aber kaum in der Lage, diesen Nachweis im Einzelfalle zu führen. Da die Programmanforderungen für die Verbreitung von Rundfunksendungen weit hinter denen für die Veranstaltung zurückblieben, könne das Gesetz insoweit die gebotene Vielfalt des Programmangebotes noch weniger sichern. Die Unbestimmtheit der

BVerfGE 73, 118 (141):

Kontrollmaßstäbe, die begrenzten Aufzeichnungs- und Auskunftspflichten der Veranstalter und die unzweckmäßigen Organisations- und Verfahrensvorschriften für den Landesrundfunkausschuß ließen es nahezu ausgeschlossen erscheinen, daß dieses Gremium seine Aufgabe wirksam wahrnehmen könne. Demgemäß könne der Veranstalter ohne Risiko Tendenzprogramme herstellen und verbreiten, auch wenn noch Zweifel bestünden, ob der Zustand der Außenpluralität hergestellt sei.
Diese Mängel habe der Gesetzgeber nicht durch geeignete organisatorische Anforderungen an die Veranstalter von Rundfunkprogrammen ausgeglichen. Das Gesetz verbinde vielmehr den Verzicht auf eine binnenpluralistische Organisation der Veranstalter mit einer Verlagerung der Programmkontrolle auf ein externes Organ, das strukturnotwendig seine Kontrollaufgabe nicht effektiv wahrnehmen könne, zumal der Landesrundfunkausschuß im Vorfeld konkreter Programmtätigkeit keine Einwirkungsmöglichkeiten habe und ein abgestuftes wirksames Sanktionsinstrumentarium fehle.
c) Auch die Finanzierungsregelungen trügen nicht in hinreichendem Umfang zur Vielfaltssicherung bei. Das Gesetz schließe unkontrollierte Einflußnahmen durch den Einsatz von Finanzmitteln des Veranstalters oder Dritter, durch Spenden oder Sponsorenfinanzierung nicht aus. Ebensowenig begegne es der Gefahr der Antizipation von Programmerwartungen der werbungtreibenden Wirtschaft durch die Veranstalter, die bei werbefinanziertem Rundfunk zwangsläufig auftrete.
d) Die Antragsteller beanstanden ferner, daß das Gesetz keine hinreichenden Sicherungen der Funktionsfähigkeit ökonomischen Wettbewerbs vorsehe, obwohl hierzu wegen der Bevorzugung großer und finanzkräftiger Veranstalter besonderer Anlaß bestanden habe. Mehrfachbetätigungen der Veranstalter würden durch § 5 Abs. 2 LRG nur unvollkommen begrenzt. Lückenhaft seien auch die Vorkehrungen gegen eine Verflechtung von Presse- und Rundfunkunternehmen. § 23 LRG biete hiergegen keinen hinreichenden Schutz und schließe jedenfalls den Einfluß von

BVerfGE 73, 118 (142):

Großverlegern auf die Programme selbst auf lokaler oder regionaler Ebene nicht aus. Angesichts der Gefahren einer Medienverflechtung habe der Gesetzgeber weitergehende Regelungen treffen müssen. Die Risiken für die Presse, die sich durch die Zulassung privaten, werbefinanzierten Rundfunks ergäben, würden durch eine Beteiligung von Presseverlagen am Rundfunk nicht geringer, zumal es einzelnen Presseverlegern gelingen werde, im Rundfunkbereich Fuß zu fassen. Mit dem Verweis auf einzelne Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen werde der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Abwehr von Gefahren für die inter- und intramediäre Vielfalt nicht gerecht. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei zu weitmaschig und enthalte keine rundfunkspezifischen Regelungen. Es biete kein Instrumentarium, um marktbeherrschende Stellungen zu beseitigen, die von Anfang an bestünden oder auf innerem Wachstum beruhten. Für die Verbreitung von Rundfunksendungen sehe das Landesrundfunkgesetz keine wettbewerbssichernden Vorkehrungen vor.
2. Verfassungswidrig seien weiterhin einzelne Zugangs- und Auswahlvorschriften des Gesetzes.
a) Es verstoße gegen das Erfordernis der Staatsfreiheit des Rundfunks, daß dem Ministerpräsidenten als staatlicher Erlaubnisbehörde bei der Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunksendungen eine dominierende Stellung zukomme. Damit entstehe die Gefahr der mißbräuchlichen Bevorzugung regierungsfreundlicher Veranstalter, zumindest aber das Risiko mittelbarer Vorwirkungen der Entscheidungsbefugnisse auf das Programmverhalten. Entscheidungsspielräume, die für den Inhalt der Programme von Bedeutung seien, bestünden für den Ministerpräsidenten insbesondere bei der Erteilung der Veranstaltererlaubnis. Insoweit habe er Prognosen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 5 Abs. 5 Satz 2 LRG) und die Gesetzestreue des Bewerbers (§ 5 Abs. 4 LRG) sowie über Professionalität (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG) und Vielfalt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 LRG) anzustellen. Das gleiche gelte, soweit ihm ein Auswahlermessen (§ 6

BVerfGE 73, 118 (143):

Abs. 1 LRG) oder Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Modalitäten der Genehmigung (§ 7 LRG) zukomme. Eine unzulässige Einflußmöglichkeit begründe auch das erhebliche rechtliche und tatsächliche Gewicht des Vorschlags, den er dem Landesrundfunkausschuß im Erlaubnisverfahren nach § 3 LRG unterbreite; das gelte insbesondere im Falle des § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG, wenn der Vorschlag die Entscheidung des Landesrundfunkausschusses ersetze. Verfassungswidrig sei es schließlich, daß das Gesetz nicht in allen wichtigen, für die Rundfunkfreiheit bedeutsamen Angelegenheiten eine Beteiligung des Landesrundfunkausschusses vorsehe.
b) Das Gebot des chancengleichen Zugangs zur Veranstaltung von Rundfunksendungen werde in der Vorschrift des § 5 Abs. 1 LRG verletzt, soweit danach auch in der Phase des Außenpluralismus politische Parteien, Angehörige des öffentlichen Dienstes und juristische Personen des öffentlichen Rechts von diesem Zugang ausgeschlossen seien. Ähnliches gelte für die Regelung über die Wahlwerbung (§ 21 Abs. 1), soweit sie keine Vorkehrungen dagegen enthalte, daß durch die Bemessung des Entgelts finanzielle Hürden aufgebaut würden, die nicht alle politischen Parteien überwinden könnten.
c) Bedenken der Antragsteller richten sich endlich gegen die Vorrangkriterien bei der Auswahl der Veranstalter. Diese bevorzugten finanzkräftige und im Medienbereich bereits etablierte Veranstalter. Insbesondere das Professionalitätskriterium des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG enthalte ein verdecktes Presseprivileg, das verfassungswidrig sei.
3. Im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Ausführungen zu den beanstandeten Vorschriften des Gesetzes wenden sich die Antragsteller schließlich gegen die Regelungen der Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen. Diese sei grundsätzlich den gleichen Maßstäben zu unterwerfen wie die Veranstaltung. Der Gesetzgeber habe sich aber in § 44 Abs. 2 mit einer bloßen Anzeigepflicht und in § 44 Abs. 3 mit Programmbindungen begnügt, die nicht hinreichend seien, Gefahren für die Rundfunkfreiheit

BVerfGE 73, 118 (144):

zu begegnen; die Kontrolle sei noch schwächer ausgebildet als bei den im Lande veranstalteten Programmen. Damit entstehe die Möglichkeit einer Umgehung der strengeren Voraussetzungen für die Veranstaltung von Rundfunksendungen, gegen welche das Gesetz nicht die gebotenen Vorkehrungen enthalte. Weitergehende Anforderungen seien jedenfalls für solche Programme erforderlich, die zwar außerhalb Niedersachsens veranstaltet würden, jedoch vorwiegend Teilnehmer in diesem Bundesland erreichen sollten. Das Recht auf Gegendarstellung sei unzureichend gesichert.
III.
Zu dem Normenkontrollantrag haben sich die Niedersächsische Landesregierung, die Regierung des Landes Hessen, die Landesregierung Rheinland-Pfalz, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger geäußert.
1. Die Niedersächsische Landesregierung tritt den Ausführungen der Antragsteller entgegen. Sie trägt im wesentlichen vor:
a) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche die Antragsteller an den Vielfaltsstandard stellten, seien überhöht und müßten jede gesetzliche Ausgestaltung trotz der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit privaten Rundfunks scheitern lassen. Wenn der Landesgesetzgeber Privatfunk zulasse, so müsse er auch dessen wirtschaftliche Funktionsfähigkeit sichern; er brauche sich nicht ausschließlich an der Funktionsfähigkeit der Kommunikationsordnung zu orientieren. Daraus folge, daß der Gesetzgeber nur einen Mindeststandard an Meinungsgleichheit und Meinungsvielfalt zu sichern brauche; zur optimalen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit sei er nicht verpflichtet. Bei der Ausgestaltung der verfassungsrechtlich geforderten positiven Ordnung des Rundfunks müsse ihm ein Prognosespielraum zugestanden werden. Die Gesetzgebungsmaterie "Privatfunk" sei neu und lasse sichere Voraussagen noch nicht zu. Dies gelte jedenfalls für Prognosen im Hinblick auf die spätere Nutzung der

BVerfGE 73, 118 (145):

Übertragungsmöglichkeiten und auf die Programmgestaltung. Insoweit komme dem Gesetz in gewisser Weise Versuchscharakter zu.
Das mit dem Landesrundfunkgesetz geschaffene Ordnungsmodell wolle einen gleitenden Übergang in die Phase des Außenpluralismus fördern und stelle deshalb in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Angebotsvielfalt ab. Es eröffne den Veranstaltern die Möglichkeit, frühzeitig eigene Tendenzen zu entwickeln und außenplurale Entwicklungen zu erproben. Auch wenn sie insoweit einem gewissen Risiko ausgesetzt seien, würden die Anbieter nicht überfordert, da Unsicherheiten durch den Landesrundfunkausschuß oder ein eigenes pluralistisch zusammengesetztes Kontrollgremium des Veranstalters behoben werden könnten. Jedenfalls könne das Modell nicht in den Dualismus Binnen-/ Außenpluralismus gepreßt werden. Auch die gesetzliche Vorgabe einer "Schnittstelle" zwischen Binnen- und Außenpluralismus sei unzweckmäßig.
b) Das Landesrundfunkgesetz enthalte hinreichende Sicherungen des verfassungsrechtlich geforderten Mindestmaßes an gegenständlicher und inhaltlicher Vielfalt. Die nach § 6 Abs. 1 LRG bevorrechtigten Vollprogramme seien ein besonders geeignetes und der anteiligen Kürzung von Sendezeit jedenfalls vorzuziehendes Mittel, um Vielfalt und deren Stabilität über eine längere Zeit zu sichern.
Einer Gefährdung der intermediären Vielfalt bei der Vergabe von Vollprogrammlizenzen begegneten die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dem insoweit nicht erfaßten Fall des internen Wachstums von Unternehmen werde mit einer Bevorzugung solcher Antragsteller für Vollprogramme Rechnung getragen, die eine breite, vielfaltssichernde Trägerschaft aufwiesen. Mit § 23 LRG habe der niedersächsische Gesetzgeber den medienspezifischen Regelungsbedarf zur Sicherung des wirtschaftlichen Wettbewerbs gedeckt. Eine darüber hinausgehende Bekämpfung von Konzentration sei nicht Aufgabe des Landesrundfunkgesetzgebers. Nähere Regelungen zur Sicherung

BVerfGE 73, 118 (146):

gegenständlicher Vielfalt seien entbehrlich, da sich eine am Rezeptionsinteresse orientierte Spartenvielfalt der Programme von selbst einstellen werde. Darüber hinaus bilde die gegenständliche Vielfalt einen Auswahlgesichtspunkt für die Zulassung von Vollprogrammen. Die vorgesehene Programmgestaltung werde gemäß § 7 Abs. 1 LRG zwangsläufig zum Inhalt der Erlaubnis. Ihre Einhaltung sei deshalb der Kontrolle des Landesrundfunkausschusses nach § 28 Abs. 1 LRG unterworfen.
Diese sei auch hinreichend wirksam. Zur Schaffung eines organisatorischen Binnenpluralismus sei der niedersächsische Gesetzgeber jedenfalls verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen. Ein solches Modell hätte zudem in der gegenwärtigen unsicheren Startsituation des privaten Rundfunks die vorhandene Struktur verfestigt und den Übergang zum Außenpluralismus erschwert. Eine geringere Intensität der Kontrolle des Landesrundfunkausschusses, der anders als der Rundfunkrat im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem nicht schon im Bereich des Programmvorfeldes auf Personal- und Finanzentscheidungen Einfluß nehmen könne, werde durch die größere innere Unabhängigkeit dieses Gremiums sowie durch seinen Einfluß auf die Entscheidung über die Auswahl unter mehreren Bewerbern für ein Rundfunkprogramm ausgeglichen. Mit § 15 LRG stehe dem Landesrundfunkausschuß ein praktikabler Kontrollmaßstab zur Verfügung. Dessen Vorteil liege darin, daß künftige Veranstalter mit Zunahme ihrer Zahl und ihrer Verschiedenheit zunehmend Programme mit eigener Tendenz veranstalten könnten. Sie seien allerdings primär zu einem jeweils binnenpluralistisch gestalteten Programm verpflichtet; ein Übergang in den Außenpluralismus geschehe auf ihr eigenes Risiko, das jedoch im Hinblick darauf, daß das Gesetz dem Landesrundfunkausschuß in § 28 Abs. 2 Satz 2 die Argumentationslast für Beanstandungen übertrage, hingenommen werden könne. Die Informationsrechte und Sanktionsmöglichkeiten des Landesrundfunkausschusses seien geeignet und ausreichend, ein ausgewogenes Gesamtprogramm zu erreichen und zu erhalten.


BVerfGE 73, 118 (147):

c) Die verfassungsrechtlich geforderte Staatsferne des privaten Rundfunks werde durch das Landesrundfunkgesetz dadurch gesichert, daß die staatliche Erlaubnisbehörde die gesetzlich gebundenen Entscheidungen oder die gesetzlich gebundenen Elemente von Entscheidungen treffe und dem Landesrundfunkausschuß die wertenden Elemente der Entscheidungen vorbehalten blieben. Dies sei bei der Auslegung von § 5 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 LRG zu berücksichtigen. Die Ersatzkompetenz der Erlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG sei erforderlich, um eine Blockierung der Erlaubniserteilung und die damit verbundene Gefährdung der Rundfunkfreiheit zu vermeiden, wenn der Landesrundfunkausschuß sich nicht einigen könne. Diesem kämen ausreichende Einflußmöglichkeiten zu.
d) Ebenso stünden die Regelungen über die Verbreitung von Rundfunksendungen mit dem Grundgesetz im Einklang. Die geringeren inhaltlichen Programmanforderungen für in Niedersachsen lediglich verbreitete Programme aus anderen Bundesländern gegenüber den in Niedersachsen veranstalteten Programmen könnten hingenommen werden, weil ihre Verbreitung an die vielfaltssichernde Ausgewogenheitsregel des § 15 LRG gebunden sei (§ 44 Abs. 3 Satz 2 LRG). Eine zusätzliche Bindung solcher Programme an die für Veranstalter in Niedersachsen geltenden Vorschriften sei ebenso wie die Schaffung eines Umgehungstatbestandes für funktional-äquivalente Programme aus dem Ausland verfassungsrechtlich nicht geboten und auch nicht zweckmäßig.
e) Auch im übrigen seien die Regelungen des Landesrundfunkgesetzes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Was das für Vollprogramme geltende Professionalitätserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG angehe, so solle dieses einen geordneten Rundfunkbetrieb gewährleisten und die Leistungsfähigkeit des privaten Rundfunks im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sichern. Eine Privilegierung der Presse um ihrer selbst willen sei damit nicht verbunden. Schließlich sei auch der Persönlichkeitsschutz gegenüber verbreiteten Programmen ausreichend. Er könne nach dem Recht des Landes begehrt wer

BVerfGE 73, 118 (148):

den, in dem das betreffende Programm veranstaltet werde. Diese Möglichkeit sei angesichts der entsprechenden Regelungen in den Rundfunkgesetzen der anderen Bundesländer auch hinreichend effektiv. Bezüglich ausländischer Programme müßten internationale Regelungen getroffen werden.
2. Die Hessische Landesregierung hält in ihrer Stellungnahme, der sie ein zugleich im Auftrag der Senate der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg sowie der Landesregierungen der Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland erstattetes Rechtsgutachten von Prof. Dr. Denninger beigefügt hat, das Landesrundfunkgesetz für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe darauf verzichtet, privaten Veranstaltern die Verpflichtung einer - möglicherweise sogar von Verfassungs wegen geforderten - binnenpluralistischen Organisation aufzuerlegen, ohne hierfür ausreichende Ersatzregelungen vorzusehen, die geeignet wären, die Rundfunkfreiheit mit vergleichbarer Wirksamkeit zu gewährleisten. Vor allem die Ausgewogenheitsregelung des § 15 Satz 3 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 2 LRG erfülle nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Verfassungsrechtlich unzulässig sei es auch, die Verbreitung von Rundfunksendungen in Niedersachsen weniger strengen gesetzlichen Anforderungen zu unterwerfen als die Veranstaltung von Hörfunk- oder Fernsehprogrammen (§§ 17, 18, 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 LRG). Schließlich seien auch die Finanzierungsregelungen des Landesrundfunkgesetzes verfassungsrechtlich zu beanstanden. § 24 LRG lasse eine verfassungsrechtlich geforderte Verpflichtung zur Offenlegung der Finanzquellen vermissen. Auch mit der Zulassung der Vollfinanzierung privaten Rundfunks durch Wirtschaftswerbung in § 26 Abs. 3 und Abs. 4 LRG habe der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten.
3. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz ist der Ansicht, das niedersächsische Rundfunkmodell sei verfassungsrechtlich unbedenklich und zur Herbeiführung von externer Vielfalt und Ausgewogenheit unerläßlich. Im Hinblick auf den erreichten Stand

BVerfGE 73, 118 (149):

von Technik und Recht hält die Landesregierung eine Fortentwicklung der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für gerechtfertigt: Die öffentlich-rechtlichen Programme müßten als "Ausgewogenheitsreserve" Berücksichtigung finden und ebenso wie die zu erwartenden Fernsehprogramme des Auslands bei der Beurteilung von Ausgewogenheit und Medienvielfalt einbezogen werden. Schließlich müßten auch die Grundsätze des Europäischen Gemeinschaftsrechts Beachtung finden, wonach der freie Fluß der Information zu gewährleisten sei.
4. Die ARD hält in ihrer Stellungnahme, die auch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Bethge und ein technisches Gutachten von Prof. Messerschmid und Dr.-Ing. Roigas einschließt, das Landesrundfunkgesetz für verfassungswidrig. Es enthalte keine effektiven Vorkehrungen für die Gewährleistung von Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit. Dem materiellen Ausgewogenheitserfordernis des § 15 Satz 3 LRG ermangele es an den notwendigen organisatorischen und Verfahrenssicherungen. § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG verstoße gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit. Verfassungsrechtliche Bedenken seien auch gegenüber den Finanzierungsregelungen zu erheben: § 26 Abs. 1 LRG lasse Unterbrechungswerbung zu und verstoße deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Gebote der Transparenz und der Informationsklarheit; § 26 Abs. 2 LRG schließe eine verfassungsrechtlich unzulässige reine Werbefinanzierung der privaten Rundfunkprogramme nicht aus; verfassungswidrig sei schließlich, daß das Landesrundfunkgesetz keine Verpflichtung enthalte, Spenden von einer gewissen Größenordnung an transparent und publik zu machen.
5. Nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger können gegen das Landesrundfunkgesetz keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben werden. Seiner Verpflichtung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Vielfalt sei der Gesetzgeber nachgekommen. Eine Bevorzugung von Presseunternehmen beim Zugang zum Rundfunk sei mit den gesetzlichen Regelungen - insbesondere mit § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG - nicht verbun

BVerfGE 73, 118 (150):

den. Die gesetzlichen Sicherungen der Funktionsfähigkeit des ökonomischen Wettbewerbs seien ausreichend. Weitergehende gesetzliche Hürden für den Zugang vorhandener Medienunternehmer zum Rundfunk wären verfassungsrechtlich bedenklich, denn sie beschnitten die Presse in ihrer Konkurrenzfähigkeit auf dem Kommunikations- und Werbemarkt.
IV.
In der mündlichen Verhandlung am 3. Juni 1986 haben sich geäußert:
Für die Antragsteller Dr. Emmerlich (MdB) und Prof. Dr. Hoffmann-Riem, für die Niedersächsische Landesregierung Staatssekretär Meyer und Prof. Dr. Starck, für die Hessische Landesregierung Staatssekretär Giani und Prof. Dr. Denninger, für die Landesregierung Rheinland-Pfalz Staatssekretär Rudolf, für die ARD Prof. Dr. Bethge, für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Rechtsanwalt Dr. Kull und für den Bundesverband Kabel und Satellit die Rechtsanwälte Prof. Deringer, Dr. Kühn und Schardt.
 
B. -- I.
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
Die Antragsteller, deren Zahl das erforderliche Drittel der Mitglieder des Bundestages wesentlich übersteigt, halten das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz insgesamt für verfassungswidrig und nichtig. Weitergehende Voraussetzungen enthalten Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und § 76 Nr. 1 BVerfGG nicht. Wenn die Antragsteller darauf hinweisen, daß das zur Prüfung gestellte Landesgesetz Regelungen treffe, welche Auswirkungen nicht nur für andere Bundesländer, sondern auf die gesamte Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik haben könnten und auch den Handlungsspielraum des Bundes berührten, daß deshalb auch Bundesorgane aufgerufen seien, auf die Herstellung verfassungsmäßiger Verhältnisse hinzuwirken, so mag sich daraus ein besonderes Kontrollinteresse ergeben; rechtlich gefordert ist dies nicht.


BVerfGE 73, 118 (151):

II.
Die Prüfung und Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auf die im Urteilstenor bezeichneten Vorschriften des Gesetzes zu begrenzen. Über weiteres ist nicht zu entscheiden.
Die Antragsteller leiten die Verfassungswidrigkeit des ganzen Gesetzes nicht aus der Verfassungswidrigkeit jeder einzelnen seiner Vorschriften her, wie es etwa bei einem kompetenzwidrigen Gesetz der Fall wäre. Vielmehr gehen sie - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, nach der bei Nichtigkeit einer oder mehrerer Bestimmungen eines Gesetzes das gesamte Gesetz für nichtig zu erklären ist, wenn die nichtigen Bestimmungen mit den übrigen so verflochten sind, daß sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann (BVerfGE 57, 295 [334] m. w. N.). Wären die zentralen Bestimmungen des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, gegen welche die Antragsteller sich wenden, mit dem Grundgesetz unvereinbar, so wäre das gesamte Gesetz in der Tat ohne nähere Prüfung der als solchen nicht beanstandeten Bestimmungen für nichtig zu erklären, weil dann der dargelegte Zusammenhang gegeben wäre. Unter der umgekehrten Voraussetzung hingegen bestehen über die Gültigkeit dieser Bestimmungen derzeit keine "Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, weil die Antragsteller sie für sich genommen nicht als nichtig betrachten und es auf den genannten Zusammenhang nicht ankommt; es besteht dann kein Anlaß, die Vorschriften der abstrakten Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zu unterziehen. So verhält es sich im vorliegenden Verfahren. Die verfassungsgerichtliche Prüfung ist mithin auf die nachfolgenden Probleme zu beschränken. Nicht zu erörtern ist beispielsweise, ob Private verpflichtet werden können, zur Verwirklichung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 LRG).
 


BVerfGE 73, 118 (152):

C.
Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz, dessen formelle Verfassungsmäßigkeit hinsichtlich der hier zu prüfenden rundfunkrechtlichen Regelungen keinen Bedenken unterliegt, ist in seinen Grundlinien auch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar. Doch vermag eine Reihe seiner Vorschriften die Freiheit des Rundfunks nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise zu gewährleisten; diese Vorschriften sind mit dem Grundgesetz ganz oder zum Teil unvereinbar. Darüber hinaus bedarf es zur Sicherung der Rundfunkfreiheit ergänzender gesetzlicher Regelungen.
I.
Maßgebend für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit des Rundfunks.
1. Die Rundfunkfreiheit dient der gleichen Aufgabe wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG: der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung (BVerfGE 57, 295 [319 f.]). Diese vollzieht sich in einem Kommunikationsprozeß, in welchem dem Rundfunk die Aufgabe eines "Mediums" und "Faktors" zukommt: Es obliegt ihm, in möglichster Breite und Vollständigkeit zu informieren; er gibt dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu meinungsbildendem Wirken und ist selbst an dem Prozeß der Meinungsbildung beteiligt. Dies geschieht in einem umfassenden Sinne; Meinungsbildung vollzieht sich nicht nur durch Nachrichtensendungen, politische Kommentare oder Sendereihen über Probleme der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft, sondern ebenso in Hör- und Fernsehspielen, musikalischen Darbietungen oder Unterhaltungssendungen (BVerfGE 59, 231 [257 f.] m. w. N. - Freie Rundfunkmitarbeiter).
Diese Aufgabe erfordert zunächst die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung oder Einflußnahme. Dem läßt sich bereits durch eine lediglich negatorische Gestaltung gerecht werden. Es bedarf aber darüber hinaus einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen

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im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten soll. Wie der Gesetzgeber seine Aufgabe erfüllen will, ist - in den von der Garantie gezogenen Grenzen - Sache seiner eigenen Entscheidung (BVerfGE 57, 295 [320 f.]).
Zu den Fragen, welche der Gesetzgeber zu regeln hat, gehört die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung. Im Rahmen des zugrunde gelegten Ordnungsmodells hat er dafür Sorge zu tragen, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt im wesentlichen entspricht, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird und daß die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen können. Zur Sicherung dieser Vielfalt kann der Gesetzgeber eine - nach dem Urteil vom 28. Februar 1961 (BVerfGE 12, 205 [262]) verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende - "binnenpluralistische" Struktur der Veranstalter, also eine Organisation vorsehen, bei welcher der Einfluß der in Betracht kommenden Kräfte intern, durch Organe der jeweiligen Veranstalter vermittelt wird. Er kann aber auch andere Gestaltungsformen wählen, sofern er durch geeignete Vorkehrungen gewährleistet, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich im wesentlichen entspricht. Wenn er dabei Rundfunkfreiheit durch externe ("außenpluralistische") Vielfalt herstellen und erhalten will, macht auch diese Lösung gesetzliche Regelungen zur Sicherung der Freiheit nicht entbehrlich.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Er muß eine begrenzte Staatsaufsicht vorsehen, den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen regeln und, solange die

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ser nicht jedem Bewerber eröffnet werden kann, Auswahlregelungen treffen, welche den Bewerbern eine gleiche Chance eröffnen (BVerfGE 57, 295 [324 f.]). Ob auch die Finanzierung privaten Rundfunks gesetzlicher Regelung bedarf, hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden. Auch im vorliegenden Verfahren kann dies offenbleiben, weil das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz die Materie geregelt hat.
2. Bei der Beurteilung der Anforderungen, die sich hieraus für die Rundfunkgesetzgebung der Länder ergeben, dürfen die oben (A I 1*) in Kürze dargestellten modernen Entwicklungen auf dem Gebiet des Rundfunks nicht unberücksichtigt bleiben. Diesen kommt Bedeutung für die Auslegung der verfassungsrechtlichen Garantie zu: Sie gehören, wie schon die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur "Sondersituation" des Rundfunks erkennen läßt (oben A I 1*), zu dem konkreten Lebenssachverhalt, auf den das Grundrecht bezogen ist und ohne dessen Einbeziehung eine die normierende Wirkung der Rundfunkfreiheit entfaltende Auslegung nicht möglich erscheint.
In dieser Hinsicht ist die technische Entwicklung von Bedeutung, durch die sich die Voraussetzungen der Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunksendungen verbessert haben, die indessen nichts daran ändert, daß die Zahl der für alle Teilnehmer im Bereich eines Bundeslandes oder im lokalen Bereich empfangbaren Programme noch für längere Zeit auf terrestrisch verbreitete Programme beschränkt bleiben wird. Von Bedeutung sind weiterhin die wirtschaftlichen Bedingungen der Veranstaltung und Verbreitung privater Rundfunkprogramme und ihre Auswirkungen, im besonderen der nach wie vor außergewöhnlich hohe finanzielle Aufwand für Fernsehprogramme, der im wesentlichen durch Einnahmen aus Wirtschaftswerbung gedeckt werden muß, und eine ähnliche, wenn auch im ganzen günstigere Situation für private Hörfunkprogramme. Von Bedeutung ist schließlich die Entstehung eines europäischen oder sogar über Europa hinausreichenden Rundfunkmarktes und das hiermit verbundene erhöhte Angebot aus dem Ausland gesendeter Programme, die in

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der Bundesrepublik zu einem Teil direkt empfangbar sein werden.
Diese Entwicklungen müssen die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beeinflussen, soweit die - wie dargelegt im weitesten Sinne zu verstehende - Aufgabe der Mitwirkung des Rundfunks an der Meinungsbildung und die Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt in der Gesamtheit der im Geltungsbereich eines Landesrundfunkgesetzes empfangbaren privaten Programme in Frage stehen.
a) Die Programme privater Anbieter vermögen der Aufgabe umfassender Information nicht in vollem Ausmaß gerecht zu werden.
Das gilt einmal, soweit diese Programme über die Neuen Medien verbreitet werden: Da die Zahl der auf diesem Wege erreichten Teilnehmer wesentlich hinter der nahezu die Gesamtheit der Bevölkerung umfassenden Zahl der Teilnehmer zurückbleibt, welche terrestrische Rundfunkprogramme empfangen können, sind jene Programme nur partiell in der Lage, die Aufgabe eines Mediums und Faktors öffentlicher Meinungsbildung zu erfüllen.
Zum anderen ist, wie auch die Antragsteller hervorheben, damit zu rechnen, daß die Rundfunkprogramme privater Anbieter Information nicht in der vollen Breite der Meinungen und kulturellen Strömungen vermitteln werden. Im Bereich des Fernsehens liegt das bereits wegen der geringen Zahl von Anbietern nahe. Unabhängig davon kann von privatem Rundfunk kein in seinem Inhalt breit angelegtes Angebot erwartet werden, weil die Anbieter zur Finanzierung ihrer Tätigkeit nahezu ausschließlich auf Einnahmen aus Wirtschaftswerbung angewiesen sind. Diese können nur dann ergiebiger fließen, wenn die privaten Programme hinreichend hohe Einschaltquoten erzielen. Die Anbieter stehen deshalb vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive, unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Zuschauer- und Hörerzahlen erfolgreiche Programme zu möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten. Sendungen, die nur für eine geringere Zahl von Teilnehmern von Interesse sind

BVerfGE 73, 118 (156):

und die oft - wie namentlich anspruchsvolle kulturelle Sendungen - einen hohen Kostenaufwand erfordern, werden in der Regel zurücktreten, wenn nicht gänzlich fehlen, obwohl erst mit ihnen die ganze Breite umfassender Information zu erreichen ist, ohne die es keine "Meinungsbildung" im Sinne der Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geben kann.
b) Des weiteren wird die Gleichgewichtigkeit ("Ausgewogenheit"), in welcher die Vielfalt der bestehenden Meinungsrichtungen im Gesamtprogrammangebot eines Landes zur Darstellung zu bringen ist (vgl. BVerfGE 57, 295 [323 f.]), infolge der dargelegten Entwicklungen in erhöhtem Maße gewissen unvermeidlichen Schwankungen, möglicherweise auch Störungen unterliegen.
Wann "gleichgewichtige Vielfalt" besteht oder zu erwarten ist, läßt sich nicht exakt bestimmen, weil es hierfür an eindeutigen Maßstäben fehlt; es handelt sich um einen Zielwert, der sich stets nur annäherungsweise erreichen läßt (vgl. auch BVerfGE a.a.O. S. 324). Dies muß um so mehr gelten, wenn eine Mehrzahl von Programmen, namentlich die durch Kabel und Satellit übertragenen, nur - möglicherweise in unterschiedlichen Kombinationen - von Teilen der Bevölkerung empfangen werden kann.
Darüber hinaus kann das Erfordernis gleichgewichtiger Vielfalt seine Funktion nicht mehr uneingeschränkt erfüllen. Es setzt voraus, daß eine solche Vielfalt durch landesgesetzliche Regelung bewirkt werden kann. Der Verfügung des Landesgesetzgebers entzogen sind jedoch unmittelbar empfangbare Programme aus anderen Bundesländern sowie direkt (über Satellit) empfangbare oder kraft rechtlicher Verpflichtung über Kabel verbreitete ausländische Sendungen, mit denen in zunehmendem Maße gerechnet werden muß. Diese brauchen nicht für die Bundesrepublik bestimmt zu sein; sie können aber im Zuge der Entstehung eines übernationalen Rundfunkmarktes auf den Empfang in mehreren Ländern zugeschnitten sein, zumal es möglich sein wird, dieselbe Sendung in verschiedenen Sprachen auszustrahlen. Sie können die im Geltungsbereich eines Landesrundfunkgesetzes bestehende

BVerfGE 73, 118 (157):

Balance - auch im Falle eines "binnenpluralistischen" Modells - unterlaufen oder doch jedenfalls stören, mit der Folge, daß im "Gesamtprogramm" als Inbegriff aller in einem Lande empfangbaren Programme eine volle Gleichgewichtigkeit nicht mehr gegeben ist.
3. Die Notwendigkeit, diese Sachlage bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen, kann nicht bedeuten, daß es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich geboten wäre, privaten Rundfunk nur noch unter Voraussetzungen zuzulassen, die eine Veranstaltung privater Rundfunkprogramme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden. Dem stünde die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betonte Entscheidung des Grundgesetzes für die Zulässigkeit privaten Rundfunks entgegen, der bei der Auslegung ebenso Gewicht zukommt wie den dargestellten Entwicklungen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit das gesamte Rundfunksystem betrifft, nicht nur den privaten, sondern auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Werden jene Entwicklungen in diesem Gesamtzusammenhang gewürdigt, so nötigen sie nicht zu den von den Antragstellern gezogenen Folgerungen. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit dem verfassungsrechtlich Gebotenen im Rahmen des Möglichen entspricht. Das kann auch in einer dualen Ordnung des Rundfunks der Fall sein, wie sie sich gegenwärtig in der Mehrzahl der deutschen Bundesländer auf der Grundlage der neuen Mediengesetze herausbildet.
In dieser Ordnung ist die unerläßliche "Grundversorgung" Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung (vgl.

BVerfGE 73, 118 (158):

BVerfGE 35, 202 [222] m. w. N. - Lebach) ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik:
Im Zeichen der Erweiterung des Rundfunkangebots um privat veranstaltete und europäische Programme kommt es darauf an zu gewährleisten, daß der klassische Auftrag des Rundfunks erfüllt wird, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, neben Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehender Information seine kulturelle Verantwortung umfaßt. Das gilt namentlich unter Gesichtspunkten des sich entwickelnden und an Bedeutung gewinnenden europäischen Rundfunkmarktes. Unter den Bedingungen eines solchen Marktes bleiben dem gebietsbezogenen nationalen, insbesondere dem terrestrischen Rundfunk gerade diese essentiellen Funktionen (dazu näher: Bullinger, AfP 1985, S. 257 [258 ff.]). Sie sind nach Lage der Dinge in erster Linie als solche der öffentlich -rechtlichen Anstalten anzusehen. Darin und in der Gewährleistung der Grundversorgung für alle finden der öffentlichrechtliche Rundfunk und seine besondere Eigenart, namentlich die Finanzierung durch Gebühren, ihre Rechtfertigung; die Aufgaben, welche ihm insoweit gestellt sind, machen es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen.
Die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk kann bei der Beurteilung der rechtlichen Bindungen privater Rundfunkveranstalter nicht außer acht bleiben. Zwar kann sie es nicht rechtfertigen, für den privaten Rundfunk auf rechtliche Sicherungen der Rundfunkfreiheit ganz zu verzichten und die Entwicklung im Wege der Deregulierung den Kräften des Marktes anzuvertrauen (BVerfGE 57, 295 [323]), dies um so weniger, als mit einem echten "Markt" auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden kann; eine solche Lösung wäre mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar. Solange und soweit jedoch die Wahrnehmung der genannten Aufgaben jedenfalls durch den

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öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam sichergestellt ist, erscheint es gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlichrechtlichen Rundfunk. Zwar können die den öffentlich-rechtlichen Anstalten rechtlich gebotenen in sich gleichgewichtigen Programme Ungleichgewichtigkeiten im privaten Rundfunk nicht kompensieren (BVerfGE a.a.O., S. 324). Sofern derartige Ungleichgewichtigkeiten indessen nicht gravierend sind, werden sie hinnehmbar unter der Voraussetzung, daß in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten die Vielfalt der bestehenden Meinungsrichtungen unverkürzt zum Ausdruck gelangt. Gleichgewichtige Meinungsvielfalt läßt sich, wie gezeigt, nicht als meßbare, exakt zu bestimmende Größe verstehen: Sie ist in der veränderten Situation der Gegenwart und der absehbaren Zukunft - namentlich, soweit es sich um direkt empfangbare ausländische Sendungen handelt - zu einem Teil dem Einfluß der landesrechtlichen Ordnung entzogen, unterliegt also ohnehin unvermeidlichen Schwankungen oder Störungen (oben 2 b*). Bei dieser Sachlage kann es nur darauf ankommen, daß die Vorkehrungen, welche der Gesetzgeber zu treffen hat, dazu bestimmt und geeignet sind, ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu erreichen und zu sichern (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 320).
Dieser Richtwert gibt dem Gesetzgeber und den für die Zulassung und Auswahl privater Veranstalter zuständigen Organen eine genügend klare und verbindliche Leitlinie. Für die Kontrolle durch die zur Sicherung der Vielfalt geschaffenen (externen) Gremien und durch die Gerichte erscheint er allerdings nicht hinreichend bestimmt, weil er zu wenig darüber aussagt, wann die tatsächliche Entwicklung ihm im einzelnen entspricht und wo die Grenze gezogen ist, jenseits deren ein Verstoß vorliegt und Sanktionen erforderlich werden. Die Kontrolle bedarf daher eines eindeutigeren, auf erhebliche und damit klar erkennbare und belegbare Mängel konzentrierten Maßstabs. Ein solcher kann nur ein {*BVerfGE_73_118_160}{*BVerfGE_73_118_159}Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt sein. Dieser verpflichtet nicht zur Herstellung einer arithmetischen Gleichheit von Meinungsrichtungen, etwa durch rechtlich verordnete Kompensationen, und verlangt bei einzelnen Ungleichgewichtigkeiten von geringer Bedeutung noch kein Einschreiten; er umfaßt aber nach wie vor die wesentlichen Voraussetzungen von Meinungsvielfalt, die gegen konkrete und ernsthafte Gefährdungen zu schützen sind: die Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen - auch diejenigen von Minderheiten -, im privaten Rundfunk zum Ausdruck zu gelangen, und den Ausschluß einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einflusses einzelner Veranstalter oder Programme auf die Bildung der öffentlichen Meinung, namentlich die Verhinderung des Entstehens vorherrschender Meinungsmacht. Werden diese Anforderungen nicht eingehalten, so ist in jedem Falle die Grenze eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG überschritten. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, die strikte Durchsetzung dieses Grundstandards durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen sicherzustellen (vgl. BVerfGE 57, 295 [320]). Insbesondere obliegt es ihm, Tendenzen zur Konzentration rechtzeitig und so wirksam wie möglich entgegenzutreten, zumal Fehlentwicklungen gerade insoweit schwer rückgängig zu machen sind (BVerfGE a.a.O., S. 323).
II.
Dem Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz liegt der Gedanke eines Übergangsmodells zugrunde. Es sucht eine kontinuierliche und geordnete Entwicklung des Rundfunks in privater Trägerschaft schrittweise von der Veranstaltung einer geringen Zahl von Rundfunkprogrammen bis hin zu einem Zustand zu ermöglichen, bei dem sich auf Dauer eine externe Vielfalt eingestellt hat (vgl. oben A I 3*).
Rechtlich ausgeformt wird dieses Modell einerseits in Bestimmungen, die für alle Stufen der Entwicklung gelten und einen für alle veranstalteten Programme verbindlichen Mindeststandard festlegen (§§ 11-14), andererseits in einem Gebot der Ausgewo

BVerfGE 73, 118 (161):

genheit, das je nach der erreichten Stufe Binnenpluralität vorschreibt oder eine - beschränkte - Außenpluralität genügen läßt (§ 15). Dabei wird "Binnenpluralität" nur für den Inhalt der Programme verlangt; § 15 LRG beschränkt sich auf eine materiellrechtliche Regelung. Organisatorisch und verfahrensrechtlich gesichert werden soll deren Einhaltung durch die Programmkontrolle des Landesrundfunkausschusses (§ 28 LRG), die Aufgabe der aus Vertretern gesellschaftlich bedeutsamer Organisationen und Gruppen zusammengesetzten Versammlung ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 5, § 30 LRG).
Diese Konzeption entspricht weitgehend derjenigen der übrigen neuen Landesmediengesetze. Ihre Grundbestandteile: materiellrechtliche Bestimmungen, die neben allgemeinen Mindestvoraussetzungen die Anforderungen an die gebotene Sicherung von Vielfalt und Ausgewogenheit der Programme umschreiben, und die Sorge für deren Einhaltung durch ein externes, vom Staat unabhängiges, unter dem Einfluß der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte und Richtungen stehendes Organ, sind im Prinzip verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die niedersächsische Regelung, die in mehrfacher Hinsicht hinter derjenigen anderer Landesmediengesetze zurückbleibt, reicht allerdings in ihrer derzeitigen Gestalt nicht aus.
1. § 15 LRG ist im wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar; im Zusammenhang mit Satz 3 fehlt es jedoch an einer näheren Regelung der Verpflichtung zu interner Ausgewogenheit der einzelnen Programme.
a) Wenn nach der Vorschrift die im Geltungsbereich des Gesetzes veranstalteten und verbreiteten (inländischen) privaten Rundfunkprogramme in ihrer Gesamtheit die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen angemessen zu Wort kommen lassen müssen (Satz 1), diese Gesamtheit nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder Weltanschauung dienen darf (Satz 2) und jedes zugelassene Programm als einzelnes den Anforderungen der Sätze 1 und 2 genügen muß, so

BVerfGE 73, 118 (162):

fern die Ausgewogenheit nicht in Verbindung mit den anderen Programmen gewährleistet ist (Satz 3), so entspricht dies der verfassungsrechtlichen Grundanforderung gleichgewichtiger Vielfalt, die in der Rundfunkfreiheit enthalten ist. Der Gesetzgeber schreibt nur vor, daß die Programme privater Rundfunkveranstalter dieser Anforderung genügen müssen. Soweit § 15 LRG "Programme in ihrer Gesamtheit" und eine Beurteilung der für einzelne Programme geltenden Anforderungen "in Verbindung mit anderen Programmen" voraussetzt, ist zu berücksichtigen, daß - vor allem bei der Übertragung privater Rundfunkprogramme durch Kabel - von einer den ganzen Geltungsbereich des Gesetzes umfassenden Gesamtheit von Programmen nur bedingt die Rede sein kann; externe Ausgewogenheit läßt sich allein auf das jeweilige Übertragungssystem oder auf das jeweilige Verbreitungsgebiet derjenigen Programme beziehen, von denen angenommen wird, sie glichen einander aus. Unter dieser Maßgabe lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift grundsätzlich nicht erheben.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat § 15 LRG die Anforderungen an private Rundfunkprogramme mit hinreichender Vollständigkeit und Bestimmtheit umschrieben. Zwar hat der Gesetzgeber die gebotene Vielfalt privater Programme nicht im einzelnen nach Art, Umfang, Adressatengruppen oder Themengebieten der Programme verbindlich konkretisiert und abgesichert, so daß es den Veranstaltern letztlich freisteht, wichtige Dimensionen gegenständlicher und inhaltlicher Vielfalt unberücksichtigt zu lassen. Auch trifft es zu, daß von ihnen ein in diesem Sinne breites und vielfältiges Programmangebot im Blick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten privaten Rundfunks nicht ohne weiteres erwartet werden kann (vgl. oben I 2 a*). Doch kann den Antragstellern nicht gefolgt werden, wenn sie darin ein wesentliches Element der Verfassungswidrigkeit des ganzen Gesetzes erblicken. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die von ihnen für notwendig gehaltene gesetzliche Verpflichtung, Sendungen bestimmter Art in bestimmtem zeitlichem Umfang zu

BVerfGE 73, 118 (163):

veranstalten, mit dem Grundgesetz - etwa unter dem Gesichtspunkt der Programmfreiheit - vereinbar wäre. Jedenfalls ist eine solche Verpflichtung verfassungsrechtlich nicht geboten. Gewiß hat die Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur abwehrenden Charakter (BVerfGE 57, 295 [320]). Aber die "positive Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet" (BVerfGE a.a.O.), braucht nicht über das hinauszugehen, was zu diesem Zweck erforderlich ist. Unter der Voraussetzung, daß der öffentlich- rechtliche Rundfunk seine oben (I 3*) dargelegte Grundfunktion wahrnehmen kann und tatsächlich wahrnimmt, ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehalten, detaillierte oder gar lückenlose Regelungen des in Frage stehenden Inhalts zu treffen und ihre Befolgung durch organisatorische und Verfahrensregelungen zu sichern. Es muß genügen, wenn er eine Grundregel schafft, in welcher das Wesentliche zum Ausdruck gelangt. Das ist in § 15 LRG geschehen.
b) In einer anderen Hinsicht war dagegen eine nähere Regelung verfassungsrechtlich geboten: § 15 Satz 3 LRG begründet für jedes einzelne Programm eine Verpflichtung zu interner Ausgewogenheit; diese soll jedoch entfallen, wenn die Ausgewogenheit in Verbindung mit anderen Programmen gewährleistet ist. Darüber, wann das der Fall ist, schweigt das Gesetz. Wie ein einzelner Veranstalter mit hinreichender Sicherheit erkennen soll, daß alle oder einzelne der von demselben Hörer- oder Zuschauerkreis empfangbaren anderen privaten Programme seinem eigenen Programm gegenüber "Ausgewogenheit" herstellen, ist nicht ersichtlich. Wie auch die Antragsteller mit Recht beanstanden, muß deshalb das Fehlen einer "Schnittstelle" bei den Veranstaltern zu erheblichen Unsicherheiten führen. Darüber hinaus werden sie der Gefahr von Sanktionen des Landesrundfunkausschusses ausgesetzt, die sie nicht vorhersehen konnten, weil der Gesetzgeber es insoweit unterlassen hat, die Voraussetzungen des Eingriffs hinreichend deutlich zu umschreiben. Dies verstößt gegen die

BVerfGE 73, 118 (164):

rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit, die auch bei ausgestaltenden Regelungen der Rundfunkfreiheit zu beachten sind und die hier eine für alle Beteiligten eindeutige Regelung verlangen. Eine solche haben andere Landesgesetze getroffen. So gilt nach § 11 Abs. 2 des Rundfunkgesetzes für das Land Schleswig-Holstein die Ausgewogenheit der Programme als erreicht, wenn neben Programmen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten mindestens vier tägliche, im Geltungsbereich des Grundgesetzes veranstaltete Vollprogramme empfangbar sind, die derselben Programmart angehören und in derselben Technik verbreitet werden, es sei denn, die Landesanstalt stellt fest, daß eine Ausgewogenheit der Programme nicht gegeben ist. Auch wenn dabei die Zahl der Programme kein sicheres Indiz für ihre Ausgewogenheit enthält, schafft doch die förmliche Feststellung der Landesanstalt die notwendige Klarheit und Sicherheit für die Beteiligten. Einer Regelung, welche den gleichen Zweck erfüllt, hätte es auch im Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz bedurft. Insoweit ist § 15 LRG daher mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
2. Ähnlich wie in den übrigen Landesmediengesetzen soll die in § 15 LRG vorgeschriebene Ausgewogenheit organisatorisch und verfahrensrechtlich durch eine externe Kontrolle gesichert werden, die dem Landesrundfunkausschuß obliegt (§ 28 LRG). Dieses Konzept verletzt nicht den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks. Es greift nicht in verfassungswidriger Weise in die Rundfunkfreiheit der Veranstalter ein. Seine Wirksamkeit erscheint - abgesehen von der zweckuntauglichen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 LRG - hinreichend gesichert. Der Gesetzgeber war zu weitergehenden Vorkehrungen nur für den noch zu erörternden Fall der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht (unten III 1*) verpflichtet.
a) Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz unterwirft die Programme privater Veranstalter keiner Aufsicht des Staates. Es weist die Aufgabe der Kontrolle vielmehr einer dem Staat

BVerfGE 73, 118 (165):

gegenüber rechtlich verselbständigten, von ihm unabhängigen Organisationseinheit zu. Der Landesrundfunkausschuß ist rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Er übt seine Tätigkeit innerhalb der gesetzlichen Schranken unabhängig und in eigener Verantwortung aus. Staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung dürfen ihm nicht übertragen werden (§ 27 Abs. 1 LRG). Die Mitglieder des für die Kontrolle zuständigen Organs, der Versammlung (§ 32 Abs. 1 Nr. 5 LRG), haben bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden (§ 34 Abs. 1 LRG). Die Versammlung ist also weder ein Organ unmittelbarer Staatsverwaltung noch unterliegt sie staatlichem Einfluß auf die Art der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Sie unterscheidet sich insofern nicht von den ebenfalls kraft staatlichen Gesetzes gebildeten Rundfunkräten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen. Daß sie nicht in die Organisation der Veranstalter integriert ist, nimmt ihr nicht den Charakter eines staatsfreien Gremiums.
Auch innerhalb der mindestens 26 Mitglieder zählenden Versammlung kommt dem Staat kein erheblicher Einfluß zu. Zwar rechnen § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LRG zu den gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen auch die im Landtag vertretenen politischen Parteien, deren Einfluß sich von einem als "staatlicher" in Erscheinung tretenden Einfluß der Mehrheitsparteien kaum unterscheiden läßt und von denen fünf Mitglieder vom Landtag bestimmt werden. Wenn Art. 5 GG es indessen nicht hindert, daß auch Vertretern des Staates in den Organen des neutralisierten Trägers der Veranstaltungen ein angemessener Anteil eingeräumt wird (BVerfGE 12, 205 [263]), lassen sich aus diesem Umstand Bedenken um so weniger herleiten, als die Zahl der Vertreter der Mehrheitsparteien kaum mehr als drei betragen dürfte. Mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ist die niedersächsische Lösung der Programmkontrolle daher vereinbar.


BVerfGE 73, 118 (166):

b) Die gesetzliche Regelung der Kontrollbefugnisse und der zu deren Realisierung zu treffenden Maßnahmen führt auch nicht zu verfassungswidrigen Eingriffen in die Freiheit der Veranstalter.
Die Regelung begründet keine - uneingeschränkt verbotene - Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG. Das Zensurverbot umfaßt nur die Vorzensur. Unter dieser sind einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts zu verstehen (BVerfGE 33, 52 [71 f.]). Davon kann bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Landesrundfunkausschusses keine Rede sein.
Im übrigen bedarf es bei der Beurteilung der Frage, ob das Landesrundfunkgesetz dem Landesrundfunkausschuß in zulässiger Weise Möglichkeiten einer Einflußnahme auf die Veranstalter oder deren Programme eröffnet, der Differenzierung. Bei den einschlägigen Vorschriften kann es sich um ausgestaltende Regelungen handeln, welche der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen und allein dienen dürfen. Diese können keinen Grundrechtseingriff enthalten, bedürfen also keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Regelungen, welche die Rundfunkfreiheit beschränken, sind hingegen nur auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 GG oder in den Fällen einer Beschränkung der Rundfunkfreiheit unmittelbar durch die Verfassung zulässig (BVerfGE 57, 295 [321]). Das gilt auch für die externe Kontrolle durch den Landesrundfunkausschuß, die sich nach § 28 Abs. 1 LRG auf die Einhaltung der Vorschriften der §§ 11-15, 21 und 26 LRG sowie der den Inhalt des Programms betreffenden Bestimmungen der Erlaubnis erstreckt.
Zu der Gruppe der ausgestaltenden Regelungen gehören die §§ 13 und 15 des Gesetzes: § 13 konkretisiert die Aufgabe wahrheitsgemäßer, sachlicher und umfassender Information (vgl. BVerfGE a.a.O.), § 15 das Erfordernis, der Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck zu geben. Inwieweit die übrigen in § 28 Abs. 1

BVerfGE 73, 118 (167):

LRG genannten Bestimmungen dieser oder der Gruppe der begrenzenden Regelungen zuzuordnen sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn unter der Voraussetzung ihrer hier nicht zu prüfenden materiellen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (oben B II*) ist die Kontrolle ihrer Einhaltung durch ein unabhängiges Organ verfassungsrechtlich unbedenklich. Entsprechendes gilt für den Inhalt der Erlaubnis (§ 7 Abs. 1 LRG) sowie die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften der §§ 21 (besondere Sendezeiten) und 26 LRG (Werbung).
c) Schließlich bestehen auch im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kontrolle durch den Landesrundfunkausschuß.
aa) Allerdings sieht das Landesrundfunkgesetz in § 28 Abs. 2 Satz 2 eine zweckuntaugliche Maßnahme vor. Dieser Vorschrift zufolge kann ein Programm nach § 15 Satz 3 nur beanstandet werden, wenn die Ausgewogenheit durch andere Programme nicht gewährleistet ist. Der Gesetzgeber hat damit eine "Beweislastregelung zugunsten des Veranstalters" schaffen wollen (LT- Drucks. 10/1120, S. 39).
Der Mangel der Vorschrift liegt weniger in der - problematischen - Regelung der Beweislast als in der Konsequenz, die der Landesrundfunkausschuß bei fehlender Ausgewogenheit der Programme in ihrer Gesamtheit zu ziehen hat. Diese kann sich nicht aus einem einzelnen Programm ergeben, das dann zu beanstanden wäre; sie läßt sich stets nur bei Zugrundelegung einer Mehrzahl von Programmen feststellen, und die einzige Folge dieser Sachlage kann nach der Systematik des § 15 Satz 3 LRG in der Verpflichtung auf den Grundsatz des ersten Halbsatzes der Vorschrift bestehen: Jedes Programm muß als einzelnes in sich ausgewogen sein. Mit welchem Recht der Landesrundfunkausschuß einen oder nur einzelne Veranstalter herausgreifen und diesen möglicherweise aufgeben könnte, Sendungen mit bestimmter Tendenz aufzunehmen oder zu unterlassen, ist nicht erkennbar; denn es läßt sich nicht belegen, daß gerade das beanstandete Programm Ursache der mangelnden Ausgewogenheit der Programme in

BVerfGE 73, 118 (168):

ihrer Gesamtheit sei. Maßnahmen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 LRG müssen deshalb notwendig die eigentliche Aufgabe verfehlen, so daß die Vorschrift - soweit sie unter der Geltung des Gesetzes veranstaltete Programme betrifft - verfassungswidrig und nichtig ist. Eine angemessene Lösung dürfte demgegenüber auch insoweit in einer förmlichen Feststellung des Landesrundfunkausschusses bestehen, daß eine Ausgewogenheit der Gesamtheit der Programme nicht gegeben oder entfallen sei, wie dies etwa in § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Rundfunkgesetzes für das Land Schleswig- Holstein vorgesehen ist; die Folge bestünde dann darin, daß jedes Programm in sich ausgewogen sein müßte; für die Veranstalter bestünde Klarheit über ihre Verpflichtungen, für den Landesrundfunkausschuß über die Voraussetzungen, von denen er bei seiner Kontrolle auszugehen hat.
bb) Nicht zu beanstanden ist demgegenüber das Maß der Bestimmtheit der Kontrollmaßstäbe des § 13 und insbesondere des § 15 Satz 3 LRG. Wenn die Antragsteller darauf hinweisen, daß der Gesetzgeber es versäumt habe, diese Maßstäbe konkreter zu umschreiben und daß die Feststellung von Verstößen dadurch ebenso wie durch die nur begrenzten Aufzeichnungs- und Auskunftspflichten der Veranstalter (§§ 17, 28 Abs. 5 LRG) unvertretbar erschwert werde, so kann dem nicht gefolgt werden. § 13 LRG normiert Sorgfaltspflichten, die einer weiteren Konkretisierung nicht bedürfen. Der Ausgewogenheitsmaßstab des § 15 Satz 3 LRG ist zwar in der Tat in hohem Maße unbestimmt; er läßt sich aber nicht näher konkretisieren. Wie oben (I 3) gezeigt, handelt es sich um einen Richt- und Annäherungswert, der den zuständigen Organen eine Aufgabe stellt, dessen Realisierungen sich indessen nach Bestand und Gewicht nicht exakt messen lassen. Auch wenn ein solcher Maßstab nur bedingt geeignet erscheinen mag, Einzelverstöße gegen § 15 Satz 3 LRG im Rahmen einer laufenden Kontrolle mit der notwendigen Klarheit aufzuweisen oder zu verhindern, ermöglicht er doch die Prüfung und Entscheidung, ob gleichgewichtige Vielfalt im Sinne des dargelegten Grundstandards im wesentlichen besteht, ob sie konkre

BVerfGE 73, 118 (169):

ten und ernsthaften Gefährdungen ausgesetzt ist, so daß Maßnahmen zum Schutz der Rundfunkfreiheit geboten sind. Dazu reichen auch die Aufzeichnungs- und Auskunftspflichten der Veranstalter aus. Insoweit von der Funktionsfähigkeit der Kontrolle auszugehen erscheint um so eher gerechtfertigt, als in schwerwiegenden Fällen Hinweise und Proteste nicht ausbleiben werden, die institutionelle Kontrolle also durch die Kontrolle der Öffentlichkeit gestützt werden dürfte.
cc) Entgegen der Auffassung der Antragsteller sind auch die Mittel der Kontrolle durch den Landesrundfunkausschuß als zureichend anzusehen. Die Beanstandung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 LRG ist ein typisches und effektives Mittel der Rechtsaufsicht, zumal sie durch das äußerste Mittel des Widerrufs der Erlaubnis sanktioniert ist (§ 28 Abs. 4 LRG). Daß dieses nur bei schwerwiegenden Verstößen eingesetzt werden darf, einfache Gesetzesverstöße also nicht sanktioniert werden können, läßt noch nicht das Defizit einer mangelnden Abstufung erkennen, weil die Erwartung gerechtfertigt erscheint, daß den Beanstandungen des Landesrundfunkausschusses Rechnung getragen wird. Sollte sich allerdings ergeben, daß Anweisungen mißachtet werden, einfache Verstöße, etwa gegen Vorschriften über die Werbung, zu unterlassen, wird es dem Gesetzgeber obliegen, die Durchsetzung solcher Anweisungen im Wege der Nachbesserung sicherzustellen. Daß der Widerruf der Erlaubnis nur nach Androhung und nur im Wiederholungsfall ausgesprochen werden darf, entspricht allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
Nimmt man im übrigen zu den genannten Maßnahmen die für die Praxis wohl wichtigste Möglichkeit des Landesrundfunkausschusses hinzu, zunächst durch Gespräche und Schriftwechsel mit den Programmanbietern auf eine gesetzmäßige Programmgestaltung hinzuwirken, kann der Programmkontrolle durch den Landesrundfunkausschuß unter dem Gesichtspunkt ihrer Mittel die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden.
d) Insgesamt sind hiernach die Vorkehrungen als ausreichend

BVerfGE 73, 118 (170):

anzusehen, die das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz zur Sicherung der Einhaltung seiner Regelungen, im besonderen des Erfordernisses gleichgewichtiger Vielfalt getroffen hat. Der gesetzlichen Anordnung einer "binnenpluralistischen" Organisation der privaten Veranstalter bedurfte es hierzu nicht.
Die Antragsteller, die Hessische Landesregierung und die ARD weisen zwar in ihren Stellungnahmen und den vorgelegten Gutachten zu Recht auf die geringere Intensität und Effektivität einer externen Kontrolle privaten Rundfunks durch die dazu berufenen Gremien gegenüber der Kontrolle durch die entsprechenden Organe der öffentlich-rechtlichen Anstalten hin. Daraus folgt jedoch nicht die Verfassungswidrigkeit der Konzeption, für die sich der niedersächsische Gesetzgeber entschieden hat.
Die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Anstalten haben wesentlich weitergehende, wenn auch eher mittelbare Einflußmöglichkeiten auf die Programmgestaltung als der Landesrundfunkausschuß des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes und die entsprechenden Gremien anderer Landesmediengesetze. Dies gilt für die personellen Entscheidungsbefugnisse, insbesondere die Wahl (und Wiederwahl) des Intendanten, sowie für die organisatorische Rahmensetzung der Programmarbeit, etwa den Erlaß von Programmrichtlinien, und für die haushaltsrechtlichen Befugnisse der Rundfunkräte. Insgesamt kommt ihnen eine - nicht auf die nachträgliche Kontrolle von Sendungen beschränkte - gestaltende, gegebenenfalls auch verhindernde Funktion zu, mögen sie diese auch nicht immer wahrnehmen oder mag dies nach außen nur wenig hervortreten. Die externen Organe der Programmkontrolle nach den neuen Landesmediengesetzen verfügen hingegen nur über wesentlich schwächere Einflußmöglichkeiten. Ein positiver Einfluß auf die Programmgestaltung kommt ihnen nicht zu. Ihre Funktion beschränkt sich grundsätzlich auf eine repressive Programmkontrolle, die erst jenseits der Grenze der Rechtsverletzung einsetzen kann, während Einwirkungsmöglichkeiten "im Vorfeld" weithin fehlen. Eine Ausnahme bildet ihr Einfluß auf die Zulassung der Veranstalter, wie dies auch in § 3

BVerfGE 73, 118 (171):

Abs. 3 und 4 LRG - allerdings in problematischer Weise (vgl. unten V 1 b*) - vorgesehen ist.
Die binnenpluralistische Organisation, wie sie die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten kennzeichnet, ist daher ungeachtet der Schwächen, die auch ihr anhaften, in höherem Maße geeignet, gleichgewichtige Meinungsvielfalt zu gewährleisten und damit den Anforderungen der Rundfunkfreiheit zu entsprechen, als eine Rundfunkorganisation, in der nur die materiellrechtliche Verpflichtung zu inhaltlicher Pluralität besteht und die insoweit durch eine externe Einrichtung kontrolliert wird. Daraus läßt sich indessen nicht der Schluß ziehen, daß die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit auch für private Veranstalter eine entsprechende binnenpluralistische Organisation gebiete. Zwar wäre eine solche Organisationsform, wie mehrfach entschieden, verfassungsmäßig; aber der maßgebliche Einfluß läge in diesem Fall nicht bei dem Unternehmer, sondern bei den gesellschaftlichen Kräften, die in dem binnenpluralistischen Gremium repräsentiert sind. Damit wäre diese Form der Veranstaltung von Rundfunksendungen um das Grundelement privatautonomer Gestaltung und Entscheidung und damit um ihre eigentliche Substanz gebracht. Es ginge aber nicht an, privaten Rundfunk nur unter Voraussetzungen zu ermöglichen, die eine Veranstaltung privater Programme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden (vgl. aber unten III 1 c*).
Ein Einfluß der "maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte" von gleicher Intensität und Wirksamkeit wie innerhalb der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten kann daher im Bereich des privaten Rundfunks von Verfassungs wegen nicht verlangt werden. Die schwächere Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt läßt sich hinnehmen, weil und solange eine zureichende Sicherung im öffentlich- rechtlichen Rundfunk vorhanden ist (oben I 3*).


BVerfGE 73, 118 (172):

III.
Meinungsvielfalt, deren Erhaltung und Sicherung Aufgabe der Rundfunkfreiheit ist, wird in besonderem Maße gefährdet durch eine Entstehung vorherrschender Meinungsmacht (oben I 3*). Der Gesetzgeber ist daher verfassungsrechtlich zu Vorkehrungen verpflichtet, welche geeignet sind, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken. Die Regelungen, durch die das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz dieser Verpflichtung zu genügen sucht, entsprechen dem nicht in vollem Umfang.
1. Vorherrschende Meinungsmacht kann zunächst in Beschränkung auf den Bereich des Rundfunks entstehen. Dies kann der Fall sein, wenn von Beginn an nur wenige Anbieter vorhanden sind, wenn eine anfängliche Vielzahl von Anbietern durch Ausscheiden kleiner Veranstalter auf wenige große Veranstalter zusammenschmilzt, wenn ein und derselbe Veranstalter mehrere im Geltungsbereich eines Rundfunkgesetzes empfangbare Programme anbietet oder wenn ein Zusammenschluß privater Anbieter stattfindet. Dabei kann nicht allein darauf abgestellt werden, wer formell als Veranstalter auftritt. Die gleichen Wirkungen können sich ergeben, wenn ein Unternehmen einen oder mehrere Veranstalter rechtlich oder wirtschaftlich beherrscht oder in anderer Weise erheblichen Einfluß auf die Programmgestaltung ausübt. Spezielle Regelungen hierzu trifft das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz nur in § 5 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 2 LRG.
a) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LRG dürfen Veranstalter von Vollprogrammen in dieser Programmart nicht mehr als je ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm veranstalten. Ist ein Antragsteller ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen oder ein Konzernunternehmen im Sinne des Aktienrechts, so sind ihm nach Abs. 2 Satz 3 die Vollprogramme zuzurechnen, die von den mit ihm verbundenen anderen Unternehmen nach dem Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz veranstaltet werden; wirken mehrere Unternehmen auf Grund einer Vereinbarung oder in

BVerfGE 73, 118 (173):

sonstiger Weise derart zusammen, daß sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf ein Unternehmen ausüben können, so gilt jedes von ihnen als herrschendes Unternehmen.
Diese Vorschrift erscheint grundsätzlich geeignet, der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht entgegenzuwirken; verfassungsrechtlich zu beanstanden ist jedoch die Beschränkung auf Vollprogramme. Wie die Antragsteller mit Recht geltend machen, läßt das Gesetz es zu, daß derselbe Anbieter neben je einem Fernseh- und Hörfunkvollprogramm eine unbegrenzte Zahl von Spartenprogrammen veranstaltet und daß dazu noch Programme treten, die er in anderen Ländern veranstaltet und in Niedersachsen in Kabel einspeisen läßt. Das gleiche gilt für die Fälle des Absatzes 2 Satz 3. In diesen könnte der Verzicht auf eine Einbeziehung der Spartenprogramme sowie der herangeführten Programme sogar eher zu der Gefahr einer Konzentration führen als in denjenigen des Satzes 1: Daß die Veranstalter solcher Programme verbundene Unternehmen sind, wird eher der Fall sein als der Fall einer Konzentration in den Händen eines unmittelbaren Programmveranstalters. Wird berücksichtigt, daß Tendenzen zur Konzentration rechtzeitig und so wirksam wie möglich entgegenzutreten ist und daß Fehlentwicklungen gerade in diesem Bereich schwer rückgängig zu machen sind (BVerfGE 57, 295 [323]), so erscheint eine strengere gesetzliche Vorkehrung geboten. Daß eine solche sich unschwer treffen läßt, zeigen mehrere der neuen Landesmediengesetze. Wenn etwa nach § 19 Abs. 1 des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg Spartenprogramme, weiterverbreitete und ortsüblich empfangbare Programme in die Begrenzung einbezogen werden, so wird damit der dargelegten Anforderung entsprochen. Eine Ergänzung des § 5 Abs. 2 LRG, die zu dem gleichen Ergebnis führt, obliegt auch dem niedersächsischen Gesetzgeber.
b) § 5 Abs. 6 Satz 2 LRG sucht der Gefahr einer Konzentration durch Zusammenschlüsse von Rundfunkveranstaltern Rechnung zu tragen. Danach kann die Erlaubnisbehörde von einem Antragsteller verlangen, durch das Anmeldeverfahren beim Bun

BVerfGE 73, 118 (174):

deskartellamt nachzuweisen, daß Vorschriften der Zusammenschlußkontrolle dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn der Landesgesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die Kontrolle der Zusammenschlüsse von Rundfunkveranstaltern sich nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen richte, so ist das nicht zu beanstanden. Der Landesgesetzgeber bleibt jedoch auf Grund seiner ausschließlichen Kompetenz für den Rundfunk zu Vorkehrungen dagegen verpflichtet, daß Meinungsmacht im Rundfunk, die sich aus einer Fusion von Rundfunkveranstaltern ergibt, zu einer vorherrschenden wird.
Dieser Aufgabe ist das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz im wesentlichen nachgekommen. Im Falle eines die Ausgewogenheit der Programme aufhebenden Zusammenschlusses tritt die Verpflichtung zur Binnenpluralität des Programms ein (§ 15 Satz 3 LRG). Kommt der Veranstalter dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Landesrundfunkausschuß die Maßnahme des § 28 LRG bis hin zur Veranlassung des Widerrufs der Erlaubnis zu treffen.
c) In den durch das Gesetz nicht ausdrücklich geregelten sonstigen Fällen der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht im privaten Rundfunk verhält es sich nicht anders. In diesen wie auch bei einem die Meinungsvielfalt gefährdenden Zusammenschluß reichen indessen die Verpflichtung zur Binnenpluralität und die Mittel des § 28 LRG zu der gebotenen Sicherung nicht ohne weiteres aus. Grundsätzlich müssen die gesetzlichen Vorkehrungen zur Erhaltung der Meinungsvielfalt um so effektiver sein, je weiter der private Rundfunk von einer Lage funktionierender Außenpluralität entfernt ist; dies entspricht auch der Logik des niedersächsischen Übergangsmodells. Solange mehrere Anbieter im Lande veranstalteter privater Fernseh- oder Hörfunkprogramme miteinander konkurrieren, sind die genannten Sicherungen als ausreichend zu erachten. Die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht erscheint auch noch gewährleistet, wenn es sich bei einem alleinigen Veranstalter um eine Anbieter

BVerfGE 73, 118 (175):

gemeinschaft handelt, in der durch Vertrag oder Satzung ein vorherrschender Einfluß eines Gesellschafters auf das Programm ausgeschlossen ist. In Fällen hingegen, in denen ein solcher Einfluß von einem alleinigen Veranstalter ausgeübt werden könnte, kann das nicht gelten; hier bedarf es weiterer Sicherungen, etwa der Verpflichtung zur Bildung eines Programmbeirates, dem wirksamer Einfluß auf das Programm zukommt, wie das beispielsweise § 22 Abs. 2 des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg vorsieht. Dieser Aufgabe hat auch der niedersächsische Gesetzgeber durch eine ergänzende Regelung Rechnung zu tragen.
2. Das Grundgesetz verwehrt Presseunternehmen nicht den Zugang zum Rundfunk; der Satz, solche Unternehmen hätten sich im Sinne einer "publizistischen Gewaltenteilung" auf die Printmedien zu beschränken, ist kein Verfassungssatz. Über die erörterten Gefahren vorherrschenden Einflusses auf die öffentliche Meinung hinaus sind daher gleiche, möglicherweise größere Gefahren zu befürchten, wenn Meinungsmacht im Bereich des Rundfunks sich mit Meinungsmacht im Bereich der Presse verbindet. Das gilt nicht nur für überregionale Zeitungen und Zeitschriften; auch im Verbreitungsbereich regionaler und lokaler Zeitungen und Zeitschriften können solche Gefahren entstehen, zumal diese zu einem großen Teil für ihren Bereich eine Monopolstellung innehaben. Demgemäß erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung gesetzliche Vorkehrungen auch dagegen, daß vorherrschende Meinungsmacht sich aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ergibt.
a) Insofern greift im Falle eines Zusammenschlusses von Zeitungsverlegern zur Veranstaltung von Rundfunksendungen das Kartellrecht ein, auf das § 5 Abs. 6 Satz 2 LRG Bezug nimmt. Dehnt sich hingegen ein Printmedienunternehmen in den Bereich der elektronischen Medien, insbesondere des Rundfunks, aus, dann fehlt es an einem Tatbestand des geltenden Kartellrechts. Ob der Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Lücke dadurch zu schließen, daß er das Gesetz gegen Wett

BVerfGE 73, 118 (176):

bewerbsbeschränkungen um eine kartellrechtliche Prüfung vor Erteilung der Lizenz ergänzt, wie die Monopolkommission das empfohlen hat (Sondergutachten 11, 1981, Tz. 20 ff.; 5. Hauptgutachten 1982/1983, Tz. 596 ff.), ist im vorliegenden Normenkontrollverfahren, dessen Gegenstand ein Landesrundfunkgesetz ist, nicht zu entscheiden. Für den Landesgesetzgeber kann im Rahmen seiner Rundfunkgesetzgebung eine Verpflichtung zu Vorkehrungen nur bestehen, soweit die Entstehung multimedialer Meinungsmacht zu Gefahren für die Meinungsvielfalt im Rundfunk zu führen droht. Die verfassungsrechtliche Prüfung eines Rundfunkgesetzes hat sich infolgedessen auf die Frage zu beschränken, ob der Landesgesetzgeber dieser Verpflichtung nachgekommen ist.
b) Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz entspricht der genannten Anforderung mit der Maßgabe, daß seine Regelungen, soweit sie den Landesbereich betreffen, ergänzungsbedürftig sind und daß § 23 LRG verfassungskonform weit auszulegen ist.
aa) Abgesehen von der Vorschrift des § 5 Abs. 6 Satz 2 LRG enthält das Gesetz für die Medienverflechtung im Landesbereich keine ausdrückliche Regelung. Doch wirkt § 5 Abs. 2 LRG, der die Zahl der Programme beschränkt, welche ein Unternehmen oder ein mit ihm im Sinne der §§ 17 f. AktG verbundenes Unternehmen veranstalten darf, auch der Entstehung multimedialer Meinungsmacht entgegen. Ebenso greifen auch gegenüber vorherrschender Meinungsmacht von Großverlagen im Rundfunk § 15 Satz 3 und § 28 LRG ein. Diese Regelungen bedürfen allerdings der oben (1 a und c) dargelegten Ergänzungen. Wird berücksichtigt, daß neben dem oder den Programmen eines Presseunternehmens zumindest die - für jedermann empfangbaren - Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehen (vgl. oben I 3), daß weiterhin im überregionalen Rahmen, jedenfalls bislang, noch keine Pressemonopole entstanden sind, Meinungsvielfalt hier also auch im Pressebereich noch besteht, dann kann dem Landesrundfunkgesetzgeber eine weitergehende Regelung verfassungsrechtlich nicht geboten sein.


BVerfGE 73, 118 (177):

bb) Strengere Anforderungen sind an die Vorkehrungen gegen die Entstehung vorherrschender multimedialer Meinungsmacht im regionalen und lokalen Bereich zu stellen, weil hier bereits zahlreiche Monopolstellungen von Zeitungsunternehmen entstanden sind. Insoweit sucht § 23 LRG der Gefahr eines "Doppelmonopols" entgegenzuwirken. Da eine nur für diesen Bereich bestimmte Veranstaltung von Rundfunkprogrammen im Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 12 Satz 1 LRG), hat der Gesetzgeber sich auf die Regelung der "Zulieferung" von Beiträgen zu den lokalen oder regionalen "Fenster"-Sendungen (§ 12 Satz 2 und 3 LRG) beschränkt: Sofern in einem Programm lokale oder regionale Sendungen verbreitet werden, dürfen diese nach § 23 Satz 1 LRG zu nicht mehr als der Hälfte von einem Unternehmen zugeliefert werden, das für den Bereich bestimmte periodisch erscheinende Druckwerke mit einem Anteil von mehr als 20 vom Hundert der Gesamtauflage aller für den Bereich bestimmten periodisch erscheinenden Druckwerke verlegt. Dieselbe Beschränkung gilt nach § 23 Satz 2 LRG für verbundene Unternehmen im Sinne der §§ 17 f. AktG sowie für Unternehmen, die aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise derart zusammenwirken, daß sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf ein Unternehmen nach Satz 1 ausüben können.
Die notwendige Wirksamkeit kann diese Vorschrift nur bei weiter Auslegung gewinnen, die deshalb auch verfassungsrechtlich geboten erscheint. § 23 LRG muß daher auch Anwendung finden, wenn ein Mitgliedsverlag einer landesweite Programme veranstaltenden Gesellschaft die Sendungen für das lokale oder regionale Fenster verbreitet; ein Doppelmonopol läßt sich nur ausschließen, wenn die Vorschrift nicht nur für gesellschaftsfremde Unternehmen gilt. Sofern das Unternehmen, welches das landesweite Programm veranstaltet, selbst die lokalen oder regionalen Fenstersendungen verbreitet, kann nichts anderes gelten. Zwar handelt es sich in einem solchen Fall nicht im engeren Sinne um "Zulieferung"; aber was für den "Zulieferer" gilt, muß für den Veranstalter erst recht gelten. In dieser Auslegung erscheint

BVerfGE 73, 118 (178):

mithin § 23 LRG geeignet, als Sperre gegen die Konzentration von Meinungsmacht zu wirken. Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
IV.
Von wesentlicher Bedeutung für den Bestand und die Eigenart privaten Rundfunks wie für die Gegenstände und den Inhalt seiner Programme ist ferner die Finanzierung der Veranstaltung von Rundfunksendungen. Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz regelt die Finanzierung der Programme in einem eigenen Abschnitt (§§ 24-26). Danach können die Programme aus dem eigenen Finanzaufkommen des Veranstalters, durch beim Teilnehmer zu erhebende Entgelte, durch Spenden und durch Werbung finanziert werden (§ 24). Soweit vom Teilnehmer Entgelte erhoben werden, ist deren Höhe, gegebenenfalls auch eine Verbindung mit Werbung, vor dem Empfang des Programms oder dem Beginn der Sendung anzukündigen (§ 25, § 26 Abs. 6). Ausführliche Regelungen zur Werbung enthält § 26: Sie ist vom übrigen Programm deutlich zu trennen (Abs. 1 Satz 1), darf nur in Blöcken verbreitet werden und nur dann zu einer im voraus angegebenen Zeit das Programm unterbrechen, wenn die Dauer der Sendung 100 Minuten übersteigt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 und 3). Sie ist auf 20 vom Hundert des wöchentlichen Sendeumfangs beschränkt (Abs. 2), nur im gesamten Verbreitungsgebiet des Programms zulässig und muß grundsätzlich mindestens landesweiten Bezug haben (Abs. 2 und 5). Sponsorsendungen sind Werbung, wenn ihr Inhalt den Interessen des Sponsors dient; in diesen Fällen muß der Sponsor am Anfang und Ende der Sendung genannt werden (Abs. 3). Nach Abs. 4 schließlich ist ein Einfluß von Werbungtreibenden auf das übrige Programm sowie von Dritten auf von ihnen finanzierte Sendungen nicht zulässig.
1. §§ 24-26 LRG verstoßen nicht gegen die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit des Rundfunks.
Ebensowenig wie die in § 24 vorgesehenen Formen der Finanzierung sind die Ankündigungspflichten der §§ 25 und 26 Abs. 6

BVerfGE 73, 118 (179):

LRG zu beanstanden. Soweit in der Stellungnahme der ARD geltend gemacht wird, eine Vollfinanzierung durch Werbung eröffne die Möglichkeit einer Kommerzialisierung, durch welche die meinungsbildende Funktion des Rundfunks überlagert werde, kann einer solchen verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht gefolgt werden: Eine mehr oder minder weitgehende Kommerzialisierung ist - nicht nur bei einer Vollfinanzierung durch Werbung - zwangsläufig mit der Konzeption verbunden, die den neuen Landesmediengesetzen zugrunde liegt. Solange, wie in der Bundesrepublik, eine rentable Entgeltfinanzierung nicht erwartet werden kann, fehlt es an einer praktischen Alternative zur Werbefinanzierung. Dies kann jedoch unter der oben (I 3*) dargelegten Voraussetzung hingenommen werden, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungsrichtungen unverkürzt in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten Ausdruck findet.
Gegen die Einzelbestimmungen über Werbung sind Bedenken nicht ersichtlich: Ob eine Unterbrechungswerbung schlechthin verfassungsrechtlich zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung; die Zulässigkeit einmaliger Unterbrechung bei Sendungen von über 100 Minuten Dauer (§ 26 Abs. 1 Satz 3 LRG) begründet jedenfalls keine konkrete und ernsthafte Gefahr für die Rundfunkfreiheit, zumal die Zeit der Unterbrechung im voraus anzugeben ist. Die Beschränkung der Werbezeit durch § 26 Abs. 2 LRG ist ohne praktische Bedeutung, weil kein privater Veranstalter einen Anteil von 20 vom Hundert erreichen dürfte und die Teilnehmer ein derart mit Werbung überladenes Programm kaum akzeptieren würden; es besteht mithin auch kein Anlaß, den Anteil von 20 vom Hundert zu beanstanden. Bei der durch Art. 26 Abs. 3 LRG begründeten "Transparenzpflicht" mag zwar zweifelhaft sein, wann eine Sponsorsendung "den Interessen des Dritten dient", so daß die Verpflichtung zur Namensnennung eintritt. Verfassungsrechtlich wäre eine solche Verpflichtung jedoch ohnehin nur geboten, wenn sie zum Schutz der Meinungsvielfalt erforderlich wäre. Dafür ist derzeit kein Anhaltspunkt ersichtlich. Infolgedessen kann es auch nicht, wie die Antrag

BVerfGE 73, 118 (180):

steller meinen, darauf ankommen, daß Abs. 3 nur "Sendungen", nicht aber ganze Programme erfaßt. Das in § 26 Abs. 4 LRG ausgesprochene Verbot einer Einflußnahme dürfte allenfalls in Fällen schwerwiegender Verstöße praktische Bedeutung gewinnen; da seine Einhaltung vom Landesrundfunkausschuß zu überwachen ist (§ 28 Abs. 1 LRG), fehlen auch nicht verfassungsrechtliche Vorkehrungen zu seiner Sicherung. Daß schließlich die Werbung das ganze Verbreitungsgebiet umfassen und mindestens landesweiten Bezug haben muß (Abs. 5), ist um so weniger zu beanstanden, als die Vorschrift dem Schutz der örtlichen und regionalen Presse dient (LTDrucks. 10/1120, S. 42) und damit zu einem Teil mögliche Rückwirkungen auf die Presse ausschließt.
Der Gesetzgeber hat insoweit auch nicht "zu wenig" geregelt. Mit den Vorschriften des § 15 Satz 3 und des § 28 LRG hat er eine Regelung geschaffen, die auch im Fall einer Gefährdung der Meinungsvielfalt durch Werbung eingreift: Sollte eine Entwicklung der von den Antragstellern und den Stellungnahmen befürchteten Art eintreten, dann hätte der Landesrundfunkausschuß einzuschreiten und im äußersten Fall den Widerruf der Erlaubnis zu veranlassen. Es bestehen also organisatorische und Verfahrensvorschriften, die geeignet sind, der Gefährdung entgegenzutreten. Sollte sich erweisen, daß diese nicht ausreichen, um das auch im privaten Rundfunk unerläßliche Maß von Meinungsvielfalt wirksam zu sichern, wird es dem Gesetzgeber obliegen, die notwendigen Vorkehrungen im Wege der Nachbesserung zu treffen.
2. Nicht abschließend beurteilen lassen sich die Rückwirkungen einer Werbefinanzierung privaten Rundfunks auf die Presse, insbesondere die Frage, ob der Presse oder zumindest zahlreichen Presseunternehmen hierdurch existenzwichtige Finanzquellen entzogen werden. Verfassungsrechtlich ist dies von Bedeutung, weil eine solche Entwicklung die Pressefreiheit berühren würde, welche auch das Institut "Freie Presse", also den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Presse gewährleistet (vgl. BVerfGE 20,

BVerfGE 73, 118 (181):

162 [175 f.]; zum Vorbehalt gesetzlicher Regelung unter diesem Aspekt, allerdings offenlassend: BVerfGE 57, 295 [324]).
Eine derartige Beeinträchtigung würde voraussetzen, daß das Gesamtvolumen der Werbung sich nicht mehr nennenswert steigert, daß ein wesentlicher Teil dieses Volumens von der Presse abgezogen wird und dem Rundfunk zufließt und daß damit die Rentabilitätsgrenze der Presseunternehmen unterschritten wird. Ob diese Voraussetzungen eintreten werden, ist ungewiß. Für das Gesamtvolumen gilt dies um so mehr, als es seinerseits von Schwankungen der wirtschaftlichen Entwicklung abhängt. In der Frage, welche Werbeeinnahmen auf den Rundfunk übergehen könnten, wird es weitgehend auf Art und Ziel der Werbung ankommen. So hat die Monopolkommission darauf hingewiesen, daß Anzeigen mit "Selektionswirkung" vorrangig den Zeitungen verbleiben dürften; es sprächen plausible Gründe dafür, daß sich die umfangreicheren und intensiven Informationen besser für eine Präsentation in den Zeitungen als in den elektronischen Medien eigneten. Hingegen könnten Anzeigen mit Massenwirkung und Image-Werbung noch stärker als bisher auf die elektronischen Medien übergehen (5. Hauptgutachten 1982/1983, Tz. 579; vgl. auch Sondergutachten 11, 1981, Tz. 34). Was die Auswirkungen auf die Presseunternehmen betrifft, geht die Monopolkommission davon aus, daß die Erhaltung der Printmedien als solche nicht gefährdet sei; doch dürften sie die Werbeeinnahmen der Presseverlage erheblich vermindern. Insbesondere kleinere Unternehmen, die nicht über lokale oder regionale Monopolstellungen verfügten, würden dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht (5. Hauptgutachten, a.a.O., Tz. 581).
Über diese und ähnliche Einschätzungen hinausgehende Aussagen erscheinen in der gegenwärtigen Phase, in der Werbung im privaten Rundfunk noch keine nennenswerte Rolle spielt, nicht möglich. Bei dieser Sachlage kann § 26 LRG auch unter Gesichtspunkten der Pressefreiheit nicht beanstandet werden. Sollten hinreichend gesicherte Erkenntnisse Vorkehrungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Presse notwendig machen, wird es

BVerfGE 73, 118 (182):

auch insoweit Aufgabe des Gesetzgebers sein, sie im Wege der Nachbesserung zu treffen.
V.
In Übereinstimmung mit den Anforderungen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit (BVerfGE 57, 295 [326 f.]) setzt das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz für die Veranstaltung von Hörfunk und Fernsehen eine Erlaubnis voraus (§ 2). Es regelt die Zuständigkeiten, das Verfahren, die Voraussetzungen der Erteilung, der Rücknahme und des Widerrufs der Erlaubnis und stellt Grundsätze für die Auswahl sowie für die Zuweisung von Sendezeiten auf. Regelungen dieser Art sind verfassungsrechtlich geboten (BVerfGE a.a.O.). Doch sind die Vorschriften, welche das Landesrundfunkgesetz getroffen hat, zu einem Teil mit dem Grundgesetz unvereinbar.
1. Während die übrigen neuen Landesmediengesetze die in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen in vollem Umfang den vom Staat unabhängigen "Anstalten" übertragen, denen auch die Kontrolle der Programme obliegt, sieht das niedersächsische Gesetz für diese Entscheidungen in Anlehnung an das am 1. Januar 1987 außer Kraft tretende rheinland-pfälzische Kabelversuchsgesetz neben Zuständigkeiten des Landesrundfunkausschusses umfassende Zuständigkeiten der staatlichen Erlaubnisbehörde vor. Soweit das Gesetz dabei der Erlaubnisbehörde eine eigene Bewertung eröffnet, die sich auf den Inhalt des Programmangebots auswirken kann, verstößt das gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks.
a) Dieser Grundsatz schließt staatliche Maßnahmen nicht aus, welche der Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit dienen; diese können sogar verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 320 ff.). Hingegen versagt er dem Gesetzgeber und der Exekutive jegliche Einflußnahme auf den Rundfunk, die mit der Aufgabe einer solchen Sicherung unvereinbar oder durch Schranken des Grundrechts nicht gerechtfertigt ist. Mit dieser Einschränkung umfaßt der Grundsatz die Programmfreiheit

BVerfGE 73, 118 (183):

der Veranstalter: Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt insoweit nicht nur vor unmittelbaren Einflüssen auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme, sondern ebenso vor einer Einflußnahme, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen könnte (vgl. BVerfGE 59, 231 [260]).
Werden, wie im Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz, die Entscheidung über den Zugang, die Auswahl sowie die Rücknahme und den Widerruf der Erlaubnis oder die maßgebliche Mitwirkung an diesen Entscheidungen einer staatlichen Behörde übertragen, so ist hiernach ein wirksamer Schutz der Programmfreiheit der privaten Veranstalter nur bei strengen Anforderungen gewährleistet: Der staatlichen Behörde dürfen keine Handlungsund Wertungsspielräume eingeräumt sein, die es ermöglichen, daß sachfremde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über den Zugang privater Interessenten zum Rundfunk gewinnen können. Das gilt um so mehr, als sich derartige Wertungsfreiräume nicht nur auf die konkrete Entscheidung, sondern bereits im Vorfeld als Druckmittel oder gar als "Selbstzensur" auf Interessenten oder Veranstalter auswirken können. Bei für den Inhalt der Programme bedeutsamen Entscheidungen darf daher der staatlichen Behörde grundsätzlich weder ein ungebundenes noch ein gebundenes Ermessen eingeräumt werden. Verfassungswidrig sind auch solche Regelungen, die der Behörde - etwa durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe - Beurteilungsfreiräume eröffnen, welche eine inhaltliche Bewertung des Programms notwendig machen oder deren Ausfüllung zumindest mittelbare Auswirkungen auf den Programminhalt nach sich zieht.
b) Nach diesen Grundsätzen kann es nicht schlechthin beanstandet werden, daß das Landesrundfunkgesetz die Erteilung der Erlaubnis einer staatlichen Behörde überträgt (§ 3 Abs. 1), auch wenn eine sachliche Notwendigkeit für diese Abweichung von allen übrigen Landesmediengesetzen nicht erkennbar ist. Unbedenklich sind auch die Regelungen der Rücknahme oder des Widerrufs der Erlaubnis sowie über die Veranstaltung von

BVerfGE 73, 118 (184):

Rundfunksendungen ohne Erlaubnis (§§ 8-10 LRG). Dagegen verstoßen die Vorschriften des Gesetzes insoweit gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit, als danach die Entscheidung der staatlichen Erlaubnisbehörde nicht hinreichend streng an gesetzlich bestimmte Voraussetzungen gebunden ist und Bewertungen des Inhalts von Programmen ermöglicht werden; dies wird von den Antragstellern und der ARD mit Recht hervorgehoben.
aa) Was die Erlaubnisvoraussetzungen betrifft, durfte der Erlaubnisbehörde nicht die Prüfung und Entscheidung darüber übertragen werden, ob "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller bei der Veranstaltung gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird" (§ 5 Abs. 4 LRG). Zu diesen Vorschriften gehören auch die §§ 11-15 LRG, die Grundsätze für den Programminhalt aufstellen. Es wird also eine Beurteilung der Person und des Verhaltens des Antragstellers gefordert, aus welcher auf seine künftige Gesetzestreue geschlossen wird. Dies ist nur im Wege einer Prognose möglich, welche sich auf die gleichen Fragen erstreckt wie die nach § 28 Abs. 1 LRG dem Landesrundfunkausschuß obliegende Programmkontrolle, die mithin programminhaltliche Wertungen erfordert. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß im Falle des § 28 Abs. 1 LRG von einem konkreten, gesendeten, im Falle des § 5 Abs. 4 LRG von einem prognostizierten Programm ausgegangen wird. Die Prüfung nach § 5 Abs. 4 LRG gestaltet sich deshalb schwieriger und unsicherer, nicht aber in dem hier wesentlichen Punkt andersartig. Der durch die Regelung der staatlichen Erlaubnisbehörde eröffnete Einfluß auf den Zugang privater Veranstalter schließt die Möglichkeit nicht aus, unliebsame Veranstalter nicht nur - wie bei der Programmkontrolle - nachträglich zu disziplinieren, sondern von vornherein nicht zu Wort kommen zu lassen. Eine gerichtliche Kontrolle der Zulassungsentscheidung vermag diese Einflußmöglichkeit - wenn nicht sogar der Erlaubnisbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird - nur unvollkommen auszugleichen, da sie nur zu einer nachträglichen, punktuellen Korrektur führen, den staatlichen Einfluß, der die Entscheidung von

BVerfGE 73, 118 (185):

vornherein prägt, jedoch nicht verhindern kann. Es können daher sachfremde, namentlich vielfaltsbeschränkende Erwägungen in die Entscheidung eingehen, denen unmittelbare wie mittelbare Wirkung auf das Programm zukommt.
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, die staatliche Erlaubnisbehörde müsse alle - auch die von ihr nicht berücksichtigten - Anträge dem Landesrundfunkausschuß zur Auswahlentscheidung vorlegen, so daß durch ihre Beurteilung der Erlaubnisvoraussetzungen des § 5 LRG keine abschließende Vorauswahl getroffen werde. Dies wäre mit dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik der §§ 2 ff. LRG unvereinbar. Wie sich aus § 3 Abs. 3 Satz 1 LRG ergibt, legt die staatliche Erlaubnisbehörde dem Landesrundfunkausschuß nur diejenigen Anträge vor, welche die Erlaubnisvoraussetzungen des § 5 erfüllen. Sie entscheidet demnach allein und abschließend über das Vorliegen dieser Voraussetzungen. Der Landesrundfunkausschuß ist nicht befugt, eine solche Entscheidung wieder aufzuheben.
Nach allem verstoßen § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 4 LRG gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit für die Prüfung und Entscheidung eine Zuständigkeit der staatlichen Erlaubnisbehörde begründet wird.
Demgegenüber erscheinen § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 5 Satz 2 LRG mit dem Gebot der Staatsfreiheit noch vereinbar. Nach dieser Bestimmung muß der Antragsteller erwarten lassen, daß er wirtschaftlich in der Lage ist, die Veranstaltung entsprechend dem Antrag durchzuführen. Hierbei sind die Möglichkeiten einer Wertung begrenzt: Die bereits vorhandenen Programme erlauben es, einen gewissen Kostenrahmen für die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen abzugeben; auch handelt es sich zum Teil um Kosten, deren Höhe eindeutig zu bestimmen ist, wie etwa die Gebühren für die Kanalnutzung und Programmzuführung oder die Personalkosten. Im übrigen hat die Erlaubnisbehörde das beabsichtigte Programm zugrunde zu legen und die Angemessenheit der vorgelegten Finanzierungsvorstellungen zu prüfen. Ein unmittel

BVerfGE 73, 118 (186):

barer Einfluß auf das Programm ist ihr damit nicht eröffnet. Die Gefahr einer mittelbaren Einflußnahme auf den Programminhalt erscheint im Vergleich zu der Prüfung nach § 5 Abs. 4 LRG gering, weil die Erlaubnisbehörde im Falle nach ihrer Auffassung bestehender Mängel jedenfalls nicht vorschreiben könnte, auf welche Weise der Veranstalter die Finanzierung - etwa durch zeitliche Programmreduzierung, Verzicht auf bestimmte Programmformen, Verminderung des Personals - sicherzustellen habe. Infolgedessen wird das Gebot der Staatsfreiheit nicht verletzt.
bb) Im Unterschied zu den zuvor erörterten Fällen kommt der staatlichen Erlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Auswahl der Veranstalter von Vollprogrammen grundsätzlich kein ausschlaggebender Einfluß zu; die Auswahl trifft der Landesrundfunkausschuß (§ 3 Abs. 3 Satz 2 LRG). Dieser entscheidet auch über die in § 6 Abs. 1 Satz 2 LRG aufgeführten besonderen Voraussetzungen der Veranstaltung von Vollprogrammen. Die Erlaubnisbehörde hat insoweit nur ein Vorschlagsrecht (§ 3 Abs. 3 Satz 1 LRG). Das gleiche gilt für die Auswahl zwischen mehreren Antragstellern, welche die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 LRG erfüllen (§ 6 Abs. 2 LRG). Zwar mag dem Vorschlag der Erlaubnisbehörde eine gewisse faktische Auswirkung nicht abzusprechen sein. Verfassungsrechtliche Einwände lassen sich indessen daraus nicht herleiten.
Anders verhält es sich im Falle des § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG. Trifft danach der Landesrundfunkausschuß bis zum Ablauf einer Frist von höchstens 5 Monaten keine Auswahlentscheidung, so gilt diese als entsprechend dem Vorschlag der Erlaubnisbehörde getroffen; ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 LRG gegeben sind und wer unter mehreren Antragstellern auszuwählen ist, prüft und entscheidet im Ergebnis also eine staatliche Behörde. Da diese Entscheidung programminhaltliche Wertungen voraussetzt, verstößt das eindeutig gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit. § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG kann weder der Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit dienen, noch ist die Bestimmung

BVerfGE 73, 118 (187):

durch eine Schranke des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gerechtfertigt. Indem sie auf eine zügige Entscheidung hinzuwirken sucht, mag sie zwar dazu beitragen, daß freie Frequenzen rasch vergeben werden können. Eine Sicherung der ausschlaggebenden inhaltlichen Vielfalt ist damit jedoch nicht verbunden, um so weniger, als die Erlaubnisbehörde ihrer Einbindung in die Regierungsorganisation entsprechend andere Auffassungen vertreten kann als die pluralistisch zusammengesetzte Versammlung des Landesrundfunkausschusses. Ebensowenig können Belange der Rundfunkunternehmer eine solche Regelung rechtfertigen. Schließlich kann es auch nicht darauf ankommen, daß es sich um eine Ersatzzuständigkeit handelt, deren Aufgabe, wie die Niedersächsische Landesregierung ausgeführt hat, in erster Linie darin besteht, den Landesrundfunkausschuß im Hinblick auf seine Größe, seine Zusammensetzung und sein Verfahren einem gewissen Handlungsdruck zu unterwerfen. Auch bei Berücksichtigung der grundsätzlichen Organisationsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfGE 57, 295 [321]) kann dieser sich zur Rechtfertigung von Einschränkungen verfassungsrechtlicher Gebote nicht auf organisatorische Umstände berufen, die er selbst ohne verfassungsrechtliche Notwendigkeit geschaffen hat. Wie die entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer zeigen, ist es möglich, das maßgebende Organ als pluralistisch zusammengesetztes und sachverständiges Organ auszugestalten, das aufgrund seiner Größe und seiner Verfahrensregelungen imstande ist, administrativen Anforderungen zu genügen, und das eine staatliche "Auffangkompetenz" überflüssig macht. Demgemäß findet sich eine dem § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG ähnliche Regelung in keinem anderen Landesmediengesetz. Bei dieser Sachlage ist es dem Gesetzgeber nicht freigestellt, gerade die Konzeption zu wählen, die sich zu Lasten elementarer Anforderungen der Rundfunkfreiheit auswirken kann. § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG ist infolgedessen verfassungswidrig und nichtig. Damit wird § 3 Abs. 3 Satz 3 LRG gegenstandslos.
cc) Unvereinbar mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit sind auch die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 6

BVerfGE 73, 118 (188):

Abs. 3 Satz 1 LRG sowie § 6 Abs. 3 Satz 4 LRG. Diese sind Bestandteil einer Regelung, nach der die Veranstaltung nicht bevorzugter Vollprogramme im Sinne des § 6 Abs. 1 LRG sowie von sonstigen Programmen einer Erlaubnis bedarf, welche die Erlaubnisbehörde nach Anhörung des Landesrundfunkausschusses erteilt (§ 3 Abs. 1 und 4 LRG). Reichen die dem Erlaubnisverfahren zugrunde liegenden Übertragungsmöglichkeiten nicht zur Veranstaltung aller Programme aus, wird der Sendeumfang anteilig zugemessen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 LRG). Die Verteilung der Sendezeiten im einzelnen haben die Antragsteller zu vereinbaren; sie unterrichten hierüber die Erlaubnisbehörde, welche die Zeiten nach Maßgabe der Vereinbarung zuweist (§ 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 LRG). Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so weist die Erlaubnisbehörde die Sendezeiten im wöchentlichen Wechsel zu (§ 6 Abs. 3 Satz 4 LRG).
Über die Maßstäbe, nach denen die Erlaubnisbehörde den Sendeumfang von nicht bevorzugten Voll- oder sonstigen, also Sparten- oder Zielgruppenprogrammen zuzumessen hat, schweigt das Gesetz. Es liegt in der Hand der Erlaubnisbehörde zu bestimmen, welcher Programmart der Vorrang zukommen soll, und damit den Kreis der Veranstalter entscheidend zu beeinflussen. Darüber hinaus eröffnet ihr die Befugnis zur "anteiligen" Zumessung des Sendeumfangs einen erheblichen Entscheidungsspielraum: Wie die Anteile zu berechnen sind, bleibt offen. Die einfachste Verteilung nach der Zahl der Antragsteller ließe außer acht, daß die Wünsche der Anbieter sich hinsichtlich des Sendeumfangs wesentlich unterscheiden können, so daß eine schematische Aufteilung nicht in Betracht kommt; auch könnten Anbietergemeinschaften im Verhältnis zu Einzelinteressenten schlechtergestellt werden. Die staatliche Erlaubnisbehörde muß infolgedessen nach Maßstäben entscheiden, die sie selbst bestimmt und die sich auf den Inhalt des Programmangebotes spürbar auswirken können. Dies ist verfassungswidrig.
Entsprechendes gilt für § 6 Abs. 3 Satz 4 LRG. Zwar sind insoweit die Sendezeiten "im wöchentlichen Wechsel" zuzuteilen.

BVerfGE 73, 118 (189):

Doch ist damit nur scheinbar ein Merkmal gefunden, das wertungsfreie Entscheidungen ermöglicht; es bestehen zahlreiche das Programmangebot beeinflussende Gestaltungsmöglichkeiten. Sofern die Erlaubnisbehörde beispielsweise in Übereinstimmung mit dem Wortlaut jedem Anbieter die Übertragungsmöglichkeit zu alleiniger Nutzung gemäß seinem Anteil für jeweils eine Woche überläßt, werden die Anbieter nur selten, wenn auch zu der für sie günstigsten Tageszeit Sendungen veranstalten können, was für sie praktisch wertlos sein dürfte. Füllt die Erlaubnisbehörde hingegen die jeweilige Sendewoche mit möglichst vielen Anbietern, so kann sie den Wünschen nach einer bestimmten Sendezeit nur zu einem Teil Rechnung tragen, und es bleibt unklar, wie der Wechsel im einzelnen zu gestalten ist. Die Erlaubnisbehörde kann also Hürden errichten, welche die Veranstalter zu einem Ausscheiden veranlassen. Auch davon abgesehen kann sie einzelne oder eine Mehrzahl von Anbietern benachteiligen, etwa durch die Zuteilung ständig wechselnder Sendezeiten, die zwar eine gewisse Gleichbehandlung gewährleistet, die aber eine dauerhafte Bindung der Rundfunkteilnehmer an bestimmte Veranstalter verhindert.
Die damit bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten werden auch nicht dadurch hinnehmbar, daß es die Anbieter gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 LRG in der Hand haben, den staatlichen Eingriff zu vermeiden. Wie die Verteilung der Sendezeiten für private Anbieter auf der kürzlich entstandenen rheinland-pfälzischen Hörfunkkette gezeigt hat, ist mit einer einvernehmlichen Verteilung kaum noch zu rechnen, da nur wenige Tageszeiten - insbesondere der frühe Morgen und der späte Nachmittag - ausreichende Teilnehmerzahlen erwarten lassen, die für den Verkauf von Werbezeiten benötigt werden. Auch § 6 Abs. 3 Satz 4 LRG kann daher wegen der sich auf das Programmangebot und seinen Inhalt auswirkenden Wertungsspielräume der Erlaubnisbehörde keinen Bestand haben, soweit er für die Zuweisung der Sendezeiten die Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde begründet.
dd) Demgegenüber stehen die Ausschreibung der Übertra

BVerfGE 73, 118 (190):

gungskapazitäten (§ 3 Abs. 2 LRG) und die Erteilung der Erlaubnis entsprechend einer Auswahlentscheidung des Landesrundfunkausschusses nicht im Ermessen der Erlaubnisbehörde. Ebensowenig kommt ihr ein für den Inhalt der Programme bedeutsamer Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Modalitäten der Erlaubnis zu (§ 7 LRG). Es handelt sich vielmehr nach Wortlaut und Systematik der maßgeblichen Vorschriften um gebundene Entscheidungen, die keine auf den Inhalt der Programme bezogenen Wertungen erfordern. Die Regelungen sind daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Im übrigen stehen die Zugangs- und Auswahlregelungen des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes mit dem Grundgesetz in Einklang; sie tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen (BVerfGE 57, 295 [326 f.]) Rechnung. Die Bedenken, die insoweit in der Antragsschrift und in einzelnen Stellungnahmen erhoben werden, sind nicht begründet.
a) Das gilt zunächst für die Erlaubnisvoraussetzungen des § 5 LRG. Abgesehen von den zu beanstandenden Mängeln in den Absätzen 2 und 4, die bereits erörtert wurden (oben III 1 a* und V 1 b aa*), bestehen gegen die Regelungen dieser Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch die nach Ansicht der Antragsteller und der ARD zu enge Beschränkung des Kreises der Personen und Vereinigungen, denen eine Erlaubnis erteilt werden darf (§ 5 Abs. 1 LRG), verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Wenn nach § 5 Abs. 1 Satz 2 LRG politischen Parteien und den von ihnen abhängigen Unternehmen, Personen und Vereinigungen eine Erlaubnis nicht erteilt werden darf, so ist das im Hinblick auf den besonderen Status der Parteien nicht zu beanstanden. Darauf, ob im Rundfunk eine Lage der Binnen- oder der gesicherten Außenpluralität besteht, kommt es nicht an. Maßgebend sind vielmehr die Gesichtspunkte der Staatsferne und der Überparteilichkeit des Rundfunks, auf welche die Begründung des Regierungsentwurfs zu Recht verweist (LTDrucks. 10/1120, S. 34).


BVerfGE 73, 118 (191):

Wenn ferner nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LRG eine Erlaubnis nur juristischen Personen des Privatrechts erteilt werden darf, juristische Personen des öffentlichen Rechts also grundsätzlich ausgeschlossen werden, so ist auch dies eine Konsequenz der Staatsfreiheit des Rundfunks, gegen die nichts zu erinnern ist. Etwas anderes könnte nur für öffentlich-rechtliche Einrichtungen gelten, die selbst frei von staatlichem Einfluß sind und denen Rechte gegenüber dem Staat zustehen, wie die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LRG ausdrücklich genannten öffentlich-rechtlichen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften; ob eine Ausnahme auch zugunsten ähnlicher Einrichtungen geboten sein könnte, muß einer Prüfung im konkreten Einzelfall vorbehalten bleiben. Keine Ausnahme ist geboten für Gemeinden, denen zwar das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet ist, die aber als Träger öffentlicher Gewalt selbst ein Stück "Staat" sind.
Ebensowenig bestehen Bedenken gegen den Ausschluß von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LRG). Auch dies erscheint durch den Grundsatz der Staatsfreiheit gerechtfertigt.
b) Schließlich sind mit Ausnahme der - verfassungswidrigen - Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde (oben 1 b cc*) die Auswahlgrundsätze und Zuweisungsregeln des § 6 LRG nicht zu beanstanden. Kritischen Einwänden der Antragsteller und zu einem Teil auch der ARD unterliegen insoweit § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 LRG. Danach muß die Erlaubnis für die höchstzulässige Erlaubniszeit beantragt werden; dies begründet einen Vorrang bei einer notwendig werdenden Auswahl. Darüber hinaus wird § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG beanstandet, wonach der Antragsteller erwarten lassen soll, daß er in der Lage ist, ein Programm zu veranstalten, das professionellen Ansprüchen genügt. Beide Regelungen verletzen nicht das Verfassungsgebot chancengleichen Zugangs (BVerfGE 57, 295 [327]).
aa) Das Bundesverfassungsgericht ist im Urteil vom 16. Juni 1981 davon ausgegangen, daß dem Gesetzgeber die Wahl zwi

BVerfGE 73, 118 (192):

schen einem System mit Vollprogrammen und einem solchen mit Teil- und Spartenprogrammen offensteht (BVerfGE a.a.O.). Demgemäß ist gegen die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LRG nichts einzuwenden, zumal erst in dem damit maßgebenden Zeitraum von 10 Jahren (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LRG) eine Amortisation der hohen Investitionen erwartet werden kann und es sachlich gerechtfertigt erscheint, die im Vordergrund des Interesses stehenden, aber nach wie vor knappen terrestrischen Frequenzen nur an solche Bewerber zu vergeben, die an einem langfristigem Engagement im Rundfunkbereich interessiert und hierzu auch fähig sind (vgl. auch § 5 Abs. 5 Satz 2 LRG (oben 1 b). Ebensowenig läßt sich das in § 6 Abs. 2 Satz 1 LRG festgelegte primäre Auswahlkriterium der weitestmöglichen Ausnutzung der Sendezeit beanstanden. Dieses Merkmal steht neben demjenigen des Beitrags zu größtmöglicher Vielfalt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 LRG). Der systematische Zusammenhang zwischen Satz 1 und Satz 2 legte es nahe, die vielfaltsorientierte Auswahl nach Satz 2 zwischen denjenigen Bewerbern vorzusehen, welche die Sendezeit ähnlich weit in Anspruch zu nehmen beabsichtigen. Das Gesetz schwächt also die Bedeutung des Sendezeitkriteriums gegenüber dem Vielfaltkriterium wesentlich ab. Endlich ist zu berücksichtigen, daß der Vorrang von Vollprogrammen nicht zu der von den Antragstellern offenbar befürchteten Zulassung finanzkräftiger, schon jetzt marktbeeinflussender oder gar marktbeherrschender Einzelanbieter führen muß. Die relativ hohe Zugangsschwelle kann - wie das erste niedersächsische Erlaubnisverfahren gezeigt hat - auch von einer Anbietergemeinschaft überwunden werden, die dann im Hinblick auf die Vielfaltsanforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 und 3 LRG gegenüber Einzelanbietern ohnehin im Vorteil sein wird.
bb) Auch § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG verletzt nicht das Gebot chancengleichen Zugangs zum Rundfunk.
Die Regelung eröffnet der Presse keinen bevorzugten Zugang zum Rundfunk. Für eine derartige Ungleichbehandlung wäre ein

BVerfGE 73, 118 (193):

rechtfertigender Grund nicht zu erkennen; sie wäre daher verfassungswidrig. Zwar wird es allgemein - namentlich von der Presse selbst - als naheliegende Entwicklung angesehen, daß die Zulassung werbefinanzierten privaten Rundfunks eine Umschichtung der Werbeausgaben zu Lasten der Printmedien zur Folge haben werde. Diese allgemeine Annahme allein reicht jedoch nicht aus, die Zulässigkeit einer kompensierenden Privilegierung des Zugangs von Presseunternehmen zum Rundfunk zu begründen. Zu den konkreten Auswirkungen jener Umschichtung fehlt es an gesicherten Erkenntnissen (vgl. auch oben IV 2*); namentlich ist unklar, welche Typen von Zeitungen durch die private Rundfunkkonkurrenz getroffen werden, welches Ausmaß die Einbußen erreichen und welche Möglichkeiten des Ausgleichs eines relativen Verlustes durch Steigerung der Werbeausgaben insgesamt bestehen. Ebenso ist ungewiß, ob der Zugang der Presse zum Rundfunk geeignet wäre, die angenommenen Beeinträchtigungen zu kompensieren, und ob angesichts der weiterhin knappen Frequenzen und hohen finanziellen Aufwendungen gerade diejenigen Presseverlage Zugang zum Rundfunk erlangen könnten, die in besonderem Maße von der Konkurrenz des privaten Rundfunks betroffen sind. Bei dieser Sachlage kann von einem hinreichenden Differenzierungsgrund keine Rede sein. Presseunternehmen können nur den durch das Landesrundfunkgesetz allen eingeräumten gleichen Zugang zum Rundfunk beanspruchen.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller normiert § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG auch kein verdecktes Presseprivileg, das ebenso verfassungswidrig wäre wie ein offenes. Eine solche Auslegung erscheint zwar nicht schlechthin ausgeschlossen; "Professionalität" kann jedoch auch als Maßstab der Sicherstellung eines technischen und formalen Mindeststandards für die Veranstaltung von Rundfunksendungen verstanden werden, der eine bestimmte Sachausstattung und ausreichend ausgebildetes und angeleitetes Personal voraussetzt. Zur Erfüllung dieses Standards sind Er

BVerfGE 73, 118 (194):

fahrungen des Unternehmers im Printmedienbereich weder hinreichend noch notwendig: Sie gewährleisten keineswegs, daß er in der Lage sein wird, insbesondere die technischen Anforderungen an die Veranstaltungen von Rundfunkprogrammen zu bewältigen; andererseits kann ein Interessent durch Verpflichtung von Personal aus dem journalistischen, künstlerischen und technischen Bereich und den Ankauf von Sachmitteln auch ohne bisherige eigene Medienerfahrung ein leistungsfähiges Rundfunkunternehmen aufbauen. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG bestätigt: Bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs wird angeführt, daß sich Professionalität "aus der personellen Zusammensetzung des Antragstellers" ergebe, "aber auch aus dem Kreis der Mitarbeiter, die von ihm für den Fall der Erteilung der Erlaubnis vertraglich verpflichtet worden sind" (LTDrucks. 10/1120, S. 34). Nach Auffassung des Landtagsausschusses für Medienfragen handelt es sich "um eine Klausel, die lediglich schlichten Dilettantismus verhindern soll"; weitergehende Zwecke dürften mit der Vorschrift nicht verfolgt werden (Schriftlicher Bericht des Landtagsausschusses für Medienfragen, LTDrucks. 10/2770, S. 3). Der Ausschuß gibt noch ergänzend die vor ihm geäußerte Auffassung der Regierung wieder, wonach das Merkmal einen gewissen Leistungsstandard für die besonders wichtigen Vollprogramme der beiden zuerst verfügbaren Hörfunk- und Fernsehübertragungsmöglichkeiten sichern solle; wer als Veranstalter nicht selber über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfüge, könne dem Anspruch der Vorschrift ohne weiteres durch den Einsatz sachkundigen Personals genügen.
In dieser - verfassungsrechtlich gebotenen - Auslegung vermeidet § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LRG eine rechtliche Privilegierung der Presseunternehmen beim Zugang zum Privatrundfunk. Die Vorschrift stellt auch sachgemäße und individuell zumutbare Anforderungen an die Bewerber. Wie bereits dargelegt (oben aa*), konnte der Gesetzgeber von seiner Gestaltungsfreiheit in der

BVerfGE 73, 118 (195):

Weise Gebrauch machen, daß freie Übertragungsmöglichkeiten vorrangig für zwei Hörfunk- oder Fernsehvollprogramme verwendet werden, die als unmittelbare Konkurrenz neben die schon vorhandenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme treten sollen. Wenn es dem Gesetzgeber aber gestattet ist, ein solches Ordnungsmodell für den Rundfunk zu wählen, kann es ihm verfassungsrechtlich nicht verwehrt sein, dieses Modell durch systemgerechte und -bedingte Vorschriften im einzelnen abzusichern und auszugestalten. Knappe Frequenzen und hohe Anfangsinvestitionen rechtfertigen es, die Zulassung als Vollprogrammveranstalter von der Erfüllung technischer und formaler Mindeststandards abhängig zu machen. Dies bewirkt, daß nur ernsthafte Anbieter als Vollprogrammveranstalter in Betracht kommen, die auch in der Lage sind, eine dauerhafte Ergänzung der vorhandenen öffentlich-rechtlichen Programme zu bieten und somit die gesetzgeberische Vorstellung einer dualen Ordnung von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in die Praxis umzusetzen. Sofern für Interessenten die Zugangsschwelle für die Veranstaltung von Vollprogrammen zu hoch sein sollte, wird dies in aller Regel nicht an dem Kriterium der Professionalität, sondern an den erheblichen Investitions- und Betriebskosten liegen; hieraus kann nicht geschlossen werden, das Professionalitätskriterium sei individuell unzumutbar.
cc) Die übrigen Auswahlregelungen des § 6 LRG sind verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des chancengleichen Zugangs nicht zu beanstanden. Gewisse Bedenken könnten gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 LRG erhoben werden, soweit das Gesetz die Vereinbarung der Antragsteller über die Sendezeitverteilung als maßgeblich ansieht und dem Landesrundfunkausschuß keine Überprüfungskompetenz zugesteht. Die Gefahr einer manipulierten Vereinbarung erscheint jedoch gering; etwaige Auswirkungen auf das Programmangebot selbst können vom Landesrundfunkausschuß nach §§ 15 Satz 3 und 28 eingedämmt werden. Zusätzliche Vorkehrungen erscheinen daher entbehrlich.
 


BVerfGE 73, 118 (196):

VI.
Von der bisher erörterten Veranstaltung unterscheidet das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz ebenso wie die übrigen neuen Landesmediengesetze die Verbreitung von Rundfunkprogrammen (§ 1 Abs. 1 LRG); darunter versteht es die inhaltlich unveränderte Weiterverbreitung von außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes veranstalteten Hörfunk- und Fernsehprogrammen durch technische Übertragungseinrichtungen in Niedersachsen. Es regelt diese in §§ 44 und 46 Abs. 2 und 3 LRG. Diese Bestimmungen sind in zwei Punkten verfassungsrechtlich zu beanstanden und deshalb ergänzungsbedürftig; im übrigen sind sie mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Im Rahmen des Angebotes von Rundfunkprogrammen in der Bundesrepublik kommt den in den Kabelnetzen der Länder verbreiteten Programmen erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt im besonderen für herangeführte, also nicht mit durchschnittlichem Antennenaufwand auch direkt empfangbare Fernsehprogramme; unter diesen überwiegt nicht nur die Zahl außerhalb des jeweiligen Bundeslandes, sondern auch die Zahl im europäischen Ausland veranstalteter privater Programme, so daß insoweit Anfänge des bereits erwähnten europäischen Rundfunkmarktes sichtbar werden (vgl. oben A I 1 c* und C I 2 b*).
Wenn damit die Entwicklung der Neuen Medien zu grenzüberschreitendem Rundfunk führt, kann das bei der rechtlichen Regelung der Verbreitung solcher Programme nicht unberücksichtigt bleiben. Veranstalter oder auch Produzenten überregionaler Programme können sich nur schwer nach einem ganzen Bündel unterschiedlicher landesrechtlicher Normierungen richten; in besonderem Maße gilt das für die Werbung. Ein funktionierendes System der Verbreitung hängt vielmehr von einer Koordination der landesgesetzlichen Regelungen und damit von einer Kooperation der Länder ab. Anders als bei der Nutzung von Satellitenkapazitäten, bei welcher die Verfügung über die Ausstrahlung

BVerfGE 73, 118 (197):

von in allen Ländern direkt empfangbaren Rundfunkprogrammen nur allen Ländern gemeinsam zukommen kann (vgl. dazu Bullinger, AfP 1985, S. 1 [8]), ergibt sich die Notwendigkeit einer solchen Kooperation bei der Regelung der Verbreitung nicht bereits aus der Eigenart der Aufgabe und den für deren Wahrnehmung maßgebenden Grundsätzen; sie folgt aber, soweit das für ein funktionierendes System erforderlich ist, jedenfalls aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, der auch die Länder untereinander zu gegenseitiger Abstimmung, Rücksichtnahme und Zusammenarbeit verpflichtet.
Die dargelegte Sachlage ist auch für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der landesgesetzlichen Regelungen von Bedeutung: Zwar bedarf es der Normierung der noch zu erörternden Mindestvoraussetzungen und der zu deren Sicherung erforderlichen Vorkehrungen. Aber diese brauchen entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht so weit zu gehen wie die Anforderungen an die Veranstaltung von Rundfunksendungen, zumal verbreitete Programme am Ort ihrer Veranstaltung einer Prüfung unterliegen und in der Bundesrepublik an weitgehend einander entsprechende Voraussetzungen gebunden sind. Es ist auch nicht erkennbar, was mit strengen Anforderungen erreicht werden könnte, wenn daneben außerhalb des Landes gesendete, mit durchschnittlichem Antennenaufwand empfangbare Programme als "allgemein zugängliche Quellen" (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) der landesgesetzlichen Regelung prinzipiell unzugänglich sind und die Zahl dieser Programme sich mit der fortschreitenden technischen Entwicklung noch vergrößern wird.
2. a) Das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz normiert in § 44 Abs. 1 den Grundsatz freier Weiterverbreitung; der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, den Zugang des Bürgers zu anderen Rundfunkprogrammen des In- und Auslands zu verbessern (LTDrucks. 10/1120, S. 26). Dies unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist fer

BVerfGE 73, 118 (198):

ner die in § 46 Abs. 2 und 3 LRG getroffene Regelung, nach der für weiterzuverbreitende Programme im Falle nicht ausreichender Kapazitäten eine Auswahl vorgesehen ist, bei welcher den mehrheitlichen Wünschen der Teilnehmer Rechnung zu tragen ist. Damit hat der Gesetzgeber dem Erfordernis von Auswahlgrundsätzen (BVerfGE 57, 295 [327]) entsprochen und die Kriterien der Auswahl in hinreichender Weise bestimmt.
b) Wenn das Gesetz weiterhin auf eine besondere Zulassung der Weiterverbreitung von Rundfunksendungen verzichtet, so läßt sich das verfassungsrechtlich nicht beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei jeder Form der gesetzlichen Ordnung des Rundfunks eine vorherige Überprüfung unverzichtbar, ob bei der Aufnahme privater Rundfunkveranstaltungen oder einem Hinzutreten weiterer Veranstalter den Anforderungen der Rundfunkfreiheit Genüge getan ist (BVerfGE 57, 295 [326]). Für die Veranstaltung von Rundfunksendungen hat das Gericht es für notwendig gehalten, daß der Gesetzgeber Zugangsregelungen schafft und für die Prüfung und Entscheidung ein rechtsstaatliches Verfahren vorsieht (BVerfGE a.a.O.). Daraus folgt indessen nicht die Notwendigkeit einer förmlichen Zulassung weiterzuverbreitender Programme, wie sie die übrigen Landesmediengesetze mit Ausnahme des neuen rheinland-pfälzischen Landesrundfunkgesetzes vom 24. Juni 1986 (§ 22) vorschreiben und wie auch die Antragsteller es für geboten halten.
§ 44 Abs. 2 LRG verlangt, daß die Absicht der Verbreitung einen Monat "vor Beginn der Maßnahme" der Erlaubnisbehörde anzuzeigen ist, und nimmt dabei die unveränderte Verbreitung eines Programmes in Gemeinden oder Samtgemeinden aus, in deren Gebiet dieses Programm bereits mit durchschnittlichem Antennenaufwand empfangen werden kann. Die Erlaubnisbehörde untersagt die Verbreitung des Programms oder der Werbung vor ihrem Beginn, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Verstöße gegen die Bestimmungen des § 44 Abs. 3 LRG oder gegen allgemeine Gesetze zu erwarten sind

BVerfGE 73, 118 (199):

(§ 44 Abs. 4 Satz 4 LRG). Die Maßnahmen, mithin auch die Untersagung der Erlaubnisbehörde, erfolgen auf Ersuchen des Landesrundfunkausschusses (§ 44 Abs. 4 Satz 5 LRG). Damit ist auch nach § 44 LRG eine vorherige Überprüfung geboten, ob den Anforderungen der Rundfunkfreiheit Genüge getan ist. Wenn diese nur bei negativem Ausgang mit einer förmlichen Verfügung endet, so liegt das in der Konsequenz der gesetzlich normierten Verbreitungsfreiheit (§ 44 Abs. 1 LRG). Das Verfahren erfüllt die gleichen Funktionen wie ein besonderes Zulassungsverfahren; es vermeidet jedoch die Verzögerungen und Erschwerungen, die entstehen müssen, wenn Anbieter eines bundesweiten Programms für dessen Verbreitung in jedem Lande der Bundesrepublik eine besondere Zulassung zu erwirken haben.
c) Die materiellrechtlichen Anforderungen an die Verbreitung von Rundfunkprogrammen (§ 44 Abs. 3 LRG) sind, ebenso wie die zu ihrer Sicherung geschaffenen Vorkehrungen, mit dem Grundgesetz vereinbar. Zu beanstanden sind jedoch der Verzicht auf eine Verpflichtung zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und der Mangel einer hinreichenden Sicherung des Rechts auf Gegendarstellung bei ausländischen, in Niedersachsen verbreiteten Sendungen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten (BVerfGE 12, 205 [263]; 57, 295 [325]). Bei einem "außenpluralistischen" Modell obliegt den einzelnen Veranstaltern keine Ausgewogenheit; doch bleiben auch sie zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung verpflichtet (BVerfGE 57, 295 [326]). Diese Verpflichtung trifft nicht nur die Veranstalter; sie besteht auch im Falle der Weiterverbreitung. Anders als die unmittelbar empfangbaren, außerhalb des Landes veranstalteten Programme ist die Einspeisung herangeführter Programme in Kabelanlagen dem Einfluß des Gesetzgebers nicht

BVerfGE 73, 118 (200):

entzogen. Die Freigabe der Einspeisung begründet seine Verantwortung dafür, daß die durch Kabel verbreiteten Programme der Rundfunkfreiheit nicht zuwiderlaufen. Er hat mithin auch bei diesen Programmen sachgemäße, umfassende und wahrheitsgemäße Information sowie ein Mindestmaß an gegenseitiger Achtung zu gewährleisten. Dem genügt das Landesrundfunkgesetz mit der Vorschrift des § 44 Abs. 3 Satz 1 LRG nur unvollständig; denn diese Vorschrift schließt generell nur die Weiterverbreitung von Programmen aus, welche die Würde des Menschen verletzen, pornographische Darstellungen enthalten, Gewalttätigkeiten schildern, zum Rassenhaß aufstacheln (§ 11 Abs. 3), gegen die Bestimmungen des Jugendschutzes (§ 14) verstoßen oder einzelnen Vorschriften über die Werbung (§ 26 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2) nicht entsprechen. Zwar läßt sich § 44 Abs. 3 Satz 1 LRG verfassungskonform dahin auslegen, daß das Verbot, die Würde des Menschen zu verletzen, auch das Gebot eines Mindestmaßes an gegenseitiger Achtung umfasse. Auch dürften insoweit zu einem Teil - etwa bei Sendungen beleidigenden Inhalts - "allgemeine Gesetze" eingreifen. Eine Verpflichtung zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information fehlt indessen ganz, mag sie auch - namentlich für inländische Programme - nach dem für deren Veranstaltung geltenden Recht bestehen. Insofern beanstanden die Antragsteller in der Sache zu Recht, daß § 44 Abs. 3 Satz 1 LRG die Vorschrift des § 13 nicht nenne. Die Verpflichtung zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information braucht nicht in der Form oder gar in den Worten des § 13 LRG begründet zu werden. Da sie jedoch in § 44 Abs. 3 Satz 1 LRG nicht enthalten ist, erscheint die Regelung insoweit mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
bb) Anders als die Mediengesetze einer Reihe anderer Bundesländer (vgl. etwa Art. 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Bayerischen Medienerprobungs- und -entwicklungsgesetzes) enthält das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz keine Regelung, die eine Gegendarstellung gegenüber in Niedersachsen verbreiteten Rundfunkprogrammen sicherstellt. § 18 LRG betrifft lediglich im Land

BVerfGE 73, 118 (201):

veranstaltete Programme. Gesicherter Schutz besteht infolgedessen für den Betroffenen nur insoweit, als ihm die Mediengesetze anderer Bundesländer einen Gegendarstellungsanspruch gegen den dort ansässigen Veranstalter einräumen. Anders kann es sich verhalten gegenüber Veranstaltern, die ihren Sitz im Ausland haben, zumal nicht alle ausländischen Rechtsordnungen einen materiell und verfahrensrechtlich effektiven Gegendarstellungsanspruch einräumen. Der Betroffene ist hier zwar nicht rechtlos gestellt; das Landesrundfunkgesetz stellt jedoch nicht sicher, daß nur solche Rundfunkprogramme in Niedersachsen verbreitet werden, gegen die eine effektive und medienspezifische Rechtsschutzmöglichkeit für den von einer Darstellung Betroffenen besteht.
Eine solche Vorkehrung ist durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geboten: Dieses verpflichtet den Gesetzgeber angesichts der Gegebenheiten der modernen Massenkommunikationsmittel zu einem wirksamen Schutz des Einzelnen gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individualsphäre. Insbesondere muß dem von einer Darstellung in den Medien Betroffenen die rechtlich gesicherte Möglichkeit eingeräumt werden, dieser mit seiner Darstellung entgegenzutreten; im anderen Fall wäre er zum bloßen Objekt öffentlicher Erörterung herabgewürdigt (BVerfGE 63, 131 [142 f.]). Wenn daher der niedersächsische Gesetzgeber es versäumt hat, bei der Regelung der Voraussetzungen einer Weiterverbreitung von Rundfunksendungen den insoweit gebotenen Persönlichkeitsschutz sicherzustellen, ist dies mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.
cc) Soweit § 44 Abs. 3 Satz 2 LRG über Satz 1 hinaus die Anforderungen des § 15 auf anzeigepflichtige Programme erstreckt, die innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes veranstaltet werden, ist ein Verstoß gegen Verfassungsrecht hingegen nicht zu erkennen.
Unproblematisch ist diese Regelung für herangeführte Programme, die nach dem Recht, nach dem sie veranstaltet werden, dem Erfordernis inhaltlicher Binnenpluralität entsprechen müs

BVerfGE 73, 118 (202):

sen; deren Verbreitung ist zulässig. Stört ein anzeigepflichtiges Tendenzprogramm in erheblichem Maße die Ausgewogenheit der übrigen Programme, so daß seine Einspeisung mit § 44 Abs. 3 Satz 2 LRG nicht in Einklang steht, und wird die Verbreitung des Programms aus diesem Grunde untersagt (§ 44 Abs. 4 Satz 1 LRG), so unterliegt das verfassungsrechtlich keinen Bedenken.
Ebensowenig läßt sich beanstanden, daß die Verbreitung von Programmen ausländischer Veranstalter den Anforderungen des § 15 LRG nicht unterworfen worden ist. Sachlich erscheint das vertretbar, weil diese Programme in aller Regel nicht speziell für die Bundesrepublik bestimmt sind und die Meinungsbildung demgemäß nicht im gleichen Maße beeinflussen wie inländische Programme, dies um so weniger, als sie überwiegend nicht in deutscher Sprache verbreitet werden. Auch könnte von ausländischen Veranstaltern kaum verlangt werden, daß in ihren Programmen die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen der Bundesrepublik angemessen zu Wort kommen, wie § 15 LRG das vorschreibt.
Schließlich sind auch keine ernsthaften Gefährdungen der Rundfunkfreiheit ersichtlich, die sich aus den geringeren Anforderungen an Werbung in verbreiteten Programmen ergeben könnten. Für diese macht § 44 Abs. 3 Satz 3 LRG lediglich § 26 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 LRG verbindlich, dies auch nur in anzeigepflichtigen deutschsprachigen Programmen. Danach muß Werbung vom übrigen Programm deutlich getrennt werden; sie ist nur in Blöcken zulässig; Unterbrechungswerbung ist nur einmalig und nur bei Sendungen von über 100 Minuten Dauer gestattet (§ 26 Abs. 1). Ferner muß die Werbung mindestens landesweiten Bezug haben (§ 26 Abs. 5 Satz 2). Diese Regelungen sind als ausreichend anzusehen, zumal den von der Anwendung ausgenommenen Vorschriften des § 26 LRG keine oder nur geringe praktische Bedeutung zukommt (vgl. oben IV 2*).
dd) Die insgesamt niedrigeren Anforderungen, die das Landes

BVerfGE 73, 118 (203):

rundfunkgesetz an die Verbreitung von Programmen stellt, könnten allerdings, wie die Antragsteller zutreffend hervorheben, Anlaß geben, die strengeren Bestimmungen über die Veranstaltung von Rundfunksendungen, insbesondere auch die Gebote des § 15 LRG zu umgehen; die Anbieter könnten die Programme an einem Ort veranstalten, an dem sie nur geringfügigen Einschränkungen unterliegen, und sie dann nach § 44 Abs. 3 LRG in niedersächsische Kabelanlagen einspeisen lassen. Dies gilt namentlich für Programme deutscher Veranstalter, die aus dem Ausland herangeführt werden.
Im Gegensatz zu anderen Landesmediengesetzen enthält das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz keine Regelung, die einer solchen Entwicklung durch besondere Vorschriften entgegenzuwirken sucht. Den Antragstellern ist jedoch nicht zu folgen, wenn sie darin einen Verfassungsverstoß erblicken. Art und Ausmaß der zu befürchtenden Gefahren lassen sich derzeit kaum sicher abschätzen. Sollte sich freilich ergeben, daß die bestehenden Regelungen nicht ausreichen, um Gefahren für die Rundfunkfreiheit wirksam entgegenzutreten, wird es Aufgabe des Gesetzgebers sein, im Wege der Nachbesserung für Abhilfe zu sorgen.
ee) Entgegen der Ansicht der Antragsteller und einiger Stellungnahmen sind auch die Regelungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, durch welche das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz die Einhaltung der erörterten Vorschriften sichert. Weder das Verfahren noch der Umfang und die Mittel der Kontrolle lassen wesentliche Mängel erkennen.
Soweit die in niedersächsischen Kabelnetzen weiterverbreiteten Programme den Anforderungen der §§ 11-15 und § 26 entsprechen müssen, unterliegen sie der Kontrolle des Landesrundfunkausschusses (§ 28 Abs. 1 LRG). Bei Verstößen sind die zu treffenden Maßnahmen hingegen Sache der Erlaubnisbehörde, welche diese Maßnahmen auf Ersuchen des Landesrundfunkausschusses trifft (§ 44 Abs. 4 Satz 5 LRG). Die Erlaubnisbehörde untersagt die Verbreitung eines Programms, wenn dieses wiederholt gegen die in § 44 Abs. 3 genannten Bestimmungen oder gegen sonstige

BVerfGE 73, 118 (204):

Vorschriften der allgemeinen Gesetze verstößt (§ 44 Abs. 4 Satz 1). Bei Verstößen gegen die Vorschriften über die Werbung ist nur diese zu untersagen (§ 44 Abs. 4 Satz 2). Die Untersagung muß vorher schriftlich angedroht worden sein (§ 44 Abs. 4 Satz 3). Den für die Verbreitung Verantwortlichen obliegt es, der Erlaubnisbehörde und dem Landesrundfunkausschuß die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen vorzulegen (§ 44 Abs. 5 Satz 1).
Wenn das Gesetz damit - abweichend von allen anderen Landesmediengesetzen - einen Teil der Zuständigkeiten auf die Erlaubnisbehörde verlagert hat, so ist eine Notwendigkeit hierfür nicht erkennbar. Da die Erlaubnisbehörde indessen nicht ohne das Einvernehmen des Landesrundfunkausschusses tätig werden kann (§ 44 Abs. 4 Satz 5 LRG), können insoweit Bedenken nicht erhoben werden. Ebensowenig läßt sich die Regelung, wie die Antragsteller meinen, wegen des "dünneren" Kontrollmaßstabs beanstanden. Wo die materiellrechtlichen Anforderungen niedriger sind, ist auch weniger zu kontrollieren. Wenn ferner als einzige Sanktion die Untersagung der Verbreitung vorgesehen ist, so dürfte diese auch das allein in Betracht kommende und verfügbare Mittel sein; eine Anweisung, den Verstoß zu unterlassen (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 LRG), schiede aus, weil niedersächsische Behörden nicht befugt wären, Veranstaltern außerhalb des Landes Weisungen zu erteilen. Die Feststellung eines Verstoßes, an die als mildestes Mittel zu denken ist, bleibt der Erlaubnisbehörde stets unbenommen; sie ist sogar unerläßlich, um eine Androhung der Untersagung zu begründen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller kann die Kontrolle auch nicht deshalb als unzureichend betrachtet werden, weil die Sanktion der Untersagung erst bei wiederholten Verstößen auszusprechen ist; es erscheint durchaus verhältnismäßig, wenn dieser erhebliche Eingriff an erschwerte Voraussetzungen geknüpft wird. Soweit die Antragsteller im übrigen rügen, daß nur gegen schwerwiegende, nicht gegen einfache Verstöße eingeschritten werden könne, gilt nichts

BVerfGE 73, 118 (205):

anderes als für die Veranstaltung von Rundfunksendungen (oben II 2 c*).
Sind hiernach die Mittel der Kontrolle geeignet und ausreichend, so gilt das gleiche für die in § 44 Abs. 5 LRG normierte Verpflichtung der für die Programme Verantwortlichen, der Erlaubnisbehörde und dem Landesrundfunkausschuß die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen vorzulegen. Zu einer Aufzeichnung der Sendungen sind allerdings nach § 17 LRG nur die Veranstalter verpflichtet, während das Gesetz eine entsprechende Pflicht für verbreitete Programme nicht begründet. Das vermag indessen weder einen Schluß auf die Verfassungswidrigkeit des § 17 LRG noch durchgreifende Bedenken gegen die Gesamtregelung der Kontrolle zu begründen: Oft sind aufgrund des am Veranstaltungsort geltenden Rechts Aufzeichnungen herzustellen und verfügbar zu halten, deren Vorlage nach § 44 Abs. 5 LRG verlangt werden kann. Im übrigen hat der Landesrundfunkausschuß, sofern er ohne Aufzeichnung seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen kann, selbst für eine solche Sorge zu tragen, was mit Hilfe einiger Aufzeichnungsgeräte unschwer möglich ist.
Herzog, Simon, Hesse, Katzenstein, Niemeyer, Heußner, Henschel